Fangornwald
Der Fangornwald war sehr alt, mystisch und gefährlich. Dieser Wald wurde normalerweise gemieden. Er war unheimlich und ich spürte die kalte Nässe in meinen Knochen. Baron war sehr nervös und sehr darauf bedacht, wo er hintrat. Mir wurde geraten, mich ruhig zu verhalten und keine hektischen Bewegungen zu machen. Ich befolgte den Rat und konnte hören, wie die Bäume miteinander redeten. Garantiert hatten sie mich bemerkt und würden sich austauschen, ob ich eine Gefahr war oder eine harmlose Reisende – wie es ja auch tatsächlich war. Bewusst hielt ich keine Waffe in der Hand, um die Baumgeister zu besänftigen.
In den Nächten musste ich ruhen, um weiterhin unauffällig zu sein und nicht über diverse Hindernisse auf dem Waldboden zu stolpern. Eine Verletzung wäre denkbar ungünstig.
Ich konnte kaum schlafen. Die Bäume unterhielten sich nachts besonders laut und bewegten sich in der Dunkelheit scheinbar auch besonders viel. Jeden morgen, an dem ich mit den ersten Sonnenstrahlen erwachte, standen die Bäume anders ... sie bildeten immerzu einen Kreis um Baron und mich. Ich fürchtete mich auf dem Waldboden zu schlafen, da ich nicht wusste, ob sie mich beobachteten, beschützten oder auf ihre Weise – mich bedrohten. Baron stellte sich zu Verfügung und so schlief ich jede Nacht auf seinen Rücken.
Jede Nacht träumte ich von der Vergangenheit. Auch von der als Mensch auf der Erde. Ich erinnerte mich an jeden einzelnen Moment an jeden Eigenartigkeit der Erde und die Wehmut überkam mich ein wenig, das alles hinter mir gelassen zu haben. Wer weiß, wie meine Zukunft dort ausgesehen hätte...? Als Mensch hatte ich keine Erinnerungen an mein Leben als Elb ... immer nur das Gefühl nicht so recht da hin zu gehören. Ein Traum brachte Erinnerungen hoch, die auch ein wenig Herzschmerz mit sich brachten.
„Lenya, komm zu mir." forderte Thranduil mich auf. Schüchtern und verunsichert tat ich wie mir geheißen. Der König wies mir einen Platz zu. Noch nie wurde ich zu einer Privataudienz zu ihm gerufen. Kaum das ich saß, begann er mit ausführlichen Gesten zu reden.
„Ich kann dich gut leiden Lenya. Elrond hat eine vorzeigbare Dame aus dir gemacht. Du hast Manieren und auch sonst viele Eigenarten, die ich an dir Schätze. Ich kam nicht umhin zu bemerken, dass du bis über beide Ohren in meinen Sohn verliebt bist... Es bricht mir das Herz Lenya, doch sein Herz ist anderweitig vergeben. Wir wissen beide, wem er zugetan ist .... So sehr ich mir auch wünsche das es anders wäre ... ich fürchte um dein Herz ... Du wärst nicht die erste Elbin, die am gebrochenen Herzen stirbt, weil die Liebe unerwidert bleibt ...."
Alles in mir krampfte sich zusammen. Der Kloß in meiner Kehle wurde immer größer und der Damm, welcher meine Tränen bisher zurückhielt, drohte zu brechen. Fürsorglich tätschelte der König meine Hand und sprach sanft weiter.
„Ich habe einen Auftrag für dich. Ich schicke dich und Arrian nach Lothlorien. Dort leben viele ehrenhafte Elbenkrieger ... Haldir und seine Brüder haben sich dort niedergelassen und keiner von ihnen hat bisher eine Frau fürs Leben finden können ... brech morgen auf.... Bleib dort, wenn du willst."
Das Gespräch nahm sein Ende – unfähig etwas zu erwidern, erhob ich mich und ging fort. Arrian galt es nun zu finden, um ihr von der Neuigkeit zu berichten, auch wenn ich noch nicht so recht wusste, was genau der Auftrag war. Doch die Absicht des Königs war eindeutig – er entband mich von den Pflichten in seinem Reich und machte mir den Weg frei, anderweitig sesshaft zu werden. Es kam wie es kommen musste – tollpatschig wie ich war, stieß ich direkt mit dem Prinzen zusammen.
„Lenya, wohin des Weges?"
Nach wie vor aufgewühlt von dem Gespräch mit dem König antwortete ich knapp: „Packen..."
„Wieso packen? Wo willst du hin?" irrte ich mich oder schwang Sorge in Legolas Stimme?
„Dein Vater schickt mich mit Arrian nach Lothlorien ... er stellt es mir sogar frei, dort zu bleiben."
Legolas packte mein Handgelenk, was mich dazu brachte ihn anzuschauen. „Was? Aber du kommst doch wieder?"
Überrascht von seiner eindringlichen Nachfrage, befreite ich meinen Arm aus seinem festen Griff und ging mit dem Worten „Wer weiß." einfach an ihm vorbei.
