XVII
Wieder in die Schule zurückzukehren, fühlte sich irgendwie eigenartig an. Natürlich war es toll, wieder meine Freunde zu sehen und so gesehen hatte ich sogar den Unterricht ein wenig vermisst, aber die Vorfälle vor den verlängerten Osterferien hatten das Schulklima doch maßgeblich beeinflusst. Einige Schüler ließen mittlerweile das Mittagessen ausfallen, um so wenig Zeit wie möglich in größeren Gruppen verbringen zu müssen, auch die Bibliothek war nicht mehr so stark besucht, zumindest nicht zu den Stoßzeiten.
Die Stimmung war angespannter als sonst, was ich besonders bei den Mahlzeiten zu spüren bekam. Sonst war es immer ein frohes Treiben gewesen und auch immer noch war es laut und man hörte viel Gelächter, doch die meisten Schüler blieben innerhalb ihrer Freundesgruppen und man setzte sich nicht mehr direkt neben eine fremde Person, sondern ließ mindestens einen Stuhl frei.
Die anderen Veränderungen, die mit den Regeln gekommen waren, waren mehr als deutlich zu merken. Man durfte während des Unterrichts nicht mehr zur Toilette gehen und während die meisten Lehrer dies vorher schon nicht gerne gesehen hatten, war es nun richtig verboten. Außerdem wurden wir regelmäßig daran erinnert, uns nur zu zweit oder in größeren Gruppen in der Schule zu bewegen – ich vermutete, dass das zweierlei Sinn hatte: einerseits konnte man so verhindern, dass ein einzelner Schüler irgendwo angegriffen und womöglich getötet wurde, indem man durch die zweite Person immer eine Hilfe zur Seite hatte, andererseits war so natürlich auch der Angreifer immer mit einer anderen Person zusammen und konnte nicht in Aktion treten – denn wenn er seine Begleitung angreifen würde, würde man doch wissen, wer es war.
Ich verließ morgens meistens gemeinsam mit meinen drei Mitbewohnerinnen mein Zimmer, dann holten wir Mila von ihrem Zimmer ab und trafen uns beim Frühstück mit den Jungs. Mila hätte theoretisch auch mit den Mädchen aus ihrem Zimmer gehen können, doch diese waren zwar sehr nett, aber nicht wirklich mit ihr befreundet, sodass es uns allen recht war, wenn wir morgens noch einen kleinen Umweg machen mussten.
Die Tanzstunden wurden zwar vorgesetzt, doch es war immer mindestens ein Lehrer anwesend, der von der Bühne aus das Geschehen im Blick behielt. Ich ging immer noch regelmäßig hin, doch ich übte auch ab und zu mit Jay, wenn wir die Zeit dazu fanden.
Dass die Nachtruhe oder zumindest die Zeit, zu der man auf seinem Zimmer sein sollte, um eine halbe Stunde vorverschoben wurde, war keine große Umstellung, nach ein paar Tagen dachten wir auch daran, rechtzeitig auf die Uhr zu sehen und wenn wir es doch einmal vergaßen, stahlen sich die Jungs klammheimlich nach draußen und Mila schlief eben bei uns (letzteres tat sie sowieso häufiger, egal, ob wir die Zeit im Auge hatten oder nicht).
Es gab jedoch auch eine positive Beobachtung, die ich am zweiten Schultag machte: sowohl Beverly als auch Daniel waren wieder in der Schule, ich sah die beiden am Tisch sitzen. Als sich dabei Daniels und meine Blicke kurz trafen, lächelte er mich sogar minimal zu, obwohl ich mir das auch eingebildet haben könnte. Zu den Tanzstunden erschien er jedoch nicht mehr.
Dafür war nun Jay immer dabei, der teilweise mit mir, teilweise mit anderen Mädchen tanzte und seine neue Rolle als Gastherr augenscheinlich zu genießen schien. Er erzählte beim Abendessen stolz, er wäre schon von zwei Mädchen gefragt worden, ob er noch frei für den Ball sei, was ihm ein Kopfschütteln von Noah und ein Schnauben von Trish einbrachte. Die Schwarzhaarige hatte nicht wirklich Spaß am Tanzen und war nach dem dritten Mal nicht mehr erschienen, hatte stattdessen einen Jungen aus der Oberstufe überredet, mit ihr zu gehen – unter der Bedingung, dass sie nicht tanzen musste.
