1. Kapitel
Gedämpft hörte ich jemanden Fluchen. Ich ärgerte mich sehr darüber, dass jemand meine Ruhe mit so derben Ausdrücken störte. Sah so der Himmel aus? Sicherlich nicht. Ich hatte zumindest noch nie etwas von fluchenden Engeln gehört. Vielleicht war es eher die Hölle. Das Fegefeuer würde besser passen, da mein Körper brannte. Das Feuer schien sich durch meine Brust zu fressen, atmen konnte ich nicht, aber das musste man in der Hölle ja auch nicht mehr. Man war ja eh schon tot.
"Verarsch mich nicht...", drohte die Stimme und unterbrach damit den Schwall an Flüchen. Eine willkommene Abwechslung, wirklich. Das Feuer klatschte gegen meine Wange, mein Kopf wurde an die Seite geschleudert. Meine Wange brannte, aber das Feuer schlug noch einmal dagegen, kräftiger und mir entwich ein Stöhnen.
"Geht doch!" Die Stimme klang zufrieden, wieso verstand ich nicht. Das machte doch alles keinen Sinn.
"Guck mich an", forderte die Stimme und spätestens jetzt wusste ich gar nicht mehr wo ich war. Befand ich mich doch nicht in der Hölle? Aber wo sollte ich sonst sein?
"Guck mich verdammt nochmal an!", donnerte die kräftige Stimme und ich zuckte zusammen. Wieso sollte ich die Stimme angucken? Langsam wurde ich neugierig, wie mein persönlicher Foltermeister der Hölle wohl aussah. Ich öffnete meine Augen. Oder ich versuchte es zumindest, aber meine Augenlider schienen zugeklebt zu sein. Ich strengte mich an, aber es gelang mir nicht.
"Wenn du mich nicht sofort anguckst verpass ich dir noch eine!" Ein sehr motivierter Foltermeister...
Ich biss meine Zähne zusammen und schaffte es mit ganz viel Anstrengung meine Augen einen Schlitz weit zu öffnen. Grelles Licht blendete mich und ich hätte meine Augen am liebsten wieder zugemacht, aber die Stimme hinderte mich daran. Der Foltermeister war direkt über mir. Und er sah verdammt nochmal genauso aus wie mein Chef...
Erschrocken riss ich meine Augen ganz auf und setzte mich auf. Gerade noch rechtzeitig brachte mein Chef seinen Kopf in Sicherheit, in dem er sich zurück beugte.
Ich keuchte vor Schmerz auf, die mir allzu bekannte Schwärze erschien vor meinen Augen, geschmückt mit einigen blinkenden Sternchen.
"Hier, trink." Ich spürte etwas kaltes an meinen Lippen und die Flüssigkeit floss in meinen Mund. Sie rann meinen Rachen hinunter und brannte höllisch. Ich hustete, da ich vergessen hatte zu schlucken und drehte meinen Kopf weg, damit der Vollpfosten mir nicht noch mehr Alkohol einflößen konnte. Die Hälfte spuckte ich wieder aus, sie sickerte in den Boden ein. Wie nett, er hatte mich einfach auf die Wiese gelegt...
Grob wurde ich zurück gerissen und er drückte die Alkoholflasche wieder gegen meine Lippen. Dieses Mal war ich nicht so blöd und vergaß zu schlucken, dennoch brannte der starke Alkohol und ich verzog mein Gesicht. Mein Chef ließ meine Schulter los und ich kippte wie ein Dominostein zurück auf die Wiese. Über mir sah ich die Äste von einem Baum.
"Glaub mir, du wirst es brauchen..." Bevor ich fragen konnte, wofür ich was brauchte, rammte er mir sein Messer in die Brust. Ich hatte viel Beherrschung. Ich konnte auch viel Schmerz ertragen, ohne zu schreien. Aber das hier ging zu weit. Das überstieg meine Fähigkeiten. Er bohrte in meiner Brust herum und ich schrie. Dieses mal war ich es, der ihm Flüche an den Kopf schmiss. Mit meinen Fingern krallte ich mich in das Gras und riss es heraus. Er versuchte mein Leben zu retten und die Kugel zu entfernen, aber warum betäubte er mich nicht? Und warum machte er es überhaupt, warum wartete er nicht bis wir zurück im Lager waren und wo sich ein Arzt um mich kümmern könnte?
"Wag es nicht...", hörte ich ihn wütend drohen als mir die Augen zufielen. Ich wollte wieder zurück in meinen schönen Dämmerzustand, da hatte ich wenigstens keine Schmerzen. Mein Chef konnte noch so sehr Drohen und mich anschreien, aber ich gehorchte ihm nicht. Gegen die Schwere meiner Augenlider konnte ich nicht ankämpfen. Sie fielen zu und ich fand endlich den Weg zurück in die Bewusstlosigkeit.
