74. Kapitel
P. o. V. Bella
Die erste Hälfte des Meetings hatte ich gut hinter mich gebracht, Mitschriften geleistet und streckte mich nun so fein es ging, als endlich die wohlverdiente Pause eintrat. Ich trank mein Glas leer und entschied mich, bevor ich zu dem Linux ging, dass ich erst einmal die Sanitäranlagen aufsuchen würde.
Gerade, als ich das Bad verließ, trat von einer Ecke jemand an mich heran, ich erschrak. Süffisant grinsend stellte sich der junge Linux vor mich. "Sieh mal einer an, die Assistentin. Dass Herr Ley so einen guten Geschmack hat, hätte ich nicht erwartet." Ich warf ihm einen bösen Blick zu. "Was fällt Ihnen eigentlich ein, so mit mir zu sprechen?" Ich wich ihm aus und trat den Rückweg an; sein Grinsen verstärkte sich und er folgte mir. "Es ist doch offensichtlich, dass Ley Sie vögeln will. Wenn er es nicht längst schon getan hat. Dafür sind doch weibliche Assistants da. Wirklich brauchen tut man den Posten einer Assistentin oder eines Assistents nicht, also sucht man sich die Angestellten nach Aussehen und nicht nach 'Qualifikation' aus. Aber das sollten Sie wissen, nicht?" Ich blieb ruckartig stehen und funkelte ihn an. "Muss ich Sie noch einmal bitten, dieses Geschwafel zu unterlassen? Das ist Denunziation, was Sie hier betreiben." Er lachte leise. "Es ist die Wahrheit. Weibsbilder in einem Konzern- pah, dass ich nicht lache. Alle Vollwertigen in dem Saal stehen auf Frauen, auch wenn ich mir Ley gut mit einem Schw-" Ich fuhr ihn an. "Der Einzige, der nicht vollwertig ist, sind Sie. Solch rassistische, sexistische und homophobe Bemerkungen lasse ich mir nicht bieten. Noch ein Wort, und ich zeige Sie an." Ich stiefelte weiter. "Ach, wie süß! Polizei... Ein paar Scheinchen, dann ist das geregelt. So machen das alle. Auch der Ley. Bezahlt er Sie eigentlich, dass Sie ihm den Arsch hinhalten? Vielleicht Sugardaddy-Prinzip? Was wollen Sie? Ich würde auch gern..." Nun erhob ich meine Stimme, dass sie Umstehenden es hören konnten. "Hören Sie auf, so vulgär mit mir zu sprechen und mich zu belästigen. Ich habe kein Interesse!" Die Anzugträger verstummten größtenteils und drehten sich zu uns um. Linus Linux verengte die Augen zu Schlitzen. "Kleine Schlampe, ich krieg dich schon noch ins Bett", dann verschwand er.
Ich stand da und starrte ihm nach, spürte den Boden unter meinen Füßen verschwinden. Die Anwesenden interessierten sich doch nicht für mich und hatten ihre Gespräche fortgesetzt. Und doch dauerte es keine Minute, bis Marius auf mich zu kam. Er beherrschte die Kunst, sich fortbewegen zu können, ohne, dass er aufgefallen wäre. Als er endlich bei mir war, warf er rasch einen Blick nach allen Seiten und fragte mich mit gesenkter Stimme: "Darf ich erfahren, was los war?!" Ich schluckte. Marius' Dominanz war echt im Gegensatz zu der der Linux und ich fühlte, wie ich vor ihm schrumpfte. "Linus Linux", brachte ich nur krächzend heraus. "Was ist mit ihm?", fragte der Blonde forsch nach. "Er... er hat mich beleidigt. Dich beleidigt." Marius seufzte. "Da stehen wir drüber. Das ist kein Grund, hier rumzuschreien, ja?!" Ich schluckte und sah zu Boden. "Ja, Sir. Tut mir leid, Sir." "Halt dich jetzt an den Senior. Er steht im Raum am Fenster. Enttäusch mich nicht noch einmal." Dann verschwand er und ich wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen. Vielleicht stellte ich mich nur an. Vielleicht hatte Linus Linux ja recht- vielleicht sogar beides. Ich straffte meine Schultern und machte mich auf den Weg zu desselbigen Vaters, der sich wie beschrieben an der großen Fensterfront aufhielt. Mutig steuerte ich auf ihn zu.
"Ah, Fräulein Swan. Was verschafft mir das Vergnügen?" Ich sah die Boshaftigkeit in seinen Augen aufblitzen, ließ mir aber nichts anmerken. "Ich wollte Sie unbedingt persönlich nach Ihrer Meinung zu diesem Projekt fragen." Ich schenkte ihm eins meiner Zahnpastawerbungslächeln. "Schickt Herr Ley Sie, weil er sich nicht traut, mich selbst zu fragen und weil er weiß, dass ich ihm mit den Argumenten überlegen bin?" Spöttisch grinste er, ich schüttelte den Kopf. "Nein, nein, wissen Sie, ich bin ja auch nicht so überzeugt davon." Nun war sein Interesse geweckt. Bingo.
"Ach, Sie haben sich darüber eigene Gedanken gemacht? Nun, das überrascht mich. Aber schön zu hören, dass im Hause Ley wenigstens eine Person bei Verstand ist." Ich lächelte geschmeichelt. "Oh, vielen Dank. Aber nun erzählen Sie schon, ich gehe jede Wette ein, dass Sie weitreichender mit dem Thema verwoben sind als ich."
Nachdem Linux mich bestimmt eine Viertelstunde mit seinen Argumenten, Theorien und Ansichten vollgelabert und ich ihm einige lasche Dinge dazugegeben hatte, konnte ich mich endlich loseisen und wenigstens noch kurz frische Luft schnappen vor der Tür. Eigentlich war ich aus einem anderen Grund hergekommen, aber den wollte ich nicht einmal gedanklich aussprechen, aus Angst, dass Marius davon erfuhr. Ich zog eine Zigarette aus der dreiviertel vollen Packung und entzündete sie. Als meine Lungen sich mit dem Rauch füllten, spürte ich eine vollkommene Entspannung in mir aufwallen. Gelegentlich rauchte ich eine oder auch zwei Zigaretten, meist wegen Druck oder Stress, Angst oder Beklemmung. Außerdem war ich eine Partyraucherin, sonst konnte ich auch mal gut eine Woche lang keine Kippe zwischen den Lippen stecken haben. Mir war bewusst, dass das ein ziemlich dämliches und ungesundes Laster war, aber bei meiner Seltenheit... Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass eine Zigarette die Lebenszeit um 7 Minuten verkürzt- einmal Sex haben sie um 5 Minuten verlängert. Vielleicht musste ich es ein, zwei mal mehr mit Marius treiben und schon hatte es sich perfekt ausgependelt. Ich grinste bei dem Gedanken, nahm einen Zug nach dem anderen und trat am Ende die Zigarette stilvoll mit meinen Pumps aus.
Ich fühlte mich richtig besonders in dem Moment, wahrlich privilegiert, wie ich da mit meinen teuren Pumps in den schicken Kleidern vor einer millionen, ja, milliardenschweren Firma meine Kippe austrat. Schnell steckte ich mir ein Minzbonbon in den Mund, um den Rauchgeruch etwas zu kaschieren, dann betrat ich das Gebäude erneut und machte mich auf den Weg zum Meetingraum.
Dort hatte ich noch zwei Minuten Zeit, ehe es weiterging und die nutzte ich vollkommen aus, um mich bestmöglich auf mein Plädoyer vozubereiten.
Da gestern nichts kam und das eher ein Lückenfüller ist, gleich noch eins ;D
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