Da ist etwas an dieser Stadt, das mich wieder glauben lässt. Es ist diese Hoffnung, die in der Luft liegt, die blinkenden Lichter, die so hell scheinen wie nirgendwo sonst auf dieser Welt und die Träumer, die die Straßen füllen, einer nach dem anderen, Tag für Tag. Die sich weigern an ihren Fehlern zu scheitern und aufzugeben, bis sie gewonnen haben. Es gibt keine andere Stadt wie diese, da ist nichts, das mehr verlockend ist, außerhalb der Stadtgrenze. Nichts, das mich jemals davon abhalten könnte, hier arbeiten zu können. Später einmal.
Wir standen mit der Klasse auf der Brooklyn Bridge und blickten hinaus auf den Fluss und die untergehende Sonne, die sich rötlich auf dem dunklen Wasser spiegelte und goldene Streifen an den Himmel malte. Es würde nicht mehr lange dauern bis die Sterne erschienen und sie und ihr warmes Licht verdrängten. Ein paar Vögel segelten über uns hinweg und ich schloss für einen kurzen Moment die Augen. Sog alles in mich auf: Den Duft nach Wasser, die Geräusche der Natur und des Verkehrs und speicherte den Sonnenuntergang fest in meinen Erinnerungen ab. Manchmal wünschte ich, dass es wirklich so einfach wäre. Gedanken rein in die Dose, Deckel zu und sicher verstaut. Langsam öffnete ich die Augen und schlang meine Arme um meine Taille. Das letzte Mal, als ich hier stand, hatte mein Ex-Freund Trey Lewis diesen Job für mich übernommen, aber da er gerade nicht abkömmlich war, musste ich es eben selber erledigen.
Mein Blick fiel auf Brody, der einen Arm um Maggie geschlungen hatte und leise flüsternd mit ihr die Skyline von New York betrachtete. Ich lächelte und wandte mich ab. Obwohl es mir in den letzten Tagen echt mies gegangen war, entdeckte ich jetzt meine Lebensfreude wieder. Ich gönnte den beiden Holzköpfen ihr Glück von Herzen und sehnte mich nach nichts mehr. Die Stadt hatte alle Wunden geheilt. Ich schaute mich weiter um, schmunzelte über Mr Ford, der aufgeregt Fotos knipste und bemerkte dann Cams intensiven Blick, der auf mir ruhte. Er hatte versucht mit mir zu reden, aber ich hatte den Entschluss gefasst, dass ich beleidigt war. Verletzt und beleidigt um genau zu sein. Seufzend zog ich meinen Schal fester um mich und starrte hinaus auf das Wasser. Der Wind war kalt, die Luft kühlte so schnell ab, wenn es dunkel wurde. Aber das war mir egal. Ich kam mit den Launen der Natur zurecht. Schließlich war ich fest der Meinung, dass Mutter Natur auch ab und zu ihre Periode hatte. Wer konnte ihr Stimmungsschwankungen da verübeln? Lächelnd zog mich mein Handy aus der Hosentasche und machte ein Foto von Maggie und Brody. Man konnte nie genug Pärchenfotos haben, schließlich brauchte ich ja auch noch ein Geschenk für sie zum Geburtstag. Jemand trat neben mich und ich schaute auf. Cameron. Sofort wandte ich den Blick wieder ab und steckte mein Handy weg. Flach atmend strich ich mir die Haare zurück. Ich wollte seinen Geruch nicht einatmen. Das machte es nur noch schwerer.
"Wunderschön oder?", bemerkte er und ich nickte. Ich wollte keine Szene machen, obwohl mir das Herz bis zum Hals schlug und es in meinen Ohren summte. "Weißt du, ich fühle mich in letzter Zeit wie ein Kürbis", sagte er und ich zog die Augenbrauen zusammen. Oooo-kay, was antwortete man auf sowas?
"Ähm, wieso?" Ja, Jules. Mega geistreich. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er die Hände in die Taschen seines Mantels steckte und den Kopf senkte.
"Ich laufe mit einem geschnitzten Lächeln im Gesicht herum und bin innen doch hohl." Oh nein, sowas gab's bei mir nicht. Er hatte dazu kein Recht. Ich war die, der Unrecht getan wurde.
"Das ist dein Problem. Weißt du noch?", sagte ich und meine Stimme klang kalt und spitz wie ein Eiszapfen. Er seufzte und ich verschränkte die Arme vor der Brust.
"Es tut mir so leid, Julianne", flüsterte er und ich sah ihm tief in die traurigen Augen. Es legte sich ein eiserner Griff um meinen Brustkorb und drückte zu. Mir fiel das Atmen schwer.
"Ach ja?"
"Ja! Wenn ich etwas an der Situation ändern könnte, dann würde ich es. Es. Tut. Mir. So. Unendlich. Leid."
"Wenn Träume Pferde wären, könnten Träumer reiten", zischte ich und stiefelte davon. Oh ja, das tat weh. Und zwar so richtig. Aber noch viel mehr schmerzte, wie er mit mir umgegangen war. Damals in Seattle. Ich war nicht dämlich. Ich verstand, warum er sauer auf mich gewesen war, aber das war kein Grund mich als Lügnerin zu bezeichnen. Enttäuscht stellte ich mich in die Schlange vor einem kleinen, mobilen Coffee Shop und bestellte einen warmen Kakao und zwei Kaffee. Der Typ reichte mir meine Becher und ich bezahlte.
Cameron Boudreaux würde mir meine gute Laune nicht versauen. Nicht heute. Nicht hier.
"Hey, Maggie", rief ich und ging auf sie zu. "Einmal Kaffee für dich und dein Lustobjekt." Brody lachte und nahm mir sein Getränk ab.
"Was macht das?", fragte er und ich winkte ab.
"Nichts. Geht auf mich."
"Nice, danke."
Ich lächelte und deutete auf die Skyline.
"Maggie, siehst du den großen Tower mit den dunklen Fenstern?", fragte ich und sie nickte.
"Ja, wow. Mega."
"Du Lügnerin. Du siehst gar nichts. Die Gebäude sehen von hier alle gleich aus", sagte ich lachend und sie boxte mir in die Seite.
"Hauptsache du hast deinen Spaß. Ich hab meine ollen Kontaktlinsen verlegt und jetzt seh ich kaum was. Da hätte es doch sein können, dass ich was übersehe", jammerte sie und ich lachte noch mehr. "Was?"
"Deine Kontaktlinsen sind in meinem Kulturbeutel, du Dummkopf. Du hast doch deinen geschrottet." Manchmal fragte ich mich echt, ob ihr Kopf nur zur Zierde da war.
"Oh Girl, du bist manchmal echt zerstreut", bemerkte Brody und ich lachte noch mehr.
Wir standen noch eine ganze Zeit lang so da und scherzten herum. Die Sonne sank immer tiefer, die Umgebung wurde immer dunkler und mein Herz immer leichter. Ich war Zuhause. Tatsächlich Zuhause.
Doch als ich Cam einen Blick zuwarf und sah, wie traurig er auf den Fluss schaute, konnte ich mich nicht richtig freuen. Er tat mir Leid.
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