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Sehr zu meiner Überraschung ging die Schule mit dem erneuten Vorfall sehr viel diskreter um als mit dem Angriff auf Daniel. Wahrscheinlich lag es daran, dass man nicht nachweisen konnte, dass es sich tatsächlich um einen Angriff handelte – denn auch, wenn es sehr unwahrscheinlich war, dass das Bücherregal von selbst umgefallen war, gab es keinerlei Hinweise auf äußere Einwirkungen.
Es hatte sich in der Schule schnell herumgesprochen, dass das Regal auf Eleanor gefallen war, als diese gerade Sex mit dem anderen Jungen haben wollte und von dem Jungen wusste man, dass Eleanor massive Prellungen und Quetschungen sowie eine Gehirnerschütterung hatte, ansonsten aber in Ordnung war und in wenigen Wochen wieder erscheinen würde. Offiziell war das Regal nur umgefallen, doch es glaubte keiner daran, dass es sich wirklich nur um einen Unfall gehandelt hatte. Das Misstrauen, dass sich die Schüler gegenseitig zeigten, war nur noch gewachsen und man bekam schon schräge Blicke, wenn man jemanden ansprach, mit dem man nicht wirklich eng befreundet war. Jeder vermutete, dass einer der Schüler für all das verantwortlich war und es war deutlich zu spüren, dass einige der Schüler – besonders die anderen Elementbändiger – mich in Verdacht hatten.
Immerhin sah ich so aus wie Azita und auch, wenn einigen dies nicht bewusst war, hatte mein Element nun einmal einen sehr schlechten Ruf und ich als letzte (oder erste, je nachdem) Feuerbändigerin musste schließlich meine Vorfahren rächen – zumindest dachten einige so.
Glücklicherweise traten meine Freunde immer für ein, wenn jemand eine dumme Bemerkung machten und bemühten sich nach Kräften, jedem die Stirn zu bieten, der mir etwas Gemeines an den Kopf warf.
Trotz alledem hatte die Schule jedoch weder die Prüfungen, noch den Sommerball abgesagt, was einerseits ermutigend war, weil die Normalität so gut wie möglich aufrecht erhalten wurde. Andererseits war es auch etwas beunruhigend, dass wir sowohl bei den Prüfungen als auch beim Ball erneut in Gefahr sein würden. Was, wenn der Täter bei einer der beiden Gelegenheiten seinen großen Coup bringen wollte und einen richtigen, großen Anschlag auf die Schule verüben würde?
Meine Freunde stimmten mir allesamt zu, dass es ein wenig angsteinflößend war, sich vorzustellen, was alles passieren konnte, wenn die gesamte Schule versammelt war und eine Person sich dazu entschloss, alle in Gefahr zu bringen. Man musste sich ja nur die ganzen Amokläufe in Schulen angucken, dann merkte man, wie schlimm so etwas enden konnte.
Mila und ich arbeiteten am Wochenende fleißig an unserem Referat weiter, was auch eine Art Zeitvertreib war, da unser Besuch in der Stadt erst am Wochenende vor dem Ball genehmigt worden war – an allen anderen Wochenenden waren bereits andere eingetragen gewesen. Das würde zwar bedeuten, dass ich erst zwei Wochen vor dem Ball ein Kleid kaufen konnte, doch andererseits schmiss ich so auch kein Geld zum Fenster heraus, falls man den Ball doch absagen würde.
Ich lernte während meiner Vorbereitung auf da Referat sehr viel über Azita und vor allem den Krieg und war doch etwas erstaunt, wie sehr die Informationen in den normalen Büchern sich von denen im Feuerbuch unterschieden.
Offenbar war Azita sehr, sehr stark gewesen, davon berichteten alle Bücher, wobei im Feuerbuch lobender von ihr gesprochen wurde. Sie war die Anführerin der Feuerbändiger während des Krieges gewesen, wahrscheinlich, weil sie vorher bereits die Erwählte gewesen war. Außerdem erfuhren wir, dass sie wohl mit der erwählten Luftbändigerin eine innige Freundschaft verbunden hatte, bevor diese sie hintergangen hatte – zumindest stand es so im Feuerbuch. In dem Buch, welches Mila gefunden hatte, war Folgendes abgedruckt:
Nachdem Azita das Vertrauen der anderen Erwählten über Jahre hinweg gewonnen hatte, gelang es ihr schließlich, gemeinsam mit Aria, Yara und Xanthos zur Erwählten gewählt zu werden. Dies hatte die blutrünstige Rächerin wohl in ihren Plan inkludiert, denn nur wenige Monate nach ihrer Ernennung hinterging sie Aria, die Erwählte der Luft, indem sie ihr Haus anzündete, in dem sich Arias gesamte Familie befand, die allesamt einen grausamen Tod in den Flammen fanden. Von Aria konfrontiert und gebeten, ihren Posten als Erwählte aufzugeben, begann ein flammend böser Plan in Azitas skrupellosem Gehirn zu reifen.
