
5. Last Day
Nachdem ich geduscht habe, ziehe ich mich schnell an und gehe wieder in den Garten. Mom versucht gerade Cole das Eis aus dem Gesicht...naja...von einfach überall weg zu machen.
Cole zappelt dabei auf seinem Stuhl herum und murrt unzufrieden.
„Cole, jetzt halt doch mal still!", seufzend sieht Mom ihn an. Cole schüttelt nur den Kopf und reibt sich mit der Hand über sein Auge, ehe er gähnt. Stirnrunzelnd sehe ich auf die Uhr auf meinem Handy. Es ist gleich sechs.
„Ich schmeiß ihn in die Wanne Mom, ruh' dich aus, ich sehe doch, wie müde du bist.", ertappt dreht sie sich zu mir und lächelt mich an. „Bist du dir sicher? Musst du nicht noch irgendwas für die Schule machen? Du hast dich schon den ganzen Tag um Cole gekümmert.", da hat sie Recht. Aber glücklicherweise bekommen wir äußerst selten Hausaufgaben und bis zu den Prüfungen ist es noch hin. „Nein, es ist kein Problem, wirklich. Ich mache das doch gerne.", immerhin ist er mein kleiner Bruder. Ich kann ihn ja nicht einfach hängen lassen.
Leise ächzend erhebt sich Mom und kommt auf mich zu. „Hast du schon etwas gegessen?", frage ich sie. Wobei ich die Antwort eigentlich schon weiß. Sie isst fast nichts mehr. Sei es, weil sie keinen Hunger hat, oder weil sofort alles wieder raus kommt, wo es rein kam. Es wird immer schlimmer. Sie wird auch immer müder. Das sie jetzt schon so fertig aussieht, ist ein verdammt schlechtes Zeichen. Es macht mir Angst.
„Mach dir keinen Kopf, Bale. Im Kühlschrank steht Lasagne, mach dir die bitte warm bevor du schlafen gehst. Vielleicht will Cole ja auch noch etwas.", ich nicke, dann geht sie langsam die Treppen nach oben.
Ich sehe zur Terrasse, wo Cole dösend im Stuhl hängt. Mir das Lachen verkneifend gehe ich auf ihn zu und hebe ihn in meine Arme.
Ich bringe ihn nach oben ins Badezimmer, wo ich ihn ausziehe, während warmes Wasser in die Badewanne läuft. Sobald auch Schaum drin ist, setze ich ihn hinein. Cole sieht mich müde an, als ich beginne ihn schnell zu waschen. Um so schneller ich hier fertig bin, um so schneller kann er ins Bett.
„Möchtest du noch etwas essen, bevor du schlafen gehst?", fragend sehe ich ihn an und schäume seinen Kopf ein. Er brummt nur als Antwort, was ich einfach mal als 'Nein' deute.
Schnell lasse ich Wasser über ihn laufen und wasche den Schaum von seinem Körper. Danach hebe ich ihn aus der Wanne und wickle ihn in ein Handtuch. Das Wasser in der Badewanne lasse ich ablaufen, Cole rubble ich mit dem Handtuch trocken. Dann hebe ich ihn erneut hoch und gehe mit ihm in sein Zimmer.
Aus seinem Schrank ziehe ich schnell eine Unterhose, Socken und den Schlafanzug. Quengelnd lässt er es zu, dass ich ihn anziehe und zudecke, sobald er im Bett liegt.
„Schlaf gut, kleiner.", mit der Hand fahre ich durch seine noch etwas feuchten Haare. Cole hat die Augen schon geschlossen und brummt nur noch leise. Schmunzelnd stehe ich auf und verlasse sein Zimmer.
Ich gehe die Treppen wieder nach unten und räume die Schüsseln und Gläser vom Tisch auf der Terrasse um sie in die Spülmaschine zu stellen. Sobald das erledigt ist, stelle ich die Lasagne in den Backofen, den Timer auf 20 Minuten und lasse mich auf die Couch sinken.
Jetzt hab' ich noch Zeit. Toll, was soll ich jetzt machen? Im Fernseh kommt sowieso nur Rotz. Vielleicht hat Jessy ja noch Zeit.