Da der Junge selbst ein Tanzmuffel war, ergänzte sich das wohl ganz gut. Noah hingegen war, ebenfalls als Gastherr, von einer Werfölfin aus unserem Jahrgang gefragt worden und hatte zugesagt, doch ich wusste ihren Namen leider nicht. Der braunhaarige Junge hatte nur offenbart, dass er sie wirklich nett fand, sie aber einen Freund in England hatte – und dass er sowieso nicht auf sie stand.
Mir entging nicht, dass Cole etwas nervös aussah, als alle von ihren Ballbegleitungen sprachen und auch nicht, dass er ein wenig gekränkt wirkte, als Jay von dem Andrang an Mädchen erzählte, den er erlebt hatte. Bevor ich erzählen konnte, dass ich mit Jay gehen würde, fügte Amy jedoch hinzu, dass sie und Mila bereits entschieden hatten, dass sie selbst ein Kleid tragen würde und Mila einen Hosenanzug, was in einer Diskussion über Kleider, Anzüge und Schuhe endete, in deren Verwirrung völlig unterging, ob Leela, Cole, Jay und ich bereits vergeben waren.
Trish erzählte, dass sie ein Kleid ihrer Mutter auftragen würde, welches diese wohl selbst genäht hatte und die Jungs eröffneten, dass die Wahl ihrer Anzugfarbe wohl auf schwarz (Cole und Jay) beziehungsweise dunkelblau (Noah) fallen würde. Wir anderen Mädchen waren jedoch sehr unentschlossen und entschieden uns, gemeinsam shoppen zu gehen, falls sich eine Gelegenheit bot. Immerhin durfte man – mit Genehmigung – an einigen Wochenenden in die Stadt fahren und dann konnten wir ja gleich nach Kleidern schauen. Ich hatte die Möglichkeit, am Wochenende in die Stadt zu fahren, bisher noch nie genutzt, da ich genug Klamotten hatte und, wenn ich etwas brauchte, lieber mit meiner Mutter einkaufen ging – sprich, in den Ferien. Nun, die Sache mit dem Sommerball bot sich wirklich perfekt dafür an.
Ich wusste noch nicht, ob ich ein kurzes oder langes Kleid tragen wollte, doch ich war mir bereits sicher, dass es nicht bodenlang sein würde. Ich hasste zu lange Hosen, Röcke oder Kleider und hatte immer Angst, auf den Rock zu treten, wenn ich Treppen hochstieg oder mit dem Absatz im Saum hängenzubleiben.
Aber solange das Kleid mir gefiel und passte, war ich nicht wirklich wählerisch.
„Wir haben gestern Abend beim Komitee noch einmal den Plan für den Sommerball überarbeitet", platzte Amy beim Abendessen an einem Mittwochabend Ende April heraus, „und wir haben entschieden, dass der Programmpunkt mit den Himmelslaternen auch als Gedenken für Sam sein soll. Und an diejenigen, die verletzt worden sind. Aber vor allem an Sam. Ich weiß, es ist dann schon ein halbes Jahr her, aber ich fand die Idee sehr schön."
„Wer hat das denn vorgeschlagen?", hakte Noah interessiert nach und setzte sich aufrechter hin, obwohl in seinen Augen ein gewisser, trauriger Schimmer lag. Doch alles in allem hatte der Blauäugige innerhalb der letzten Monate große Fortschritte angesichts seiner Trauer gemacht. Ich glaubte nicht, dass er schon bereit für eine neue Beziehung war, er war aber fast wieder so wie früher und konnte mittlerweile auch über Sam sprechen, ohne dabei ein paar Tränen zu vergießen.
„Die beiden Elfen, die im Komitee sind", erwiderte Amy, „ich glaube aber, ihr kennt die nicht. Ich fand den Vorschlag sehr schön und habe dafür gestimmt – und ich soll auch eine kurze Rede halten, um genau das anzusagen."
„Eine Rede?", wiederholte ich irritiert und Amy nickte.
„Ja, eine Rede. So nach dem Motto ‚der nächste Programmpunkt ist blablabla und wir möchten damit nicht nur unsere Sorgen loslassen und blablabla, sondern auch daran gedenken, dass...' und so weiter und so fort. Ich muss die Rede erst noch schreiben."
