Zweites Mal
Jules
"Soll ich nachher was zu essen mitbringen?", rief ich und Cameron streckte seinen Kopf aus der Duschkabine. Shampooreste liefen ihm in die Stirn und seine dunklen Haare standen in alle Richtungen ab.
"Wo gehst du noch mal mit Scarlett hin?", fragte er mich und ich beugte mich vor, um ihm den Schaum aus den Augen zu wischen.
"Ins LUX. Es ist schon viel zu lange her, dass wir zusammen tanzen waren", erzählte ich und setzte mich auf die geschlossene Toilette. Cameron lächelte und ich streckte die Beine aus.
"Wirst du es ihr sagen?", fragte er mich und atmete tief ein. Wir waren jetzt einige Wochen zusammen, 42 Tage um genau zu sein. Nicht, dass ich zählen würde oder so etwas. Ich hätte damit rechnen müssen, dass Cameron die Beziehung öffentlich machen wollte. Er hatte sich schon immer wenig aus der Meinung fremder Menschen gemacht, aber seine Familie und Freunde waren wichtig.
Es war nicht so als würde ich mich schämen. Aber ich kam gerade aus einer Beziehung. Ich war mir nicht sicher, ob ich das schon wieder wollte. Ja, wir lebten zusammen. Temporär. Meine neue Wohnung wurde gerade renoviert und eingerichtet. So etwas zog sich in New York nunmal.
"Bist du dir sicher, dass wir es schon öffentlich machen sollten, Cam?", meinte ich unsicher und stand auf, als er mit gerunzelter Stirn nach einem Handtuch griff. Mist. Das schien ihm nicht zu gefallen. Vielleicht sollte ich ihm lieber nicht sagen, dass ich es locker angehen lassen wollte...
Ich schnappte ihm das Handtuch weg, mein Gott war das flauschig, und trat an die Duschkabine heran.
"Was wird das?", brummte er und ich lächelte. Vielleicht könnte ich ihn ja mit ein wenig Zuneigung besänftigen, dachte ich.
"Ach, nichts. Nichts", flötete ich und streifte mein Kleid ab, dann trat ich in Unterwäsche in die Kabine. Das warme Wasser prasselte auf meine Haut und ich schlang die Arme um Camerons Nacken. "Oh, Cameron. Ich glaube ich brauche etwas Hilfe mit meiner Kleidung."
Cam musterte mich einen Moment, dann grinste er schelmisch und küsste meinen Hals während er mit den Händen nach dem Verschluss meines BHs tastete.
"Dieses Gespräch ist noch nicht zu Ende, Julianne", flüsterte in mein Ohr und zog mich näher an sich.
Eine halbe Stunde zu spät kam ich im LUX an und stand nun nervös in der Schlange. Scarlett war natürlich schon längst im Innern. Als ich es endlich durch die feierwütige Masse an verschwitzten Körpern geschafft hatte, bestellte die sich gerade ihren zweiten Drink.
"Es tut mir schrecklich leid, dass ich zu spät bin", entschuldigte ich mich und glitt auf den Stuhl ihr gegenüber. Sie hob abwehrend eine Hand und deutete auf das leere Glas vor ihr.
"Ich hatte gute Gesellschaft. Mach dir keine Sorgen", meinte sie und kicherte. "Aber die hattest du ja sicher auch, nicht wahr?" Ich verschluckte mich beinahe an meinem Martini, den der Kellner lächelnd vor mich gestellt hatte. Wusste sie etwa von mir und Cam?
"Was meinst du?", fragte ich misstrauisch. Scarlett lächelte schelmisch und lehnte sich zurück. Ihre manikürten Finger glitten über den Rand ihres Glases.
"Ach, weißt du, es sieht so aus, als wüsste Trey endlich, was du magst", sagte sie und ich runzelte die Stirn.
"Das musst du mir erklären", forderte ich und fummelte am Stiel des Glases rum. Unruhig rutschte ich hin und her und beobachte meine Freundin ganz genau.
"Du kommst in letzter Zeit dauernd zu spät, du bist ausgeglichen und lächelst mehr. Du schimpfst nicht mehr über die Hochzeit und über Mama Lewis. Trey scheint endlich geschnallt zu haben, was er an dir hat", erklärte sie beinahe monoton und ich schluckte schwer. Ich musste reinen Tisch machen. Das war ich ihr schuldig oder?
Meine Hände begannen zu schwitzen und ich beugte mich vor. Scarlett war immer für mich da gewesen. Ich konnte sie nicht belügen und was täte es schon, wenn sie es wüsste.
Außerdem vermittelte sie Camerons Aufträge. Wenn sie es nicht von mir erfuhr dann von ihm. Oder Gott bewahre... aus irgendeinem Klatschmagazin.
"Ich muss dir was sagen", begann ich und sie setzte ihr Getränk ab. Aufmerksam musterte sie mich und ich holte tief Luft. "Ich bin seit einigen Wochen mit Cameron zusammen. Mit Trey ist es aus."
Scarlett fiel der Cocktailspieß aus der Hand und rollte jämmerlich über den Tisch.
"Du...", begann sie und schluckte schwer. Ich rutschte unruhig auf meinem Stuhl hin und her. Scarlett starrte vor sich hin. "Du bist mit Ca...Cameron zusammen?" Ich nickte und beugte mich vor. Sie blieb noch immer steif sitzen.
"Ich hätte es dir sagen sollen, Scar. Es tut mir leid", sagte ich und meinte es auch so. Die laute Musik schien immer weiter in den Hintergrund zu rücken. Scarlett blinzelte und schien aus ihrer Trance zu erwachen, denn sie schaute mich skeptisch an.
"Maggie weiß es, nicht wahr? Ich bin wieder die einzige Person, die nichts wusste", zischte sie und ich winkte sofort ab.
"Gott, nein. Scar, du bist die Einzige, die es überhaupt weiß. Ich bitte dich, erzähl es nicht weiter", stellte ich klar und Scarlett nickte bedächtig. Sie wickelte eine Strähne ihres dunklen Haares um ihren Zeigefinger und musterte mich nun prüfend.
"Wenn ich das richtig verstehe, dann will Cam das volle Programm. Öffentlich, nicht wahr? Aber du, du bist dir da nicht so sicher", meinte sie und ich war wieder mal geschockt darüber, wie sehr sie mich doch kannte.
"Genau! Woher soll ich wissen, ob das zwischen uns hält? Verstehst du, was ich meine? Ich kann das alles nicht öffentlich durchkauen. Und wenn ich an Trey denke... Er wird denken, dass ich ihn mit Cam betrogen habe", führte ich aus und Scar schnalzte mit der Zunge.
"Hast du?", fragte sie mit hochgezogener Augenbraue. Empört schnaubte ich. "Okay, ich verstehe schon. Aber ich sage dir eines: Wenn du Cam belügst und ihm sagst, du erzählst es deiner Familie, wird dir das Ganze um die Ohren fliegen. Und zwar ganz gewaltig."
Ich nickte und kippte meinen Drink runter. Ich wusste, dass sie Recht hatte. Ich wusste es. Und ich hatte Angst vor den Konsequenzen. Aber mehr Angst hatte ich davor, dass mir wieder das Herz gebrochen wurde. Ich hatte mich einmal in Cam getäuscht, ein zweites Mal konnte ich mir nicht leisten.
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