73. Kapitel
P. o. V. Bella
Die sich in der Fassade brechenden Sonnenstrahlen stachen mir in die Augen und ließen mich selbige zusammenkneifen. Ich blickte trotzdem zum höchsten Punkt des Bürogebäudes, dem großen Schriftzug LEY Inc. Ich schluckte und warf einen prüfenden Blick auf meine ausgestreckte Hand, die merklich zitterte. Ich wusste gar nicht, wieso ich so nervös war. Vielleicht, weil das die erste Aufgabe meines Lebens war, in der es wirklich um etwas wahrhaftiges ging und ich an dem Ergebnis maßgeblich beteiligt war. Das war keine Klausur, bei der alles in trockenen Tüchern lag und das war auch kein Wettbewerb, bei dem beim verpassten Sieg nichts explodierte. Das hier war echt, es betraf tausende Menschen, darunter auch Marius. Im allerschlimmsten Fall, so dachte ich es mir zumindest, könnte er pleite gehen. Und wo ständen wir dann?! Ich zwang mich, meinen Atem zu kontrollieren, andernfalls hätte ich zu hyperventilieren begonnen und wäre am Ende noch in Ohnmacht gefallen.
Ich hatte gar nicht wirklich wahrgenommen, dass wir schon angekommen waren und mit zittrigen Beinen verließ ich das Gefährt, mit dem wir hergekommen waren und stakste einige Schritte auf das Gebäude zu, ehe mich Marius an der Schulter zurückhielt. "Warte kurz." Ich zuckte zusammen und drehte mich zu ihm herum. "J-ja?" Er schien erstaunt über meine offensichtliche Panik. "Hey, alles wird gut. Wir kriegen das ganz leicht hin. Das Thema ist doch sehr einfach, oder?" Ich konzentrierte mich, presste die Augen kurz zusammen und sammelte mich und meine Gedanken, alle Argumente und Sachverhalte, alle Anweisungen. Dann nickte ich wahrheitsgetreu. "Es ist überschaubar und leicht an den Mann zu bringen." Ich sprach mit Überzeugung in der Stimme und in den Augen, Marius' leichtes Lächeln wurde zufriedener. "Siehst du. Und du strahlst jetzt bitte die Selbstsicherheit aus, die dir gebührt, naja, zumindest vor anderen außer mir. Dass du eigentlich eine kleine Schlampe bist vergessen wir kurz- außerdem hat das hier nichts mit unseren Bettgeschichten zu tun." Er grinste, selbst ich schmunzelte. Aber nicht unbedingt, weil ich es lustig fand. Ich tat nur so für mich selbst und für ihn.
"Du brauchst keinerlei Angst zu haben, du sollst keine haben, denn dann trittst du unglaubwürdiger auf. Und das wollen wir ja nicht, oder? Nein, genau. Sieh uns an, wir sind ein perfektes Team und du mittlerweile so professionell, was deine Arbeit angeht... Wenn die noch hören würden, wie jung du bist, woahh..." Er lachte leise. "Deswegen. Ich seh geil aus, du siehst geil aus und wir sind auch echt genial und so verhältst du dich jetzt auch, verstanden?" Ich nickte kräftig. "Ja, Herr Ley, Sir." "Ich zähle auf dich."
Dann ging er mittleren Temos und mit eindrucksvollem Schritt und Körperhaltung auf den Eingang zu, ich folgte notgedrungen in einer Schrittlänge Abstand.
Natürlich waren wir die ersten- wäre peinlich gewesen, wenn nicht- und so konnte ich noch in Ruhe die PowerPointPräsentation durchgehen und mir meine Hauptthemen skizzieren, ehe die ersten Schnösel eintrafen. Ich stand ein, vielleicht zwei Schritte entfernt von dem Blonden, etwas nach hinten abgesetzt. Doch etwas nervös tippelte ich mit meinem rechten Fuß, Marius machte irgendetwas auf seinem iPhone klar. Irgendwann plusterte er sich merklich auf und winkte mich in einer unauffälligen Handbewegung zu sich, begab sich dann direkt zur Tür des Besprechungssaals, der rechteckig an einer Fensterfront entlanglief und mit Stühlen, Tischen, Gläsern und einer Prise Bonzigkeit ausgestattet war. Ich erkannte, wieso: Jemand musste ihm die ersten Externen angekündigt haben, sodass er perfekt getimed an der Tür stehen und die Person begrüßen konnte. Es war ein farbloser Mann in den Mittvierzigern, Anzug, Aktentasche. Er erfüllte das Klischee eines langweiligen Geschäftsmannes. Kaum war dieser Mann da, trafen immer mehr Anzugträger ein und ein munteres Händeschütteln begann, bei dem ich komplett außen vor gelassen wurde. Ich zählte nicht, stand nur etwas versetzt neben Marius und ließ mich dumm angaffen. Vielleicht war die Kleiderkombination doch eher unglücklich gewählt und die gleichen Farben von Marius' Kleidern ließ es peinlich wirken. Ich meine, weißes Oberteil, dunkelblau glänzender Anzug, mein Rock in der gleichen Farbe? Wenigstens trug ich nicht noch eine schwarze Krawatte wie er- ich für meinen Teil fand das für den weiblichen Teil der Gesellschaft eher unhübsch.
