Kapitel 23 Emily
"Du hast die Wohnung übrigens echt schön eingerichtet", meine ich nervös zu ihm und lege meine Tasche sowie meine Jacke an der Garderobe ab, bevor ich mir noch die Schuhe ausziehe.
"Du warst doch schon mal hier?"
"Ja, aber da warst du ja nicht gerade ansprechbar...", erinnere ich ihn, was ihm ein unsicheres Lächeln auf die Lippen zaubert.
"Stimmt...sorry nochmal. Das war echt keine Absicht."
"Wirklich? Es war nicht deine Absicht, verprügelt zu werden? Das beruhigt mich jetzt doch etwas...", erwidere ich schmunzelnd und sehe mich genauer im Wohnzimmer um, während er unschlüssig mitten im Raum stehen bleibt und mich dabei beobachtet. Allerdings gibt es nicht viel anzuschauen, abgesehen von ein paar Büchern und mehreren Ordnern in einem Regal auf der rechten Seite. Keine Bilder oder sonst irgendwas Persönliches. Anstatt, ihn deswegen zu befragen, setze ich mich auf die dunkelgraue Couch und schließe kurz die Augen. Ich muss mich dringend ausruhen, sonst drehe ich noch durch.
"Möchtest du etwas trinken? Oder essen?", fragt er mich leise und ich spüre, dass er direkt vor mir steht. Mit geschlossenen Augen nicke ich und höre, wie er Richtung Küche geht. Eigentlich wäre ich sonst niemals so unhöflich, aber mein Tag war dezent scheiße. Zwar ist es absolut nicht richtig, dass an ihm auszulassen, aber überraschenderweise scheint er doch Rücksicht auf mich zu nehmen. Als ich zugestimmt habe, hier bei ihm zu schlafen, hätte ich eher mit etwas anderem gerechnet. Mit billigen Anmachen. Oder mit dem Versuch, mich in sein Schlafzimmer zu bringen.
"Hier", meint er ruhig zu mir und als ich die Augen öffne, hält er mir ein großes Glas Wasser vor die Nase. Dankbar nehme ich es an, wobei sich unsere Finger kurz berühren. Schnell ziehe ich meine Hand wieder weg, weil diese kurze Berührung sich wie ein Stromschlag anfühlt, und trinke es in einem Zug aus. Ich bekomme immer so schlimme Kopfschmerzen, wenn ich geweint habe und hoffe, das mit dem Wasser verhindern zu können.
"Wollen wir Pizza bestellen?"
"Das wäre toll."
"Okay, was möchtest du?"
"Such du einfach für mich aus", antworte ich faul, woraufhin er mich unsicher ansieht.
"Ganz sicher?"
"Solange es nicht scharf ist, bin ich mir sicher", bestätige ich mit einem leichten Lächeln, lege mich auf die lange Seite der L-förmigen Couch und schließe wieder die Augen. Im Hintergrund höre ich Collins Stimme mit dem Lieferservice telefonieren, was mich davon abhält, komplett einzuschlafen. Stattdessen döse ich nur so vor mich hin, doch das ist besser so. Collin würde mich sicher aufwecken, wenn die Pizza kommt und außerdem habe ich unglaublich Hunger. Noch etwas, was mich im Moment wahnsinnig macht. Ich halte es einfach nicht aus, stundenlang nichts zu essen UND einen halben Nervenzusammenbruch zu haben. Eigentlich würde ich mir jetzt was Süßes gönnen, aber irgendwie wäre mir das vor Collin extrem unangenehm. Vor allem, weil er uns gerade Pizza bestellt hat. Oh man...durch das viele Nachdenken spüre ich, wie mein Kopf anfängt, zu pochen. Langsam reibe ich mir meine Schläfen und hoffe, dass es etwas bringt.
"Willst du eine Kopfschmerztablette?", fragt Collin mich, der sich bei meinen Füßen auf das lange Ende gesetzt hat, und ich zucke überrascht zusammen, weil ich ihn komplett vergessen habe.
"Nein, es geht schon...", lüge ich, obwohl es vielleicht besser wäre, aber ich möchte nicht noch schwächer wirken als sowieso schon.
"Ganz sicher?", erkundigt er sich erneut und ich versuche, ein Grinsen zu unterdrücken. Er kann wirklich ganz süß sein, wenn er so besorgt ist. Aber wieso sollte er sich Sorgen machen...?
"Ja...aber kann ich mir noch etwas Wasser holen?"
"Natürlich. Gib mir das Glas, ich hole es dir", bietet er an, doch ich schüttele schnell den Kopf, springe auf und gehe selbst zur Spüle, damit ich ihm nicht noch mehr Umstände mache. Als ich zurückkomme, hat Collin gerade die Fernbedienung in der Hand und switcht durch die Kanäle.