Ein wenig konnte ich den Bäumen nachfühlen, vor allem den Ents. Es gab aufgrund eines tragischen Vorfalls, den Zweibeiner verschuldeten, keine Entfrauen mehr. Die Baumgeister sorgten seit jeher für das Gleichgewicht im Wald und schützen ihn vor unerwünschten Eindringlingen, so gut sie konnten. Sicher, sie konnten nicht die Zeit zurückdrehen, hatten aber aus der Vergangenheit gelernt.
Ich erinnerte mich nicht, mich jemals so im Zwiespalt gefühlt zu haben. Ich war fasziniert und verängstigt gleichermaßen. Das flüstern der Bäume war mal da und mal nicht. Es gab Momente, da hörte ich meinen Atem, so leise war es. Die Ruhe war befremdlich, erdrückend und auch irgendwie heilsam. Heilsam – ja. Es heilte mich von Ängsten, Selbstzweifel und Wut. Ich trug das alles schon in der Menschenwelt viel zu lange mit mir herum. Davon befreit zu sein, verschaffte mir ein Funken Frieden im Herzen. Es kam mir vor, wie eine Bestimmung – ausgerechnet diesen Wald zu durchstreifen.
So ereignete es sich eines Abends, als die Sonne gerade unterging, dass ich ein Lied vor mir her summte. Baron spitze die Ohren und schien mir zu lauschen. Nach und nach ließ er seinen Kopf mehr fallen und entspannten zunehmend. Das tat er zum ersten Mal, seit wir uns in diesem Wald befanden. Der Wald veränderte sich von dem Moment an. Er schien nicht mehr so düster und ich vernahm Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach auf den Waldboden fielen. Vögel, die ihr Lied sangen hörte ich von nun an auch jeden Tag. Sie begleiteten mich mit ihrem Gesang, bis ich einschlief. Nichtsdestotrotz übernachtete ich weiterhin auf Barons warmen Rücken, sein Fell war weich und regelrecht einladenden – durch seine Nähe fühlte ich mich nicht allein und unbeholfen. Ich kam gut voran, da es hier niemanden und keine Hindernisse gab, die mich aufhielten. Wie lange würde ich wohl noch brauchen, um den Wald zu durchqueren?
Beinahe 3 Wochen wandelte ich immer weiter den Sternen folgend. Immer mehr fühlte ich mich dem Wald verbunden. Meist lief ich Barfuß und strich mit der Hand über die Rinde des ein oder anderen Baums.
Einige Tage später erreichte ich überraschend die Grenze, gänzlich unerwartet endete der Wald und weite Ebenen erstrecken sich vor meinen Augen. Wehmütig aber auch froh, meinen Ziel ein Stück näher zu kommen, lief ich darauf zu. Plötzlich bewegten sich die Bäume und versperrten mir den Weg. Ich versuchte irgendwie hindurch zu kommen, doch vergebens.
„Lenya, wir möchten, dass du bei uns bleibst! Wir haben dich beobachtet. Du bist eine Waldelbin, die im Einklang mit der Natur lebt. Bleib bei uns und du musst dich nie mehr fürchten!" Die Stimme war tief und umgab mich wie vom Wind getragen von allen Seiten. „Ich danke Euch. Alles wovor ich mich fürchte ist, dass ich nicht rechtzeitig bei meinem Geliebten bin, um ihn zu retten ... Ich habe euch viel zu verdanken ... der Wald hat mich verändert, ich fand mein altes Ich und schloss meinen Frieden mit dem Leben auf der Erde." Ich bekam keine Antwort, alles schien still zu stehen.
„LENYA!" stöhnte eine Stimme in den Wind, erst sehr laut und wiederholte sich noch zweimal immer leiser werdend, bis mein Name zuletzt gehaucht wurde. Ein Schauder überkam mich, denn die Stimme würde ich unter tausenden erkennen – ER rief nach mir... seine Zeit wurde knapper.
„Ich muss zu ihm! Er wird sterben, wenn ich hier bei euch bleibe!" sagte ich laut und bestimmt.
Nach einer kurzen Bedenkzeit rückten die Bäume auseinander. Ein Blütenregen fiel auf mich hinab und begleitete mich sanft zur Grenze.
Baron schien regelrecht aufzuatmen und galoppierte voraus auf die Steppe, die es zu überwinden galt, bevor wir Loriens Wälder erreichen werden. Ich hingegen nahm mir einen Moment und verabschiedete mich von dem liebgewonnenen Fangornwald. Die Steppe vor mir war karg aber auf ihre weise beeindruckend. Der Hengst hingegen fand eine Gruppe Wildpferde mit denen er sehr ausgelassen umhertollte. Er wirkte so glücklich, dass ich zu Fuß weiter ging und ihn nicht zu mir rief.
Die Sonne erhellte mir den Weg und wärmte meine müden Glieder. Ich wollte so viel Weg wie nur möglich hinter mir bringen, um nicht der Dunkelheit und möglichen Gefahren schutzlos ausgeliefert zu sein. Sobald ich den Wald Loriens erreichen würde, konnte ich mich in Sicherheit wissen, doch es war noch ein ganzes Stück bis dahin. Die Wälder Loriens galten als am Sichersten in ganz Mittelerde. Außerdem würde ich dort endlich meine Freunde wiedersehen. Schon lange fragte ich mich, wie es Arrian und Haldir in den letzten Jahren erging. Doch nun galt es die Ebenen von Rohan zu beschreiten und vielleicht auch erneut Bekanntschaft mit Einheimischen zu machen. Komme was wolle, es gab kein Hindernis für mich, welches ich nicht entgegen zu treten wagte.
