IV
Die ersten paar Schulwochen vergingen wie im Flug und ehe ich es mich versah, war es bereits Ende August und der Sommerball stand vor der Tür. Auch, wenn der Tag des Balles schneller da war, als erwartet, waren wir dennoch nicht völlig unvorbereitet. In den vergangenen Wochen hatte weiterhin Tanzunterricht bei Corey und Miles stattgefunden. Während Amy und Trish beide ohne Partner waren und höchstens zusammen tanzen würden, ging Leela mit Cole auf den Ball und ich würde wie abgesprochen mit Jay hingehen.
Leider konnte Jay nicht an den Tanzstunden teilnehmen, was mich einerseits schon ein wenig wurmte, da wir so nicht oft gemeinsam üben konnten, sondern nur in den Pausen oder zwischendurch ein wenig Zeit dafür fanden.
Andererseits war Jay aber ein sehr guter Tänzer, der mich gut führen konnte und ich wusste ja auch, was er während der Tanzstunden tat und wieso er deswegen nicht die Stunde mit mir tanzen konnte. Ganz abgesehen davon wechselten wir auch immer noch häufig durch, sodass ich sowieso nicht die ganze Zeit mit einem Partner tanzen konnte.
Aber die Tanzstunden hatten wirklich etwas gebracht, denn heute, am Tag des Balles, fühlte ich mich sehr gut vorbereitet und hatte auch kaum Angst, mich auf dem Ball zu blamieren.
Ein Klopfen an meiner Tür riss mich aus meinen Gedanken. Leela humpelte mit nur einem Schuh am Fuß zur Tür unseres Zimmers und öffnete sie, ließ Amy herein, die in Joggingklamotten gehüllt war und ihr Kleid in einem Kleidersack aus dickem Plastik in einer Hand hatte. Die andere Hand balancierte einen Stapel von Makeup-Paletten und Mäppchen voller Schminke.
„Hallo zusammen", begrüßte die Schwarzhaarige uns grinsend, „na Leela, willst du mich nicht reinlassen?"
Die jüngere Luftbändigern machte sofort den Weg frei und Amy betrat das Zimmer, legte ihr Kleid auf meinem Bett ab und breitete ihr Makeup auf unserem Schreibtisch aus.
„Eure Rettung ist angelangt", trällerte sie.
„Fayes Rettung", verbesserte Leela und hüpfte auf ihrem nackten Fuß zurück ins Bad, wo sie gerade ihre Haare machte, „ich kann mir mein eigenes Makeup machen."
„Ich nicht", gab ich ungeniert zu, „deswegen nehme ich nur zu gerne Hilfe an. Wo ist denn Trish?"
„Die macht sich alleine in unserem Zimmer fertig", erklärte Amy und bereitete alles für meine Verwandlung vom Entlein zum Schwan vor, „für den Überraschungseffekt. Außerdem hat sie gesagt, dass es ihr hier bei uns zu hektisch ist. Aber wir sollen ihr Bescheid geben, wenn wir fertig sind, damit wir alle gemeinsam erscheinen können."
„Wir müssen vor allem den Jungs Bescheid geben", warf Leela ein und kämmte sich durch ihre glänzend schwarzen Haare, die sie für heute ordentlich geglättet hatte, „damit wir nicht alleine auftauchen."
Amy lachte und sah dann zu mir.
„Los, zieh dein Kleid an", wies sie mich an und begann, sich selbst auszuziehen, „erst das Outfit, dann das Gesicht und die Haare."
Ich nickte und holte schnell mein Kleid aus dem Schrank. Mein Ballkleid war knielang und türkis, passend zu meinen Augen, mit gestickten, dunkelblauen Blumen- und Rankenmustern, die sich von meiner Taille über meinen Ausschnitt und zu den Trägern rankten. Amy half mir, den Reißverschluss am Rücken zu schließen, bevor ich ihr denselben Gefallen tat. Das Kleid der Werwölfin war knöchellang und in einem silbrigen grau gehalten. Auf der oberen Hälfte befanden sich angenähte rote Stoffrosen, die zu der Taille hin weniger wurden.
Amy drückte mich auf einen der Stühle vor dem Schreibtisch und zückte die Waffe ihrer Wahl – einen Pinsel.
„Keine Sorge Faye, wir machen nichts zu extremes", beruhigte sie mich, „nur ein ganz bisschen."
Mit geübten Bewegungen und einer ausgefeilten Technik deckte sie Unreinheiten in meinem Gesicht ab, verteilte dann eine hautfreundliche, leicht getönte Creme auf meiner Haut und trug dezenten Lidschatten, Rouge und ein wenig Mascara auf. Zum Abschluss tupfte sie mir ein wenig roten Lippenstift auf die Lippen – ebenfalls nur sehr dezent und stellte sich dann hinter mich, um mir die Haare zu machen. Das hätte ich zwar auch selbst gekonnt, doch Amy machte es gerne und konnte es auch besser als ich. Sie steckte meine vorderen Haarsträhnen zurück und flocht sie noch auf eine kunstvolle Weise, bevor sie mir mit einem fröhlichen ‚fertig' den Abschluss meiner Verwandlung ankündigte. Ich sah mich sofort im Badezimmerspiegel an und bedankte mich danach überschwänglich bei Amy.