Ich ziehe mein Handy aus meiner Hosentasche und öffne WhatsApp. Auf dem Chat von Jessy und mit schreibe ich ihm eine Nachricht mit der Frage, ob er noch Lust hätte vorbeizukommen. Sofort bekomme ich auch eine Antwort.
'Bin gleich da.'
Wie ich Jessy kenne, wird er auch noch etwas essen. Also stehe ich auf und hole Teller und Besteck sowie Gläser. Ich stelle alles auf den Tisch und setze mich wieder auf die Couch. Jessy dürfte gleich da sein, mit dem Auto braucht er nicht lange, er wohnt nur 15 Minuten entfernt von hier, mitten im Wald. Fragt mich nicht wieso, ich finde es verdammt seltsam. Seine ganze Familie wohnt da, genauso noch zig andere Familien, alle zusammen in vielen Häusern, mitten im Wald. Mitten. Im. Wald.
Wenn ich seine Eltern und ihn nicht kennen würde, würde ich davon ausgehen, die sind nicht mehr ganz beisammen.
Mal im Ernst, wer wohnt denn mitten im Wald. Vor allem, warum? Gibt's da was umsonst? Ich hab's noch nie verstanden. Jessy meint immer, dass sie sich dort wohler fühlen, als mitten in der Stadt. Das kann ich ja noch nachvollziehen, aber sie könnten doch auch einfach am Waldrand, wie wir, wohnen.
Ich war in den ganzen Jahren, in denen ich schon mit Jessy befreundet bin, noch nicht wirklich oft bei ihm. Aber auch einfach nur aus dem Grund, dass die Leute, die außer seiner Familie auch dort wohnen, einfach seltsam sind. Beim letzten Mal, haben die mich angestarrt, als hätte ich gerade vor aller Augen auf den Boden geschissen.
Sie haben zwar schon immer so gestarrt, aber mit den Jahren ist das immer schlimmer geworden. Fast schon ehrfürchtig und erwartungsvoll blicken sie mich an.
Ich habe auch schonmal ein Bellen gehört, aber bekam auf meine Frage, ob hier jemand einen Hund hat, nur ein äußerst angespanntes 'Nein.'
Dabei könnte ich schwören, dass da etwas gebellt hat!
Das Klingeln der Tür reißt mich aus meinen Gedanken. Schnell stehe ich auf und gehe zur Tür. Jessy begrüßt mich leise, als ich ihn reinlasse. Er weiß, dass Cole und meine Mom früh schlafen gehen. Und ich bin ihm dankbar, dass er es respektiert, dann leise sein zu müssen.
„Ich habe Lasagne im Backofen, die ist...jetzt auch fertig.", nach einem Blick auf den Timer gehe ich, gefolgt von Jessy, in die Küche.
•~•
Nach dem Essen setzen wir uns auf die Couch. „Hast du Bock noch was zu zocken?", frage ich ihn. Meine PlayStation steht hier im Wohnzimmer, einfach nur deshalb, weil der Fernseher hier viel größer ist und selten jemand Fernseh schaut.
„Klar, was hast du denn da?", sein Ernst? Genau so sehe ich ihn auch an, mit einem Blick, der fragt 'Willst du mich verarschen?'
Jessy lacht und schüttelt den Kopf. „Ist ja gut...Lust auf 'ne Runde Battlefield?", geht doch. „Klar.", ich stehe auf, schalte die PlayStation ein und schiebe das Spiel rein.
•~•
Müde lasse ich mich in mein Bett fallen und Decke mich halbwegs zu. Jessy ist vor ein paar Minuten abgehauen. Ich habe mich dann auch verzogen und fertig gemacht, um schlafen zu gehen.
Morgen klingelt mein Wecker um sechs Uhr und das ist nicht mehr lange.
•~•
Müde stehe ich auf, nachdem ich meinen Handy-Wecker ausgeschaltet habe. Gähnend fahre ich mir über das Gesicht und trotte ins Bad. Meine erste Amtshandlung: pinkeln. Danach geht es einem doch schon direkt besser.
