24. Kapitel
Während der nächsten Wochen entwickelte sich zum ersten Mal so etwas wie Routine in meinem Leben. Ich stand auf, bereitete das Frühstück vor, weckte Lizzy. Dann frühstückten wir zusammen und dann kam Beverly. Nachdem sie mit ihrer täglichen Foltereinheit mit meinem Fuß fertig war, ging sie wieder. Von da an beschäftigten Lizzy und ich uns alleine, bis wir Abends noch etwas aßen und dann ins Bett gingen. Am nächsten Tag wiederholte sich das ganze.
Der einzige Unterschied war, dass es meinem Fuß tatsächlich langsam besser ging. Und das beängstigendste war, dass ich mich mittlerweile auf die Besuche von Beverly freute.
So auch heute. In meinem Bauch breitete sich ein kribbeliges Gefühl aus, während ich eine Scheibe Brot aß. Unauffällig warf ich einen Blick auf die Uhr. Noch eine halbe Stunde.
"Es ist so schönes Wetter", schwärmte Lizzy nach einem Blick aus dem Fenster. Ich nickte und sah ebenfalls nach draußen. Die Sonne schien, der Himmel war blau und die Hitze flimmerte.
"Vielleicht können wir ja in den Garten gehen?", schlug sie vor uns sah mich erwartungsvoll und mit großen Augen an. Mittlerweile schlief sie nachts wieder durch, ohne von Albträumen geplagt zu werden. Den Garten wie sie es bezeichnete, war ein kleines gepflastertes Stück vor unserer Haustür, auf das man wenn man sich geschickt anstellte, zwei Stühle nebeneinander stellen konnte. Aber Lizzy liebte das. Mal nicht hier in der Wohnung zu hocken, bis einem die Decke auf den Kopf fiel.
"Ja können wir machen", stimmte ich ihr zu und sie strahlte mich zufrieden an. "Geh schon mal raus", fügte ich dann hinzu, als ich bemerkte, wie zappelig sie auf ihrem Stuhl saß.
"Danke!", rief sie und verschwand sofort nach draußen. Sie ließ die Haustür angelehnt, damit sie schnell weiter rein kommen konnte. Ich trank meinen letzten Schluck mittlerweile kalten Kaffee aus und verzog angewidert mein Gesicht. Warm schmeckte der eindeutig besser. Wie automatisch wanderte mein Blick wieder zur Uhr. Noch eine viertel Stunde.
Ich stand auf und lief hinkend mit meinem und Lizzys Teller in der Hand zur Spülmaschine. Dabei biss ich die Zähne zusammen. Es fühlte sich an, als ob ich auf Gummi laufen würde, aber immerhin konnte ich mittlerweile wieder mit meinem verletzen Fuß auftreten. Weit kam ich so nicht, aber für das Haus reichte es. Beverly war stolz auf mich. Beverly. Sofort beschleunigte sich mein Herzschlag. Ich ärgerte mich selbst darüber. Immerhin benahm ich mich wie ein Teenager und nicht wie ein erwachsener Mann. Aber in manchen Dingen wurde man wohl nie erwachsen.
Nachdem ich den Tisch abgeräumt hatte, setzte ich mich vor das Haus in einen Stuhl und sah Lizzy beim spielen zu. Sie hatte irgendwo einen alten Ball gefunden und rannte mit ihm von links nach rechts. Der Staub des trockenen Bodens wirbelte hinter ihr durch die Luft. Es war schrecklich heiß, am liebsten hätte ich mir mein Shirt ausgezogen, ließ es aber bleiben. Was sollte Beverly sonst von mir denken? Sobald ich an sie dachte, wurde mir noch heißer. Wann hatte ich eigentlich das letzte Mal etwas mit einer Frau gehabt? Ich grübelte darüber nach, konnte mich beim besten Willen aber nicht dran erinnern. Das war eigentlich schon Antwort genug.
"Beverly!", schrie Lizzy schließlich erfreut und rannte auf sie zu und fiel ihr um den Hals.