Als ich das nächste Mal meine Augen öffnete, starrte ich eine Zeltdecke an. Unter mir spürte ich eine weiche Matratze und atmete tief durch. Sofort bereute ich es da ein stechender Schmerz durch meinen Oberkörper fuhr und mich zusammenzucken ließ.
"Wie schön, Dornröschen ist wach geworden." Jemand klatschte vor Verzückung in die Hände und ich schwor mir, diesem Jemand ein blaues Auge zu verpassen, sobald ich dazu in der Lage wäre. In meinem Kopf fing es an zu arbeiten, ganz langsam, aber ich kam zu dem Ergebnis, dass ich mich in unserem Lager befand. Nicht mehr an der Front. Auch nicht mehr unter einem Baum in der Nähe der Front, sondern erstmal so weit in Sicherheit. Ich lebte. Mein Chef schien es mit seinen rabiaten Methoden die garantiert verboten waren geschafft zu haben, mein Leben zu retten. Obwohl, war Erste - Hilfe verboten? Nein. Aber konnte man das was er gemacht hatte überhaupt als Erste - Hilfe bezeichnen? Da war ich mir nicht so sicher.
Ich öffnete meine Augen und sah in neugierig aufgerissene Augenpaare. Mehrere. Ich fühlte mich wie ein Versuchskaninchen und schaute lieber in die andere Richtung und die Zeltwand an.
"Jamie, schön dass du wieder unter den Lebenden weilst. Wir hatten dich für tot gehalten", klärte mich jemand auf, aber ich reagierte nicht darauf. Warum lebte ich noch? Warum hätte die Kugel nicht einfach mein erbärmliches Leben beenden können, so wie auch Mikes Leben beendet wurde? Einfach während dem Einsatz sterben, keine Schmerzen mehr haben. Nichts wünschte ich mir in diesem Moment mehr. Ich wollte nicht mehr hier sein. Ich wollte noch nie hier sein, um genau zu sein.
Meine Eltern waren arm, sie konnten sich kaum über Wasser halten, geschweige denn ein Kind ernähren. Also hatten sie mich an den König verkauft. Sie bekamen Geld, dafür wurde ich als Soldat ausgebildet. Wunderbar. Nichts wünschte ich mir mehr, als das Land, was ich abgrundtief hasste, gegen Feinde zu verteidigen, zuzusehen, wie meine Freunde und Kameraden vor meinen Augen starben, selbst zu töten und sich gefühlsmäßig nichts anmerken zu lassen. Aber ich war nicht der einzige, der mit dem jetzigen König unzufrieden war. Er war einfach vom Ehrgeiz zerfressen, wollte andere Länder erobern, machte aber nichts für seine eigene Bevölkerung. Deswegen gab es Gruppierungen, die ihn stürzen wollte. Verständlicherweise. Doch das durfte ich nie sagen. Ich musste immer so tun, als ob ich hinter den Entscheidungen des Königs stehen würde. Wenn jemand erfahren würde, was ich wirklich dachte, würde ich meinen Job verlieren und bestraft werden. Die Gesetze hier waren hart, das Volk rebellierte dagegen. Und meine Aufgabe war es, sie daran zu hindern. Momentan befand ich mich am Rande einer Stadt, die eine wichtige Funktion für den König hatte. Wenn die Rebellen es schaffen würden, diese Stadt erfolgreich für sich zu gewinnen, würde es schlecht für den König stehen. Wir hatten eine Ausgangssperre für die Bevölkerung dieser Stadt befohlen, um sie zu schützen. Vor wem genau, wusste ich nicht. Die Rebellen waren keine schlechten Menschen, sie wollten auf sich aufmerksam machen. Sie wollten zeigen, dass man mit dem Volk nicht alles machen konnte. Aber genau das durfte in dieser Welt nicht sein, nicht in dieser Zeit. Eigentlich sollte man meinen, dass die Menschheit aus ihrer Vergangenheit gelernt hätte. Aber das hatte sie nicht. Ich spürte es gerade am eigenen Körper und war bestimmt nicht der einzige.
"Hast du gehört?" Die energische Stimme meines allerliebsten Vorgesetzten riss mich aus den Gedanken und ich sah zu ihm hoch. An meinem Blick erkannte er, dass ich in den letzten Minuten rein gar nichts gehört hatte und seufzte genervt auf.
"Sobald du wieder stehen und laufen kannst, bekommst du die Nachtschicht hier. Und wenn du dann irgendwann wieder ganz auf den Beinen bist, kann es sein dass Du die Ehre hast, ins Ausland zu gehen." Warum war ich nochmal nicht tot? Ich erwiderte darauf nichts, sondern starrte ihn grimmig an. Er sah aus, als ob er Dankbarkeit erwartete. Darüber, dass er mich aus den Kämpfen mit den Rebellen rausgezogen hatte, die diese Stadt belagerten. Oder dafür, dass er mir mein beschissenes Leben gerettet hatte. Aber ich war ihm nicht dankbar. Ich fühlte etwas ganz anderes: Hass.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro