Kapitel 14 Collin
Also so habe ich mir den Abend ganz sicher nicht vorgestellt. Mein Vater wohl auch nicht. Kurz nachdem er uns gesehen hat, hat er schnell die Tür wieder zugemacht und ich vermute, dass er versucht hat, seine Kunden entweder zu beruhigen oder abzulenken. Was wahrscheinlich mehr oder weniger gut funktioniert hat. Aber wie erklärt man chinesischen Geschäftskunden auch, dass der eigene Sohn den Konferenztisch als Sexspielwiese benutzt hat?
"Hör nicht auf. Bitte", stöhnt Blondie vor mir und tut so, als hätte sie nicht mitbekommen, dass wir erwischt wurden. Oder es ist ihr einfach egal. In dem Fall fände ich ihre verbotene Art einfach heiß und wenn ich nicht schon einen Ständer hätte, dann wäre es spätestens jetzt so weit. Aber das kann ich meinem Vater trotzdem nicht antun. Es war nie geplant, dass er uns sieht. Wahrscheinlich denkt er jetzt, ich hätte das mit Absicht getan, um ihm den Abend zu ruinieren...
"Sorry, Süße. Aber du solltest jetzt besser gehen", erwidere ich und ziehe mich aus ihr heraus. Ich betrachte noch kurz ihre Rückseite, die nicht von schlechten Eltern ist, und hebe meine Hose und mein Jackett auf, um mich anzuziehen. Sie stützt sich vom Tisch hoch und lässt ihr Kleid wieder über ihren Arsch fallen. Wirklich schade, mir hat die Aussicht echt gefallen. Andererseits wollte ich es ja so. Sie zieht sich ihre Unterwäsche an und kommt auf mich zu.
"Blöd, dass wir gestört wurden. Vielleicht könnten wir das ja mal wiederholen...", schlägt sie vor, doch bevor ich den Kopf schütteln kann, reißt mein Vater die Tür auf. Sein Gesicht zeigt zwar weiterhin die Professionalität eines Unternehmers, aber ich kann in seinen Augen sehen, dass er fuchsteufelswild ist. Ich bekomme fast etwas Angst vor ihm, weil ich ihn noch nie so gesehen habe. Anscheinend war das auch besser so.
"Miss Kingston, lassen Sie mich bitte mit meinem Sohn allein und schließen Sie die Tür hinter sich", bittet er sie mit ernster Stimme und vermeidet es, ihr in die Augen zu schauen. Als ob wir ihn total verstört hätten. Als ob er noch nie jemanden nackt gesehen hätte. Als ob er noch nie Sex hatte. Ich bin zwar der Beweis dafür, dass er schon mal Sex hatte, aber ich will wirklich nicht genauer darüber nachdenken.
"Natürlich, Mr. Richards", murmelt sie nur leise und ihre taffe Seite ist von einer Sekunde zur nächsten verschwunden, denn sie wird knallrot. Schade, anscheinend war das nur gespielt. Sie verlässt schnell den Raum und schließt hinter sich die Tür, genauso wie mein Vater es verlangt hat. Der geht mittlerweile langsam auf und ab und ich warte nur darauf, dass er mich anschreit.
"Was hast du dir dabei gedacht, Collin?", fragt er mich mit ruhiger Stimme und sieht mich endlich wieder an. Anscheinend habe ich mich geirrt. Ich sehe keine Wut in seinen Augen, sondern pure Enttäuschung. Und das macht es noch schlimmer. Ich will, dass er mich anschreit und mir sagt, was ich doch für eine Schande für ihn bin. Das wäre leichter für mich. Eigentlich sollte es mir egal sein, dass er von mir enttäuscht ist, aber das ist es nicht. Der Kloß in meinem Hals wird immer größer, je länger er mich ansieht und ich fühle mich auf einmal total schlecht. Allerdings kommt plötzlich auch Wut in mir hoch. Er hat ja wohl absolut keinen Grund, so zu tun, als würde er alles in seinem Leben richtig machen. Dafür bin ich auch wieder der Nachweis. Er lässt seine Frau und seinen Sohn im Stich und will mir jetzt erklären, was Moral ist?!
