Konsequenzen
Jules
"Trey, sprich doch mit mir", bettelte ich förmlich und legte die Hände flach auf die Küchentheke unserer Wohnung. Er redete seit gestern nicht mehr mit mir, ignorierte mich vollkommen. " Ich kann dir das alles erklären."
Er löffelte weiter sein Müsli und blätterte dabei in der Zeitung. Ich wusste er hörte mir zu. Ich wusste es ganz genau. Ich hatte ihn verletzt und jetzt wollte er mich verletzen. Ich war nur leider nicht verletzt, ich war stinkwütend.
"Es tut mir leid, okay? Wenn du mit mir sprechen würdest, könnte ich es dir erklären. Willst du das?", versuchte ich es weiter und ließ nach einigen Sekunden, in denen nur sein Kauen zu hören war, den Kopf sinken. Ich war durch mit dem Gebettel. "Oder willst du, dass ich gehe? Willst du, dass ich meine Sachen packe? Willst du, dass ich dir den Ring wiedergebe?"
Er schaute endlich auf, studierte mein Gesicht und wandte sich dann wieder seinem Essen zu. Ich seufzte und machte Anstalten den Ring von meinem Finger zu ziehen, als er die Zeitung weglegte.
"Wage es ja nicht, den Ring abzunehmen, Jules", brummte er, streckte sich und stand auf. Er ging ohne ein Wort zu sagen aus der Küche und ließ mich einfach stehen. Ich folgte ihm ins Schlafzimmer und verschloss die Tür hinter mir.
"Es reicht, Trey. Wir müssen reden", sagte ich mit fester Stimme und er rollte mit den Augen. "Sprich mit mir oder lass mich gehen."
Er schaute wieder zu mir und fuhr sich angestrengt durchs Haar. "Willst du das? Willst du gehen?", fragte er mich und ich schüttelte mit dem Kopf.
"Nein, natürlich nicht. Ich bin hier zu Hause", meinte ich und seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Da realisierte ich, wie das rüber gekommen war. "Nein, warte. So meinte ich das nicht! Ich bin hier zu Hause, weil du hier bist!"
Er musterte mich von oben bis unten und drehte sich dann dem Spiegel zu, der in die Schranktür eingelassen war um seine Krawatte zu binden. Ich trat vorsichtig vor und legte meine Hände um seine Schultern. Er versteifte sich, wandte sich dann doch mir zu. Während ich seine Krawatte richtete, starrte er über meine Schulter die Tür an. Immer wenn meine Finger seinen Hals berührten, zuckte er kaum merklich zusammen.
"Es hat mich verletzt", murmelte er und ich schaute überrascht auf. Seine Augen fanden kurz mein Gesicht, dann schaute er wieder weg. Ich blieb still, wollte seine Gedanken nicht unterbrechen. "Ich liebe dich und möchte eine Zukunft mit dir. Ich möchte das so sehr, dass ich mich förmlich danach verzerre. Ich liebe dich und du nennst ihn deinen Verlobten." Seine Stimme war rau und er schluckte schwer.
Ich wusste nicht, wie ich darauf antworten sollte, konnte. Was konnte ich sagen, um ihm seinen Schmerz zu nehmen? Das was ich getan hatte, hatte ihn tief verwundet. Und ich allein war daran Schuld. Nicht Cameron, nicht Scarlett, nicht Mama Lewis. Ich war daran Schuld, dass sein Studienfreund, der zufällig Arzt im Bellevue Hospital Center war, mitbekommen hatte, was ich gesagt hatte. Nur ich.
"Ich... Ich hatte Angst", flüsterte ich und starrte meine Hände an, die auf seiner Brust ruhten. Trey atmete tief ein.
"Wovor?"
"Ich hatte Angst vor der Situation. Cameron hätte sterben können. Was hätte ich dann gemacht? Ich bin die einzige Angehörige in New York. Ich hatte die Verantwortung. Dazu kommt noch, dass in einer solchen Situation niemand allein sein sollte. Ich musste mit eigenen Augen sehen, dass es ihm gut ging", versuchte ich leise zu erklären und Trey hob mit dem Zeigefinger mein Kinn an.
"Willst du mich heiraten? Oder möchtest du mit Cameron zusammen sein?", fragte er mich sanft und ich blickte in sein ehrliches Gesicht. Er liebte mich so sehr, dass er mich gehen lassen würde.
"Ich möchte mit dir zusammen sein", beteuerte ich, doch er sah mich weiterhin skeptisch an. Ob er mir jemals vergeben würde? "Das möchte ich. Ich will dich, Trey und niemanden sonst."
"Ich würde dir so gerne glauben, aber ich habe gesehen, wie du ihn angeschaut hast auf der Hochzeit. Und ich liebe dich, aber ich gehe daran zugrunde. Ich kann das nicht und du auch nicht", sagte er und sein Daumen glitt über mein Kinn. Ich packte sein Handgelenk als er sich von mir lösen wollte.
"Ich habe ihn angesehen, wie jemanden, der mich unfassbar verletzt hat. Cameron ist meine Vergangenheit, Trey. Du bist das Jetzt. Lass ihn nicht unsere Zukunft zerstören. Das will er doch nur. Ich bin mit dir verlobt. Nur mit dir", versuchte ich ihn umzustimmen und er seufzte. Ich ließ ihn los. Es war an ihm. Er musste entscheiden.
Ich hatte ihm mein Herz ausgeschüttet. Mehr konnte ich nicht tun. Cameron musste aus meinem Leben verschwinden. Wir taten einander nicht gut und wir verletzten Trey dabei. Den lieben, treuen Trey.
"Liebst du mich?", fragte er plötzlich und ich schaute ihn verwirrt an.
"Du kennst die Antwort. Natürlich tue ich das", sagte ich fest und hielt seinem prüfenden Blick stand.
"Und du bist mir treu?"
"Ja."
Etwas von der Anspannung wich aus seinem Gesicht und er legte kurz den Kopf in den Nacken.
"Und du wirst mich heiraten?" In seiner Stimme konnte man ein leises Lächeln hören.
"Ich werde sogar ein weißes Kleid für dich anziehen und nett zu deiner Mutter sein", fügte ich hoffnungsvoll hinzu. Trey lächelte mich nun offen an und ich konnte nicht anders, als es zu erwidern. "Und ich werde mir jetzt öfter die Beine rasieren."
Trey lachte und umarmte mich. Erleichtert drückte ich ihn an mich. Gott sei Dank. Er hatte mir vergeben.
"Frierst du dann nicht im Winter?", witzelte er und ich drückte ihn noch fester.
"Ich hab ja dich", nuschelte ich in seine Brust und ein weiteres Lachen fuhr durch ihn, sodass sein Brustkorb vibrierte.
"Ja, dafür hast du mich. Dafür bin ich da", sagte er und gab mir einen Kuss auf die Stirn und dann auf die Lippen.
Mein Blick glitt zur Uhr und ich hätte beinahe laut geflucht. Verdammt.
"Du musst zur Arbeit. Gott, Trey! Du hättest schon seit einer halben Stunde im Büro sein müssen und ich verpasse meine nächste Anhörung, wenn ich mich nicht beeile", rief ich und stolperte durchs Zimmer um meine Sachen zusammen zu suchen.
Ich hastete zur Tür, warf Trey ein Luftküsschen zu und rannte zu meinem Auto.
Ich hätte mich erleichtert fühlen müssen, aber irgendwie war das Engegefühl in meiner Brust einem Geschwür in meinem Magen gewichen. Wo sollte mich das nur hinführen?
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