48. Kapitel
P. o. V. Bella
Ich sperrte gerade meine Wohnung auf, kam von dem Abeitstag zurück. Zufrieden seufzend stellte ich meine Tasche ab. Freitag! Wochenende! Ich mochte meinen Job zwar, aber wer mag denn kein Wochenende? Naja, die letzten Tage mit Thaddeus Tjarks an Marius' Stelle waren sowieso wirklich eine Herausforderung gewesen. Immer wieder kamen abfällige Bemerkungen, ungerechtfertigter Tadel oder Extraarbeit, die gar nicht in meinen Aufgabenbereich fielen. Es hatte aufgrund dessen auch die eine oder andere kleine verbale Auseinandersetzung mit dem Blauhaarigen gegeben, über die ich mir aber keine Gedanken machte, sie könnten mir schaden.
Ich freute mich einfach unglaublich auf Marius' Rückkehr, darauf, ihn wiederzusehen, seine Stimme wieder zu hören und ihm wieder um den Hals fallen zu können. Aber ich hatte im Gefühl, dass es anders sein würde als zuvor, und ein dämliches Grinsen schlich sich auf mein Gesicht.
In seiner Abwesenheit hatte ich die Szene von Mittwoch Morgen immer wieder in meinem Gehirn abgespielt und ich war mir so sicher, dass er mehr für mich empfand als anfangs vorgegeben. Wie er mich behandelt hatte... Wie er mich angesehen hatte.... Ich war so sicher, dass nun nichts mehr einer engeren Bindung im Weg stehen könnte. Ich selbst gestand mir ein, dass ich in ihn verliebt war. Wirklich heftig. Und er erwiderte das ganze.
Kaum hatte ich meine Tasche abgestellt, sie ausgeräumt und war gerade dabei, mich in bequemere Schale zu werfen, da meldete mein Smartphone eine neue Nachricht. In Gedanken versunken griff ich, gerade im Beriff, mein Schlabbershirt überzuziehen, nach dem Wunderwerk der Technik und sah auf den Bildschirm, als ein Lächeln auf meinem Gesicht erschien. Gerade wegen dieser Nachricht; beziehungsweise aufgrund ihres Absenders. Ich öffnete sie sofort, alles andere war kurz vergessen.
'Hey, ich komme früher zurück; alles hat gut geklappt. Ich hole dich so gegen siebzehn, achtzehn Uhr ab, okay? Wann genau, sag ich dir Bescheid. Ich hoffe du verstehst, dass ich ein starkes Verlangen habe, dich wieder zu sehen ;)'
Mein Herz machte einen Satz und meine Wangen färbten sich rot ein, zumindest wurde mir dort ganz warm. Ohne Umschweife antwortete ich ihm:
Echt? Das freut mich aber!! Ja, klar, sag dann einfach vorher Bescheid. Ich freue mich schon<3
Dann legte ich grinsend das Handy beiseite.
P. o. V. Thaddeus
Ich saß in meinem, also, naja, in Marius' Büro, und klickte mit einem Kugelschreiber in meiner Hand, während ich auf den Bildschirm meines Smartphones starrte. Das Freizeichen ertönte und die Person auf der anderen Ende der Leitung ging endlich dran. "Was gibt's?", hörte ich Marius' Stimme beinahe einwandfrei mit nur wenig Rauschen durch die Lautsprecher. "Na, alles fit?" Ich grinste. Er anscheinend auch, denn man hörte eine Note guter Laune in seiner Stimme mitschwingen. "Ja, soweit. Es läuft definitiv besser als geplant. Ein kleines Meeting in einer halben Stunde, dann bin ich fertig. Ich komme früher nach Hause." Ich legte den Kulli beiseite, lehnte mich im Stuhl zurück, verschränkte den einen Arm unter dem anderen, in dem ich das Telefon hielt. "Na, das hört sich doch nach etwas an! Freut mich. Wann denn ungefähr, kannst du das schon einschätzen?" Er überlegte kurz, schien abzuwägen. "Hmmm, so... vielleicht gegen Nachmittag? 