"Was ich mir dabei gedacht habe? Ich dachte, Fehler machen liegt bei uns in der Familie...", antworte ich ihm trotzig und verschränke die Arme vor der Brust. Seine Augen weiten sich für einen Moment, weil ihm genau klar ist, was ich damit meine. Es ist das erste Mal, dass ich mit ihm darüber rede, weil ich mir das nach dem Tod meiner Mutter nicht auch noch antun wollte. Er setzt sich langsam an den Konferenztisch und stützt seinen Kopf auf seinen Händen ab. Als seine Schultern anfangen zu beben, wird mir klar, dass er weint. Fuck...wieso bringe ich eigentlich alle Leute um mich herum zum Heulen? Erst Emily und jetzt auch noch meinen Vater.
"Ich wollte das nicht...", versuche ich, mich zu entschuldigen, auch wenn es mir eigentlich widerstrebt. Ich habe ja nicht unrecht und das weiß er auch. Aber ich werde still, als ich sein Gesicht sehe, an dem Tränen herunterlaufen.
"Bitte, geh einfach raus und verhalte dich wie ein normaler Gast. Könntest du mir den Gefallen tun?", fragt er mich leise, ohne mich dabei anzusehen, und ich schlucke. Ihn so zu sehen, ist härter als ich dachte. Früher habe ich mir so sehr gewünscht, dass er seinen Fehler einsieht und es bereut, uns verlassen zu haben. Aber jetzt wünsche ich mir nichts mehr, als meine Worte zurücknehmen zu können. Ich würde es ihm gerne erklären, allerdings glaube ich kaum, dass er gerade in der Verfassung ist, weiter mit mir zu reden, also drehe ich mich um und verlasse den Konferenzraum. Und da ich keine Lust habe, wieder ins Kreuzfeuer zu geraten, schleiche ich mich an die Bar und bestelle mir noch einen Drink. Nach dem Drama der letzten Woche kann ich darauf nicht verzichten. Aber so ist das Leben...immer, wenn man denkt, es wird wieder besser, beschließt das Universum gegen einen zu spielen und macht alles nochmal schlimmer...
Entgegen der Bitte meines Vaters plündere ich die Bar und bringe ihn wahrscheinlich um ein kleines Vermögen. Aber das ist der leichteste Weg, um einfach alles zu vergessen und nicht mehr an all die schlimmen Sachen denken zu müssen, die das letzte halbe Jahr passiert sind. Nachdem ich mehrere Drinks hatte und die erste, kleine Flasche Scotch, mein neues Lieblingsgetränk, geleert habe, lasse ich mir von dem Barkeeper noch eine geben und stolpere hinter eine der Säulen, um mich daran angelehnt auf den Boden rutschen zu lassen. Eine halbe Stunde später findet mein Vater mich. Statt Enttäuschung sehe ich nun Besorgnis in seinem Blick. Obwohl ich mir nicht sicher bin, da ich zu viel getrunken habe, um das eindeutig feststellen zu können.
"Mein Junge. Ist alles in Ordnung?", fragt er mich leise und kniet sich neben mich. Er lässt seine Augen kurz über seine Gäste wandern, um zu sehen, ob jemand das Drama mit mir mitbekommt, und legt seine Hand auf meine Schulter.
"Lass mich in Ruhe! Du hasst mich sowieso! Also kümmere dich einfach um dich selbst, so wie die letzten 15 Jahre! Und hör verdammt nochmal auf, mich so zu nennen! Ich bin nicht mehr dein Junge und ich werde es auch nie wieder sein!", schreie ich ihn laut an und schlage seine Hand weg. Da er mit meinem Wutausbruch nicht gerechnet hat, verliert er das Gleichgewicht und fällt hin. Er sieht mich kurz sowohl geschockt als auch traurig an, bevor er sich aufrappelt und verschwindet. Ich höre, wie er sich bei ein paar Gästen für mein Verhalten entschuldigt, bis ich seine Stimme nicht mehr wahrnehme. Anscheinend will er einfach so tun, als würde ich hier nicht am Boden sitzen und mich betrinken. Vielleicht möchte er sogar leugnen, dass ich sein Sohn bin. Das würde zu ihm passen. Kaum verhält man sich nicht so, wie er es will, macht er es sich leicht und macht sich aus dem Staub. Das ist mal wieder typisch...obwohl es mir auch völlig egal ist...
