Kapitel 21 Collin
"Was hast du getan?", fragt Emily mich jetzt nochmal etwas lauter, doch irgendwie dringt es trotzdem nicht ganz zu mir durch. Scheiße, ich weiß doch selbst nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Sie war nur so laut und hat mich angeschrien. Und ich dachte, wenn ich sie beruhige, könnten wir vielleicht normal reden. Aber als sie mich dann so angesehen hat mit ihren schönen Augen...wie sollte ich mich da denn zurückhalten?!
"Collin? Hast du gehört, was ich gesagt habe?"
"Ja. Obwohl...eigentlich eher nicht", gebe ich ehrlich zu und sie fährt sich frustriert mit der Hand durch ihre Haare. Danach sehen sie etwas zerzaust aus, aber auch irgendwie sexy. Oh man...
"Wieso? Wieso musstest du das tun?"
"Du wolltest es auch..."
"Ich hatte gerade ein Date mit deinem besten Freund, Collin! Was denkst du dir eigentlich?! Vergiss es! Ich kenne die Antwort schon! Gar nichts! Du denkst dir gar nichts, weil dir alles egal ist! Verdammt...ich mag Finn!"
"Ach ja? Wieso wolltest du dann nicht von ihm geküsst werden, sondern von mir?"
"Das wollte ich absolut nicht!"
"Also hat es dir nicht gefallen?", frage ich sie, obwohl ich die Antwort schon kenne. Sie wohl auch, denn sie verstummt augenblicklich und vermeidet es, mir in die Augen zu sehen.
"Das ist unwichtig. Wir sind schlechte Menschen. Finn hat etwas viel Besseres verdient als das hier!"
"Er muss es ja nie erfahren."
"Wie bitte?!" Ja, wie bitte? Was rede ich da eigentlich?! Wenn es nicht verdammt wehtun würde, würde ich mich gerade am liebsten selbst verprügeln...Finn ist mein bester Freund! Wieso sage ich so etwas?! Gott, mich muss mal jemand kneifen! Das liegt alles an diesem blöden Kuss...
"Ach nichts...das war nur so dahingesagt", rede ich mich raus, doch Emily nickt nur.
"Du hast recht."
"Was?!"
"Er muss es nie erfahren."
"Du willst es ihm verheimlichen und so tun, als hätten wir uns nicht geküsst?!"
"Quasi."
"Das hätte ich nie von dir gedacht...", meine ich fassungslos zu ihr, dabei ist das alles meine Schuld.
"Was hast du denn von mir gedacht?"
"Dass du ein guter Mensch bist...", erwidere ich ernst und sie sieht mich wütend an.
"Das versuche ich ja! Aber du machst es mir nicht gerade leicht!"
"Du willst ihn anlügen, Emily! Das ist nicht gerade gut!"
"Spielst du jetzt den Moralapostel? Das sind ja ganz neue Seiten an dir. Und ja, ich lüge ihn an, aber nicht um meine eigene Haut zu retten, sondern, um ihn nicht zu verletzen. Ich werde ihm sagen, dass...dass das mit uns nichts wird und dann kann er sich jemanden suchen, der ihn wirklich verdient hat...", erklärt sie mir und ich höre den traurigen Ton in ihrer Stimme, der mich sofort bedrückt.
"Du magst ihn wirklich...oder?"
"Natürlich mag ich ihn! Finn ist ein unglaublich lieber Kerl, der nur das Beste für mich will! Während du mir nur Probleme machst und mich ins Bett bekommen willst! Ich hoffe, du bist jetzt zufrieden!", schreit sie mich an und ihre Worte sind wie ein Schlag in mein Gesicht.
"Ich...es tut mir leid...", entschuldige ich mich, doch sie schüttelt nur den Kopf.
"Lässt sich jetzt auch nicht mehr ändern."
"Emily...es tut mir ehrlich leid...kannst du mir verzeihen?", frage ich sie, obwohl ich weiß, dass es hoffnungslos ist. Sie sieht mich nur fassungslos an, bevor sie erneut den Kopf schüttelt.
