26. Kapitel Mission Impossible: Zwergen Edition
Man merkte eindeutig wie arm diese Stadt war. Da war das Auenland reich, im Gegensatz zu Esgaroth. Ich sah mich um, während wir die schier endlosen Stege und Wege entlangschlichen und tappten. Die Hunde winselten und fraßen den Müll aus den dreckigen Seitenwegen, auf der Suche nach etwas zu Essen. Eins neben dem anderen standen die schäbigen Häuser direkt im Wasser auf langen Stelzen. Die Kleidung der Dorbewohner war unendliche Male ausgebessert und geflickt worden.
Auch der Geruch von vergammelten Fisch und Abfall lag einem in der Nase.
Übergeben musste ich mich aber zum Glück nicht mehr. Die Aktion vorher war peinlich genug gewesen, vor allem gegenüber den anderen Zwergen, die die Wahrheit ja kannten. Die Wahrheit, dass meine Schwangerschaft eine schamlose Notlüge ist, damit ich überhaupt in der Stadt sein kann.
,, Folgt mir und haltet alle mal eure Klappe." gab Bard nun mit warnender Stimme die Anweisung, als er um die Ecke eines Hauses spickte. Ich ballte meine Fäuste und grub vor unterdrückter Wut meine Fingernägel in die Fläche meiner Hand. Der einzige Weg meine ungeheure Wut auf diesen Vorlauten, unfreundlichen, hochnäsigen Seemenschen etwas zu unterdrücken.
Nur weil wir jetzt von ihm abhängig sind, heißt das noch lange nicht, dass er mit uns herumspringen kann wie er will!
Thorin ist immerhin ein König! Na gut, immerhin wird er König, sobald wir diese verdammte Echse umgelegt oder ihr für immer die Lust am Gold ausgetrieben haben.
Jetzt bewegten wir uns nun in einer elendich langen Reihe, schleichend und geduckt durch die entlegendsten und verwinkelsten Gassen von Esgaroth. ,,Zieht die Köpfe ein und verhaltet euch ja unauffällig", flüsterte Bard am Kopf der Schlange.
Wir versuchten möglichst unscheinbar durch die Gegend zu laufen und nicht großartig aufzufallen. Aber eine Gruppe von Zwergen und zwei Hobbits, dazu mit einem rothaarigen Mädchen, fällt, denke ich, schon dezent auf. Auch die Tatsache, dass wir in einer Reihe unterwegs waren, lässt eigentlich vermuten, dass wir irgendwie bemerkt werden müssen.
Die meisten Zwerge waren auch nicht mehr die jüngsten und vor allem Bombur war mit seinem schwerfälligen Schritt eine Geräuschquelle, die uns sehr leicht verraten könnte.
Aber es lief alles gut. Das Glück war endlich auf unserer Seite. Das gefühlt erste, verdammte Mal seit ich an jenem schicksalhaften Morgen in meinem Vorgarten stand und die Pflanzen goss.
Immer nur Unglück. Ich wurde umgebracht, die Gobblins haben uns verschleppt und ich hatte mich hoffnungslos in Kili verliebt. Vielleicht war das auch das schlimmste, das mir jemals passieren konnte. Ich hatte viele körperliche Wunden auf dieser Reise abbekommen, diese würden irgendwann wieder heilen. Mehr oder weniger. Narben blieben, für immer vielleicht. Aber die Gewissheit, dass er irgendwann mit dieser Elbin zusammenleben würde und sie zu seiner Frau mache, würde mir immer im Nacken sitzen, immer im Magen liegen und als dunkler Gedanke immer allgegenwärtig sein. Könnte ich je ein normales Leben führen? Vielleicht, ja.
Vielleicht könnte ich ja auch irgendwann wieder glücklich werden. Vielleicht würde ich mich ja wieder verlieben, auch irgendwann Heiraten, Kinder zur Welt bringen. Nur nicht mit ihm.
Aber jetzt hatten wir Glück, keine Stadtwache entdeckte uns und auch kein Bürger machte irgendeinen Aufstand. Wir folgten Bard weiter, der uns durch die dunkelsten Winkel der Stadt führte. Schließlich blieb er stehen und auch die gesamte Versammlung der Zwerge und Hobbits machte halt.
,, Was ist los?", fragte Thorin, als er misstrauisch eine Augenbraue hochzog. Er war misstrauisch, genau wie dem Rest von uns. Ich schlang meine Arme um meinen Körper und rieb über meine Arme, hier herrschten doch Minusgrade!