Als ich gerade die Flasche ansetze, um auch an den letzten Rest zu kommen, reißt sie mir jemand aus der Hand und zieht mich hoch. Anscheinend hat mein Vater sich seelische Unterstützung für seinen "ach so missratenen Sohn" geholt, denn ich sehe den Fahrer von vorhin vor mir. Er hält mich fest, weil ich so heftig schwanke, als wäre ich auf einem Schiff mit starkem Wellengang. Bevor ich mich aber beschweren kann, legt mein Vater seinen Arm unter meine Schulter und stützt mich, während sie mich zur Tür bringen. So wie es aussieht, werde ich von der Veranstaltung ausgeschlossen. Und das, obwohl ich doch so aktiv daran teilgenommen habe.
"Ach kommt, Leute. Darf ich mich nicht mal verabschieden?", frage ich die beiden, doch sie ignorieren mich. Sie wollen sich wohl nicht länger mit mir beschäftigen als nötig. Als wir beim Wagen ankommen, lässt der Fahrer mich los und steigt sofort ein. Mein Vater öffnet die hintere Tür und will mich ins Auto schieben, doch ich wehre mich und schubse ihn fest zurück.
"Du willst mich schon wieder loswerden?! Obwohl das alles deine Schuld ist?!"
"Collin. Ich wollte dich doch niemals loswerden. Du bist mein Sohn und ich liebe dich. Ich denke nur, es wäre besser, du schläfst erstmal deinen Rausch aus, bevor wir uns....darüber unterhalten", erklärt er mir mit fester Stimme und sieht mir in die Augen. Wenn ich nicht total dicht wäre, würde ich mich über seine Lüge und sein plötzliches "Liebesgeständnis" aufregen, aber im Moment sehe ich ihn einfach nur schockiert an. Ich hätte bei ihm nie mit so einem emotionalen Ausbruch gerechnet, da er sonst der ruhige, besonnene und manchmal auch taffe Geschäftsmann ist. Aber wenn er glaubt, er kann mich nochmal verarschen, dann kann er das vergessen.
"Lügen liegt wohl auch in der Familie...", erwidere ich nur kalt, stolpere ins Auto und ziehe schnell die Tür zu. Noch eine Diskussion kann ich jetzt echt nicht gebrauchen. Alles dreht sich und ich schließe die Augen, damit mir nicht schlecht wird. Die ganze Fahrt über schlafe ich fast ein, aber ich versuche, dagegen anzukämpfen. Als wir dann nach einer gefühlten Ewigkeit endlich ankommen, stoße ich die Tür auf und will allein hochgehen, doch der Fahrer steigt ebenfalls aus und kommt mir nach. Vielleicht hat Emily doch recht. Babysitter sind nervig.
"Hören Sie, Kumpel. Ich komme schon klar. Danke fürs Fahren", versuche ich, ihn abzuwimmeln, doch er geht mir weiterhin nach. Hat er gehört, was ich gesagt habe?
