112. Kapitel
P. o. V. Bella
Langsam kam ich zu mir, spürte einen sehr dominanten, klebrig süßen Geschmack in meinem Mund. Nach kurzem wilden Umherfischen in meinem noch vom Schlaf trägen Gehirn ließ es sich als Glühwein identifizieren. Stimmt, Weihnachtsmarkt. Mit Marius.
Auch fiel mir die für mich untypische Position auf, in der ich geschlafen hatte, sowie die angenehme Wärme, die um mich herum herrschte.
Es brauchte noch ganze zwei Minuten, bis ich Herrin meines Verstandes war und mir meiner Situation bewusst wurde. Gleichzeitig erschrak ich ein bisschen: Wenn ich das nicht mehr gewusst hatte, wie viel Alkohol musste dann in mir gewesen sein? Ich rieb mir vorsichtig über die vom Schlaf verklebten Augen. War zwischen uns etwas passiert? Und ich konnte mich nur nicht erinnern?
Panik ergriff kurz von mir Besitz, doch ich konnte mich ein wenig beruhigen, denn alle Erinnerungen kamen mit fortschreitender Zeit. Mein Schlaf musste so fesselnd gewesen sein, dass ich kurz meine Existenz in Frage stellte. Kein Grund zur Aufregung.
Als der warme Berg hinter mir sich nun auch bewegte und seine auf meinem Arm befindliche Hand sanft meine Haut streichelte, wurde mir ganz schwummrig. "Morgen... ohjeh, dein Herz klopft so wild, ist irgendetwas? Ich hoffe, ich bin nicht schuld", brummte er gedämpft hinter mir und mein Herzchen machte erneut einen Hüpfer und schlug nur noch fester als vorher. "Ich fürchte schon", flüsterte ich, kaum fähig, einen Satz ohne Zittern in der Stimme von mir zu geben. Wieso war ich so nervös?
"Oh,... das tut mir aber leid", antwortete er. Kurz holte er Luft, als wolle er etwas hinzufügen, ließ es aber bleiben. Dafür spürte ich, wie heftig sein Herz schlug. "Dein... Dein Herzschlag...", brachte ich leise heraus, brachte aber keinen Satz zu Ende. "Ich muss zugeben, auch ich finde ihn gerade ungewohnt", murmelte der Blonde hinter mir, "aber die gesamte Situation würde ich als ungwohnt bezeichnen. Ungwohnt, aber nicht ungewollt." Das zauberte mir ein verschämt-niedliches Lächeln auf die Lippen, gekrönt von den rosa Wangen, die ich durch die miteinhergehende Hitze auf meinem Gesicht spüren konnte.
Ich streifte mit meinem Bein das seine und merkte kurz erstaunt an: "Du trägst noch deine Jeans? Hast du allen Ernstes darin geschlafen?" Er musste leise auflachen, ich spürte seinen Atem in meinem Nacken. "Ich hatte keine andere Wahl. Eine höhere Macht hat es mir verboten. Der Name dieser Macht ist glaube ich 'Isabella Swan'." Wieder lachte er leise auf und ich schmunzelte, setzte dann einen etwas gequälten Gesichtsausdruck auf. "Tut mir leid", wisperte ich. Irgendwie war das Gespräch nur in gesenkter Tonlage bis jetzt verlaufen und das trug maßgeblich zu den Schauern bei, die regelmäßig über meine Haut flogen.
