
Fuck
Cameron
"Kann ich mit dir reden, Cam?", fragte Jules mich und ihre blauen Augen schauten traurig zu mir hoch. Mein Magen zog sich zusammen und ich verschränkte die Arme vor der Brust, damit sie nicht sah, wie sehr ich zitterte.
"Ich weiß nicht, ob du das kannst", gab ich zurück und ihr Gesicht entgleiste für einen kurzen, flüchtigen Moment. Am liebsten hätte ich sie in die Arme genommen und ihr die Trauer und Sorge aus dem Gesicht gestrichen. Ganz ähnlich wie Brotkrumen von einem Mantel. Doch das tat ich nicht. Ich blieb standhaft. Ließ mich von meiner Eifersucht übermannen.
"Könnten wir vielleicht kurz vor die Tür dazu gehen?", fragte Jules und strich sich ein paar dunkelblonde Strähnen aus dem Gesicht. Ihre Haare waren mittlerweile länger geworden und ihr Long-Bob verflüchtigte sich allmählich.
"Damit du mir noch ein paar Lügen mehr erzählen kannst?", knurrte ich und wich ihrem Blick aus. Geh einfach, Julianne. Mach es nicht noch schwerer.
"Ich habe dich nie angelogen. Nicht einmal", sagte sie ruhig und ich blickte sie überrascht an. Ich hatte eine Schimpftirade ohnegleichen erwartet, aber nicht diese Abgeklärtheit. Kopfschüttelnd wandte ich mich ab und sie tippte mir mit ihrem Zeigefinger auf die Schulter. Ihr Berührung jagte Unmengen kleiner Schauer durch meinen Körper. Ich war so kurz vor einem Date mit ihr gewesen und da musste sie alles zerstören. Vielleicht war es nicht Jack mit dem sie ins Bett ging, aber da war jemand. Und das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Die Person, von der ich die Information hatte, saß an der Quelle. Direkt an der Quelle.
"Natürlich hast du gelogen. Es gibt da jemanden, der mir versichert hat, dass es da einen anderen gibt. Verkauf mich nicht für blöd", fuhr ich sie an und sie hob eine Augenbraue. Nicht gerade die Reaktion, die ich erwartet hatte. Mal wieder.
"Weißt du, da gibt es einen ganz passenden Begriff zu: Hörensagen. Warum glaubst du nicht mir?" Ich lachte bitter auf und Jules verschränkte die Arme unter der Brust. Sie sah so zierlich aus und war doch alles andere als zerbrechlich. Sie war knallhart.
"Oh, wow. Sind wir jetzt vor Gericht?"
"Nein. Soll ich dir erläutern, was Hörensagen ist? Vielleicht verstehst du ja dann, worauf ich hinaus will", zischte sie und trat einen Schritt auf mich zu.
"Fahr zur Hölle, Julianne", sagte ich und ohrfeigte mich innerlich. Sie hatte es drauf mich wie einen Bauerntrampel dastehen zu lassen. Und jedes Mal tappte ich wieder in ihre Falle.
"Bezahl mir das Ticket, Cameron!" Sie warf ihre Haare über die Schulter und begab sich wieder zu Maggie, die nun Brody aufgeregt am Ärmel zog und mit dem Kinn zu mir deutete. Was war da denn am Laufen?
"Willst du mich verarschen?", brüllte ich und packte Brody am Kragen. Dieser kleine, miese Wurm. "Du schwängerst Maggie und Jules muss es ausbaden?!"
"Whoa, Alter. Komm runter. Ich hab sie nicht geschwängert", erwiderte er und drückte mich von sich weg.
"Dass ich nicht lache", erwiderte ich und stemmte die Hände in die Hüften. Tagelang schnitt ich Jules, weil ich dachte, dass sie einen anderen hatte und jetzt kam so was raus. Tagelang hatte ich es nicht verstanden, wieso sie mir nicht einfach erzählte, wo sie gewesen war. Und nun machte alles einen Sinn.
"Ich habe sie nicht geschwängert", wiederholte Brody mit Nachdruck und glättete sein T-Shirt.
"Fast geschwängert dann eben."
"Ich bin mir sicher, dass es sowas nicht gibt, Bruder." Frustriert setzte ich mich auf die Bettkante und fuhr mir übers Gesicht. Jap, eine Rasur war dringend nötig, wollte ich doch nicht wie der letzte Penner aussehen.
Und verdammt, ich fühlte mich scheiße. So richtig scheiße. Das schlechte Gewissen nagte an mir und meine altbekannte Wut auf alles und jeden kam wieder auf.
Ich musste das mit Jules wieder in Ordnung bringen. Unbedingt. Sie hatte nur Maggie gedeckt, dafür konnte ich sie nicht verurteilen.
"Fuck", flüsterte ich und Brody setzte sich zu mir.
"Ja, Fuck." Ich schaute zu ihm und strich mir frustriert übers Gesicht.
"Was mache ich denn jetzt?" Brody hob abwehrend die Hände und schüttelte mit dem Kopf.
"Das ist deine Sache", meinte er und ich schubste ihn vom Bett. Er landete auf dem Boden und schaute fassungslos zu mir auf.
"Deine eigene Schuld, Arschloch", sagte ich und lehnte mich zurück.
"Vielleicht fängst du an das Drama, dass du angerichtet hast wieder zu beheben... anstatt andere Menschen zu verhauen."
"Hört sich gut an", murmelte ich und schaute auf mein Handy. Keine neuen Nachrichten. "Ich weiß nur nicht, wie ich anfangen soll." Er zuckte mit den Schultern und kreuzte seine Knöchel.
"Keine Ahnung, vielleicht was wie: Hey Jules, ich hab mal wieder Scheiße gebaut. Aber das kennst du ja schon von mir. Wäre wirklich cool, wenn du mir armer Seele noch mal vergibst", sülzte er drauf los und ich verpasste ihm einen Tritt gegen den Oberschenkel. "Hey, Mann. Kontrollier mal deine Aggressionen!"
"Kontrollier du mal deinen verbalen Durchfall", gab ich zurück und starrte die weiße Decke an. Ich saß mal wieder knietief in der Kacke. Doch diesmal war da keine Jules, die mich rauszog. Diesmal schüttete sie noch Schippe um Schippe drauf.
"Hör zu: Du machst das schon. Sie ist nicht blöd und außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass sie dich auch mag. Ich kann mir zwar nicht erklären wieso, aber so ist es." Ich lachte bitter auf und zog meine Beine an.
"Was ist, wenn ich es für immer versaut habe?" Er zuckte erneut mit den Schultern.
"Dann musst du dich nach was anderem umsehen."
"Manchmal hasse ich dich", brummte ich und kniff die Augen zusammen. Irgendwo hatte er ja leider Recht. Ich wollte nicht zu den Menschen gehören, die sich an etwas klammerten, das sie nicht bekommen konnten. Das war verzweifelt. Das war wie mein Vater. Und so wollte und konnte ich nicht werden. So etwas widersprach allem, was ich immer wollte und allem wogegen ich mich immer gewehrt hatte.
Brody machte das Licht aus und ich schaute zu ihm.
"Was soll denn das?", fragte ich.
"Ich wollte diesem Moment Nachdruck verleihen. Der Moment, an dem Cameron Boudreaux endlich mal sein Hirn benutzte."
"Ach, halt doch die Fresse."
"Und dahin war dieser denkwürdige Augenblick."
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