Als Marius dann einen Mann namens Linux begrüßte, wurde ich hellhörig und versuchte, mir das Bild dieses Mannes einzuprägen. Er war bestimmt schon 50, auch wenn er nicht wirklich alt wirkte, aber seine silbergrauen Haare sprachen für sich. Sein Blick war schneidend und hart, misstrauisch und spöttisch zugleich. Er schien im Ganzen sehr unsympathisch und hatte für mich den verächtlichsten Blick von allen übrig. Mit ihm war ein junger Mann gekommen, schätzungsweise Marius' Alter, der sich als Linux Junior entpuppte und seinem Vater von der Physiognomie her sehr ähnlich sah. Er war jedoch ein kleines Stück größer als sein Vater und kam damit knapp an die 185 Zentimeter, hatte dichtes, dunkelbraunes Haar und die gleichen grün-bernsteinfarbenen Augen mit der gleichen Verachtung. Wie sein Vater war er askethisch gebaut und damit nicht so muskulös wie der Blonde, der sich bei dem Anblick des jungen Linux noch etwas mehr aufplusterte und mir schien, als rücke er etwas weiter zu mir. Sicher nur Einbildung.
"Guten Morgen Herr Ley", begrüßte der alte Linux den Blonden schnarrend und seine Stimme ließ sich alle meine Nackenhärchen aufstellen. Sie hatte denselben Effekt, wie wenn jemand mit den Nägeln über eine Tafel kratzte. "Ich habe meinen Sohn mitgebracht, Linus. Ich hoffe, das stellt kein Problem dar." Marius lächelte freundlich und verneinte durch ein Kopfschütteln. "Keineswegs, Herr Li-" Der unterbrach ihn eiskalt. "Er ist ja in Ihrem Alter und hat nach vollendetem BWL-Studium nun eine meiner Tochterfirmen übernommen. Ich will ihn etwas anlernen, und da sind solche Investorentreffen ja eine wunderbare Gelegenheit, finden Sie nicht auch?" Marius nickte nur und schüttelte dann auch 'Linus' die Hand. "Freut mich, Sie kennenzulernen." Derselbige lächelte nur affektiert und gab zurück: "Das kann ich nicht ganz zurückgeben, immerhin habe ich schon einiges über Sie gehört, davon nicht viel Positives." Sein Blick lag auf mir, versuchte mit gestellter Dominanz mir ein Gefühl der Unsicherheit zu verleihen. Doch er war nicht wirklich eine raumeinnehmende Person, er war nur selbst davon überzeugt, und so erwiderte ich eiskalt seinen Blickkontakt. "Entschulidgen Sie die Anmerkung, wieso stehen Sie hier rum? Sollten Sie nicht am Empfang sitzen oder so...?" Er lachte gekünstelte. Ich spürte richtig, wie der Blonde sich neben mir versteifte.
Ich hatte keine Lust, jetzt auf einen helfenden Kommentar zu warten und mich auf seine Absolution zu verlassen, weswegen ich es selbst in die Hand nahm. Ich streckte ihm mit einem zuckersüßen Lächeln, das gleichzeitig bitter wie Essig war, die Hand hin. "Swan, Isabella Swan. Ich bin Herr Leys persönliche Assistentin." Kurz entgleisten seine Gesichtszüge und es dauerte einen Ticken zu lange, bis er sich wieder im Griff hatte und mir mit Machoblick die Hand schüttelte. "Ah, wenn das so ist. Hallo." Er warf seinem Vater einen vielsagenden Blick zu, der denselben nur erwiderte und endlich verschwanden die beiden rein auf ihre Sitzplätze.
Es folgten nur noch wenige und mir fiel auf, dass unter allen Besuchern nur eine einzige Frau war. Doch von ihrer Ausstrahlung stand sie den anderen um nichts nach, im Gegenteil: Sie hatte mehr Persönlichkeit als der kleine Linux-Schnösel. Sie schien Marius besser zu kennen und sprach ihn beim Vornamen an, jedoch noch mit Sie. Marius gab mir durch einige wenige Worte zu verstehen, dass er sie und ihre Frau- sie war lesbisch- etwas besser kannte und ich begann zu grinsen. Sympathisch. Selbst ist die Frau.
Als endlich alle da waren, begaben dann auch wir uns in den Saal, in dem nun an die 25 Leute versammelt waren. Marius nahm hinter einer Art Pult seinen Platz ein, legte sein Jackett über seine Stuhllehne und bedeutete mir in einer kurzen Bewegung, den Platz daneben einzunehmen. Ich tat, wie mir geheißen; einige Handgriffe, die Präsentation wurde gestartet und das Stimmengewirr wurde leiser, bis es dann schließlich gänzlich verstummte.
Hallo meine lieben Leute ;-) Ich hoffe, ihr hattet einen schönen Heiligabend und 1. Weihnachtsfeiertag. Bei mir lief es ganz gut. Ich freue mich auf jegliche Resonanz :D
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