3. Kapitel - JAMIE
"Ja, Mom. Ja... mach dir keine Sorgen... Ja, mir geht es gut... Ja, ich esse genug. Hey, ich muss jetzt auflegen. Ich ruf dich morgen wieder an... Okay... ich hab dich auch lieb... Bye."
Ich kann es ihr nicht Übel nehmen, immerhin ist ihr jüngstes Kind ausgezogen und dann auch noch über 1.200 km weit weg von Zuhause. Seit ich klein war wollte ich schon immer in Chicago leben. Damals hatte ich allerdings noch gedacht, dass es etwas anders laufen würde.
Meine Mutter machte sich natürlich Sorgen um mich. Und Joy, meine große Schwester war mir auch keine besondere Hilfe, denn wenn meine Mom mich nicht anrief tat sie es pausenlos, um zu fragen wie es mir denn ginge.
Wie soll es mir schon gehen?
Ich bin endlich in die Stadt gezogen in der ich immer leben wollte und würde jetzt gleich meinen ersten Arbeitstag beginnen.
Als ich die Feuerwehrwache der 124 betrat kam mir sofort ein Mann, der ungefähr Anfang Vierzig sein musste, entgegen. Er begrüßte mich mit einem festen Handschlag und stellte sich als Schmidt vor. Ob das wohl sein Vor- oder Nachname war?
Keine Ahnung.
Er war der Captain der Wache und gab mir eine Führung durch die Station. Er stellte mir auch gleich jeden vor den wir über den Weg liefen. Zum Schluss zeigte er mir noch wo die Duschen und die Umkleide samt Spinden waren. Dort kam sofort ein groß gebauter Mann, welcher etwa in meinem Alter war mit dunkler Haut und fast schwarzem Haare auf uns zu.
"Oh, hi, ich bin Luke und du bist wohl der Neue?" Ich fühlte mich ein wenig überrumpelt.
"Äh, ja ... Ich bin übrigens Jamie."
"Ah cool. Nett dich kennenzulernen. Gefällt es dir hier? Hab gehört, dass du nicht von hier bist." Ich konnte kaum zu Wort kommen. Ich weiß noch nicht was ich von dem Kerl halten soll, aber bis jetzt scheint er ganz nett zu sein. "Total, die Stadt ist toll und die Leute hier sind mega freundlich." Antwortete ich nur.
"Cool... Ach warte, mein Kumpel ist hier auch irgendwo. Ich guck Mal wo der bleibt, der Spacken muss hier irgendwo sein..."
Na das konnte ja witzig werden. Luke ging kurz weg und wollte anscheinend den Typen holen. Daraufhin kam er um die Ecke, gefolgt von einem jungen Mann und ich hätte schwören können, dass die Zeit für einen Moment still stand.
Es war unmöglich ihn nicht wieder zu erkennen, dennoch hatte er sich sehr verändert. Seine dunkelbraunen Haare trug er immer noch kurz, aber er war nicht mehr der dünne Teenager, den ich in meiner Erinnerung hatte. Muskeln hatte er aufgebaut und sein Gesicht zierten nun ein paar Bartstoppeln.
Er trug ein schwarzes T-Shirt mit dem Logo der Feuerwehr und so konnte ich das Tattoo sehen, welches nun seinen linken Arm zierte.
Dass ich ihn noch einmal Wiedersehen würde, hätte ich nie gedacht.
Als er realisierte wer da vor ihm stand wich das Lächeln sofort aus seinem Gesicht und seine Miene verhärtete sich. Ich dachte, dass es schon nicht so schlimm werden würde und reichte ihm die Hand. Allerdings stand vor mir eine Wand aus Eis, die auch schon im nächsten Moment buchstäblich verschwunden war. Er hatte uns den Rücken zugekehrt und den Raum ohne ein Wort verlassen.
"Darf ich vorstellen: Alex. Aber normalerweise ist der nicht so drauf. Merkwürdig." Luke starrte nur an den Platz wo ER eben noch stand und schaute ziemlich verwirrt drein.
Der Tag zog sich sehr in die Länge. Der Hauptgrund war natürlich Alex. Ihn wiederzusehen verschlägt mir immer noch die Sprache. All die Jahre hab ich nichts von ihm gehört. All die Jahre hatte ich keine Ahnung was aus ihm geworden war und jetzt, jetzt ist er hier in der gleichen Stadt, am gleichen Ort. Ich hätte nie damit gerechnet, dass wir uns wieder begegnen würden. Damals war er einfach verschwunden, er hatte keine Nachricht hinterlassen, nicht einmal verabschiedet hatte er sich. Er war wie vom Erdboden verschluckt. Ich wusste nichts. Nicht wieso er gegangen war oder wohin er gehen würde. Ich hatte mir immer wieder ausgemalt wie es sein würde, wenn wir uns wieder begegnen sollten, aber irgendwann gab ich die Hoffnung auf und lebte einfach weiter. Dennoch plagte mich mein Gewissen. War er wegen mir gegangen? Natürlich konnten es auch zehntausend andere Gründe gewesen sein, aber dennoch frage ich mich, ob es meine Schuld war.
Ich lernte das ganze Team kennen und alle schienen sehr nett und freundlich zu sein. Ich verstand mich auf Anhieb mit allen und fühlte mich sofort wohl. Luke zeigte mir noch den Rest der Wache und erzählte mir wie es normalerweise hier so ablief. Ich wollte ihn so gerne über Alex fragen, aber ich wusste nicht, ob das so eine gute Idee gewesen wäre. Ich meine, er geht mir schon bewusst den ganzen Tag aus dem Weg und tut so als ob ich Luft wäre. Er wirkt einfach nur kalt, aber früher oder später wird er mit mir reden müssen. Schon als wir noch Kinder waren verhielt er sich so, wenn ihm irgendetwas gar nicht passte. So wie das eine Mal als Joy mit uns spielen wollte. Er ignorierte sie die ganze Zeit, weil er Angst hatte, dass sie mich ihm wegnehmen würde. Seine Angst war eigentlich total unbegründet, aber wenn man Alex kennt weiß man, dass er große Verlustängste hat. Ist ja auch kein Wunder bei seiner Vergangenheit. Er hat Angst die Leute, die ihm am nächsten stehen zu verlieren und lässt die Meisten daher erst gar nicht an sich heran.
Aber nicht mit mir, ich kenne dieses Spiel und Alex ist mir nach 8 Jahren eine Erklärung schuldig.
"Alles gut bei dir Jamster?"
"Hä, ja was?" Ich war so in Gedanken, dass ich Luke gar nicht mehr wahrgenommen hatte.
"Ich hab dich nur gefragt, ob du Bock hast nachher mit uns was trinken zu gehen?"
"Ja gerne, sind alle mit dabei?" Ich wollte wissen ob Alex auch mit kommen würde.
"Ich denke schon, also zumindest die, die morgen keinen Dienst haben." Das beantwortete meine Frage zwar nicht, aber ich beschloss trotzdem mitzugehen, um meine neuen Kollegen etwas besser kennenzulernen.
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