28. Kontrolle
Immer schneller renne ich zwischen den Bäumen und Büschen des Waldes hindurch. Irgendwo hinter mir ist Liam, welcher versucht mich zu fangen. Die Betonung liegt auch auf versucht, denn er schafft es nicht. Liam meinte ja, er sei so unglaublich schnell. Kaum bin ich losgerannt, war er nicht mehr zu sehen.
Liam ist also lost.
Irgendwo im Wald.
Ich bleibe stehen und sehe mich um, versuche mit meinen Sinnen nach Liam zu suchen. Sehen und hören tue ich ihn nicht, dafür kann ich ihn riechen. Er ist ein gutes Stück hinter mir, trotzdem wird er in der nächsten Minute hier sein. Denn schnell ist er ja, aber allem Anschein nach nicht so schnell wie ich.
Ich setze mich hin und warte, bis Liam zu mir aufgeholt hat. Sobald ich ihn höre, stehe ich wieder auf und im nächsten Moment werde ich auch schon umgerannt und unter ihm begraben.
„Du trampel!”, schimpfe ich. Liam schnaubt nur belustigt und leckt mir über die Schnauze, bevor er dann aufsteht. „Lass uns zurück gehen.”, ich nicke und folge Liam wieder zurück zum Haus.
„Wird die Verwandlung immer so wehtun?”, darauf habe ich dann nämlich so gar keine Lust mehr. „Nein, das erst Mal ist es am schlimmsten. Die darauffolgenden Male ist es nicht mal annähernd so schmerzhaft und wird immer leichter, bis es nicht mehr wehtut.”, na Gott sei dank.
•~•
Als wir wieder auf dem Grundstück von Andrew sind, höre ich schon Coles lachen. Er und Andrew verstehen sich wohl prima.
„Das zurück Verwandeln ist eigentlich genau wie das zum Wolf werden. Denk einfach daran, wie du als Mensch aussiehst.”, ich drehe meinen Kopf zur Seite und drei mal dürft ihr raten, was genau auf der Höhe meiner Schnauze ist.
Richtig. Liams fucking Genitalien!
Ich springe sofort zurück und knurre Liam gereizt an. „Du kannst diese komische Mate-Geschichte mit dem Markieren gleich vergessen, wenn du so weiter machst! Dann war's das nämlich mit deiner Männlichkeit!”, Liam lacht und kommt dann mit einem dreckigen Grinsen und mit vor der Brust verschränkten Armen auf mich zu.
„Also würdest du ihn in den Mund nehmen. Interessant.”, ich glaube ich ziehe ihm gleich eine ab.
Ich drehe mich schnaubend um und denke an meinen menschlichen Körper. Wieder tut es höllische weh, aber ich werde nicht bewusstlos und es geht schneller.
Ich drehe mich angepisst zu Liam um und gehe auf ihn zu. Liam lässt seine Augen an meinem Körper auf und ab wandern und kurz werden sie schwarz. Er saugt förmlich alle Eindrücke ein.
Erst da wird mir klar, dass ich ja auch nichts an habe. Sofort bleibe ich stehen und verdecke meinen Schwanz.
„Hör auf zu gaffen!”, Liam lacht laut und zuckt mit den Schultern. „Ich sehe dich doch eh bald nackt. Stell dich nicht so an.”, „Nur weil du kein Schamgefühl hast!”, mal im Ernst, das hat er wirklich nicht!
„Warum sollte ich auch? Ich bin es gewohnt und du bist mein Mate, ich schäme mich vor dir nicht.”, „Ach leck mich doch.”, ich drehe mich um, um wieder uns Haus zu gehen. Liam gafft mir auf den Arsch, ich fühle es, und ruft: „Nur zu gerne!”
•~•
Andrew lacht, als ich ihm empört erzähle, was draußen im Garten war. Cole rennt durchs Haus, seit er eben festgestellt hat, dass es sehr sehr groß ist. Wahrscheinlich sehe ich ihn nie wieder. Toll.
„Aber Recht hat er.”, wieder ernst geworden sieht Andrew mich an. „Ihr seid Mates, da ist es ganz normal, dass Liam sich nicht schämt und dich gerne so schnell wie möglich markieren möchte. Vor allem, da er ein Alpha ist. Du bist nicht damit aufgewachsen, aber glaub mir, es wird dir bald genauso gehen. Ihr beide seid Alphas, das wird wahrscheinlich eine Katastrophe.”, den letzten Teil sagt Andrew leiser und eher zu sich selbst, als zu mir.