"Ich wüsste nicht, wie das gehen sollte. Finn gibt sich so viel Mühe und du ruinierst alles mit einem einzigen Kuss...ich weiß ja, dass ich dir nicht viel bedeute, aber Finn ist dein bester Freund! Wie konntest du das ihm antun?"
"Ich weiß es nicht...aber denkst du nicht, wir sollten es ihm sagen?"
"Er ist dein Freund. Entscheide du das...aber ich werde ihm kein Mädchen aufzwingen, das sich hinter seinem Rücken von seinem besten Freund küssen lässt...das verdient er wirklich nicht."
"Ja, da hast du recht...", stimme ich ihr zu und lasse mich gegen die Wand fallen. Sie hat immer recht. Eigentlich sollte mich das mittlerweile echt nerven, aber im Moment macht mir das einfach nur mein Leben schwer. Und da ich sonst niemanden zum Reden habe, wende ich mich an Emily, die gerade in ihre Wohnung gehen will.
"Denkst du, er würde mir verzeihen?"
"Ganz sicher. Ob er das auch sollte, ist eine andere Frage", erklärt sie mir und sieht mich unsicher an. Anscheinend hat sie Angst, dass mich ihre Aussage verletzen könnte, doch das ist mir eigentlich egal. Die Frage ist eher, wieso sie deshalb Angst hat. Ich benehme mich ihr gegenüber wie ein Riesenarschloch und sie sorgt sich um mich? Ich wusste ja, dass mit ihr etwas nicht stimmt, aber das macht absolut keinen Sinn.
"Reden wir diesmal über den Kuss, Emily?", frage ich sie und bemerke, wie ihre Wangen augenblicklich noch röter werden als sowieso schon. Das liegt wohl noch an unserem Kuss. Er hat ihr gefallen und trotzdem will sie das mit mir einfach abhaken. Wieso verhält sich diese Frau so unlogisch?! Da kommt doch keiner mehr mit!
"Wir haben uns geküsst. Fertig. Ende. Aus. Das wars, Collin", meint sie nur und geht in ihre Wohnung, doch ich komme ihr nach und verhindere, dass sie die Tür schließen kann.
"Du hast es genauso gefühlt wie ich."
"Ich habe keine Ahnung, wovon du redest", erwidert sie ernst und sieht mir tief in die Augen.
"Bitte lüg mich nicht an, Emily. Diese Anziehung zwischen uns ist..."
"DA IST KEINE ANZIEHUNG ZWISCHEN UNS! UND JETZT LASS MICH IN RUHE!", schreit sie mich an, bevor sie mir mal wieder die Tür vor der Nase zuschlägt. Hergott...wieso sind Frauen so verdammt kompliziert?! Mit einem Fragezeichen auf der Stirn bleibe ich noch eine Minute vor ihrer Tür stehen, nur um dann in meine Wohnung zu gehen und dort im Kreis zu laufen, weil ich nicht weiß, was ich tun soll. Weder mit Finn noch mit Emily. Finn verdient die Wahrheit, das ist mir klar, aber ich bin mir wirklich unsicher, ob er mir das verzeihen würde. Emily war die Erste, bei der er wieder Interesse hatte, nachdem das mit seiner Ex so schieflief. Und Emily...sie wehrt sich gegen mich, obwohl sie es genauso gespürt hat wie ich. Ich habe schon viele Frauen geküsst, aber noch nie war es so wie bei ihr. Es war um so viele Längen besser. Allein der Gedanke daran lässt meinen Puls höherschlagen. Am liebsten würde ich nie wieder damit aufhören, sie zu küssen, doch das wird nicht passieren. Dafür vertraut sie mir nicht genug. Ich schätze mal, meine Vergangenheit als Aufreißer trägt auch nicht gerade dazu bei. Natürlich denkt sie, dass ich sie nur ins Bett kriegen will...