"Kommt nichts, was dir gefällt?", frage ich ihn schmunzelnd und nehme einen Schluck Wasser, bevor ich mich wieder neben ihn setze.
"Nicht wirklich. Möchtest du etwas auf Netflix aussuchen?", bietet er mir an, doch mein Blick fällt auf seine Xbox, die links von seinem Fernseher steht.
"Du zockst?"
"Ab und zu. Willst du spielen?"
"Klar. Was hast du so für Spiele?"
"Gerade ist Zombie Army 4 drinnen."
"Zombies? Echt jetzt?", frage ich ihn kritisch und ziehe meine Augenbraue hoch.
"Eher nicht so deins?"
"Nein, nicht wirklich", erwidere ich lachend, weshalb er mich mit einem breiten Grinsen ansieht.
"Ich hätte auch Battlefield da, wenn dir normale Menschen lieber wären."
"Viel lieber", stimme ich zu, woraufhin er das Spiel startet und mir den Controller in die Hand drückt. In der nächsten halben Stunde passiert ziemlich viel. Zum einen merkt Collin, dass es ein Fehler war, mit mir zu zocken, da ich weit in Führung liege. Zum anderen sehe ich eine ganz andere Seite an Collin. Ich wusste ja, dass er Stimmungsschwankungen hat, aber das hier ist schon echt extrem. Alle paar Minuten wechselt er von kompletter Begeisterung zu totaler Frustration, wenn er sieht, dass ich die Runde doch noch gewinne. Ist irgendwie echt niedlich...
Zum Glück reißt mich die Klingel aus meinen Gedanken und augenblicklich stoppe ich das Spiel. Sofort drücke ich den Knopf für die Tür unten, öffne die Wohnungstür und hole etwas Geld aus meiner Tasche.
"Was soll das werden?", fragt Collin dicht hinter mir und ich drehe mich leicht zu ihm um.
"Nach was sieht es denn aus?"
"Als würdest du bezahlen wollen."
"Richtig, Sherlock."
"Du musst das nicht tun."
"Doch, muss ich. Ich bin deine Nachbarin, die sich dir blöderweise aufzwingt. Keine Frau, die du einladen musst."
"Siehst du das so? Dass der Mann die Frau einladen muss?"
"Nein, aber du, oder? Sonst würdest du jetzt nicht hinter mir stehen", erwidere ich neckisch und im Augenwinkel sehe ich, wie sich sein Blick verändert. Und zu meinen Lippen gleitet. Wie von der Tarantel gestochen drehe ich mich wieder um und gehe zwei kleine Schritte nach vorne, um etwas Abstand zwischen uns zu bringen.
"Wieso siehst du es nicht so?", höre ich ihn hinter mir fragen, nachdem kurz peinliche Stille geherrscht hat.
"Naja...es ist eine nette Geste, aber es muss nicht sein", antworte ich kurz, weil in dem Moment der Pizzabote oben ankommt. Ein gutaussehender Typ Mitte 20. Natürlich. Ich persönlich glaube ja, dass dahinter eine Verkaufsmasche steckt. Menschen - besonders Frauen - bestellen viel öfter Essen, wenn sie wissen, dass ein heißes Male Model zu ihnen nach Hause kommt.
"Hey", begrüßt er mich freundlich und lächelt mich charmant an.
"Hi."
"Hier, deine Pizzen", meint er und drückt mir die Pizzaschachteln in die Hand, während ich ihm das Geld gebe.
"Danke. Das passt so."
"Danke dir. Ich bin übrigens Chris", stellt er sich höflich vor, doch bevor ich etwas sagen kann, kommt Collin an meine linke Seite und legt seinen Arm um meine Schultern. Noch in der gleichen Sekunde spüre ich, wie sich eine Gänsehaut auf meinem gesamten Körper breit macht.
"Schön für dich. Machs gut, Chris", übernimmt Collin das Wort und wirft die Tür ins Schloss.
"Was war das denn?", frage ich ihn, weil ich mir sein komisches Verhalten einfach nicht erklären kann.
"Keine Ahnung, was du meinst. Hunger?", fragt er mich und nimmt mir, ohne eine Antwort abzuwarten, die Schachteln ab. Verwirrt sehe ich ihm nach, wie er sich auf den Boden fallen lässt, die Pizzen auf den Wohnzimmertisch abstellt und auf den Platz neben sich klopft, damit ich mich zu ihm setze. Schmunzelnd tue ich, was er verlangt und öffne den Karton.
"Pizza Speziale?"
"Ja...naja, ich dachte, so kannst du immer noch runter tun, was dir nicht schmeckt", erklärt er mir weise und seufzt danach genervt auf.
"Was ist?"
"Es läuft absolut nichts Gutes im Fernsehen."
"Wenn wir fertig gegessen haben, können wir auch gerne weiter zocken", biete ich ihm an und nehme mir schon mal das erste Stück Pizza, doch er schüttelt schnell seinen Kopf.
