Kapitel 1 - Nach der Schlacht
Immer schien alles so weit weg zu sein; schon sein ganzes Leben lang hatte er immer mit dem Gedanken gelebt, dass er irgendwann vielleicht sterben muss. Verdammt, bis vor ein paar Stunden war er noch der festen Überzeugung gewesen, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis er bei seinen Eltern war.
Doch er war noch da.
Auch wenn jetzt die Zukunft, für die so viele Leute, so lange gekämpft hatten, zum Greifen nah war, hieß es noch lange nicht, dass alles gut war.
Die größte Hürde war überwunden, doch es war nicht die letzte gewesen.
~
Ginnys Kopf fiel zurück gegen die Wand und sie biss sich auf die Lippe. Doch sie brauchte sich nicht zusammenzureißen. Es kamen keine Tränen, denn sie hatte keine Kraft mehr zu weinen. Sie hatte keine Kraft mehr auch nur irgendwas zu fühlen. In ihr war nichts als Leere und sie wusste nicht, was sie fühlen, denken oder machen sollte.
Es hatte eine Weile gedauert, bis sie sich ungehindert von dem ganzen Trubel losbinden konnte. Zuerst hatte sie die Nähe ihrer Familie gesucht, doch dann wollte sie nur noch alleine sein. Ihre Mutter hatte darauf bestanden, dass sie sich erst noch kurz durchchecken ließ, doch das erschien ihr unnötig. Bis auf ein paar Kratzer, Schnittwunden und blaue Flecken, hatte sie nichts abbekommen. Es gab andere Leute, die viel dringender Hilfe brauchten. Und so hatte sie sich in einem Moment als ihre Mutter kurz abgelenkt war aus der Großen Halle geschlichen und war erst willkürlich durch das Schloss gelaufen, bis sie sich in einem leeren Korridor auf den Boden sinken ließ.
Aber auch wenn sie physisch glimpflich davongekommen war; psychisch gesehen war sie ein einziges Wrack. Und sie wusste auch, dass es lange dauern würde, bis sie schlafen könnte, ohne schreiend aus dem Schlaf aufzuwachen. Vielleicht konnte sie mit irgendjemandem irgendwann darüber reden, aber jetzt noch nicht.
Sie schloss die Augen und schlang ihre Arme um ihre angewinkelten Knie. Nicht denken, nicht denken, nicht denken.
Nur am Rande ihres Bewusstseins nahm sie wahr, wie sich Schritte näherten. Sie musste die Augen nicht öffnen, um zu wissen wer es war.
Harry sagte nichts als er sich neben sie setzte. Fast schon automatisch, legte sie ihren Kopf auf seine Schulter und er schlang einen Arm um sie. Beide hielten einander fest, ohne auch nur einen Laut von sich zu geben. Und auch wenn noch so vieles unklar war und beide viel zu besprechen hatte, versanken sie in der angenehmen Stille. Zeit zum Reden hatten sie später noch mehr als genug.
Keiner von beiden hatte eine Ahnung wie lange sie so da saßen.
„Deine Mum war nicht sehr glücklich darüber, dass du die Große Halle einfach so verlassen hast", sagte Harry plötzlich leise. Seine Stimme war fast nicht mehr als ein Flüstern.
„Ich wollte einfach nur da raus." Ihre Stimme war genauso leise.
„Ich mache dir keine Vorwürfe."
Monate war es her, dass sie das letzte Mal alleine zusammen waren und miteinander geredet hatten. Dafür erschienen ihnen die ersten Worte ziemlich bescheuert, wenn man bedachte, was es noch alles zu besprechen gab. Aber alles zu seiner Zeit.
„Ich dachte du wärst tot." Ginny schluckte. „Für einen Moment dachte ich, dass du..." Ihre Stimme brach ab.
Harry biss sich auf die Lippe. „Ich weiß" Er konnte in dem Moment nicht die richtigen Worte finden. Er wusste nicht, was er ihr sagen sollte, oder ob sie wirklich sauer deswegen auf ihn war. „Ich weiß."
Ginny schmiegte sich noch enger an ihn. Beide lauschten in der Stille die langsamen Atemzüge des jeweils anderen.
„Wir müssen langsam wieder zurück in die Große Halle. Deine Eltern wollen erstmal nach Shell Cottage aufbrechen", murmelte Harry, während er mit seiner Hand über ihre Schulter strich.
Sie hob ihren Kopf und schaute ihn das erste Mal an. Sein Gesicht zierte unzählige Kratzer, seine Brille war beschädigt und seine Lippe aufgeplatzt. Und trotzdem sah er aus wie der Junge, in den sie sich verliebt hatte. „Kommst du auch mit?" Es war mehr eine Bitte als eine Frage.
„Ja", hauchte er, „ich komme auch mit."
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Es war so ungewöhnlich still. Schon seit einer langen Zeit, hatte sie keine Stille mehr verspürt. Noch nicht mal in ihrem Schlaf.
Ohne auch nur auf irgendjemanden zu achten, stieg Ginny langsam die Stufen zu dem Zimmer hoch, das Bill ihr zugewiesen hatte. Sie wollte nicht schlafen; sie hatte zu sehr Angst vor den Albträumen, die sie erwarten würde. Albträume, die noch viel schlimmer sein würden als in der Zeit nach ihrem ersten Schuljahr.
Sie ließ sich auf das Bett fallen, drehte sich auf die Seite und zog ihre Beine an ihren Körper. Ausdruckslos schaute sie aus dem Fenster und wünschte sich, die Welt würde für einen kurzen Moment stillstehen.
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„Ginny", flüsterte eine leise Stimme neben ihr.
Langsam glitt sie wieder in die Realität zurück.
„Ginny", wiederholte die Stimme sanft.