Bevor ich noch ein Loch in meinem Boden habe, ziehe ich mir meine Sportklamotten an und gehe laufen. Es ist mitten in der Nacht und so kalt, dass ich meinen Atem sehen kann, doch das ist mir egal. Wenn ich weiter zuhause rumsitze, werde ich verrückt. Ich laufe und laufe und laufe, bis ich nicht mal mehr weiß, wo ich bin, und es interessiert mich ehrlich gesagt auch nicht. Irgendwann bleibe ich stehen und stütze meine Hände auf den Knien ab, um kurz durchschnaufen zu können. Genau das ist der Grund, warum man sich von Frauen wie Emily fernhalten sollte. Es ging mir bestens, als ich sie noch nicht kannte und jetzt bringt sie alles durcheinander. Mein ganzes Leben, um genau zu sein. Dabei hätte ich nie gedacht, dass mir sowas mal passieren würde. Ich habe immer versucht, Frauen auf Abstand zu halten. Emotional zumindest. Aber bei ihr funktioniert das irgendwie nicht. Dafür ist schon zu viel passiert zwischen uns. Als ich merke, dass ich auf keine Lösung komme, rufe ich Nate an. Ich muss mit jemandem reden und er ist Meister in solchen Sachen. Dennoch bezweifle ich, dass er mir einen guten Rat geben wird, aber es geht nicht anders. Nach ein paarmal Klingeln nimmt er schon ab, doch wegen der lauten Partymusik verstehe ich kein Wort. Fünf Sekunden später höre ich eine Tür zuschlagen und die Musik verstummt.
"Hey, man. Was gibts?"
"Kannst du zu mir kommen? So in einer halben Stunde?", frage ich ihn, obwohl ich nicht mal weiß, ob ich es bis dahin nach Hause schaffe. Allerdings wird Nate sowieso zu spät kommen, also ist es auch egal.
"Ist was passiert?", erkundigt er sich bei mir, weil es natürlich mehr als seltsam ist, ihn mitten in der Nacht, zu mir zu bitten. Natürlich wird er auch ungern vom Feiern abgehalten. Ernste Angelegenheiten sind einfach nicht sein Ding.
"So ungefähr."
"Es geht nicht zufällig um ein gewisses Mädchen, oder?"
"Woher weißt du...?"
"Egal. Bin schon unterwegs", antwortet er nur und legt auf. Scheiße...wie kommt er denn darauf?
Bevor ich das Handy ausschalte, fällt mir auf, dass mein Vater mich angerufen hat. Er hat die letzten Wochen oft angerufen. Jeden Tag! Als hätte ich nichts Besseres zu tun. Aber das kann er vergessen. Seit der Sache bei seinem Bankett ist er für mich gestorben und dass er einfach bei mir zuhause aufgetaucht ist, war die Spitze des Eisbergs. Ich wollte nicht, dass er Emily kennenlernt. Genau genommen wollte ich ihn ja selbst nicht mal kennenlernen. Außerdem war sie seinetwegen sauer auf mich. Mal wieder! Nur, weil ich ihn so behandele, wie er es verdient hat. Genervt stecke ich mein Handy wieder ein und versuche, mir irgendwie Orientierung zu verschaffen. Nach einer Weile kenne ich mich wieder aus und sprinte nach Hause, was im Endeffekt total unnötig war, denn Nate ist natürlich noch nicht da. Das nutze ich aber zu meinem Vorteil und springe unter die Dusche, weil ich total durchgeschwitzt bin. Als ich fertig bin, höre ich die Klingel und ziehe mir nur schon mal eine Jogginghose an, damit Nate nicht neidisch wird. Schnell öffne ich ihm unten die Tür, lehne die Wohnungstür schon mal an und hole mir dann noch einen Pullover aus dem Schlafzimmer. Trotz der heißen Dusche ist mir immer noch arschkalt. Ich setze mich schon mal auf die Couch und sehe im Augenwinkel, wie Nate reinkommt und die Tür hinter sich schließt, bevor er seinen Blick auf mich richtet.
"Junge, du siehst vielleicht scheiße aus!", begrüßt er mich grinsend und geht dabei Richtung Küche, um sich ein Bier zu holen.
"Ebenfalls."
"Du hast mich von einer mega geilen Party weggeholt. Das kann einen schon deprimieren", erwidert er ernst und lässt sich neben mich auf die Couch fallen.
"Na dann. Lass hören, was das kleine Kätzchen jetzt wieder angestellt hat."
"Kleines Kätzchen?"
"Die mit den scharfen Krallen, du weißt schon...Emily", erklärt er mir und ich schüttele den Kopf. Das mit den Krallen stimmt zwar, aber der Spitzname passt absolut nicht zu ihr.