,, Wir werden beobachtet.", sagte der Seemensch nun. Wie zur Hölle? Wer? Stadtwachen? Nein. Die persönlichen Schergen des Bürgermeisters? Vielleicht.
,, Und was machen wir jetzt?" kam es wieder von Thorin.
,,Nun, Meister Zwerg. Könnt ihr schwimmen?" fragte Bard schelmisch.
Das war doch nicht sein Ernst. Es war Schweinekalt. Die Zwerge sprangen alle voller Vorfreude ins Wasser, nicht. Ihnen geht es genauso gegen den Strich wie mir. Alle hatten schon langsam genug von Wasser, da ist es schon ein bisschen blöd, dass wir hier in einer Seestadt sind, die an einem SEE liegt. Und ein See ist bekanntlich voller Wasser. Kili war auch schon im Wasser, aber ich biss auf meine Lippe und drückte mich doch ein bisschen davor in den See zu springen und zu schwimmen.
Nicht, dass ich nicht schwimmen könnte, ich kann es wirklich. Nur nicht besonders gut, ich kann mich Überwasser halten, ohne erbärmlich zu ertrinken. Zählt das? Ich denke nicht.
Jetzt war ich am überlegen, wie ich mich vor dieser Aufgabe drücken konnte.
Aber mein lieber "Schwager" nahm mir diese Entscheidung liebenswürdigerweise ab. Als ich die Hände spürte die sich um meine Hüfte schlossen, hätte ich mich eigentlich schon dagegen währen müssen. Der einzige der das dürfte, wäre Kili, aber der plantschte schon fröhlich vor sich hin. Als ich hochgehoben wurde wehrte ich mich, aber gegen Filis festen Griff konnte ich leider nichts ausrichten.
Für einen kurzen Moment flog ich, es fühlte sich auf jeden Fall so an, ich schrie nicht. Ich hörte noch, wie das Wasser spritzte und Kälte war in dem alles was ich fühlen konnte. Schock. Ich riss meine Augen auf und kaltes Wasser strömte in meine Lungen. Panik packte mich, ich strampelte, eher mehr als Verzweiflungsaktion, ich erwartete nicht etwas zu erreichen. Der nackte Kampf ums überleben, nicht mehr. Vielleicht übertrieb ich auch nur, und ich war gerade mal 20 Zentimeter von der Wasseroberfläche entfernt.
Ich wurde am Arm gepackt und hochgezogen. Prustend und nach Luft ringend kam ich an die Wasseroberfläche. Ich hielt mich mit Müh und Not an der Oberfläche und schwamm erst einmal zum Steg um mich festzuhalten. Ich umklammerte mit einem Arm das glitschige und rutschige Holz während ich wieder mal versuchte meine Haare aus meinem Gesicht zu halten, um überhaupt irgendetwas mitzubekommen. Kili hatte sich auch festgehalten, hatte er mich hochgezogen, gerettet? Mein Gehirn realisierte erst langsam, dass Fili mich ins Wasser gestoßen haben musste. Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung um ihn mit dem verachtensten Blick zu bestrafen, den ich auf Lager hatte. ,,Tut mir ja echt Leid, Lyra." sagte er, wobei er sich ein Grinsen aber nicht verkneifen konnte. ,, Es tut dir Leid? Verdammt Fili, ich wäre fast ertrunken!"
Fili sprang nun auch ins Wasser, es kam kein Kommentar mehr. Anscheinend war er der Letzte.
Wir schwammen Bard nach. Ich schluckte ziemlich oft Wasser und ein verzweifeltes Keuchen drang aus meiner Kehle. Ich kämpfte mich durch, ich musste. Während ich schwamm war mir wenigstens nicht mehr ganz so kalt, aber trotzdem klapperten meine Zähne.
Ich war zu einer echten Heulsuse geworden, verdammt, wieso? Diese Reise hat mich verändert und das nicht nur zum Positiven. Ich lernte jetzt endlich das gemütliche und auch langweilige Leben der Hobbits zu schätzen und lernte auch zu verstehen, dass wir Hobbits einfach nicht für große Heldentaten geschaffen waren. Nur Leid, das ist das einzige was ich von diesem Abenteuer bis jetzt hatte. Und sterben würden wir dabei auch. Bleiben wir doch einmal realistisch, niemand hatte je wirklich geglaubt, dass man selbst mit Hobbits diese riesige Bestie namens Smaug erfolgreich umschiffen konnte, ohne ihn aufzuwecken und somit die Seestadt und uns selbst in Lebensgefahr zu bringen.