Sie hatte mich wirklich schön hergerichtet, wofür ich ihr sehr dankbar war. Während ich mir ein leichtes Parfüm auftrug und meine dunkelblauen Schuhe anzog, schminkte Amy sich selbst und lockte ihre sowieso schon lockigen Haare mit einem Lockenstab noch einmal ordentlicher nach. Sie ließ ihre Haare offen, was ihr auch wunderbar stand.
Leela trug ein dunkelgrünes Kleid, welches sie sehr elegant aussehen ließ, sie aber – trotz Schminke – nicht älter machte, als sie war. Das Kleid war knielang und geschnitten wie ein Etuikleid (mit dehnbarem Stoff). Über dem schlanken Rock lag ein zweiter, weiterer Rock aus einer dünnen Lage Tüll, der dem Kleid etwas träumerisches und zierliches Verlier. Die kurzen Ärmel waren aus demselben Stoff. Dazu trug die Luftbändigerin schlichte, schwarze Schuhe mit einem nur niedrigen Absatz.
„Du siehst sehr schön aus, Leela", lobte Amy sofort, als meine jüngste Freundin aus dem Badezimmer kam, „das Kleid steht dir sehr gut."
„Danke", Leela errötete ein wenig und zupfte an ihrem Kleid, „meine Oma hat es mir gekauft."
Leela lebte bei ihrer kranken Oma, seit ihre Eltern verstorben waren und ich konnte an ihrem Gesicht erkennen, dass ihr dieses Kleid eine Menge bedeutete. Vor dem Sommerferien war Leela sehr traurig gewesen, weil sie kein Kleid besessen hatte und nicht mit in die Stadt gedurft hatte, wo Mila, Amy und ich unsere Kleider gekauft hatten. Hätte der Ball damals schon stattgefunden, hätte Leela ein Kleid aus dem Fundus anziehen oder sehr underdressed erscheinen müssen, was ziemlich an ihr genagt hatte.
So aber waren wir alle schön herausgeputzt – bis auf Mila, die diesen Ball leider nicht mehr erleben durfte. Beim Gedanken an die blonde Elementbändigerin zog sich mein Herz zusammen. Amy hatte sich vor den Sommerferien so auf den Ball gefreut, auf dem sie mit ihrer Freundin würde tanzen können und dann war alles schiefgegangen. Ich hoffte nur, dass ihr ihre Überraschung gefiel, in die ich ebenfalls eingeweiht worden war.
„Sind wir alle bereit?", fragte Amy, nachdem sie in ihre roten Schuhe geschlüpft war und sich ihre Ohrringe in die Ohren gesteckt hatte.
„Jap, wir können", stimmte Leela zu und ging vor zur Tür.
„Es ist zehn vor acht, wir sind also genau richtig in der Zeit", pflichtete ich ihr bei und hielt Amy die Tür auf, schloss sie dann hinter ihr. Leela klopfte bereits nebenan bei Trish an und diese öffnete die Tür nur wenige Augenblicke später und... wow – anscheinend war ich doch nicht in alle Teile der Überraschung eingeweiht worden.
Anstatt des schwarzen, eigenwilligen Kleides ihrer Mutter, welches Trish ursprünglich hatte tragen wollen, trug sie nun den roten, sommerlichen Jumpsuit, den Mila sich für den Ball ausgesucht hatte. Obwohl Mila ein wenig größer gewesen war als Trish, saß der Jumpsuit perfekt und stand Trish, die sonst nur dunkle Farben trug, außerordentlich gut. Die roten Strähnchen in ihren Haaren passten perfekt zu der Farbe des Jumpsuits und ihr silberner Lidschatten ergänzte das Kleid von Amy. Die schwarzhaarige Werwölfin neben mir presste sich überwältigt eine Hand vor den Mund, als sie ihre Schwester in dem Jumpsuit ihrer ehemaligen Freundin sah. Trish lächelte Amy verlegen an.
„Überraschung", sagte sie sanft und schloss ihre Schwester in die Arme, „ich kann mich natürlich auch umziehen, wenn du es nicht möchtest."
Amy schüttelte sofort den Kopf und wischte sich mit den Fingerspitzen die no no Tränen weg, damit ihr Makeup nicht verschmierte.
„Danke", murmelte sie, „das ist wirklich lieb von dir."
Sie griff mit ihrer anderen Hand nach dem Jumpsuit und fasste den Stoff sanft mit zwei Fingern an.
„So ist sie doch irgendwie heute bei mir."