"Ich heiße Charlie. Und Ihr Vater wollte, dass ich Sie bis zu ihrer Wohnungstür begleite, wenn nicht sogar besser bis zum Bett, so viel wie Sie intus haben", macht er mir klar und ich merke, dass ich ihn wohl wirklich nicht loswerde. Also halte ich ihm den Schlüssel hin, damit er die Tür aufsperrt. Ich habe so viel Alkohol im Blut, dass ich nicht mal das Schlüsselloch treffen würde. Er hält mir die Tür auf und bietet mir seinen Arm an, um mich daran festzuhalten, doch ich verzichte. Lieber übersehe ich eine Stufe und breche mir das Genick beim Sturz als seine Hilfe anzunehmen. Langsam schleppe ich mich die Treppen hoch, was in meinem Zustand wirklich ewig dauert. Und dennoch bleibt mir Charlie auf den Fersen und hält mich fest, wenn ich kurz davor bin, zu stürzen. Nachdem ich es endlich geschafft habe, bin ich völlig fertig, was hauptsächlich an meinem sich drehenden Kopf liegt. Charlie sperrt mir auch meine Wohnungstür wieder auf und legt den Schlüssel auf die Küchentheke, während ich mich schon mal auf den Weg ins Schlafzimmer mache. Ich tausche diesen furchtbaren Anzug gegen ein Shirt und eine Jogginghose, bevor ich zurück ins Wohnzimmer gehe, wo Charlie immer noch unschlüssig im Raum steht.
"Du kannst jetzt gehen", verabschiede ich mich unhöflich von meinem Babysitter, weil ich echt keine Lust habe, dass er mir bis ins Bett folgt. Er sieht mich kurz nachdenklich an, beschließt dann aber wohl, es gut sein zu lassen und nickt nur. Wirklich gesprächig ist der Typ ja nicht, denke ich mir und sehe ihm zu, wie er die Wohnung verlässt und hinter sich die Tür ins Schloss fallen lässt. Vielleicht kommt es bei ihm ja auch auf die Person an, mit der er sich unterhalten soll. Das waren Emilys Worte und nicht nur, dass ich sie überhaupt noch weiß, überrascht mich, sondern auch, wie sehr sie mich damals verletzt haben. Das war erst unser 2. Treffen und da hat sie mir bereits klar gemacht, dass ich keine von den Personen sein werde, mit denen sie sich gerne unterhalten wird. Wenn man bedenkt, was seit meinem Einzug in dieses Haus alles passiert ist, kann ich ihr das auch nicht verübeln. Aber zu dem Zeitpunkt hatten wir noch nicht mal 3 Wörter miteinander gewechselt und sie hat mich gleich abgestempelt.
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr will ich zu ihr, um mit ihr zu reden und um sie zu fragen, wieso sie das eigentlich getan hat. Obwohl ich die Antwort wahrscheinlich nicht gerne hören werde, sollte sie mir mal sagen, warum sie mich sofort nicht leiden konnte. Ohne zu wissen, ob sie überhaupt zuhause ist, öffne ich meine Tür und schwanke bis zu ihrer Wohnung. Falls sie zuhause ist, werde ich mir wohl erstmal wieder anhören müssen, was ich für ein Trottel bin, weil ich sie um diese Uhrzeit störe. Mittlerweile ist es nämlich kurz nach Mitternacht, doch ich schlucke meine Zweifel runter und drücke gleich öfter auf die Klingel. Nach 2 Minuten ist sie immer noch nicht da, also klingele ich nochmal. Die Tür geht langsam auf und ich sehe, dass sie mir in einem Pyjama gegenübersteht. Sie blinzelt mehrmals und hält sich die Hand vor den Mund, weil sie gähnen muss. Ich versuche, mich nicht zu sehr von ihrem Aussehen ablenken zu lassen, aber ich kann nichts dagegen tun. Obwohl sie einen Kissenabdruck im Gesicht hat und ihre Haare durcheinander sind, sieht sie total niedlich aus.
"Ist das dein Ernst?", fragt sie mich verschlafen, reibt sich über die Augen und ich muss grinsen. Sie ist so süß...
"Ich dachte, wir könnten reden", erkläre ich ihr und versuche, nicht allzu sehr zu lallen, doch sie merkt es natürlich.
"Bist du schon wieder betrunken?"
"Was heißt schon wieder? Das letzte Mal war ich schon verkatert, als du mich gefunden hast", rede ich mich raus und sie verdreht die Augen.
"Worüber willst du reden?", fragt sie mich kritisch und ich lehne mich gegen ihren Türrahmen, weil sich alles um mich herum dreht.
"Du magst mich nicht..."
"Ist das eine Frage oder eine Feststellung?"