Jetzt zurück in die Gegenwart. Wir schwammen leise und unauffällig zu Bards Haus, wie es schien.
Aber wo wir dann in das Haus gelangen sollten war wirklich unter meiner Würde. Wir sollten durch das Plumpsklo klettern! Ich glaub ich bring ihn um!
,,Ich bring ihn um, Ich bring ihn um!"
knurrte ich vor mir hin, während ich durch den kleinen stinkenden Gang mit Brusthohem Wasser entlangwatete. Kili hinter mir. Es war nicht wärmer geworden und der Gestank unterträglich, wenn man aber bedenkt, wo wir gerade waren, durfte man sich nicht mehr wundern.
,,Lyra. Es ist gut." Ich drehte mich um und blickte in Kilis fürsorgliche, liebende Augen, die so tief braun waren, dass ich sie einmal mit den Sternen an einem klaren Abendhimmel verglich.
Ich löste den Blick nur unfreiwillig.
Was hatte er noch gleich gesagt?
,,Ja, ja natürlich, tut mir Leid."
Wir kämpften uns weiter durch den Abflusskanal. Mein Blick war starr nach vorne gerichtet auf Filis Nacken.
Er packte mein Handgelenk und zog mich zurück
,,Hey, du musst dich nicht entschuldigen. Ich hab nur Angst um dich. Ich vertraue ihm nicht und du weißt sehr gut sogar, was passieren könnte, wenn er uns verpfeift."
Es war nicht möglich ihm in die Augen zu sehen, weißgott wieso. Es war einfach nicht möglich. Ich konnte mich nicht dazu überwinden. Das tiefe gütige Braun in das ich mich verliebt hatte.
Seine Augen und die Art wie er Lächelt.
...Wenn er sie ansieht.
,,Lyra, ist alles.." Ein schmerzerfülltes Keuchen war zu hören. Schnell drehte ich mich komplett zu ihm um, er war mit dem Bein umgeknickt, lehnte gegen die kalte Steinwand und keuchte schwer.
,,Kili!" ein spitzer Aufschrei meinerseits der unangenehm wiederhallte. ,,Dein Bein, ich hab es total vergessen. Tut mir Leid, tut mir so unendlich Leid." Ich wollte ihm helfen, wusste bei bestem Willen aber nicht wie. Nicht hier in dieser ekelhaften Umgebung.
,,Ist okay, Lyra, es geht schon wieder." Sein Gesicht war noch immer eine schmerzverzerrte Grimasse und schweres Atmen war zu hören.
,,Kriegen wir dich einfach so schnell wie möglich hier raus, okay?"
Er nickte nur und humpelte weiter. Er war ganz bleich im Gesicht. Wenn wir nicht bald etwas unternehmen ist es zu spät.
,,Komm her, lass mich dir helfen." sagte ich. Er legte seine Hand um meine Schulter und ich griff ihm um die Taille. So kämpften wir uns den Gang entlang, der gerade mal breit genug für uns Zwei war. Ein Wunder, dass Bombur nicht stecken geblieben ist.
Ein Licht, mich graust es bei dem Gedanken, dass wir jetzt durch ein Klo klettern müssen.
Fili hielt uns die Klappe auf und als wir oben waren ergriff er Kili unter dem anderem Arm. Als ich den Klodeckel zuknallen ließ und Fili mich fragend ansah sagte ich:,, Sein Bein, die Wunde hat sich höchstwahrscheinlich entzündet."
,,Die anderen sind schon oben." Filis Stimme war belegt. Ich nickte und begann die Stiegen zu bewältigen. Ein Menschenmädchen stand dort auf halben Weg nach oben. ,,Vater! Eine Hexe!"
Ach komm schon, ich bin müde, lasst mich doch alle in Ruhe!
Ich blieb stehen und sah sie eindringlich an. ,, Erstens Mal, ich bin ein Hobbit. Zweitens, ich bin keine Hexe! Drittens ist es nicht nett jemanden nur mit seiner Rasse bezeichnet zu werden, Okay? Oder würde es dir gefallen, wenn ich sagen: Ach, passt auf, ein Mensch kommt. Ich heiße Lyra und wäre sehr froh wenn du mich jetzt vorbei lassen würdest." Etwas eingeschüchtert trat sie zur Seite.
Oben erwartete mich ein gemütlicher Wohnraum, in dem sich die Zwerge alle auf Sitzgelegenheiten niedergelassen hatten. Ich steuerte die Couchgarnitur an und ließ mich glücklich darauf fallen und blendete die restliche Welt aus, wenigstens kurz.
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