Obwohl man sie begnadigt hätte, wenn sie abgetreten wäre, beharrte die Feuerbändigerin auf ihrer Unschuld und begann, systematisch die anderen Feuerbändiger gegen die Erwählten aufzuhetzen.
Den Feuerbändiger, denen Undankbarkeit und Boshaftigkeit im Blut liegt, kam dieser fadenscheinige Grund nur recht und sie begannen, einen Krieg gegen all jene zu beginnen, denen sie eigentlich zu Dank verpflichtet waren.
Die hinterhältigen Feuerbändiger fühlten sich ungerecht behandelt und übergangen, obwohl ihr Element das einzige ist, welches nur Schaden anrichten kann. Aria, die in ihrer sanften Art gewillt war, Gnade vor Recht ergehen zu lassen, versuchte mehrfach, mit Azita zu verhandeln, doch die blutrünstige Mörderin ihrer Familie war nicht gewillt, auf ihre alte Freundin zu hören.
Nach einem verheerungsvollen Krieg, bei dem Tausende Elementbändiger von Feuerbändigern getötet wurden, gelang es Aria, Yara und Xanthos schließlich, Azita und ihre Anhänger auszuhungern und die Anführerin zu beseitigen. Die zurückgebliebenen Anhänger Azitas verstreuten sich in alle Himmelsrichtungen, um dort noch mehr Schaden anzurichten und wurden über die Jahre hinweg von den anderen Elementbändigern eliminiert.
Leider fiel auch Aria nur wenige Jahre später einem Hinterhalt zum Opfer, bei dem sie – wahrscheinlich von den letzten Feuerbändigern – gefesselt und lebendig verbrannt wurde.
Neutrale Berichterstattung sah anders aus, soviel war sicher. Ich hatte Mila den Text gezeigt, woraufhin sie nur geschnaubt hatte.
„Da sieht man mal wieder, wie verblendet einige Menschen sind", meinte sie, „es gehört zum Allgemeinwissen, dass die Feuerbändiger tatsächlich über Jahrhunderte hinweg ungerecht behandelt wurden und sie nur deswegen so leicht gegen die anderen Bändiger aufzuhetzen waren. Wenn man jahrelang am Ende der Nahrungskette steht, wird man eben frustriert, das ist nur natürlich."
„Das stimmt wohl", ich fühlte mich ein wenig unwohl, Azitas irre Entscheidungen zu verteidigen, „aber Azita hat die Familie ihrer ehemaligen besten Freundin umgebracht – ich würde so jemandem nicht folgen."
„Ja, da hast du recht", Mila verstummte für einen Moment, dann sah sie zu mir und legte den Kopf schräg, „wie viel willst du von Azita zeigen? Willst du... naja, willst du ein Bild von ihr in das Referat nehmen? Dadurch würden dann die anderen merken, wie ähnlich ihr euch seht."
„Ich habe keine Ahnung", ich legte nachdenklich das Buch weg, „ich weiß nicht, ob ich mich den anderen wirklich so ausliefern will. Bei meinem aktuellen Ruf wäre das wohl keine gute Idee, oder?"
„Da hast du wohl recht."
Bevor wir weiterreden konnten, schwang die Tür zu meinem Zimmer auf und Amy, die bis gerade eben in der Kantine eine Kaffeezeit abgehalten hatte, kam herein. Sie lächelte mich an, warf sich jedoch sofort förmlich auf Mila und setzte sich auf den Schoß der anderen.
„Hat mich da etwa jemand vermisst?", Mila schmunzelte und küsste Amy sanft, die als Antwort auf die Frage nur entschieden nickte und ihre Arme fest um Mila schlang. Ich verdrehte gespielt genervt die Augen, als die beiden sich erneut küssten.