Dafür, dass es so spät und sie so müde ist, ist sie trotzdem ganz schön auf zack. Ich schwanke leicht und sie legt ihre Hände auf meine Brust, um mich zu stabilisieren. Ihre Berührung lässt mich kurz zusammenzucken, obwohl das nicht das erste Mal ist, dass sie mir so nah ist.
"Du solltest wirklich ins Bett gehen, Collin", flüstert sie mir zu und ich kann nur dämlich nicken, weil ihre Augen und ihre Lippen mich gefangen halten. Sie ist wunderschön. Am liebsten würde ich sie küssen und noch mehr mit ihr machen, aber ich weiß, dass das vermutlich keine gute Idee ist. Als ich mich nicht rühre, geht sie kurz in ihre Wohnung und holt ihren Schlüssel. Sie zieht hinter sich die Tür zu und bewegt sich auf meine Wohnung zu, kommt aber zurück, als ich ihr nicht folge. Sanft nimmt sie meine Hand in ihre und zieht mich langsam mit sich. Schon wieder spüre ich ein Kribbeln, aber ich schiebe es auf den Alkohol. Ich stolpere ihr hinterher bis ins Schlafzimmer und sie schiebt mich vorsichtig auf das Bett.
"Leg dich hin", befiehlt sie mir mit leiser Stimme, doch ich sehe sie nur an.
"Wieso tust du das, wenn du mich nicht leiden kannst?", frage ich sie jetzt und bin gespannt auf ihre Antwort. Allerdings seufzt sie nur laut und setzt sich neben mich auf die Bettkante.
"Es ist mitten in der Nacht, Collin. Ist dir kein besserer Zeitpunkt eingefallen, um mit mir darüber zu reden? Außerdem bist du betrunken. Mal abgesehen davon, hätte ich nicht gedacht, dass dich das so schlimm treffen würde...falls es wirklich so ist...", weicht sie mir aus und ich merke, dass ihr das Thema unangenehm ist.
"Ist es so?"
Anstatt mir zu antworten, drückt sie mich nach unten auf die Matratze und legt die Decke über mich. Erst hatte ich die Hoffnung, dass sie mit mir schlafen will, aber sie kümmert sich wohl lieber um mich. Schon wieder. Und mich bezeichnet sie als Babysitter...
Als sie aufstehen will, halte ich sie vorsichtig an ihrer Hand fest, um sie nicht wieder zu erschrecken. Sie sieht mich zwar überrascht an, wirkt aber nicht so verstört wie beim letzten Mal.
"Collin..."
"Mein Vater hasst mich...und du auch...", unterbreche ich sie und jetzt reißt sie die Augen auf.
"Wie kommst du bitte darauf?", fragt sie mich, ernsthaft fassungslos.
"Ihr verhaltet euch so", antworte ich ihr mit voller Überzeugung.
"Da spricht nur der Alkohol aus dir..."
"Nein, das ist wirklich so", wiederhole ich mich und sie schließt die Augen.
"Ich hasse dich nicht...und ich glaube kaum, dass dein Vater es tut", sagt sie leise zu mir. Währenddessen streichele ich mit dem Daumen sanft über ihren Handrücken und ich bilde mir ein, eine leichte Gänsehaut im Dunkeln erkennen zu können.
"Du kennst ihn auch nicht..."
"Hat er gesagt, dass er dich hasst?"
"Hm...nein. Er meinte heute, er liebt mich. Aber er ist ein Lügner. Das war er schon immer", erkläre ich ihr schmunzelnd und fange an, kleine Kreise auf ihrer Hand zu ziehen. Sie hat so weiche Hände...
"Denkst du das wirklich? Manchmal lügen Menschen, weil sie meinen, es wäre besser, als die Wahrheit zu hören. Vielleicht wollte er dich bloß beschützen."
"Indem er mich anlügt und im Stich lässt? Ich glaube kaum...ich weiß einfach nicht, was ich über ihn denken soll. Oder über dich..", gebe ich ehrlich zu, woraufhin sie langsam ihre Hand wegzieht. Ich weiß nicht mal, warum ich ihr das alles über mich erzähle, aber Alkohol bringt einen zum Reden und zur Gefühlsduselei. Vielleicht sollte ich mich etwas mehr zurückhalten, aber irgendwie tut es gut, mit ihr darüber zu reden.