Stets wachsam lief ich immer geradeaus über das üppige Steppengras. Doch wie es so ist, wenn keine Gefahr droht ... schweifen die Gedanken ab ... in die Vergangenheit.
„Lenya, was sollen wir dort?" stellte mir Arrian die berechtigte Frage. Schulterzuckend vertröstete ich sie. „Sicher bekommen wie die Antwort morgen. Hab Geduld meine Liebe."
Gemeinsam packten wir einige Sachen zusammen und unterhielten uns dabei. Wir waren beide noch nie im Reich Galadriels und voller Erwartungen. Meine Freundin überlegte laut, wie da die Männer wohl sein werden. Was uns in albernes Gelächter fallen ließ.
Ein Klopfen an der Tür lenkte die Aufmerksamkeit auf den unangekündigten Besucher. Tauriel stand in der Tür und grinste uns an. „Ich werde euch bis zur Grenze begleiten und den Weg weisen ... treffen wir uns morgen bei Sonnenaufgang in den Ställen?"
Tauriel ....
Sie hatte mir nie etwas getan, auch kein böses Wort entgegnet. Doch sie hatte Legolas Herz in der Hand und spielte damit, wie ein Kind mit seinen Puppen. Sie genoss die Aufmerksamkeit und die Extrabehandlung, sie flirtete für ihr Leben gern und nährte sich von den Schmeicheleien. Kurz gesagt, ich war eifersüchtig auf diese Frau und fragte mich immerzu, 'was hat sie, was ich nicht habe?'
„Das ist überflüssig. Wir finden den Weg selbst." antwortete ich knapp aber freundlich.
„Dann lass mich euch begleiten!" ertönte eine andere Stimme. Legolas war aufgetaucht und stand hinter der Rothaarigen.
„Wenn du darauf bestehst." winkte ich schulterzuckend ab.
„Kann ich dich kurz sprechen ... unter vier Augen?!" bat mich der Prinz, wobei es mehr wie ein Befehl klang.
Nach einem kurzen Blick zu Arrian, die mir aufbauend zunickte, folgte ich dem blonden Elb, der sich ein paar Schritte von mir entfernte. Zu meiner Überraschung ging er zu seinem Gemach und bat mich einzutreten. Schüchtern folgte ich seiner Bitte und nahm auf einer gemütlichen Bank platz, wie mir durch eine Geste geheißen. Legolas wiederum kramte in seinem Schrank. Was suchte er nur?
„Aha, wusste ich doch, ..." murmelte er zu sich selbst. Freudestrahlend wand er sich zu mir um und hielt etwas in der Hand. Er streckte es mir entgegen und ich erkannte einen etwas längeren Dolch, welcher meinen Namen eingraviert hatte. Erstaunte blickte ich ihn an. Er jedoch drehte die Waffe und bedeutete mir zu lesen. 'dein Legolas'
Mein Atem stockte. Was wollte er mir damit sagen? Die Frage musste wohl auch in meinem Gesicht geschrieben stehen.
„Komm wieder!" bat er mich eindringlich.
Der Prinz nahm meine Hand und übergab mir den Dolch. „Lieber wäre mir noch, du würdest hier bleiben. ..." Die Stimmung veränderte sich. Wehmut lag in der Luft.
„Dir wird gar nicht auffallen, dass ich fort bin." versuchte ich zu scherzen. Schmunzelnd wand er sich um und kehrte mir den Rücken zu. Es war Zeit zu gehen.
Legolas stand auf dem Balkon sich am am Geländer abstützend mit seinem Blick über das Grün schweifend. Mit meinen Fingern fuhr ich über die Gravur des Dolches, welchen er mir schenkte. Tief durchatmend ging ich zu ihm. Vorsichtig legte ich meine Hand auf seine Schulter. Sein Kopf drehte sich zu mir. „Ich danke dir von Herzen – mein Freund!"
Seine Hand griff nach meiner – ein Schauder durchfuhr mich bei der Berührung.
Seine Lippen berührten sanft meinen Handrücken, was mir zusätzlich die Schamesröte ins Gesicht schießen ließ.
„Ich weiß es nicht – Legolas. Ich weiß nicht, wann oder ob ich wiederkomme. Doch du weißt, wo du mich findest ..." Der schöne Elb sah mir tief in die Augen. Ich konnte nichts mehr sagen und er war auch etwas Wortkarg.
Nickend ließ er meine Hand los und wand seinen Kopf wieder der Aussicht zu.
„Wir sehen uns morgen früh. Schlaf gut und erhole dich." verabschiedete er sich von mir.
Mit wackligen Beinen entfernte ich mich von ihm. „Danke ... danke für dein wunderschönes Geschenk! Gute Nacht – Legolas, mein Freund!"
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