3.Kapitel X Aufbruch
Im Auenland war die Sonne gerade dabei aufzugehen, als sie vorsichtig die ersten Strahlen gen Himmel streckte und die Vögel sangen ein fröhliches Lied.
Irgendetwas fühlte sich anders an als Gestern, so viel schien passiert zu sein. Ein Leben hatte sich geändert, mein Leben. 13 Zwerge und ein Zauberer waren in mein Leben gekommen und hatten mein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Denn ich war ihr Meisterdieb.
Kurz hatte ich geglaubt, all das wäre ein Traum gewesen. Ein schrecklicher Traum, und sogleich doch so verlockend. Ein Versprechen von Abenteuer, keine Garantie auf Rückkehr. Meine Gedanken hielten an dem Gefühl eines Fingers fest, der über meine Wange strich.
Doch in dem Moment, in dem ich meine Augen öffnete und mich in der Hobbit-Höhle meines Bruders fand anstatt in meinem eigenen Bett wurde mir bewusst, dass das kein Traum gewesen sein konnte. Nichts davon.
"Lyra, gut, du bist wach," meinte Gandalf, als ich aufstand und mich erst einmal orientieren musste. Die Hobbit-Höhle war leer und Alles schien an seinem Platz zu sein, als wäre Gestern Abend tatsächlich nie passiert. Ich sah zu dem Zauberer, der das Wohnzimmer betreten hatte, ein vertrautes Pergament in der Hand. Der Vertrag. Ich öffnete gerade den Mund, wollte Fragen wo die Zwerge waren, was er mit dem Vertrag wollte, doch er kam mir zuvor.
"Die Zwerge warten draußen," antwortete er, als er meine Miene sah, und ich nickte, meine Gedanken schweiften kurz ab. Die Straße entlang, der Weg der vor uns lag.
"Und Bilbo?" fragte ich, ein wenig hoffnungsvoll. Ich wollte mich von meinem Bruder zumindest verabschieden, bevor ich auf diese unerwartete Reise mit ihren Tücken und Gefahren und feuerspeienden Drachen aufbreche. Ich atmete tief durch.
"Es ist wohl besser, wenn wir ihn schlafen lassen," sagte der Zauberer, als ich ihn beobachtete, wie er den Vertrag auf den Tisch legte. Meine Kehle schnürte sich zu, als ich nickte. Vielleicht war es so das Beste. Es schmerzte dennoch, mit dem Streit von Gestern Abend Abschied zu nehmen.
"Du- du lässt den Vertrag hier?" fragte ich, als ich mich schon aufmachen wollte.
Der Zauberer nickte. "Ich habe keine Zweifel, dass Bilbo es sich vielleicht doch noch anders überlegt und uns begleitet."
Er gab mir einen bedeutenden Blick, bevor ich nickte und kurz davor war nach der grünen runden Tür zu greifen. Gemischte Gefühle kamen in mir auf, als wäre mir heiß und kalt zugleich. Bilbo war für diese Reise nicht geeignet, trotzdem wäre es mir lieb nicht von ihm Abschied nehmen zu müssen. Wünschte ich, er würde es sich anders überlegen? Ich war mir nicht sicher und lenkte deshalb meine Gedanken auf andere Dinge, Dinge von denen ich mir ziemlich sicher war.
"Du hattest nie geplant, dass ich der Meisterdieb werde, oder?" fragte ich plötzlich.
Der Zauberer schien milde überrascht zu sein, dass ich ihn so direkt darauf ansprach.
"Es sollte von Anfang an immer Bilbo sein und es war reiner Zufall, dass du mich in meinem Garten aufgelesen hast," fuhr ich fort.
Ich sah wieder zu ihm und ein kleines wissendes Lächeln hatte sich in seinem Gesicht breit gemacht.
"Es war nicht reiner Zufall, ... nein." Gandalf hielt kurz inne.
"Die Beutlins schaffen es doch immer wieder mich zu überraschen," antwortete er dann, bevor er mir deutete ich solle vorgehen. Also öffnete ich die Tür und fühlte mit einem Mal die Blicke der wartenden Zwerge auf mir.
"Endlich. Los jetzt," kam es finster von Thorin. Ich nickte, war mir unsicher, ob ich noch etwas sagen sollte.
"Der Vertrag, Gandalf?" fragte er noch, als er über mich hinweg zu dem Zauberer blickte.