"Das tut mir wirklich leid, Collin. Ich kenne deinen Vater nicht, aber ich glaube nicht, dass er gelogen hat", sagt sie zögerlich und setzt sich im Schneidersitz auf mein Bett.
"Wieso nicht?", frage ich sie neugierig und versuche dabei unauffällig wieder an ihre Hand zu kommen.
"Naja, wenn Männer wegen der Liebe lügen, dann betrifft es meistens eine Frau. Es ist dann nur Mittel zum Zweck. Damit sie bekommen, was sie wollen. Aber dein Vater hätte ja nichts davon, dir seine Liebe vorzugaukeln."
"Er will mein Vertrauen wieder gewinnen, weil er mich als Kind verlassen hat", erkläre ich ihr emotionslos und spiele mit ihren Fingern. Sie lächelt mich leicht an und schüttelt den Kopf über mich.
"Das war nicht richtig von ihm. Aber so, wie es für mich aussieht, möchte er es wiedergutmachen. Er möchte wieder Teil deines Lebens sein, Collin. Ich vermute mal, er wollte dir damit sagen, dass du ihm wichtig bist."
"Wenn ich ihm wirklich wichtig bin, wieso ist er dann gegangen?", will ich von ihr wissen und verschränke dabei meine Hand mit ihrer. Sie holt tief Luft und ich fürchte schon, dass ich zu weit gegangen bin, doch sie lässt es weiterhin zu. Stumm betrachte ich unsere ineinander verschlungenen Hände. Ihre ist so klein und zart, während meine groß und rau ist. Das perfekte Gegenstück. Sie reißt mich mit ihrer Antwort aus meinen Gedanken, in denen ich mir vorstelle, wie es wäre, ihr noch näher zu kommen.
"Das kann nur er dir beantworten. Er hatte sicher seine Gründe dafür."
"Und wenn ich seine Gründe nicht hören will? Wenn es mir egal ist? Wenn er mir egal ist?"
"Dann wärst du heute nicht bei ihm gewesen."
"Du hast auf alles eine Antwort, oder?"
Sie lächelt mich nur entschuldigend an und ich habe das Gefühl, ich kann nicht anders. Ich muss sie einfach küssen. Scheiß egal, ob das eine gute Idee ist oder nicht. Also setze ich mich auf und beuge mich ganz langsam vor, bis unsere Nasenspitzen sich fast berühren. Ich merke, wie sie die Luft anhält und stoppe deshalb kurz vor ihren Lippen. Ihre Augen sagen mir, dass sie es will, weil sie mir ebenfalls auf die Lippen schaut, aber sie scheint sich trotzdem noch unsicher zu sein. Ich gebe ihr einen Moment, damit sie sich entscheiden kann, doch zu meiner Enttäuschung rutscht sie auf dem Bett etwas nach hinten und lässt meine Hand los.
"Du solltest jetzt wirklich schlafen", meint sie zaghaft und ich nicke nur. Sie steht vorsichtig auf und ich muss mich ernsthaft zurückhalten, nicht meine Arme fest um sie zu schließen und sie auf mich zu ziehen. Stattdessen sehe ich zu, wie sie langsam zur Tür geht und mich verlässt. In dieser Nacht habe ich mich so einsam gefühlt, wie schon lange nicht mehr und ich habe an dem Tag vieles bereut. Aber am meisten habe ich bereut, sie gehen gelassen zu haben.
Hey meine Lieben!
Ich hoffe, es geht euch gut.
Wie findet ihr das Kapitel? Seid ihr enttäuscht, weil es nicht zum Kuss gekommen ist?
Und ich habe bemerkt, dass nach dem letzten Kapitel keiner mehr Collin mag. Haha! Hat dieses Kapitel etwas daran geändert? Oder mögt ihr ihn noch weniger? :D
Ich wünsche euch noch einen schönen Dienstagabend!
Eure Liz :)
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