Sie drehte sich auf den Rücken und schaute in das Gesicht ihres Vaters. „Was ist?", fragte sie flüsternd.
„Es gibt gleich Abendessen. Vorher kannst du ins Badezimmer gehen und dich fertigmachen."
„Wie viel Uhr haben wir?"
„Es ist sechs Uhr."
Sie schaute ihren Vater genauer an. Seine Haare waren etwas zerzaust und neben den Falten, die in den letzten Monaten dazugekommen waren, zierten zwei, drei Kratzer sein Gesicht. Er trug frische Klamotten und da sie schon vor acht Stunden zurück zum Fuchsbau gekommen waren, nahm sie an, dass sich jeder bereits frisch gemacht hatte.
Ginny nickte und erhob sich langsam vom Bett. Als ihr Vater das Zimmer verließ, kramte sie neue Anziehsachen zusammen und ging ins Badezimmer. Sie wagte einen Blick in den Spiegel und erschrak fast bei ihrem Anblick. Sie sah abgemagert aus, ihre Haare schienen nicht mehr so flammend wie sonst zu sein und ihre Augen waren geschwollen. Dunkle Augenringe zeichneten sich darunter ab und ihr Gesicht war leichenblass und mit Kratzern übersäht.
Sie beugte sich runter zum Waschbecken und wusch ihr Gesicht. Als das Wasser den Dreck von ihrem Gesicht wusch, atmete sie zischend ein, als das Wasser die Wunden in ihrem Gesicht berührte. Das wird eine angenehme Dusche werden.
Ginny wollte gar nicht erst wissen, wie der Rest ihres Körpers aussah und zog sich deshalb so schnell wie möglich aus, nahm so schnell wie mögliche eine Dusche, bei der das Wasser auf ihrer Haut brannte, und zog sich so schnell wie möglich wieder an. Es würde wohl lange dauern, bis sie wieder in einen Spiegel gucken konnte, ohne sich vor der Person zu erschrecken, die ihr dann entgegenguckte.
Sie überlegte kurz, ob sie einfach, ohne zu essen, wieder in ihr Zimmer gehen sollte, denn sie hatte keine Lust ihrer Familie über den Weg zu laufen, doch sie hatte seit Ewigkeiten nichts mehr gegessen. Schließlich siegte dann der Hunger.
Beim Abendessen redete kaum einer. Niemand hatte eine Ahnung, worüber man sprechen sollte, deswegen war Schweigen die beste Option. George war als einziger nicht anwesend, was Ginny ihm auch nicht verübeln konnte. Schließlich hatte er seinen Zwilling- Nein, darüber würde sie jetzt nicht nachdenken. Zumindest erstmal nicht.
Ron teilte sich mit Harry ein Zimmer und Hermine mit Ginny; genauso, wie es früher immer gewesen war. Doch auch mit Hermine sprach sie so gut wie kein Wort. Nicht, dass Hermine so gewirkt hätte, als wolle sie reden, eher im Gegenteil. Und so machten sich beide bettfertig und legten sich hin, doch Ginny hatte nicht die Absicht zu schlafen.
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Sie sah sich um. Überall lag Schutt und Asche... und Menschen. Und alle waren tot.
Langsam ließ sie sich auf den Boden gleiten. Neben ihr lagen acht rothaarige – ihre Familie. Und alle waren tot.
Während sie sich umschaute und es nicht zu realisieren schien, merkte sie nicht, wie jemand ihr gegenüber einen Fluch auf sie abfeuerte. Er kam wie in Zeitlupe auf sie zugeschossen und als sie ihn bemerkte, noch bevor er eingetroffen war, war sie glücklich. Gleich würde alles vorbei sein und sie würde ihre ganze Familie wiedersehen.
Doch dann sprang jemand vor sie und wurde an ihrer Stelle von dem Fluch getroffen... und sackte vor ihr zusammen. Ein Junge mit rabenschwarzem Haar, einer Brille und einer Narbe auf der Stirn – es war Harry.
Und die ganze Welt brach um sie herum zusammen, als sie ihn tot in ihren Armen hielt...
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Ginny schreckte aus dem Schlaf hoch und atmete schwer. Genau deswegen hatte sie nicht schlafen wollen! Genau deswegen wollte sie nie wieder in ihrem Leben auch nur ein einziges Auge zu tun. Nie wieder.
Als sie sich mit beiden Händen über das Gesicht rieb, merkte sie, dass ihr stumme Tränen die Wangen hinunterliefen. Sie wischte sich die Tränen mit den Händen weg, schlug die Bettdecke zurück und stand aus dem Bett auf.
Luft. Sie brauchte dringend frische Luft.
Während sie das Zimmer verließ, versuchte sie Hermine nicht zu wecken, die zu schlafen schien. Als sie auf den Flur trat, ging sie die Treppen hinunter und auf die Tür nach draußen zu. Es war für Mai relativ war und ihr wehte in der Dunkelheit ein warmer Wind durch ihr Haar. Und sobald ihre nackten Füße den Sand draußen vor dem Haus berührt hatten, rannte sie los.
Ginny rannte, bis sie schließlich nicht mehr den warmen, trockenen Sand unter ihren Füßen spürte, sondern kaltes Wasser. Ihr war es egal, dass sie lediglich einen kurzen Schlafanzug trug. Ihr war es egal, dass das Wasser eiskalt war.
Sie setzte sich in das Wasser und weinte bittere Tränen.
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Das war das erste Kapitel meiner neuen Fanfiction. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie sehr ich mich darauf gefreut habe, diese Geschichte anzufangen :)
Wie üblich werden immer mittwochs und samstags neue Kapitel kommen.
Lasst mich gerne wissen, wie euch das Kapitel und somit der Start der neuen Geschichte gefallen hat!
- Laura :)
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