7. Kapitel
Ich träumte den größten Schwachsinn. Immer wieder schlief ich ein und wachte verschwitzt wieder auf. Ich kämpfte dagegen an, einzuschlafen, aber mein Körper war damit anscheinend nicht einverstanden. Meine Unruhe schienen auch meine Kollegen zu bemerken, dennoch taten sie nichts.
Ich wusste nicht mehr, ob es Tag oder Nacht war, ich dämmerte vor mich hin. Mein Rücken schmerzte und ich fragte mich, ob überhaupt noch ein Fetzen Haut darauf vorhanden war. Die kleinste Bewegung ließ mich zusammen zucken, der Schmerz jagte wie ein Blitz durch meinen ganzen Körper. Deswegen versuchte ich, mich so wenig wie möglich zu bewegen.
Die einzige Orientierung die ich hatte, war das ein mal am Tag ein Arzt vorbei kam und sich meinen Rücken ansah. Das hatte er mir bei seinem ersten Besuch gesagt, sonst hätte ich es nicht gewusst. Er achtete darauf, dass sich nichts entzündete und dafür war ich ihm wirklich dankbar. Zu Alan schien er wohl auch zu gehen. Die Tage rauschten an mir vorbei, die Rebellen ließen uns in Ruhe. Mit dem Arzt kam auch das Essen und Trinken. Die anderen Soldaten tranken ihr Wasser aus und aßen auch ihr Brot. Sie hatten Hunger, die Portionen waren viel zu klein, deswegen konnte ich es irgendwie nachvollziehen, wenn sie mir nichts abgaben. Aber es versetzte mir dennoch innerlich einen Stich. Ich war zu schwach, um sie darauf aufmerksam zu machen, also ließ ich es bleiben.
Mit der Zeit wurde mein Verstand wieder klarer, ich hatte längere Phasen, in denen ich wach war.
Mittlerweile lag ich auf einer warmen Decke, da ich mich sonst bestimmt unterkühlt hätte. Ein Soldat, dessen Namen mir nicht einfiel, musterte mich aufmerksam. Er saß mit gefesselten Händen an die Mauer gelehnt da. Seine Wangen waren eingefallen und er hatte starke Augenringe. Schneller als ich es realisieren konnte, war er bei mir. Verwirrt sah ich ihn an. Erst kam niemand zu mir und jetzt schon? Um ehrlich zu sein, war mir der Grund auch egal, aber eine Frage interessierte mich.
"Wie lange...?", krächzte ich. Mein Hals war staubtrocken und ich ging stark davon aus, dass er diese halbe Frage mehr von meinen Lippen abgelesen hatte, als dass er sie wirklich gehört hatte.
"Seit 3 Wochen." Ich schloss meine Augen. Seit 3 Wochen waren wir schon hier? Ich hatte mit 2 Wochen gerechnet, wenn überhaupt. Meine Verwunderung merkte er und seufzte.
"Seit dem du hier bei uns bist, sind ungefähr zwei einhalb Wochen vergangen. Vorher waren wir ja getrennt gewesen." Ich erinnerte mich wieder und nickte leicht. Ich entwickelte das starke Bedürfnis, mich hinzusetzen, weil es mir doof vorkam, so platt auf dem Boden zu liegen.
"Nein, lass das lieber. Sonst platzen die Schnitte wieder auf", ermahnte mich der andere Soldat energisch und ich hörte auf ihn. Irgendwie fing ich an, ihn zu mögen. Wir redeten nicht weiter, manchmal reichten Worte einfach nicht aus, um das auszudrücken, was wir fühlten.
In der nächsten Nacht schlief er in meiner Nähe und ich musterte ihn. Warum fiel mir verdammt nochmal sein Name nicht ein? Sonst konnte ich mich doch immer an meine Kollegen erinnern, aber diesen hier hatte ich noch nie gesehen. Zumindest kam es mir so vor. Seine Gesichtszüge erinnerten mich an jemanden, aber mir fiel auch nicht ein, an wen. Genervt schloss ich meine Augen und schlief wieder ein.
Ich wurde erst wieder wach, als jemand an meiner Schulter rüttelte. Panisch riss ich meine Augen auf, wurde aber wieder nach unten gedrückt, als ich reflexartig aufspringen wollte.
"Was ist denn?" Verschlafen sah ich mich um und entdeckte das panische Gesicht des Soldaten neben mir, der sich seit gestern bei mir aufhielt.
"Sie haben Jack mitgenommen und er ist nicht wieder gekommen!" Jack? Achja, Jack. Mir fiel wieder ein, von wem er sprach. Immerhin etwas. Allerdings fand ich es erstmal nicht sehr verwunderlich, dass er weg war, da hier öfter jemand von uns mitgenommen wurde. Dann versuchten die Rebellen Antworten aus ihm herauszubekommen und wenn ihnen das nicht gelang, kam er wieder zu uns zurück. Vielleicht hatten sie heute mit Jack ja nur mehr Erfolg.