"Bleibt hier," sagte dieser nur, als er durch Bilbo's Garten auf die Zwerge zuging und sich zu Thorin stellte. "In dem Fall, dass sich Bilbo Beutlin doch noch entscheidet unser Meisterdieb zu werden."
Als ich ebenfalls in den Garten trat bließ mir eine sanfte Brise die Haare in die Augen und meine Aufmerksamkeit wandte sich ab. Hätte Thorin noch eine Antwort gegrummelt, könnte ich mich daran erinnern, denn ein Paar brauner Augen beobachteten mich und mir wurde warm. Ich trat einen Schritt weiter und bändigte meine Haare, als ich versuchte mein laut klopfendes Herz zu ignorieren.
Ich hatte Gandalf gefolgt, bis er sich anfangs an die Spitze unserer Gemeinschaft setzte und wir begangen uns zu bewegen. Mit jedem Schritt, den wir uns zuerst von Beutelsend und dann meiner eigenen Hobbit-Höhle entfernten, wurde mein Herz ein Stückchen schwerer mit Kummer und Sorge. Vor den Zwergen, vor allem aber vor den anderen Hobbits und Nachbarn, die hinter vorgehaltener Hand tuschelten, versuchte ich eine tapfere Miene zu bewahren.
"Guten Morgen, habt ihr gut geschlafen?" fragte plötzlich eine beinahe rauchige Stimme, die mich aus meinen Gedanken riss. Ich drehte den Kopf und ein Paar brauner Augen musterte mich belustigt. Kili.
"Guten Morgen, ebenfalls. In der Tat," antwortete ich freundlich, als die bitteren Gedanken durch seinen warmen Blick und sein Lächeln kurz vergessen schienen. Eine kleine Welle der Erleichterung kam über mich, als er sich anscheinend dazu entschieden hatte an meiner Seite zu reisen. Zumindest für ein Stücken.
"Vergebt, ihr schient tief in Gedanken zu sein, ich wollte nicht stören," sagte er, als er einen kurzen Blick auf mich warf, plötzlich unsicher nach seinem zuversichtlichen Auftreten. Ich merkte, wie mir ein kleines Lächeln auf die Lippen schlich, als ich kurz wegsah, um meinen Gesichtsausdruck zu kontrollieren.
"Lyra," beharrte ich noch einmal, auf die Höflichkeiten zu verzichten. "Bitte. Sonst fühle ich mich nur alt, und ich bin weit entfernt von dem Status und Respekt, der einer Elbenherrin gebührt."
Ein herzhaftes Lachen entrang sich seiner Brust und ich musste ebenfalls leicht lachen, als ich ihn beobachtete.
"Nun gut, Lyra. Tut mir leid, dass ich dich aus deinen Gedanken gerissen habe," setzte er erneut an und sah zu mir.
"Ihr müsst euch nicht entschuldigen, es waren keine besonders guten Gedanken," sagte ich nur, als ich ein wenig stiller wurde. Er sah mich fast schon unsicher an, vielleicht auch ein wenig verwirrt, als er den Mund öffnete um zu antworten. Dennoch lächte ich ihn an.
Ich konnte fast schon fühlen, dass er fragen wollte, was ich meinte, doch zu meiner anderen Seite meldete sich sein Bruder, Fili, der sich in die Unterhaltung eingebracht hatte.
"Verständlich, bedenkt man, dass ihr mit dieser Unterschrift vermutlich euren Tod unterzeichnet habt," sagte er unbekümmert, als er mich ansah. Erschrocken riss ich meine Augen auf, als ich zu dem blonden Zwerg blickte.
"Und mit jedem Schritt, den ihr euch weiter von zuhause entfernt, wird es unwahrscheinlicher, dass ihr umkehrt, was ihr schlecht könntet, wegen des Vertrags. Zweifel sind absolut natürlich."
"Fili! Spinnst du?" wurde er von seinem Bruder angeherrscht, und ich blinzelte langsam. Recht hat er aber, dachte ich mir, als der blonde Zwerg mit den Achseln zuckte, ein kleines Grinsen auf den Lippen. Ich starrte geradewegs auf den Weg vor mir.
"Nein. Nein, er hat Recht. Ich habe die Entscheidung getroffen. Da wird sich jedoch nichts daran ändern," bestätigte ich bestimmt.
"Ihr müsst mich nicht-," setzte ich an, wurde aber von Kili unterbrochen, der mich mit leichtem Schmunzeln ansah.
"Kili. Bitte."
Ich nickte, als ich ihn ansah. Ich verstand. Keine Höflichkeitsfloskeln mehr.