„Naja, das sehen wir ja alles, wenn es soweit ist.”, nach diesen Worten sieht Andrew mich prüfend an. Ich runzle die Stirn und sehe skeptisch zurück.
„Was?”, Andrew reagiert erst nicht, dann antwortet er mir. „Hast du keinen Durst?”, jetzt wo er es sagt. „Ein bisschen.”, wirklich viel nicht.
„Andrew zieht ungläubig eine Braue hoch. „Ein bisschen? Das kann nicht sein.”, er steht von seinem Stuhl im Büro, in welchem wir uns befinden auf und deutet mir ihm zu folgen. Wir gehen ins Wohnzimmer. Dort zeigt er auf die Couch, weshalb ich mich dort hinsetze. Liam sitz ebenfalls hier und war bis gerade noch am Handy. Jetzt sieht er auf und setzt sich neben mich.
Andrew steht am Kühlschrank und holt einen Blutbeutel heraus. Mit diesem und einem Glas kommt er dann wieder zu uns zurück. „Du hast seit gestern nichts mehr getrunken. Eigentlich müsstest du vollkommen durchdrehen vor Hunger...”, ähm, Entschuldigung?
Ich zucke ahnungslos die Schultern. „Es ist wirklich nicht mehr als ein bisschen. Hättest du nicht gefragt, wäre es mir nicht mal aufgefallen.”, Andrew sieht mich mit gerunzelter Stirn an, Liam ebenfalls.
„Vielleicht...”, murmelt Andrew, führt den Satz aber nicht weiter aus. „Liam. Würdest du--”, „Natürlich.”, unterbricht Liam ihn und dreht sich zu mir. Ich beobachte Liam skeptisch während Andrew das Glas mit Blut füllt.
„Du trinkst etwas von Liams Blut und den Rest hiervon.”, Andrew stellt mir das Glas vor die Nase und Liam hält mir sein Handgelenk hin.
„Jaaaaa, nein. Das könnt ihr sowas von vergessen.”, als ob ich nochmal von Liam trinken würde, nachdem was beim letzten Mal passiert ist. Ich stoße Liams Hand weg und stehe auf. „Außerdem kann Cole hier jeden Moment um die Ecke kommen.”, Liam und Andrew seufzen fast zeitgleich.
„Bale...”, Liam steht ebenfalls auf und kommt auf mich zu. „Nein! Ich gehe nicht wieder das Risiko ein, dich fast umzubringen, nur weil ich es nicht Unterkontrolle habe, rechtzeitig aufzuhören!”, Liam kommt noch einen Schritt auf mich zu und legt seine Hände auf meine Schultern. „Diesmal wirst du in mein Handgelenk beißen. Da habe ich viel mehr Kontrolle, als bei dem Biss in den Hals.”, „Und ich werde Cole beschäftigen.”, gibt Andrew dazu.
„Und ihr seid euch da sicher?”, Liam und Andrew nicken. Ich seufze ergeben. „Wenn ich es verkacke, dann ist es eure Schuld!”, stelle ich klar. „Das Risiko gehen wir ein.”, Andrew verschwindet daraufhin aus dem Wohnzimmer um Cole zu suchen.
Liam stupst mich wieder auf's Sofa und nimmt das Glas vom Tisch. „Willst du zuerst aus dem Glas trinken?”, ich nicke und nehme es ihm aus der Hand. Sofort rieche ich das Blut und spüre, wie meine Zähne spitz werden und meine Augen die Farbe ändern.
Schnell setze ich das Glas an meinen Lippen an und trinke es aus. Wie im Rausch stelle ich es zurück auf den Tisch und sehe Liam an. Dieser beobachtet mich aufmerksam. Ich höre seinen Herzschlag, es schlägt noch normal.
Dafür das ich vorher keinen Hunger hatte, könnte ich jetzt einfach 'ne ganze Kuh fressen!
Liam hält mir mit gesunder Vorsicht sein Handgelenk hin, welches ich sofort packe und ohne groß zu überlegen meine Zähne grob hinein ramme. Ich höre, dass Liam leise zischt und sich anspannt, doch im Rausch bekomme ich das so gut wie gar nicht mit. Und selbst wenn, wäre es mir einfach egal, weil ich nur das Blut im Kopf habe. Blut ist das Einzige, was im Moment zählt.