"Und?" So richtig verstand ich nicht, was er von mir wollte. Wenn mir doch verflixt nochmal sein Name wieder einfallen würde!
"Jamie, verstehst du denn nicht?" Er rüttelte wieder an meiner Schulter und ich schnaubte empört auf. Also alt schien er noch nicht zu sein, wenn ihn sowas total aus der Bahn warf.
"Nein", gab ich ehrlich zu und er ließ meine Schulter wieder los. Es tat gut, nicht mehr hin und her geschüttelt zu werden und ich seufzte.
"Sie haben ihn umgebracht!" Jetzt wäre ich am liebsten derjenige gewesen, der ihn geschüttelt hätte.
"Hast du das gesehen?"
"Nein."
"Und woher weißt du dann, dass sie ihn umgebracht haben?", fragte ich ganz sachlich und freute mich insgeheim, dass meine Stimme langsam wieder zurück kehrte und ich nicht weiter vor mich hin krächzte.
"Ich weiß es nicht. Ich hab nur das Gefühl, dass sie..." Unruhig brach er ab und sah sich um. Im Laufe des Tages verstärkte sich sein Gefühl immer mehr. Als der Arzt unsere Zelle betrat, wich er ihm aus. Der Arzt begutachtete meinen Rücken und knallte mir eine Schüssel vor die Nase. Ich schnupperte an der darin enthaltenen Pampe und rümpfte meine Nase. Es stank fürchterlich, mir wurde schon bei dem Geruch schlecht.
"Iss das", befahl er mir, aber ich beäugte die Schüssel weiterhin skeptisch.
Auch die anderen Soldaten bekamen ihr Essen und dann waren wir wieder alleine.
Meine anscheinend persönliche Nervensäge sorgte dafür, dass ich diese ekelige Pampe in mich hinein würgte. Das schlechte Gefühl dieser Nervensäge steigerte sich ins Unermessliche, als es Abend wurde. Als die ersten Soldaten eingeschlafen waren und auch ich gerade dabei war, einzuschlafen, tippte er mir auf die Schulter.
"Siehst du, ich habe doch gesagt, sie haben ihn umgebracht." Ohne die Augen zu öffnen, nickte ich.
Die Nervensäge schien recht zu haben. In den nächsten Tagen wurden immer wieder Soldaten abgeholt und sie kamen nie wieder. Auch ich wurde unruhig. Die Rebellen schienen ihre Taktik geändert zu haben. Inzwischen in einer sitzenden Position sah ich mich um. Die anderen Zellen waren auch nur noch halb so voll wie noch am Anfang. Ich schluckte und löffelte meine Suppe weiter. Das lief wirklich gar nicht gut.
Wenn uns nicht bald jemand finden würde, würden sie uns alle der Reihe nach umbringen.
Nachdenklich klopfte ich mit dem Löffel weiter auf den Rand der Schüssel. Mir war schon länger aufgefallen, dass sich Mister Nervensäge von allen anderen Soldaten fern hielt. Sobald einer von den Rebellen in der Nähe war, wurde er unruhig. Das war nicht normal und ich fragte mich, wieso das so war. Aufmerksam beobachtete ich den Soldaten, der auch deutlich jünger als die meisten von uns waren. Ich schätzte ihn auf Anfang zwanzig. Wenn überhaupt. Wer war er?
Ich war derweil zu dem Ergebnis gekommen, dass er kein Soldat war. Zumindest war er nie in den Einsatzgebieten wie ich gewesen. Im Kampf erinnerte man sich an jedes Gesicht, auch von den Menschen, die gefallen waren. Gerade an die erinnerte man sich. Diese Gesichter brannten sich in das Gehirn ein, verfolgten einen im Schlaf.
Aber genauso konnte man sich an die erinnern, die mit einem gekämpft hatten. Zu jedem Gesicht was um mich herum war, fiel mir eine Situation ein, die wir zusammen erlebt hatten. Auch wenn es nur eine dämliche Besprechung war. Aber die Nervensäge konnte ich nirgendwo einordnen. Sie schien ein Fremdkörper zu sein, welche nicht hier her passte, uns aber kannte. Vor allem mich kannte. Ich hatte nie meinen Namen laut gesagt und trug auch kein Namensschild. Und ich ging stark davon aus, dass die anderen Soldaten sich auch nicht über mich unterhalten hatten. Die mieden mich ja noch immer. Wahrscheinlich nahmen sie mir die Sache mit Alan immer noch übel. Dass mich die Schuldgefühle innerlich zerfraßen, ließ ich mir nicht anmerken. Nach außen trug ich eine gleichgültige Maske, versuchte über andere Sachen nachzudenken.
Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus.
"Woher...", setzte ich an, aber die Nervensäge schnitt mir das Wort ab.
"Woher ich dich kenne?" Aus dem Konzept gebracht nickte ich.
"Du hast mir mal das Leben gerettet."
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