15, 16 Uhr?" Ein kurzes, verschlagen Grinsen schlich sich über meine Züge, war aber schnell wieder verschwunden. "Gut. Kommst du dann gerade noch bei mir, also besse gesagt bei dir, vorbei? Ich werde hier morgen noch die Stellung halten und es ist wirklich wichtig." Mein Gesichtsausdruck wurde passend zu meiner Stimmlage nun auch ernst und verlor das Neckische, das Belustigte, da mir die Thematik wieder in den Sinn kam und die war absolut nicht zum Lachen. Sofort klang auch der Blonde ernüchtert. "Ja, klar. Ich bin um spätestens 16 Uhr da, du kannst dich auf mich verlassen. Aber ich müsste jetzt los, Meeting..." "Okay, bis dann, Mary." Ich war von dem Sekretär aufgestanden, mit langsamen Schritten auf die Fensterfront zugegangen und sah, eine Hand leger in der Hosentasche, in der anderen das Handy, aus dem Fenster hinab auf die Stadt. "Bis morgen, T." Ein Piepton, der Anruf war beendet, von russischer Seite aus. Ich schaltete den Bildschirm des tragbaren Telefons aus, ließ es beinahe geräuschlos in meine Hosentasche gleiten, blickte durch die klaren, riesigen Scheiben. Mein Blick schweifte in eine ungefähre Gegend, die etwas ruhiger war und abseits vom Stadttreiben lag, mit vielen Studentenwohnungen. "Du wirst morgen dein blaues Wunder erleben", murmelte ich zischend zu mir selbst, auch wenn es eigentlich an eine ganz andere Person gerichtet war.
Am Nachmittag des darauffolgenden Tages stand ich genau an der gleichen Stelle, an der das Telefonat mit meinem besten Freund geendet hatte, als selbiger durch die Tür seines Büros eintrat. Ich drehte mich um, meine Mundwinkel hoben sich nicht nur ein wenig, als ich auch sein grinsendes Gesicht sah. Ich trat vor den Schreibtisch und schlug bei ihm ein. "Servus!", begrüßte ich ihn und mein amüsierter Gesichstausdruck blieb- zunächst. "Hi. Und, steht die Bude noch komplett, kein Arbeiteraufstand oder eine Revolte und es ist auch kein Krieg ausgebrochen?" Seine Mundwinkel dehnten sich weiter. "Ja, alles beim Alten. Ich hab diesmal auch alle Tangas von den Stripperinnen entsorgt, nicht so wie letztes mal." Wir lachten über den ziemlich flachen Witz. "Nein, Spaß beiseite. Hier in der Firma ist alles top", begann ich einen voraussichtlich länger werdenden Sermon, "aber..." Ich stockte, machte eine Kunstpause, in welcher ich mich auf seinen Schreibtischstuhl fallen ließ mit verschränkten Armen und ihm mit dem Blick folgend, wie er sich nun an die Fensterscheibe begab. "Was 'aber', T?" Er hob misstrauisch eine Augenbraue, sein Gesicht wurde so ernst wie meins. Verheißungsvoll lupfte ich meine Brauen. "Mh, ich sage nur einen Namen: Swan." Nun sah der Blonde irritiert drein. "Bella? War etwas? Sie läuft doch sonst wie am Schnürchen!" Mit der Hand machte er, Daumen und Zeigefinger aufeinandergelegt, eine Geste, die die 'Schnur' symbolisieren sollte. Dann verschränkte er die Arme, schien getroffen von der Andeutung, dass irgendetwas sei mit seiner ach so perfekten kleinen Schlampe nicht in Ordnung sei. Noch ein weiterer, bestärkender Punkt meiner Theorie.
"Mal davon ab, dass sie keine Manieren mir gegenüber hat- was ich von so einer kleinen Subschlampe doch echt erwarten könnte, vor allem, wenn es deine Subschlampe ist, nun ja..." Seine Augenbrauen zogen sich ein wenig zusammen, sonst behielt er das eben ausgewählte, herrische Pokerface. "Was ist los mit dir, Mary?" Rhetorische Frage- oder war die Antwort wirklich so klar, wie ich den Ton der Frage wählte...?