Trish nickte und umarmte Amy ein weiteres Mal, bevor diese die Nase hochzog, sich straffte und sich von ihrer Schwester löste.
„Na los, gehen wir."
Die Jungen würden bei der Aula auf uns warten, weswegen wir gemeinsam durch die gar nicht allzu leeren Flure der Schule wanderten. An mehreren Stellen begegneten wir anderen Mädchen aus unserem Jahrgang und ehemaligen Oberstufenschülern, die ihren Abschlussball nachholten oder kamen an Unterstufenschülern vorbei, die uns mit großen Augen nachsahen. Ich ließ mich zurückfallen, bis ich neben Amy ging, die zwar gelöst und vorfreudig aussah, aber immer noch glänzende Augen hatte.
„Wie geht's dir?", fragte ich leise.
„Ich vermisse sie", entgegnete Amy, die natürlich wusste, worauf ich anspielte, „heute noch mehr als sonst. Aber ich möchte den Abend genießen, so als wäre sie hier."
Ihr Blick fiel auf Trish, die in dem Jumpsuit zwei Schritte vor uns ging.
„Wusstest du davon?"
Ich schüttelte den Kopf.
„Das ist so eine liebe Geste... als wäre sie wirklich hier, mit mir", Amy lächelte mich an, „ich freue mich auf heute Abend Faye, ehrlich."
Ich erwiderte das Lächeln und legte Amy freundschaftlich einen Arm um die Schultern, als wir der Turnhalle immer näher kamen. Vor der Eingangstür lungerten bereits einige Jungs herum, die auf ihre Tanzpartnerinnen warteten und als wir näher kamen, lösten sich Jay und Cole aus der Menge. Sie beide trugen schwarze Anzüge mit weißen Hemden, hatten jedoch jeweils einen anderen Schnitt und andere Frisuren.
Jay kam sofort auf mich zu und schloss mich in die Arme, drückte mich dann sanft einen Schritt nach hinten und begutachtete mich.
„Wow, du siehst toll aus", lobte er mich, „und du bist geschminkt."
„Das ist alles Amys Werk", lachte ich und stupste den blonden Jungen auf die Brust, „du siehst aber auch nicht allzu übel aus."
„Danke, danke, ich habe mich sehr bemüht", Jay richtete sich ein Stück auf und strich seine Anzugjacke glatt, richtete dann seine ebenfalls schwarze Krawatte, „sobald es erlaubt ist, ziehe ich dieses Teil aus, das schnürt mir total den Hals ab."
„Vielleicht hast du sie ein wenig zu fest gemacht", vermutete ich.
„Cole hat mir die Krawatte gebunden", gab Jay grinsend zu, „ich kann das nicht und er war so freundlich und hat mir geholfen. Wenn ich also ersticken sollte, ist er schuld. Und ich würde sie ja gerne lockern, aber dann rutscht der kurze Zipfel raus."
„Der böse, böse Cole", ich schmunzelte und streckte eine Hand nach Jays Hals aus, „darf ich mal?"
„Kannst du einen Krawattenknoten?"
„Ja, das hat mir mein Vater mal beigebracht", ich nickte, trat einen Schritt näher und löste mit flinken Fingern den Knoten, bevor ich die beiden Enden neu sortierte und den Knoten wieder festzog, dieses Mal ein wenig lockerer, sodass Jay besser Luft bekam, „Schminken kann ich mich nicht, aber eine Krawatte binden klappt super."
Jay lachte und als ich von seinem Hemdkragen aufblickte, fiel mir auf, wie nah wir uns waren. Jay war über die Sommerferien ein ganzes Stück gewachsen und trotz meiner hohen Schuhe noch ein kleines Stück größer als ich und seine grünen Augen waren sehr viel dichter an meinen blauen, als ich es erwartet hatte.
„Wollen wir reingehen?", Jay richtete sich auf und entfernte sich dadurch ein Stück von mir, bot mir seinen Arm an. Ich nickte und griff nach seinem Arm, neben mir tat Leela bei Cole das gleiche. Cole trug heute Abend keine Krawatte, sondern eine Fliege, die sehr gut zu ihm passte. Trish legte ihrer Schwester einen Arm um die Hüfte, anstatt sie am Arm zu führen und wir betraten alle gemeinsam die Aula.
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(1887)
Soooo, im nächsten Kapitel wird es dann wohl mit dem Ball losgehen ;)
Was glaubt ihr, was in dem nächsten Kapitel dann so alles passieren wird?
Und wie hat euch dieses hier gefallen?
Oben findet ihr übrigens meine Zeichnungen von den Ballkleidern, die die Mädels tragen (Das alte Outfit von Trish have ich wegretuschiert und ihren Kopf mit neuer Frisur auf Milas altes gelegt).
Ich fahre heute zurück nach Hause und ehrlich gesagt freue ich mich ein wenig. Urlaub ist ja schön und gut, aber durch Corona konnte ich es nicht so richtig genießen...
LG aus dem Auto, Lotta
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