Beim Blick in den Spiegel halte ich inne und runzle die Stirn. Die blauen Flecken verschwinden schon wieder. Und das nach zwei Tagen! An meiner Lippe sieht man nur noch einen schmalen dünnen Streifen, der etwas auffällt, aber ansonsten ist diese auch schon wieder so, wie sie mal war. Verfickte scheiße, das ist doch nicht normal!
Nach ein paar Minuten schüttle ich dann den Kopf und sehe es einfach positiv.
Nachdem ich auch meine Zähne geputzt habe, gehe ich wieder zurück in mein Zimmer um mich anzuziehen.
Danach wandere ich runter in die Küche. Da alles noch ruhig ist, gehe ich davon aus, dass meine Mom noch schläft. Diese Vermutung bestätigt sich auch, als ich niemanden in der Küche oder dem Wohnzimmer sehe.
Ich bin froh, dass sie noch schläft. Sie braucht die Ruhe.
Ich decke für Cole und mich schonmal den Tisch. Heute gibt's nur Cornflakes. Also hole ich diese raus, ebenso zwei Schüsseln, Löffel und Gläser.
Sobald der Tisch dann gedeckt ist, gehe ich in Coles Zimmer, um ihn zu wecken.
„Cole, aufstehen kleiner Mann.", ich setze mich neben ihn auf sein Bett und rüttel ihn leicht an der Schulter.
Cole murrt leise, gähnt und zieht sich die Decke über den Kopf.
Schmunzelnd beuge ich mich zu ihm runter. „Wenn du nicht aufstehst, muss ich heute wohl ganz alleine Fußball spielen.", wenn mir jemand am morgen so käme, würde ich ihn sicherlich vom Bett treten. Cole dagegen setzt sich sofort auf und sieht mich verschlafen und schockiert an. „Nein!", er strampelt die Decke weg und krabbelt auf mich zu. „Dann auf, fertig machen!", weise ich ihn an. Unzufrieden befolgt er meinen Befehl und klettert aus seinem Bett um ins Bad zu rennen.
Ich stehe auf und folge ihm. Ich helfe ihm beim Zähneputzen, dann gehe ich zurück in sein Zimmer, während er auf der Toilette ist. Aus seinem Schrank hole ich ihm Kleidung raus und lege diese auf sein Bett.
•~•
Sobald Cole angezogen ist und wir gefrühstückt haben, packe ich ihm seinen Rucksack. Meiner Mom habe ich den Tisch ebenfalls schon zum Frühstück gedeckt, falls sie doch mal Hunger bekommen sollte.
Ich gebe Cole seinen Rucksack und schultere meinen eigenen, nachdem wir uns unsere Schuhe angezogen haben. Dann nehme ich Cole an die Hand und wir verlassen das Haus.
•~•
In der Schule begrüße ich Jessy wie immer mit einem Handschlag und setze mich zu ihm und ein paar unserer Mitschüler auf die Tischtennisplatte.
Meine Klasse ist eigentlich total in Ordnung. Ein Haufen netter Leute, mit denen ich mich eigentlich gut verstehe. Es ist auch kein Geheimnis, dass meine Mom krank ist, aber ich rede hier nie darüber. Warum auch? Wer will schon von dutzenden Leuten mitleidige Blicke oder einen dummen Kommentar, von einem Arschloch? Auch wenn diese Kommentare nur von einem einzigen kommen würden. Marc. Ich habe selten so ein Arschloch kennengelernt.
Er ist der typische Mobber. Hackt auf den schwächeren herum und fühlt sich verdammt cool. Und zu viel Selbstbewusstsein hat er natürlich auch noch abbekommen.
Das und noch drei Trottel, die ihn immer umschwirren, wie Mücken einen Haufen Scheiße.
Marc kann mich nicht leiden, ich ihn aber auch genauso wenig. Wobei ich glaube, dass es ihn einfach nur nervt, dass ich ihm die ganzen 'heißen Schnitten' wegschnappe. Was ich, nebenbei gesagt, nicht tue. Ich habe mit niemanden was am laufen und lege auch die 'heißen Schnitten', die gerne etwas von mir wollen, nicht flach.