"Wenn sich jemand für irgendetwas zu entschuldigen hat, bin ich das", gab er gedämpft zurück. Ich hielt meinen Atem an, verspannte mich. Mein Herz begann stechend fest gegen meinen Brustkorb zu hämmern und ein seltsames Gefühl ergriff Besitz von mir. Beinahe unsicher nahm er seine Hand von mir. "Das hätte ich nicht sagen sollen", murmelte er und rieb sich die Schläfe. "Jetzt hab ich es doch kaputt gemacht." Ich atmete lange aus, schüttelte erst langsam, dann heftig den Kopf. "N-nein, nein..." Ich schluckte schnell, verhaspelte mich fast mit Worten, derer ich mir nicht sicher war. Instinktiv hätte ich ihm jetzt am liebsten in die Augen gesehen, so aber ergriff ich sanft seine Hand und strich über deren Rücken. Wahrscheinlich auch die bessere Wahl, ich wusste es nicht. Ich musste zwei Anläufe holen, bis meine Stimme ihren Dienst nicht mehr versagte. "Du hast doch jetzt nichts kaputt gemacht. Okay, die... die Stimmung ist jetzt hin", ich lachte leise und verlegen, "und ich weiß nicht, ob das der beste Zeitpunkt dafür war. Aber du kannst das Bild, das du angefangen hast, von dir zu zeichnen, nicht mehr ausradieren. Weil diesmal benutzt du Tusche statt Bleistift, nicht wie beim letzten Mal."
Er durchbrach die zwar nur wenige Sekunden lange, sich aber wie eine Ewigkeit dehnende Stille: "Das hast du wunderschön gesagt." Nach kurzem Überlegen sprach er weiter: "Du kannst das wirklich gut. Mit Worten umgehen, meine ich." Ich lächelte als Geste des Dankes, so vernebelt von der Wirklichkeit, dass ich mir nicht bewusst war, dass er das nicht sehen konnte. "Ich höre dir gerne zu, weißt du?" "Jetzt schon." Leises Lachen seinerseits. Erneutes Schweigen. "Lass in Zukunft die Entschuldigungen zwischen den Gesprächen", stellte ich in den Raum. "So, jetzt habe ich auch ein bisschen die Stimmung kaputt gemacht." Ich spürte ihn schmunzeln. "'In Zukunft'- das heißt also...", murmelte er schmunzelnd, führte seinen Gedankengang nicht zu Ende. Das musste er aber überhaupt nicht, ich wusste, was er sagen wollte. Ich streckte mich ein wenig, gähnte hinter vorgehaltener Hand und stand auf, ehe ich mich zu einer Antwort bequemte. "Sieht so aus." Damit verschwand ich ins Bad, im Augenwinkel einen nun sitzenden Marius mit einem ein wenig ungläubigen, aber dennoch zufriedenen Gesichtsausdruck, der seine Brille aufsetzte.
Als ich erneut in meine Küche trat, saß er auf einem der Stühle, erhob sich bei meinem Anblick jedoch sogleich. "Vielen Dank für den wundervollen Abend gestern." Ein warmes Lächeln mit dem Ursprung auf seinen Lippen wanderte auch auf meine. "Finde ich auch." Kurz schwiegen wir beide, ein wenig peinlich berührt. Aus einem ersten Impuls heraus hätte ich gerade noch länger Zeit mit ihm verbringen können, aber ich widerstand und ging ein paar Schritte mit bis zur Tür. "Ich hoffe, ich habe keinerlei Umstände gemacht." Ich schüttelte den Kopf. "Um Gottes Willen, nein." "Na dann." Unbeholfen lächelte ich ihn an, auch er schien mir unsicher. Dann jedoch murmelte er "Ach, komm her" und umarmte mich kurz. So schnell, wie er sich dazu entschlossen hatte, war seine Körperwärme auch schon wieder verschwunden und mit einem letzten "Man sieht sich", auch er.
Ich seufzte und schloss die Tür hinter mir. Kurz starrte ich nur in die Leere und versuchte, Klarheit zu schaffen. Ich horchte in mich hinein, ohne Zeitgefühl, während die Küchenuhr monoton tickte. Doch ich musste im Endeffekt einsehen, dass da nichts war- nur ein großes Knäuel an Gefühlen, an Gedanken, Erinnerungen. Ein gordischer Knoten des Inneren, murmelte ich zu mir selbst, während ich den Kopf über mich selbst schüttelte.
Eins war jedoch ganz sicher: Ich würde diesen Russen sowas von kennenlernen.
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