Trotzdem kommt mir plötzlich der Gedanke, dass ich nicht zu viel trinken darf, sonst bringe ich Liam wieder in Gefahr. Und als würde sich dabei ein Schalter umlegen, bin ich plötzlich wieder klar im Kopf und lasse sofort von Liams Handgelenk ab.
Keuchend sehe ich zu Liam, welcher kurz einen Blick auf sein Handgelenk wirft, ehe er mich stolz ansieht. „Siehst du? Ich hab doch gewusst, dass du es kannst.”, ich lecke mir derweil das restliche Blut von den Lippen.
„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wieso ich jetzt so plötzlich aufhören konnte.”, es war wirklich komisch. Ich hab an Liam gedacht und schon war's das. Ist bestimmt auch wieder dieses Mate-Gedöns. 'Zum Wohle des Gefährten' blah blah blah.
„Ich denke, dass liegt daran, dass du beim ersten Mal überhaupt zum ersten Mal Blut getrunken hast. Jetzt besteht ja schon durch das Blut eine Bindung zwischen uns, also wird diese wohl dafür gesorgt haben, dass du sofort aufhören kannst, bevor es für mich gefährlich wird.”, was. Habe. Ich. Euch. Gesagt?
Ich spüre wie meine Zähne wieder normal werden und nicke. Im gleichen Moment kommt Cole um die Ecke geschossen und sprintet auf mich zu. „Baaaleyyyyy!”, da hat Andrew ja gute Arbeit geleistet...
Liam versteckt schnell seinen Arm hinter seinem Rücken und geht unauffällig in Richtung Küche, um das Blut abzuwaschen.
Cole springt neben mir auf die Couch, stellt sich hin und sieht mich lachend an, während er mir erzählt, was er und Andrew gemacht haben und wie er ihn los geworden ist.
Der Mann ist 1545 Jahre alt, der erste Vampir überhaupt und lässt sich von einem dreijährigem verarschen...
Im gleichen Moment steht Andrew durch seine Vampirfähigkeit neben der Couch und kratzt sich am Hinterkopf. Ich sehe ihn mit gehobener Braue an. Cole sieht ihn nicht, da er mit dem Rücken zu ihm steht.
Liam kommt wieder zum Sofa und setzt sich neben mich, auf seinem Handgelenk sieht man nichts mehr von meinem Biss und es scheint ihm gut zu gehen. Liam sieht mir in die Augen und legt eine Hand auf mein Knie, welches er dann kurz drückt.
Danach lässt er sie einfach da liegen und es stört mich diesmal nicht.
•~•
„Wie hat es denn eigentlich geklappt mit der Verwandlung?”, beim Abendessen sitzen wir zu viert am Tisch, als Andrew einfach raushaut. Ich stoppe die Gabel kurz vor meinem Mund und sehe ich strafend an und deute mit dem Kopf auf Cole neben mir. Dieser sieht nun von seinem Teller hoch und hört uns zu.
„Er versteht es doch sowieso nicht.”, ich hole tief Luft, um ihn nicht mit meiner Gabel zu bewerfen. Liam tritt mich unterm Tisch vorsichtig und lächelt mich beruhigend an. Klar, er fühlt ja, dass ich angepisst bin.
Ist doch auch verständlich, oder? Cole ist zwar auch ein Hybrid, aber ich will ihn noch möglichst lange von diesen Themen fernhalten, auch wenn er es noch nicht versteht.
„Toll.”, ist deshalb meine Antwort, ehe ich weiter esse. „Wie sieht dein Wolf denn aus?”, bevor ich etwas sagen kann, antwortet Liam. „Er hat so schwarzes Fell, wie er als Mensch Haare hat und seine grauen Augen. Außerdem ist er verdammt groß, selbst für einen Alpha.”, Andrew nickt und sieht wieder zu mir. „Ich habe gehört, dass es eben mit dem Blut trinken sehr gut geklappt hat, morgen können wir nochmal das Rennen üben und dann könnt ihr auch schon wieder in euer Haus.”, einerseits freut es mich, andererseits nicht. Andrew werde ich dann mit Cole immer besuchen, oder er kommt zu uns, aber Liam, er wird nicht mehr rund um die Uhr bei mir sein.
Genau das denkt dieser sich wohl auch gerade, wenn ich seinen Gesichtsausdruck richtig deute.
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„Sweet But Psycho” von „Ava Max”
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