"Nein, bitte nicht. So eine Tragödie muss ich nicht nochmal erleben...", erwidert er nur und ich verschlucke mich fast an meinem Essen bei dem traurigen Unterton in seiner Stimme.
"Wie wäre es mit Saw?"
"Du denkst, ich kann Horrorfilme schauen, wenn ich schon keine Zombies sehen kann?"
"So schlimm?"
"Ich bekomme dann immer Albträume...", sage ich ihm die Wahrheit, weiche seinem Blick aber aus.
"Ich bin ja da...", versucht er, mich zu beruhigen, doch ich schüttele den Kopf.
"Eben. Du bist da. Ich will dich nicht beim Schlafen stören."
"Das würde mir nichts ausmachen."
"Collin, bitte", flehe ich ihn an und langsam spiegelt sich Verständnis in seinen moosgrünen Augen wider.
"Na gut, dann suchst du jetzt aber was aus. Mich treibt das sonst noch in den Wahnsinn", gibt er zu und drückt mir die Fernbedienung in die leere Hand. Oh man...ich kann mich doch auch nie entscheiden...oder warte....
"Wie wäre es damit?", frage ich ihn, nachdem ich einen bestimmten Film gefunden habe, und er blickt hoch zum Fernseher, als er gerade in sein drittes - wie schnell isst er bitte?! - Stück beißen will.
"Hidden Figures?"
"Kennst du den schon?", erkundige ich mich und sein Kopfschütteln ist für mich das Zeichen, den Film zu starten.
"Worum geht es da?"
"Er handelt von drei dunkelhäutigen Frauen, die in den 60ern bei der NASA arbeiten und zu einem Großteil für den Erfolg in der Raumfahrt verantwortlich sind. Dabei werden sie in der Zeit auch mit Rassismus konfrontiert, da noch Rassentrennung herrscht."
"Sowas schaust du dir an?", fragt er mich überrascht und ich wende meine Augen vom Fernseher ab.
"Ja, ich liebe diesen Film. Wieso?"
"Nur so. Rassismus kann auch sehr schlimm sein...dann ist er also gut? Also wenn du ihn so magst?"
"Sehr gut. Und er beruht auf wahren Begebenheiten. Wenn man das weiß, ist es noch interessanter. Außerdem...ähm...spielt Jim Parsons mit und The Big Bang Theory ist eine meiner Lieblingsserien...", erkläre ich ihm leise und er fängt an zu lachen.
"Verstehe. Dann gebe ich dem Film mal eine Chance", verspricht er mir und wir essen weiter in Ruhe unsere Pizza. Nachdem wir fertig sind - beziehungsweise ich, weil er schon nach drei Minuten fertig war - stehe ich schnell auf, räume die Schachteln in die Küche und fülle erneut mein Glas auf. Glücklicherweise hält sich das Brummen in meinem Kopf wieder etwas zurück, sodass ich gemütlich den Film schauen kann. Als ich zurückkomme, sitzt Collin auf meinem Platz und bietet mir mit der Hand das lange Eckstück an.
"Nein, schon gut."
"Jetzt komm. Mach es dir gemütlich, wenn du mich schon nicht das Essen zahlen und aufräumen lässt", meint er nur und bevor ich weiter mit ihm diskutieren muss, gebe ich mich geschlagen und lasse mich in die Ecke fallen. Während ich mich bequem hinlege, rückt Collin etwas näher zu mir und ich sehe zu ihm hoch, da er sich im Gegensatz zu mir gerade gegen das Kopfteil lehnt.
"Für den Fall, dass du Angst bekommst", zieht er mich auf und ich verdrehe die Augen, woraufhin er lachen muss. Ansonsten sprechen wir kein Wort miteinander, vor allem, weil Collin total gefesselt davon zu sein scheint. Er ist so konzentriert auf den Film und bemerkt nicht mal, dass ich ihn anstarre. Ich weiß nicht mal genau, warum ich es tue, doch irgendwie beruhigt mich seine Anwesenheit. Es entspannt mich so sehr, dass ich nicht mal merke, wie mir die Augen erschöpft zufallen...
Hey meine Lieben!
Wie gefällt euch das Kapitel? Hättet ihr gedacht, dass es so gut abläuft zwischen den beiden?
Was passiert wohl im nächsten Kapitel? Habt ihr irgendwelche Vermutungen?
Schönen Dienstagabend noch!
Eure Liz :D
P.S.: Ich weiß, dass das Kapitel wieder etwas kürzer ist, aber zwei Freunde haben mich auf eine Idee gebracht und deshalb muss ich jetzt etwas umdisponieren. Hoffentlich stört euch das nicht :)
P.P.S.: Das hier ist wahrscheinlich das letzte Kapitel vor Weihnachten, also wünsche ich euch schon mal ein schönes Fest! :D
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