Wieder eine Kunstpause. "Ich habe das Ganze ein wenig beobachtet und jetzt ist der Moment der Wahrheit. Sie ist deine Sub, oder?" Herausfordernd blickte ich ihn an. "Na ja, also... Sub vielleicht nicht direkt, aber wir haben schon-" "Ich habe gefragt, ob sie deine Sub ist, ja oder nein", unterbrach ich ihn forsch, untypisch. Sonst waren wir ebenbürtig. "Nicht wirklich", brachte mein Gegenüber jetzt schon sehr beherrscht über seine Lippen. "Ich habe euch letztens gesehen. Wie ihr zusammen angekommen seid, du im Auto auf sie eingeredet hast. Erst dachte ich, du schimpfst sie aus oder so, aber dann..." Mein Gesichtsausdruck wurde unverständig. "Dann hast du sie so liebevoll geküsst, und dann gleich noch einmal.." Ich zog eine Augenbraue hoch, fuhr fort: "Das war aber anscheinend noch nicht alles, denn du hast ihr was aus der Stadt mitgebracht, weil sie nicht mitwollte und Essen verweigert hat. Du hast ihr nachgegeben. Was zur verdammten Hölle?!" Marius' Gesichtsausdruck wurde schmallippig und verkrampfter. "Dieser Ton von dir im Starbucks, mal ganz im Ernst... Wie haben wir es mal ausgemacht? Das sind nur Spielzeuge. Wenn sie Probleme machen, entsorgen wir sie sofort." Ich stand auf, die Hände nach vorne zu einer darbietenden Geste ausgestreckt. "So, und was hamma jetze?" Ich stieß Luft aus.
"Sie vergöttert dich, was ja auch nicht schlecht ist- im Gegenteil. Aber du... du... du bist ihr zu greifbar. Du verhältst dich, wie als würdest du sie daten! Als wärt ihr in einer Beziehung! Pah!" Ich machte eine Handbewegung, als würde ich eine lästige Fliege verscheuchen. "Weißt du, wie dieses Ding mit mir geredet hat? Nicht, als würdest du ihr Gehorrsam beibringen. Nicht, als würdest du das mit ihr machen, was der Fall sein sollte. Sie führt sich mir gegenüber auf wie deine feste Freundin, die sich alles erlauben darf, weil du es ihr durchgehen lässt, weil sie unter deiner Schirmherrschaft steht, unter deinem Segen herumtoben kann. Ich sage dir eins, mein Freund: So kann das nicht weitergehen. Oder bist du etwa dabei, schwach zu werden, Marius Ley?"
Er verschränkte seine Oberarme enger, plusterte sich durch tiefes Luftholen auf. Ich hatte ihm angesehen, dass er genau wusste, dass es stimmte, was ich ihm da auftischte. Und dass es ihm selbst gewahr geworden war, er es aber niemals zugegeben hätte, dass er gerade dabei war, zu versagen. Er, Marius Ley. Persönlich. Er kannte das Wort versagen eigentlich gar nicht.
"Natürlich nicht", zischte er und umrundete den Schreibtisch, griff sich eins der mit Wasser gefüllten Kristallgläser und trank daraus einen Schluck, stellte es temperamentvoll und mit einem Klirren wieder ab. "Pah! Als ob... Was denkst du von mir?" Er grinste spöttisch, um sich zu retten. Ich zuckte nur wissend und grinsend mit den Schultern. "Na, du weißt ganz genau, was ich denke. Du bist dabei, weich zu werden." Nun war mein Grinsen spöttisch. Er schwieg, starrte angefressen aus dem Fenster, dann verhärtete sich seine Miene.
"Nein, bin ich nicht." Ich stand auf, sah ihm direkt in die Augen und er hielt den Augenkontakt starr. "Dann lass den Welpenschutz endlich mal aufhören", zischte ich.
Ich grinste, er grinste. Gedankenverloren spielte ich an meiner Rolex.
"Und, gibt's heute Abend noch Gönnung?" Er nickte grinsend, wackelte verführerisch mit den Augenbrauen. "Oh ja, darauf kannst du dich verlassen... Aber apropos: Ich sollte mal los, sie wartet bestimmt schon auf mich." Damit grinste er mich noch einmal dreckig an, leckte sich in der Vorfreude auf das bevorstehende Festmahl die Lippen, verließ dann den Raum. An der Tür hielt er noch einmal inne und schob hinterher: "Danke nochmal für's Stellung halten und... den Rest da." Eine wirre Gestik folgte, die die Nichtigkeit meines überaus wichtigen Sermons unterstreichen sollte. Ich schüttelte nur den Kopf. "Kein Ding, Mary, kein Ding..." Dann war er weg.
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