"Ohh da freut sich aber jemand", lachte Beverly und hob sie kurz hoch und setzte sie dann wieder auf ihren Füßen ab. Dann sah sie zu mir rüber und mir stockte der Atem. Sie trug ein dunkles Top, was wunderbar zu ihren dunklen lockigen Haaren passte und ihre tolle Figur betonte. Anstatt einer Jeans wie sonst, hatte sie sich für einen weiten Rock entschieden, der ihr bis über die Knie reichte und in dem sanften Wind flatterte. Sie sah einfach nur umwerfend aus. Dieser Rock bewegte sich langsam auf mich zu und ich riss meinen Blick davon los und versank stattdessen in ihren großen braunen Augen. Mir war wirklich nicht mehr zu helfen.
"Schön dass du schon draußen bist", begrüßte Bev mich und ich runzelte meine Stirn.
"Wieso? Was hast du vor?", fragte ich sofort skeptisch und stutzte, als ich das schelmische Funkeln in ihren Augen bemerkte. Das verhieß noch nie etwas gutes. Sie klopfte auf mein Knie und grinste mich an. "Nicht weit von hier gibt es eine schöne Stelle am Fluss. Man kann da rein gehen oder auch nicht und Lizzy könnte nebenan auf einem Spielplatz spielen", erklärte sie dann. Das hörte sich ja alles schön und gut an, aber begeistert war ich von dieser Idee wirklich nicht. Das sah Beverly mir an und seufzte. "Was ist los?"
"Du kannst ja mit Lizzy dahin gehen", hörte ich mich sagen.
"Oh nein, das kannst du vergessen", sagte Beverly schnell. "Du kommst mit" entschied sie und sah auffordernd zu mir herunter. Ich hatte den Klappstuhl auf dem ich saß noch nie so sehr geliebt wie in diesem Augenblick. "Komm", sagte sie und hielt mir ihre Hand hin. "Vertrau mir, du schaffst das. Bis jetzt hast du alles geschafft", redete sie mir ins Gewissen. Ich schloss meine Augen. Insgeheim wusste ich, dass sie recht hatte.
Ich öffnete meine Augen und nahm entschlossen ihre Hand. Grinsend zog sie mich aus meinem Stuhl hoch. "Geht doch", sagte sie zufrieden und ging langsam los. Ich musste ihr wohl oder übel folgen, da sie meine Hand nicht losließ. Das gefiel mir, das Laufen hingegen nicht. Nach den ersten paar Metern beschlich mich das Gefühl, das jede Schnecke schneller war als ich. Nach weiteren Metern schwitzte ich wie ein Schwein. Keine Kondition, dazu noch die Hitze und Schmerzen im Bein. Aber ich lief weiter. Einen Schritt nach dem anderen. Auch wenn es eine Qual war.
Aber ich sah, wie viel Spaß Lizzy hatte, endlich von der Wohnung weg zu kommen. Sie hatte es verdient, mal etwas anderes zu sehen. Vor Anstrengung fingen meine Muskeln an zu zittern. Mit der freien Hand wischte ich mir den Schweiß von der Stirn, damit er mir nicht in die Augen lief.
"Der Fluss!", rief Lizzy begeistert und rannte darauf zu. Ich seufzte erleichtert, als ich nur noch ein paar Meter entfernt hinter einigen Bäumen das Wasser glitzern sah. Das gab mir die Motivation, noch das letzte Stück weiter zu laufen. Wir ließen die Bäume hinter uns. Dahinter breitete sich eine große Wiesenfläche aus, die etwas abschüssig direkt zum Fluss führte. Ein kleiner alter Steg führte einige Meter ins Wasser. Er war leer und ich fragte mich, ob er einstürzen würde, wenn man ihn betrat.
Lizzy flitze sofort zu einer Schaukel herüber, die in der Nähe vom Steg stand.
"Ich hab eine Idee", teilte Beverly mir mit und zog mich rüber zum Steg. Vorsichtig setzten wir einen Fuß auf das alte Holz. Als wir merkten, dass es unser Gewicht hielt, gingen wir weiter. Ich klammerte mich an Beverlys Hand fest, sie war der einzige Grund warum ich noch aufrecht stand und nicht umkippte. Wir setzten uns an den Rand vom Steg.