"Sonst fühle ich mich so alt wie Onkel Thorin," fügte er leise hinzu. Ich kicherte ein wenig, bevor ich etwas realisierte.
"Moment, Onkel Thorin?" fragte ich nach und meine Wangen wurden warm. Denn inzwischen war mir bewusst geworden, dass Thorin Eichenschild, Sohn des Thrain, der Erbe des Zwergenkönigreiches Erebors war. Ein Prinz. Und im nächsten Augenblick wurde mir bewusst, wie das auch Kili und seinen Bruder zu Prinzen machte.
-
Sie alle hatten die Ponys an der Grenze von Hobbiton zurückgelassen und hier waren sie immer noch. Bei dem Mietstall und all ihrer Ausrüstung und den Vorräten.
Kili beobachtete von seinem Pony aus, wartend neben Fili, wie man Lyra eine hellbraune Stute gab, die sie ohne Hilfe bestieg.
Schnell sah er weg und musste schlucken, als er gemerkt hatte, wie er schon wieder starrte. Verdammt.
Er merkte nicht, wie sein Bruder ihn amüsiert betrachtete.
"Kili, Fili? Seid ihr fertig?" kam es von Onkel Thorin, der durch die Reihen ritt und nochmal alle Zwerge und Ponies überprüfte. Alles war fertig.
"Ja, Onkel," antworteten sie und nickten. Dieser nickte ebenfalls, und setzte sich wieder an die Spitze der Truppe, Balin ritt neben ihm, der Zauberer dahinter und sie setzten sich in Bewegung.
Kili versuchte sich abzulenken, doch die Gespräche um ihn herum interessierten ihn wenig. Fili schien zu merken, dass seinem Bruder etwas auf dem Herzen lag. Und es schien nicht schwer zu erraten, wer es war, der die Gedanken seines Bruders so beschäftigte und quälte. Wissend grinste er vor sich hin, als er sich blendend über die Launen seines Bruders amüsierte.
Der Wald, durch den sie ritten war so dicht, dass die Äste ihre Gemeinschaft wie ein Baldachin abschirmten. Doch die braunen Augen des Zwergenprinzen hatten es aufgegeben sich an den ungewohnt sanften Hügeln und kleinen Flüssen des Auenlandes aufzuhalten.
Viel lieber beobachteten sie die feuerroten Locken, die sich sanft an ihren Rücken schmiegten und mit den Schritten des Pferdes langsam hin- und herschwankten. Zu gern wüsste er wie es sich anfühlen würde, dort seine Finger über ihre Haut zu streicheln. Er schluckte und merkte wie ihm die Hitze den Hals hochkroch, als sie den Kopf kurz zu ihm drehte, bevor sie sich erneut abwandte um sich mit Bofur zu unterhalten. Glückspilz.
Verdammt, was war los mit ihm?
Sein Verstand schien kurz ausgesetzt zu haben, als sie zu ihm geblickt hatte. Vereinzelte Flecken an Sonnenlicht, die sich ihren Weg durch das Blätterdach bahnten, schienen die roten Haare regelrecht in Brand zu setzen. Die hellen Augen hatten ihn in einen Bann gezogen, der ihn zurückversetzte in den Pass über den Ered-Luin, damals zu der Eskorte. Und dieser Bann wollte ihn nicht mehr loslassen.
Die Sterne waren klar am Himmel gestanden, aber schienen vollkommen zu verblassen als ein Feuermond immer weiter in die Höhe gestiegen war, gigantisch, rot und leuchtend, wie er es noch nie zuvor gesehen hatte.
Bewunderung und Ehrfurcht packten sein Herz, wenn er daran dachte und es klopfte schneller. Und er musste jedes Mal daran denken, wenn er sie sah. Ihre roten Haaren und die leuchtenden Augen, die jeden Stern des Nachthimmels beschämten.
Ein Leuchten, wie er es noch nie zuvor gesehen hatte und er dachte er würde nie wieder so etwas zu Gesicht bekommen, bis an denTag, als die Tür sich öffnete und er das erste Mal seine Augen auf Lyra legte.
Jeder Blinde konnte sehen, wie sie strahlte und Kili war es vom ersten Augenblick an bewusst, wie wie schön sie war.
Er zwang sich wegzusehen, die Augen abzuwenden.