„Nur kein Neid", frotzelte Amy, „es kann ja nicht jeder so glücklich sein wie Mila."
„Wie ‚du' meinst du wohl", gab Mila ihren Senf dazu, „immerhin hast du mit mir praktisch im Lotto der Liebe gewonnen."
„Das stimmt wohl", Amy lächelte ihre Freundin verliebt an und die beiden küssten sich erneut, „schläfst du heute hier?"
„Gerne – gehen wir vorher duschen?"
„Erspart mir die Details!", schaltete ich mich ein, bevor die Unterhaltung ausarten und eine unanständige Nuance bekommen konnte, „Ich will nicht wissen, was ihr unter der Dusche macht!"
„Immerhin haben wir dich jetzt vorgewarnt", erinnerte Amy mich naseweis, „du kannst gerne den Raum verlassen – dann wirst du auch nicht von uns gesttört."
„Sobald wir in der Oberstufe sind, hat sich das sowieso erledigt", ich grinste verschmitzt, „dann könnt ihr ein Zimmer ganz alleine für euch haben."
Amy errötete peinlich berührt, während Mila nur lachte.
„Du bist nur neidisch, weil du single bist – apropos, mit wem gehst du zum Ball?"
„Jay", ich ging gerne auf den Themenwechsel ein und erzählte kurz und knapp, wie der Blonde mich gefragt hatte, bevor ich mir nachdenklich auf die Unterlippe biss, „ich glaube, Cole wollte mich fragen. Er hat es aber nie geschafft und dann war Jay schneller."
„Wie meinst du das, ‚er hat es nie geschafft'?", hakte Amy verwirrt nach.
„Naja, einmal hast du uns unterbrochen, bevor er mich fragen konnte", erzählte ich, „in englisch. Und das andere Mal kam der Angriff auf Daniel dazwischen."
„Und du hast ihn nicht gefragt, was genau er denn von dir wollte? Und hast ihm keine Chance gegeben, dich doch noch zu fragen?"
Ich schüttelte schuldbewusst den Kopf.
„Anhand deiner Reaktion nehme ich an, dass du weißt, wie scheiße das war", kombinierte Mila, „der arme Cole. Er hat immer noch niemanden und ich glaube, er hat auch noch keine gefragt. Du solltest ihm wenigstens sagen, dass du vergeben bist, damit er sich keine unnötigen Hoffnungen mehr machen muss."
„Aber das ist merkwürdig", ich seufzte, „so genau weiß ich es ja auch nicht. Nachher wollte er mich gar nicht fragen und ich blamiere mich so nur, das wäre mehr als peinlich."
„Wo sie recht hat...", Amy sah Mila entschuldigend an, „Faye hat nichts falsch gemacht. Jay hat sie zuerst gefragt und sie hat ‚ja' gesagt, wie es sich gehört. Cole war eben nicht schnell genug."
„Aber ihr wisst doch auch beide, dass er auf Faye steht", verteidigte Mila ihren Standpunkt beharrlich, „und es ist ihm gegenüber unfair, ihn so zappeln zu lassen."
„Leute, bitte!", ich raufte mir die Haare und sah dann auf die Uhr, „lass uns nicht weiter darüber diskutieren. Es gibt gleich Abendessen und ich wollte vorher noch meinen Text fertig schreiben. Ich werde schon eine Gelegenheit finden, Cole Bescheid zu geben, dass ich schon einen Partner für den Ball habe."
„Besser wäre es", Mila seufzte und schob Amy dann von ihrem Schoß, „aber los, ich will dieses Referat auch fertig bekommen."
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(~1628)
Hallihallo ihr Lieben!
Wie hat euch dieses Kapitel gefallen? Ich sage es ja nur ungern, aber wir nähern uns so ganz allmählich dem Ende dieses Bandes... es gibt insgesamt nur 27 Kapitel....
Leider bin ich bei dem dritten Band noch nicht allzu weit gekommen (stecke momentan bei Kapitel 3 fest), weswegen ihr auf Feuertod wahrscheinlich auch ein wenig warten müsst... das Q&A werde ich wahrscheinlich am Ende des dritten Bandes machen, da ich bisher nur 3 Fragen habe xD
Ich würde dieses Kapitel gerne Junges_Mondkind widmen, die auch immer so lieb votet ^-^
Genießt das Wochenende! Eure MissWriter13
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