"Zieh deine Schuhe aus", wies Beverly mich an und schlüpfte selbst aus ihren Schuhen. Da ich es mittlerweile gewohnt war das zu tun was sie mir sagte, zog ich meine Schuhe aus. Sie krempelte meine Jeans bis zu den Knien hoch. Ich verzog das Gesicht, als ich mein Bein betrachtete. Eine hässliche, dicke Narbe zog sich vom Knöchel über das ganze Schienbein bis zum Knie nach oben.
Beverly fuhr prüfend mit den Fingern über das Bein und nickte dann langsam. "Wird doch", findet sie und schob meine Beine dann über den Rand vom Steg, sodass sie im Wasser landeten. Ich seufzte erstaunt auf, als das kalte Wasser meine Füße umspülte und war dankbar für diese Erfrischung. Beverly tauchte ihre Füße neben mir ins Wasser und schloss genießerisch ihre Augen. Verstohlen musterte ich sie. Hinter ihr konnte ich Lizzy glücklich spielen sehen. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Plötzlich war es mir egal, wie warm es war. Wie sehr die Hitze drückte. Ich hatte nur noch Augen für diese beiden Frauen in meinem Leben.
Irgendwann öffnete Beverly ihre Augen und sah mich direkt an. Sie bemerkte, dass ich sie angestarrt hatte, sagte aber nichts dazu, sondern erwiderte meinen Blick einfach nur. Ich sah mein Spiegelbild in ihren glänzenden Augen und ließ meinen Blick über ihr Gesicht wandern und blieb an ihren schönen geschwungenen Lippen hängen. Alles in mir sehnte sich danach, sie zu mir zu ziehen und meine Lippen auf ihre zu drücken. Einfach über meinen Schatten zu springen und das tun, was ich mir mit jeder Faser meines Körpers wünschte.
Aber ich hatte Angst, damit alles kaputt zu machen. Vielleicht bildete ich mir auch nur ein, dass da etwas zwischen uns war. Sie machte nur ihren Job, sie musste jeden Tag zu mir kommen. Weitere Zweifel machten sich in mir breit. Das machte mich traurig. Ich hätte es mal verdient glücklich zu sein. Aber war sie die Richtige? Die einzige, die mir dieses Gefühl geben könnte? Nach einem weiteren Blick in ihre Augen war ich mir sicher. Ja, sie war die einzige.
Beverly runzelte leicht ihre Stirn, als sie meinen intensiven Blick bemerkte. "Jamie..." setzte sie an, doch ich unterbrach sie. Entschlossen beugte ich mich zu ihr rüber und tat das, was ich schon viel eher hatte tun wollen. Ich verschloss ihren Mund mit meinen Lippen. Mein Herz setzte einen Schlag aus, weil ich nicht wusste, wie sie reagieren würde. Erst versteifte sie sich erschrocken, doch dann seufzte sie an meinen Lippen und küsste mich drängender. Ich packte sie an den Hüften und sie setzte sich auf meinen Schoß. Meine Hände lagen auf ihrem Rücken, ich spürte die Hitze ihrer Haut, ihren heißen Atem auf meiner Wange, ihre Zunge, die mit meiner ein Eigenleben entwickelte und ihre Haare, die mich sanft kitzelten. Und in dieser Sekunde war ich mir sicher, dass ich der glücklichste Mann auf der ganzen Welt war. Der Mann mit der hübschesten Frau des ganzen Universums auf dem Schoß.
"Oh Gott, Jamie", flüsterte sie als wir uns wieder voneinander lösten und legte ihre Hände an meine Wangen und sah mich intensiv an. Ich grinste sie unschuldig an. "Sag jetzt nichts", bat ich sie und presste meine Lippen wieder auf ihre. Beverly löste Gefühle in mir aus, von denen ich nie geglaubt hätte, sie mal zu empfinden. Ich hatte mich immer dagegen gewehrt. Aber jetzt konnte ich einfach nicht mehr. Ich wusste nicht, was es für ein Nachspiel haben würde, aber ich riskierte es.
Zum ersten Mal in meinem Leben stand ich zu meinen Gefühlen.
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