Jules
Ich stocherte in meinem Mikrowellenessen und vermied es, meinem Dad in die Augen zu blicken.
"Jules", sagte er und ich senkte den Blick noch weiter. Vielleicht ließ er mich dann ja in Ruhe. "Julianne."
"Mhhhm", brummte ich und mein Vater nahm mir kurzer Hand die Gabel aus der Hand.
"Schau mich an, wenn ich mit dir Rede", tadelte er mich und ich rollte mit den Augen. Ich war schließlich keine 12 mehr.
"Ich möchte wirklich nur essen und dann weiterarbeiten", versuchte ich ihm klarzumachen, doch Dad schüttelte nur seinen Kopf.
"Dir ist klar, dass jemand Cameron aus dem Krankenhaus abholen muss", meinte er eindringlich und ich zuckte mit den Schultern.
"Du kannst mein Auto nehmen", sagte ich und erntete böse Blicke von meinem Vater. In letzter Zeit steckte er sich ein wenig zu sehr in mein Leben.
"Deine Mutter hat-", setzte er an, doch ich unterbrach ihn.
"Meine Mutter ist nicht hier", erwiderte ich und schob die Pappschale mit meinen dampfenden Nudeln von mir. "Kannst du jetzt bitte gehen?"
Mein Vater stand seufzend auf und deutete dann auf die Akten auf meinem Schreibtisch.
"Wirst du heute noch damit fertig, oder muss ich wen anders darauf ansetzen?", fragte er mich und sein Gesichtsausdruck schien härter als zuvor. Ich richtete mich auf und rollte näher an meinen Tisch heran.
"Ich wäre schon fertig, wenn du mich nicht gestört hättest", erwiderte ich unverblümt.
"Julianne Summers, Fräulein, deine Mutter und ich haben dich nicht so erzogen. Du wirst über deinen Schatten springen und Cameron abholen. Hast du mich verstanden?", fuhr mich mein Vater plötzlich an und mein Herz rutschte unwillkürlich in meine Hose. Jetzt fühlte ich mich doch wie 12.
"Wir sind nicht mehr zusammen und ich habe einen Verlobten", erwiderte ich, doch mein Vater schüttelte nur seinen Kopf.
"Du sollst Cameron nur fahren, nicht in dein Bett zerren", meinte er daraufhin trocken und warf einen Blick zur Uhr. Bah. Wie hatte er das nur sagen können? "Du solltest in zehn Minuten los. Ich hab dich lieb, Prinzessin!"
Und damit war er verschwunden.
"Geh mal ein bisschen sachte mit der Schaltung um", beschwerte sich Cam und umklammerte das Amaturenbrett. Ich haute den dritten Gang rein und ließ die Kupplung extra hart kommen.
"Geh du doch ein bisschen zu Fuß", schoss ich zurück und überholte einen Schulbus. Dabei hätte ich fast eine Oma auf einem Zebrastreifen mitgenommen. Ups. Naja, kann passieren.
"Willst du mich umbringen?", rief er aus und ich bemerkte aus dem Augenwinkel, wie er panisch mit seinen Füßen mitbremste. Hah.
"Und mir die Polster versauen?", gab ich zurück und Cameron seufzte gestresst auf.
"Kein Wunder, dass dich deine Mum früher nie hat fahren lassen", knurrte er und trommelte nervös auf seinem Bein herum. Er spielte natürlich auf die gezwungenen Fahrten mit Renald an, die mir früher so verhasst gewesen sind.
Ich glitt mit meinem Auto in eine Parklücke vor seinem Apartment, beugte mich über ihn herüber und öffnete von innen seine Tür.
"Auf Wiedersehen, Cam", sagte ich trocken und schubste ihn beinahe aus dem Wagen. Doch er sperrte sich dagegen. "Raus."
Cameron lehnte sich genüsslich in seinem Sitz zurück und biss sich sanft auf die Unterlippe. Ich wandte den Blick ab. Ich wäre jetzt viel lieber woanders.
"Also, Julianne. Wie sieht's aus? Bringst du mich noch rauf?", fragte er und ich trommelte ungeduldig auf dem Lenkrad. Er konnte seine kleinen Sticheleien nicht lassen.
"Auf Wiedersehen", wiederholte ich mich und Cameron lachte. Sein Lachen war so tief und voll und ansteckend, dass ich nicht anders konnte, als mit einzufallen.
So saßen wir da und lachten uns die Seele aus dem Leib.
"Nein ehrlich, komm noch kurz mit rauf. Ich hab noch was für dich. Als Dank", meinte er und schaute mich auf einmal ernst an. Ich schluckte und starrte auf die Fahrbahn. Fünf Minuten würden ja nicht schaden. Wenn ich böses Blut verhindern konnte, hätte ich doch einen noblen Grund gehabt, nicht wahr?
"Fünf Minuten."
Seine Wohnung war ein Saustall. Und das nicht nach Junggesellenbude-Maßstab. Überall lagen einzelne Socken, leere Pizzakartons und Flaschen rum. Außerdem sollte er dringend lüften.
Ich umschiffte einige Klamottenberge und beäugte dann kritisch das Sofa.
"Setz dich", forderte Cameron mich auf, doch ich warf ihm einen angewiderten Blick zu.
"Lande ich dann auf irgendwelchen Spritzen oder hole mir Syphilis?", hakte ich nach und er schaute mich böse an.
"Setz dich endlich hin, Jules", brummte er und verschwand in einem anderen Raum. Ich betrachtete in der Zwischenzeit die Wohnung und blieb an einem gerahmten Bild von uns hängen. Es befand sich an der Wand und zeigte uns beide vor dem Rockefeller Center in New York. Wir standen vor dem riesigen Weihnachtsbaum und hatten ganz rote Nasen. Es war Jahre her. Ich hatte dieses Foto ganz vergessen.
Mein Herz wurde schwer und ich schluckte. War Cameron glücklich? Ich wollte, dass er so glücklich war, wie ich. Ich vernahm ein leises Rascheln und wandte mich ab. War ich denn wirklich glücklich?
Cam kam mit einem großen Strauß Blumen aus dem Zimmer und hielt ihn mir hin. Es waren nicht nur rote Rosen sondern auch etliche kleinere Blumen, deren Namen ich beim besten Willen nicht kannte.
"Für dich." Er streckte sie mir grinsend entgegen. Ich nahm sie verdutzt an und bedankte mich ein wenig steif. "Ich möchte wieder mit dir befreundet sein. Ich vermisse unsere Streits, Barbie."
"Nenn mich nicht so", fauchte ich und grinste. Freunde hörte sich doch gut an. "In Ordnung."
Er brachte mich noch runter und hielt mir die Tür zu meinem Wagen auf. Ich hielt die Blumen fest in meinen Händen und lächelte ihn an.
"Denk an deine Medikamente. Und nimm sie nicht mit Alkohol", schärfte ich ihm ein. Der Idiot rollte nur mit den Augen und beugte sich etwas vor.
"Denk du lieber an deine Falten", entgegnete er und strich mir mit dem Daumen über meine gerunzelte Stirn. Und genau in diesem Moment ging das Blitzgewitter los. Von überall her klickten Fotoapparate und Rufe waren zu vernehmen. Überrascht ließ ich die Blumen fallen, als Cam mich in mein Auto schubste.
"Ist das deine neue Freundin, Cameron? Woher kennt ihr euch?", brüllten die Paparazzi. Doch er ignorierte sie. Meine Hände zitterten, als ich den Motor startete.
"Fahr los. Los", rief Cam und knallte die Tür zu, ehe er auf die Männer zu ging. Und ich fuhr völlig fertig davon.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro