4. Kapitel
Mein Nacken schmerzte, als ich versuchte meinen Kopf zu heben. Ich spürte einen Druck auf meiner Schulter und allgemein auf meiner ganzen rechten Seite. Deswegen vermutete ich, dass ich seitlich auf dem Boden lag. Die Kälte des Bodens kroch nämlich durch meinen Körper und ließ ihn zittern. Meine Beine hatte ich leicht angewinkelt, meine Arme gerade vorgestreckt.
Ich wollte eine Hand heben und hob die andere automatisch mit. Wie nett, sie waren an den Handgelenken zusammen gebunden. Stöhnend öffnete ich meine Augen und sah vor meiner Nase Gitterstäbe, die waagerecht waren. Sehr komisch.
Langsam realisierte ich, dass die Gitterstäbe ganz normal senkrecht verliefen, es für mich nur so aussah, weil ich ja auf dem Boden lag.
Irgendwie schaffte ich es, mich aufzusetzen. Mein Kopf dröhnte, meine Schulter schmerzte, aber das war mittlerweile ja schon normal.
Ich befand mich in einer Zelle, vor mir waren Gitterstäbe und eine Tür, sonst war da nur kalter Stein um mich herum. Leise hörte ich, ob irgendwelche Geräusche bis zu mir durchdrangen, aber da war nichts. Absolut nichts. Dumpf erinnerte ich mich an das, was passiert war.
Wir Soldaten waren von den Rebellen gefangen genommen worden. Viele wurden getötet, aber einige hatten überlebt, anscheinend auch meine Wenigkeit. Ich fragte mich, warum das so war, schließlich war ich verletzt. Da fiel mir wieder ein, dass sie den König mit mir erpressen wollten. Eine Schnapsidee, aber das würden die Rebellen schon noch früh genug merken.
Schmerzlich vermisste ich meine Kameraden. Wo waren sie? Ich war hoffentlich nicht der Einzige, der hier bei den Rebellen gefangen gehalten wurde. Schon immer war ich eher ein Einzelgänger gewesen, aber in diesem Moment wünschte ich mir nichts mehr als irgendeinen Menschen, der sich mit mir unterhalten würde. Auch wenn es nur um billige Weiber gehen würde. Ich war in der Verfassung, in der ich mich sogar über die Anwesenheit einer Maus oder Ratte gefreut hätte, nur um sie beobachten zu können.
Auf dem Hintern rutschte ich nach hinten, bis mein Rücken gegen die kalte Steinwand stieß. Ich schloss meine Augen und lehnte meinen Kopf dagegen.
Die Rebellen schienen damit zu rechnen, dass ich Informationen ausplaudern würde. Aber das würde ich nicht tun. Auch wenn ich den König selbst hasste, würde ich ihn nicht verraten. Das durfte ich nicht und wollte ich auch gar nicht. Schließlich hing mein Job von ihm ab.
Ein rasselndes Geräusch riss mich aus meinen Gedanken und ich öffnete meine Augen. Irgendein Kerl, den ich noch noch nie gesehen hatte, hantierte an dem Schloss meiner Tür herum. Er hatte ein Messer und eine Pistole im Gürtel stecken, den großen Schlüsselbund in einer Hand. Mit der anderen stieß er die Tür auf. Wie unvorsichtig.
Er kam zu mir rein und ich sah möglichst müde zu ihm hoch. Er beugte sich zu mir hinunter, keine Ahnung was er machen wollte, aber als sein Kopf auf der Höhe von meinem war, stieß ich ihn dagegen. In einem Comic würden jetzt Vögelchen zwitschernd um meinen Kopf fliegen, in Wirklichkeit fühlte es sich an, als ob ich mir die Stirn gebrochen hätte. Kurz wurde mir schwarz vor Augen, dann klärte sich mein Sichtfeld und ich sah, wie der Mann zurück taumelte. Schnell sprang ich auf und hechtete auf die Tür zu. Meine Beine zitterten und ich musste mich erstmal an der Tür festhalten, da ich sonst das Gleichgewicht verloren hätte.
"Du bist in einer besseren Verfassung als wir dachten", hörte ich seine gespresste Stimme hinter mir, drehte mich aber nicht um. Ich wollte hier raus, ich wollte diese Möglichkeit nutzen, um Fliehen zu können, auch wenn ich selbst wusste, dass ich nicht weit kommen würde.
Meine Knöchel schimmerten durch meine gerötete Haut, so feste klammerte ich mich an den Gitterstäben fest. Noch zwei Schritte, dann wäre ich auf dem Gang. Nur in welche Richtung sollte ich dann gehen? Egal.
Ich machte vorsichtig die besagten zwei Schritte und knallte die Tür hinter mir zu. Schwankend sah ich mich um. Und jetzt?
Plötzlich wurde die Tür wieder aufgerissen, logisch, sie war ja auch nicht abgeschlossen gewesen. Ich verlor den Halt und taumelte zur Seite. Der Mann schnappte sich meinen Arm und hielt mich so auf den Füßen.
"Ich wollte dich sowieso holen. Nett, dass du dich schon ohne mich auf den Weg gemacht hast." Seine Stimme war kratzig, tief und triefte vor Ironie. Er hatte einen leichten Bart und seine Augen leuchteten in einem hellen Grün. Das passte gar nicht zu seinem finsteren Gesicht, auch nicht zu der dunklen Kleidung oder zu seinem festen Griff.
Er lief nach links los und ich war gezwungen, ihm zu folgen. Immerhin hatten sie mir die Füße nicht zusammen gebunden, sodass ich einigermaßen normal laufen konnte. Ich verlor bei dem Gewirr an Gängen schnell meine Orientierung, merkte aber, dass wir uns im Keller befanden, da ich kein einziges Fenster auf unserem Weg fand. Unter der Decke hingen Neonröhren, die ein unangenehmes Licht spendeten.
Der Kerl blieb stehen und öffnete eine Tür. Als er sie aufschob, schlug mir sofort ein grausamer Gestank entgegen. Es roch nach Verwesung und Urin. Außerdem hörte ich die gedämpften Stimmen von mehreren Männern, die aber verstummten, als wir den Gang entlang gingen.
Links und rechts waren Zellen, genauso wie meine, nur waren diese hier größer. In jeder Zelle saßen drei Männer. Und das auf beiden Seiten. Die Männer waren meine Kollegen, aber ich erkannte sie kaum wieder. Sie sahen verschwitzt, blutig und erschöpft aus. An vielen hing die Kleidung nur noch an Fetzen herunter. Sie sahen zusammengefasst einfach nur grausam aus, aber trotzdem wünschte ich mir nichts mehr als bei ihnen bleiben zu können.
"Du lebst!", rief jemand erstaunt, als er mich erkannte, aber ich konnte nicht orten, woher die Stimme kam. Sonst sagte niemand etwas, die Angst war so präsent in diesem Raum, dass man sie hätte anfassen können.
Am anderen Ende des Ganges wurde eine Tür aufgerissen und helles Licht schlug mir entgegen, sodass ich blinzeln musste. In dieser Tür erschien die Frau, die mir mit ihrer Pistole eine runter gehauen hatte, sodass ich ohnmächtig wurde. Ich mochte sie nicht. Siegessicher kam sie den Gang entlang auf uns zugelaufen. Ich mochte sie noch weniger.
"Die Wiedersehensfreude habe ich mir aber anders vorgestellt." Ihre Stimme war schneidend kalt, genauso wie die Umgebung. Sie passte gut hierher, aber die meisten anderen gehörten nicht hier her. Sie gehörten zu ihren Familien, zu ihren Kindern und zu ihren Freunden. Nicht zu ihren Feinden. Grob packte sie mich am Kinn und drehte meinen Kopf hin und her, dabei betrachtete sie ausführlich mein Gesicht. Ich fühlte mich wie ein Tier, was vor dem Kauf genau unter die Lupe genommen wurde, konnte mich aber nicht wehren.