Als er ihr Lachen hörte schien sein Herz einen Schlag auszusetzen und er sah wieder zu ihr. Ihre Schultern bebten leicht, als sie immer noch über etwas kicherte, was Bofur gesagt hatte. Ein heißes Gefühl breitete sich in seinem Magen aus, das er gekonnt versuchte zu ignorieren; Fast als wäre es niemand anderem erlaubt sie zum Lachen zu bringen außer ihm. Aber das war natürlich irrsinnig. Dennoch konnte er es nicht lassen zu starren, als alles in ihm schrie zu ihr zu Reiten, ihre Nähe zu suchen, sie wieder zum Lachen zu bringen.
Und das Gefühl ließ ihn nicht los, vor allem nicht, wenn sie die ganze Zeit in seinem Blickfeld ritt.
"Du starrst schon wieder," bemerkte Fili plötzlich, neben ihm. Das selbe amüsierte Lächeln auf seinen Lippen.
"Was? Das bildest du dir ein," antwortete Kili schnell, als er den Kiefer anspannte.
Kili sah zu ihm.
"Weißt du, du kannst zugeben, dass sie dir absolut den Kopf verdreht hat," fügte er etwas leiser hinzu.
"Es ist offensichtlich."
"Fili, ich kenne sie kaum und tatsächlich reitet sie zufällig vor mir in meinem Blickfeld." Er musste kurz innehalten. "Du warst dabei, gestern Abend?" versuchte er abzulenken, leise, damit sie nicht überhören würde, was sie besprachen. Und er hatte seinem Bruder gesagt, was er sich auch immer wieder vor die Augen führte. Er kannte sie kaum. Seit gestern Abend.
Aber dieses Lachen und diese Lippen machten ihm vor, als wäre das egal. Geküsst hätte er sie trotzdem gerne, würde sich die Chance geben.
"War ich, und ich weiß genau, was ich gesehen hab," antwortete Fili fast schon leise, bevor er den Kopf schüttelte.
"Bewahre einer vor der Sturheit meines Bruders."
-
Eine Weile ritten wir schweigend so dahin und die Zwerge gingen immer noch ihrem Wett-Geschäft nach. Würde Bilbo noch kommen oder nicht? Ich konnte mir selbst noch nicht sicher sein.
Ich ritt neben Bofur und schüttelte nur leicht lächelnd den Kopf, als ich den Geplänkeln der Zwerge hier und dort ein wenig lauschte. Hinter meinem Rücken vernahm ich ein leises Gespräch, laut genug um meine Neugier zu erhaschen, aber zu leise, um mich einzubringen, also blieb ich still und hing meinen Gedanken nach. Ich kaute ein wenig auf meiner Lippe und musste es mir verkneifen schon wieder in Sorgen zu verfallen. Schließlich hatte ich den Vertrag unterschrieben und eine Entscheidung getroffen. Kein Zurück, nicht dass ich es wollte.
"Halt! Wartet!"
Ich horchte auf und als ich mir sicher war, dass ich mich nicht verhört hatte, zog ich an den Zügeln und brachte die helle Stute zum Stehen. Die Gemeinschaft hielt plötzlich und Gemurmel wurde lauter, als sich neugierige Blicke zurück wendeten.
Ein breites Grinsen hatte sich auf meine Lippen geschlichen, als ich mein Pony wendete, bevor ich abstieg um meinem Bruder entgegen zu kommen. Flüchtig erhaschte ich den Blick eines gewissen braunhaarigen Zwergenprinzen.
Bilbo eilte uns entgegen, gekleidet in Reisekluft und der Vertrag flatterte in seiner Hand.
,,Ich habe unterzeichnet!" rief er, immer und immer wieder als er weiter in Hörweite kam.
Ich konnte mir nicht helfen an unsere Kindheit zurück zu denken und die etlichen Stunden, die wir gemeinsam im Wald zugebracht hatten. Völlig verdreckt waren wir gen Ende des Tages heimgekommen.
"Bilbo!" rief ich erfreut und als er mich endlich erreichte, warf ich meine Arme um ihn. Für einen Moment verschnaufe er, als ich von ihm abließ und ihm anerkennend auf die Schulter klopfte. Das war mein Bruder, wie ich ihn kannte.
Dann fand der Vertrag den Weg in Balin Hand, mit Bilbo's Unterschrift, die nun neben meiner stand. Der Zwerg machte einen großen Akt daraus den zweiten Namen zu begutachten, als ich mich wieder auf mein Pony schwang.
Ich musste grinsen, als ich zu meinem Bruder blickte.
,,Bilbo Beutlin, Willkommen bei unserer Unternehmung zum Erebor."
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