Natürlich habe ich schon mit dem ein oder anderen Mädchen geschlafen, aber ich bin weder jemand, der damit herum prahlt, noch hole ich mir eine nach der anderen ins Bett.
Aber das glaubt Marc nicht. Der dumme Idiot.
Jedenfalls kommt besagter dummer Idiot gerade aus der Schule und geht zielstrebig auf Jonah zu. Jonah ist ein dunkelbloder, relativ kleiner zehntklässler. Also zwei Jahre jünger als ich und ist eher schmächtig. Er wird öfters von irgendwem herumgeschubst und muss sich viel gefallen lassen. Das geht mir schon lange auf den Keks, doch ich habe bisher nie live gesehen, wie ihn jemand fertig gemacht hat, also konnte ich auch nie eingreifen. Bis jetzt.
„Ich bin gleich wieder da.", sage ich und unterbreche das Gespräch von Jessy und ein paar meiner Mitschüler. Jessy sieht mich verwirrt an, ehe er meinem Blick folgt und flucht. Ich bin schon auf dem Weg zu Marc, welcher Jonah gerade einen kräftigen Schubs nach hinten gibt. Er kann sich noch gerade so abfangen um nicht hinzufallen.
Wütend sehe ich dem zu, während ich mir meinen Weg durch die ganzen Schüler mache. Hinter mir höre ich Jessy nach mir rufen, ignoriere ihn aber allerdings, da ich nur Augen für Marc habe.
Mittlerweile haben mehrere Schüler von der kleinen Rauferei zwischen Marc und Jonah mitbekommen und widmen dem ihre Aufmerksamkeit. Andere sehen mich verwundert an und machen mir Platz.
„Verdammt, Bale! Warte!", ruft Jessy hinter mir.
Da bin ich aber auch schon bei der Menge angekommen und drücke mich durch die Schüler druch, in den Kreis, den sie gebildet haben.
Marc hat Jonah am Kragen gepackt und motzt ihn an, was er denn für eine dumme Schwuchtel ist. Dann holt er aus.
Schnell überwinde ich die letzten Meter und fange Marcs Faust ab, bevor sie Jonah treffen kann. Jonah, welcher die Augen geschlossen hat, öffnet diese nun irritiert, als der erwartete Schlag nicht kommt. Mit großen Augen sieht er mich von der Seite an.
Marc kneift sauer die Augen zusammen, als er mich sieht. Dann reißt er seine Hand auf meinem Griff. Abrupt lässt er Jonah los und stößt diesen dabei nach hinten. Schnell greife ich nach seinem Arm, um ihn vom Fallen abzuhalten und ziehe ihn wieder auf die Beine.
Jonah sieht mich schüchtern, beinahe ehrfürchtig mit großen Augen an. „D-danke.", stottert er. Ich grinse ihn an. „Kein Problem.", dann drehe ich mich zu Marc um. Im gleichen Moment stürzt er sich auf mich. Ich mache einen schnellen Schritt zur Seite und er fällt ins leere. Die Schüler um uns herum fangen an zu lachen, während Marc sich sauer wieder aufrappelt.
Aus dem Augenwinkel sehe ich Jessy, der sich endlich durch die Schüler hindurch quetschen kann. Er sieht zu mir und Marc, ehe er Jonah am Arm zu sich zieht und etwas zu ihm sagt.
Weiter kann ich mich nicht auf die beiden konzentrieren, da Marc erneut auf mich zugestürmt kommt. Seine Faust wehre ich mit einem einfachen Handschlag ab. „Was ist bei dir eigentlich schief gelaufen?", bevor Marc antworten kann, höre ich die laute Stimme von Mr.Parker.
„Sofort aufhören!", die Schüler machen ihm Platz und er stellt sich ebenfalls in den Kreis. „Seid ihr eigentlich bescheuert?", fragt er sauer, wobei er besonders mich ansieht. Ich runzle die Stirn. Ich habe doch gar nichts gemacht? Sondern Jonah geholfen.
„Ihr kommt alle mit nach oben. Sofort!", er zeigt auf Marc, Jonah und mich.
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„Ghost Of You” von „5 Seconds Of Summer”
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