1 - Der Feuerregen
Der Grabstein war vermoost und die Schrift verwittert, kaum noch zu lesen. Auf dem Friedhof standen lauter solche Gräber, allerdings war dieses erst zwei Wochen alt. Neben dem Grab, auf dem Kiesweg, saß ein Mädchen. Fenja hieß sie. Sie hatte rote Haare und grüne Augen. In der Hand hielt sie einen Bleistift und auf ihren Beinen lag ein Zeichenblock. Fenja runzelte die Stirn. Sie versuchte, sich daran zu erinnern, wie ihre Großmutter ausgesehen hatte, aber sie schaffte es nicht. Eine Träne rollte über ihre Wange. Warum vergaß jeder ihre Großmutter? Warum kümmerte es keinen, wenn sie Abends nicht nach Hause kam? Warum bemerkte man sie erst dann, wenn sie anfing zu schreien? Mehrere salzige Tränen rollten über ihre Wangen und es wurden immer mehr.
Plötzlich wischte jemand ihr die Tränen aus ihrem Gesicht. Sie schaute auf und erwartete, jemanden zu sehen, der nicht aus dem kleinen Dorf im Tamem kam, denn dort hasste sie jeder. Es wäre allerdings auch nicht erfreulich gewesen, wenn es jemand Fremdes gewesen wäre. Das hieß nämlich, dass er aus einem der andern Dörfer kam, einem der Dörfer, vor denen sie jeder gewarnt hatte. Aber es war jemand, an dessen Gesicht sie sich zu erinnern versucht hatte, jemand der eigentlich neben ihr unter der Erde liegen sollte...
„Großmutter?", fragte Fenja und fuhr sich über die Augen. „Ich muss träumen!"
„Du träumst nicht, Kind", sagte ihre Großmutter. „Aber warum sehe ich dich dann? Bist du etwa ein Geist?" Fenja starrte ihre Großmutter an. „Nein, nicht doch!", sagte ihre Großmutter lachend. „Ich bin zwar eine Erscheinung, die die Menschen seit Jahrtausenden als Geist bezeichnen, aber ein richtiger Geist, der keine Ruhe findet, weil er noch etwas erledigen muss? Das bin ich nicht. Solche Erscheinungen wie mich gibt es seit dem Anfang von Runar. Die ursprünglichen Bewohner waren alle besonders, sie hatten Gaben, mit denen sie die Welt der Menschen kontrollieren könnten. Doch das taten sie nicht. Stattdessen ließen sie die Menschen bei sich wohnen, ließen sie Dörfer und Städte gründen." Fenja runzelte die Stirn. „Aber das weiß ich doch! Warum erzählst du mir das nochmal?"
„Weil du von einer ursprünglichen Bewohnerin abstammst, Fenja." Mélanie drückte ihr etwas kleines in die Hand. „Beeil dich. Renn immer Richtung Gomem, dann kannst du es nicht verfehlen. Geh jetzt." Fenjas Großmutter klang bestimmt und doch sanft, so wie es nur sie gekonnt hatte. Dann kam ein Wind auf, der Mélanie fort wehte, an einen Ort, an dem noch kein Lebender gewesen war...
Fenja besah sich das Ding genauer. Es war ein Rubin, ein Roter, er funkelte mit ihren Tränennassen Augen um die Wette. „Was soll ich denn mit dir machen?", fragte Fenja. Plötzlich hörte sie ein Rauschen vom Eingang des Friedhofs. „Hallo?", fragte Fenja. Keine Antwort.
Das Rauschen kam näher. Plötzlich stieg Rauch auf. Durch die Bäume sah sie einen roten Schimmer. Feuer. Und nicht ein normales Feuer, sondern Feuer, das vom Himmel gerade regnete! Wie war das möglich? Fenja machte ein paar Schritte nach hinten, die Augen auf den Feuerregen gerichtet. Dann drehte sie sich um und rannte los. Sie dachte an die Leute aus ihrem kleinen Dörfchen, an die Leute, die sie immer schikaniert hatten, weil sie rote Haare hatte und damit automatisch verflucht war. Ihr liefen Tränen über die Wangen, während sie weiterrannte. Und doch hatte sie Angst um sie. Es waren schließlich die Leute, mit denen sie ihr Leben verbracht hatten, die Leute die vermutlich mehr über sie wussten als sie selbst. Sie wollte an keinem Tod schuld sein, aber doch hatte sie das seltsame Gefühl, an dem Feuer Schuld zu sein... Sie hatte das Gefühl, das Feuer durch ihre Angst zu nähren, das Feuer zu stärken, ihm ihre Energie zu geben, die sie verbrauchte... Sie wurde langsamer. Der Feuerregen, der sie verfolgt hatte, kam ihr im selben Tempo hinterher. Sie setzte sie probeweise auf den Boden. Das Feuer blieb an einer Stelle. Aber Fenja sah, dass die Pflanzen und Bäume verdorrten. Sie brannten nicht, aber das Feuer nahm ihnen ihre Energie. Von solchen Feuern hatte Fenja schon gehört. Dämonfeuer. Hatte sie das geschaffen?
Eine Träne löste sich von ihrem Gesicht. Sie wusste nicht was sie tat, ihr Körper fing an, ohne ihr Einverständnis zu handeln, was er immer tat, wenn Fenja zu aufgelöst war, um etwas zu tun. Also stand sie auf und stolperte los, immer weiter in den Wald hinein, obwohl es ihr doch verboten war, in die Nähe der anderen Dörfer zu kommen.
Sie rannte immer weiter und wusste, dass der Regen ihr folgte. Ihr denken hatte lange schon abgeschaltet, da stolperte Fenja über eine Wurzel und viel. Da lag sie nun auf dem Boden und konnte nicht mehr links, noch rechts. Und plötzlich hörte das Rauschen des Dämonfeuer auf.
Dia duit réiltín!
Meine Geschichte ist endlich draußen und das wunderschöne Cover ist von der lieben EnjoyReadingNOW.
Nochmals vielen, vielen Dank!
Aisling leis na réaltaí,
HimmelsHueter
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