"Woher willst du wissen, dass es um sie geht?"
"Ernsthaft? Ich habe nicht viel Ahnung von Frauen, aber ich sehe es, wenn sie geil auf jemanden sind. Und die Kleine ist ja mal sowas von scharf auf dich. Das wusste ich spätestens seit der Sache mit Sam. Wie sie dich in Schutz genommen hat. Alter, sogar ich hatte kurz Schiss vor ihr."
"Sie war heute mit Finn aus..."
"Ich weiß. Und?"
"Was und?"
"Naja, du willst doch auf etwas hinaus, oder nicht?"
"Wir haben uns danach geküsst. Also....ich habe sie geküsst", gebe ich zu, doch Nate sagt nicht viel dazu, sondern nippt nur weiter an seinem Bier. Anscheinend überlegt er wirklich, wie er mir mit meinem Dilemma helfen könnte.
"War es gut?" Okay, wohl doch nicht...
"Nate!"
"Ach komm schon, gib mir ein paar Details. Wegen dir sitze ich jetzt hier und bin nicht mit einer scharfen Blondine auf meiner Rückbank."
"Es war...gut. Sehr gut sogar", antworte ich ihm und mir wird warm, als ich daran denke, wie sich ihre Lippen auf meinen angefühlt haben.
"Und mehr ist nicht passiert?"
"Nein. Sie...wir haben uns schlecht gefühlt wegen Finn."
"Sind die beiden schon zusammen?"
"Nein! Und das werden sie auch nie sein. Dafür habe ich gesorgt...Emily wird ihm sagen, dass das zwischen ihnen nichts wird. Sie möchte ihn nicht hintergehen."
"Sagt sie ihm auch, wieso?"
"Nein. Das soll ich entscheiden...", erwidere ich frustriert und setze mich aufrecht hin. Das ist doch total bescheuert. Wieso überlässt sie das mir? Laut ihr mach ich doch eh alles falsch...
"Frauen."
"Ist das alles, was du zu sagen hast?"
"Falls du dich nicht erinnern kannst, die weibliche Psyche gehört nicht gerade zu meinem Spezialgebiet. Aber ich könnte dir Nachhilfe in Anatomie geben", bietet er mir an, doch ich verziehe angewidert mein Gesicht.
"Nein, danke. Da brauche ich echt keine Hilfe. Nate, ich meine es ernst. Was soll ich tun?"
"Finn ist dein Freund. Emily ist nur irgendein Mädchen...oder?"
"Mhm...keine Ahnung...", weiche ich aus, weil ich mir da selbst absolut nicht sicher bin, aber das kann ich vor Nate nicht zugeben. Er würde mich sofort damit aufziehen, dass ich mich verknallt habe.
"Bros before Hoes. Das weißt du, oder?", fragt er mich und ich muss mich echt zurückhalten, nicht die Fassung zu verlieren, weil ich mich sonst sofort auf ihn stürzen würde.
"Ich mein, sie ist keine...aber der Sinn dahinter ist trotzdem der gleiche", korrigiert er sich schnell, als er meinen wütenden Blick sieht und ich entspanne mich etwas. Zum Glück. Es reicht, wenn ich mit einem meiner zwei besten Freunde ein Problem habe.
"Was heißt das jetzt genau?"
"Vergiss Emily und sag Finn ja nichts. Die sind nicht zusammen, also geht es ihn auch nichts an."
"Das klingt total falsch, Nate."
"Ach Quatsch, du gehst einfach nur den Weg des geringsten Widerstands", erwidert er nur und steht auf, um sich das nächste Bier zu holen. Irgendwo hat er ja auch recht, aber kann er mir mal erklären, wie ich Emily vergessen soll?
Hallo meine Lieben!
Wie gefällt euch das Kapitel? Wie findet ihr Nate und seine Aussage?
Ich bin ehrlich etwas unzufrieden mit dem Kapitel, aber ich schaue jetzt mal, was ihr sagt. Wenn es euch nicht gefällt, überarbeite ich es nochmal. :D
Schönen Dienstagabend noch!
Eure Liz :D
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