"Hübsches Gesicht", stellte sie fest und riss mir mit einer fließenden Bewegung das Oberteil vom Körper. Ich presste meinen Kiefer aufeinander und sah sie kalt an. Immerhin ließ sie mir die Hose an...
Mit ihrem kalten, zierlichen Finger fuhr sie über meine Brust, auf die Verletzung an meiner Schulter zu. Sie machte den Verband ab und strich über die Narbe. Ich hielt die Luft an und sie sah mir wieder in die Augen.
"Diese Kugel hätte dich töten sollen." Ich kniff meine Augen zusammen. Ja, hätte sie, aber mein Chef war da anderer Meinung gewesen. Die Frau trat einen Schritt zurück und ich fand es sehr schön, nicht mehr von ihr angefasst zu werden, da sich eine Gänsehaut über meinem ganzen Körper ausgebreitet hatte.
"Jetzt wird sie dich zu einem Helden machen. Einem Helden, der eine tödliche Verletzung überlebt hatte. Die Kugel war nah an deinem Herzen, wenn sie gesplittert wäre, wärst du tot. Wahrscheinlich hat dein Vorgesetzter sie deswegen so schnell entfernt. Sie hätte in deinem Körper weiter wandern können, direkt in dein Herz. Er wollte dich retten, aber bei diesem Versuch hätte er dich auch umbringen können. Die Wunde hatte sich entzündet, das sieht man noch. Aber selbst das hast du überstanden. Jetzt wirst du dem Volk helfen. Du wirst uns helfen, einen Handel mit dem König zustande zu bringen. Du wirst uns Informationen über ihn geben, damit wir unsere Idee in den Details noch einmal überdenken können. Und du wirst vielleicht der Retter von diesen Leuten sein." Sie zeigte um sich auf meine Kollegen und ich schluckte.
"Wenn du uns nicht hilfst, wirst du ihr Feind werden. Sie werden dich verachten, sie werden an den Schmerzen zugrunde gehen, die wir ihnen zufügen werden, wenn du nicht redest." Das verschlug mir kurz die Sprache.
"Nehmt mich. Foltert mich und nicht sie. Sie haben damit nichts zu tun." Meine Stimme klang gefasster als erwartet. Ich meinte es ernst. Ich würde die Schmerzen auf mich nehmen, ich hatte sie verdient, nicht die anderen. Sie waren unschuldig. Ein Lächeln erschien auf dem Gesicht der Frau und sie legte ihre Hand an meine Wange.
"Ach Jamie, wir wussten, dass du das sagen würdest. Du würdest alles tun, um ihnen zu helfen. Aber jetzt kannst du ihnen nur helfen, wenn du mit uns zusammen arbeitest. Also, wirst du uns helfen, das Volk von diesem Tyrannen zu befreien?"
Ich wandte mein Gesicht ab, sodass ihre Hand daran hinunter rutschte. Sie zog sie zurück und ich sah auf den Boden. In meinem Gehirn arbeitete es, ich verstand was sie mir sagte. Ich müsste nur auf sie hören und mir und den anderen würde nichts passieren.
Aber den anderen da draußen würde etwas passieren. So sehr sie auch auf den König meckerten, sie brauchten ihn. Sie brauchten eine starke Hand, die sie führte. Das Land würde in ein Chaos ausbrechen, wenn diese starke Person fehlen würde. Die Rebellen hatten richtige Ansätze, aber waren noch nicht bereit, ein Land wirklich regieren und führen zu können.
Das Schicksal unseres Landes, unserer Heimat lag in meinen Händen. Ich musste über Tod und Schmerz entscheiden. Das hätte mir Angst einjagen sollen, aber das tat es nicht. Ganz pragmatisch wog ich die verschiedenen Möglichkeiten ab, eine angespannte Stille breitete sich in dem Gefängnis aus. Schließlich hatte ich mich entschieden und sah die Frau fest an.
"Nein."
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