Kapitel 23
Vorsichtig knie ich mich neben ihn. Er liegt mit dem Gesicht auf dem Boden, so dass ich erkenne, dass die Kugel in seiner rechten Schulter ist. Wer hat geschossen? Und wen wollte derjenige treffen?
,,Wir müssen los. Kommst du?", fragt Sina leise. Ihre Stimme ist leicht drängend, als hätte sie Angst.
Ich drehe meinen Kopf zu ihr und schüttle leicht den Kopf. Er will mich umbringen, ja. Aber ich möchte auch nicht, dass der Junge hier jetzt einfach so auf der Straße stirbt. Das wünscht man niemanden.
Mein Blick wandert über die Wachen welche am Boden liegen. Drei bewusstlos, eine tot. Verblutet. Die Kugel hat das geschafft, was sie bei mir erziehlen sollte. Ich seufze leise.
Ich streiche dem Jungen vor mir vorsichtig über den Rücken. Was soll ich nur machen?
Plötzlich keucht er auf.
Ich kann ihn hier nicht alleine herumliegen lassen. Bis die Wachen wieder bei vollem Bewusstsein sind, ist er tot. Am Gift gestorben.
Ich stehe auf und gehe zu Sina. Vorsichtig zupfe ich sie am Ärmel und nicke zu dem Jungen. Dann gehe ich wieder zu ihm und lege einen Arm unter seine heile Schulter.
Leise ächzend schaffe ich es, dass er auf die Beine kommt und setze ihn auf ein paar Holzkisten.
Sofort lässt der Junge den Kopf gegen die Steinmauer sinken und fühlt mit seiner linken Hand nach der Kugel. Als er es geschafft hat, zuckt er zusammen und nimmt seine Hand wieder weg.
Aus dem Augenwinkel sehe ich wie Sina angetrottet kommt.
,,Hey, hörst du mich?", fragt sie leise nach und winkt vor dem Gesicht von dem Jungen herum, so wie ich es gestern bei ihr gemacht habe. War das wirklich erst gestern? Dann hat sie sich aber ganz scchön schnell erholt.
Der Junge nickt und stöhnt leise. Dem geht es eindeutig nicht mehr gut. Er will anfangen zu reden, lässt es dann aber bleiben.
Ich schaue ratlos zu Sina. Was sollen wir jetzt machen? Ins Krankenhaus können wir ihn nicht bringen, da wir beide sonst sofort verdächtigt werden. Aber in ein paar Minuten ist er wahrscheinlich tot und da habe ich jetzt keine Lust drauf.
Ich wende mich wieder dem Jungen zu und sehe ihn fragend an. Dann deute ich mit einer Hand hinter mich und fuchtel mit meinen Armen herum. Für jeden Fremden hätte ich wahrscheinlich ausgesehen wie jemand, der ihn umbringen möchte. Allerdings möchte ich das gerade mal nicht.
Auf einmal steht der Junge auf und streckt seine Hand aus, um sich an mir festzuhalten. Dabei schwankt er doll.
Ich gehe einen Schritt zu ihm und lege seinen Arm um meine Schulter, so dass er sich abstützen kann. Dabei rutscht meine Kapuze ein wenig nach hinten, weshalb ich sie wieder zurechtzupfe. Trotzdem merke ich den stechenden Blick von dem Jungen. Hat er meine Haare gesehen?
Als wir am Ende der Gasse angekommen ist, stützt der Junge sein ganzes Gewicht auf mich, so dass ich leicht zusammensinke. Er ist gleich am Ende angekommen und ich kann auch nicht mehr. Aber ich stolpere weiter. Immer weiter, bis ich nicht mehr kann. Und das ist leider schon nach hundert Metern.
Ich bleibe stehen und atme tief durch. Als ich einen Blick zur Seite werfe, sehe ich dass der Junge die Augen geschlossen hat und sein Körper manchmal zuckt. Wie toll. Ich drehe mich nach Sina um und sehe sie zwei Meter von der anderen Seite bei dem Jungen entfernt. Ach ja, nur einer von uns kann helfen.
Ich mache mit meiner Hand das Zeichen von einem Telefon, dann zeige ich ihr zweimal die Eins und einmal die Zwei.
Sie nickt als Antwort und öffnet ihren Screen. Dann macht sie ihn kleiner und benutzt ihn als Handy. Ist echt nützlich der Screen.
Ich setze den Jungen auf dem Bürgersteig ab und hocke mich daneben. Vielleicht wacht er ja auf wenn ich ... nein, ich meinte nicht küssen! Ich hole mit meinerm Arm aus und scheuer ihm eine.
Sein Kopf fliegt nach links, aber mehr passiert auch nichts. Nach einer halben Minute fällt er nach hinten um und liegt auf dem Rücken. Das ist ungünstig.
Ich drehe den Jungen auf den Bauch, so dass die Krankenpfleger die Kugel schon sehen können. Dann richte ich mich auf und gehe zu Sina. Sie nickt mir zu und wir beide rennen so schnell es geht weg.
Nach mehreren Minuten bleiben wir am Trainingsplatz stehen und entscheiden dann, uns auf eine Bank zu setzen. Da es noch früh ist, sind noch nicht so viele Leute hier und diejenigen die hier sind, ignorieren uns.
,,Also. Das war gerade echt knapp. Hoffentlich findet der Krankenwagen ihn bald, sonst ist er tot", fängt Sina an und schaut mich an.
Ich schließe kurz meine Augen. Kann ich ihr vertrauen? Wahrscheinlich schon. ,,Woher weißt du, dass es ein Junge war?", flüstere ich. Hat sie es gemerkt, so wie ich?
Sina schaut mich verwundert an. Ich habe halt das erste mal geredet. Dann lacht sie leise los. ,,Ich wusste es! Ich wusste dass du weiblich bist!" Sie ist leise, wofür ich ihr dankbar bin. ,,Also für mich war das irgendwie klar. War aber echt gut, wie du ihm eine runtergehauen hast." Sie hört auf zu lachen und schaut mich fest an.
Okay, was ist jetzt los? Was weiß sie, was ich nicht weiß? Ich schlucke leicht. Vielleicht war das alles geplant und jetzt verrät sie mich. Aber ... nein, dass glaube ich nicht. Dafür erscheint sie mir zu nett. Allerdings haben meine Instinkte mich schon einmal getäuscht. Ich atme tief durch. ,,Was ist los?", frage ich misstrauisch nach.
Sie schaut mich verwundert an und blinzelt. Dann hat sie sich wieder gefasst. ,,Du weißt es nicht?"
Was soll ich wissen? Was??? Und warum ist das, was auch immer es ist, so offensichtlich?
Sie fängt an leicht zu lächeln. ,,Dieser Junge ...
Okay, ich denke jeder weiß was jetzt kommt, aber naja. Ich kann es einfach nicht lassen.
Und leider musste Ava ihm auch helfen, sonst wäre die Geschichte zu Ende gewesen.
Ich könnte das Nächste Kapitel aus der Sicht von dem Jungen machen wenn ihr wollt?
Ich wünsche euch noch einen schönen Tag!
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