„Das ist ein schöner Gedanke", stimmte auch Mila zu und lächelte Amy an, „ich kann dir beim Schreiben der Rede helfen, wenn du magst."
„Gerne", Amy erwiderte das Lächeln und erhob sich, „aber jetzt muss ich erstmal zur Toilette – wer kommt mit?"
„Ich!", sofort stand ich auf und schnappte mir mein Tablett, „ich muss schon die ganze Zeit, endlich fragt mal jemand von euch."
„Hättest ja selber fragen können", neckte Amy mich und winkte den anderen zu, „man sieht sich!"
Wir brachten unsere Tabletts weg und machten uns auf den Weg zur Toilette, wo wir beide in verschiedenen Kabinen verschwanden. Einen Moment später hörte ich, wie die Tür aufschwang und dann wieder ins Schloss fiel, alle anderen Geräusche wurden durch die Klospülung ausgeblendet, die Amy in diesem Moment betätigte. Wir wuschen uns die Hände und wollten zurück in die Kantine gehen, doch als wir die Toilette verließen, wurden wir von einem erschreckenden Anblick zurückgehalten.
Entlang des Flurs standen Glasvitrinen an den Wänden, in denen Trophäen und Fotos von ehemaligen Schülern und Lehrern ausgestellt waren und die ich schon das ein oder andere Mal begutachtet hatte.
Jetzt war eine der Vitrinen, die direkt neben der Mädchentoilette, zersplittert und davor auf dem Boden hockte ein dunkelhäutiger Junge aus dem unteren Jahrgang, der sein Gesicht in den Händen verborgen hielt und von blutigen Glassplittern umgeben war.
„Oh mein Gott!", Amy setzte sich sofort in Bewegung und ging neben dem Jungen in die Knie, sprach ihn sanft an, „Hey? Ist alles in Ordnung?"
Es war eine definitiv überflüssige Frage, doch der Junge antwortete trotzdem und schüttelte leicht den Kopf.
„Was ist denn passiert?", fragte ich und hockte mich auf die andere Seite des Jungen, „bist du in die Vitrine gefallen?"
Der Junge schüttelte den Kopf und ließ dann seine Hände sinken. Ich schnappte beim Anblick seines Gesichts nach Luft. Offenbar hatte er das Glas der Vitrine mit dem Gesicht erwischt, denn dieses war gezeichnet von unzähligen Schnittwunden, große und kleine. Wie es aussah, waren seine Augen verschont geblieben, doch es zog sich ein großer Schnitt von seiner Stirn diagonal am Nasenbein vorbei bis über die Wange, ein weiterer Schnitt ging quer durch die rechte Augenbraue des Jungen. Auch in seinen Händen steckten einige Glassplitter und überall war Blut.
„Irgendjemand hat mich gestoßen!", der Junge zupfte einen kleinen Glassplitter aus seiner rechten Hand und fluchte leise, „Verdammt!"
In diesem Moment ging hinter uns die Tür auf und ein erschrockener Schrei ertönte, dann stürzte ein Mädchen mit kurzen, braunen Haaren aus dem unteren Jahrgang an mir vorbei und warf sich förmlich in die Glassplitter, stieß einen Schmerzensschrei aus und sah mit panischem Gesichtsausdruck auf ihre Hände und die Knie, wo das zerbrochene Glas den dünnen Stoff ihrer Leggings durchdrungen hatte.
„Vorsicht!", warnte ich sie überflüssigerweise und half dem Mädchen, sich einen Meter weiter auf den Boden zu setzen, „tut es sehr weh?"
„Natürlich tut es das!", entgegnete sie gereizt und unter Tränen, sah mich dann jedoch verzweifelt an, „Das ist alles meine Schuld!"
„Was genau meinst du jetzt?"
„Ich bin auf Toilette gegangen und Anthony hat hier vor der Tür auf mich gewartet – nur deswegen war er allein", das Mädchen brach nun richtig in Tränen aus und ich musste sie davon abhalten, sich ihre Hände vor das Gesicht zu schlagen, „ich bin schuld!"
„Beruhig dich erst einmal", ich warf einen Blick zu Amy und sah, dass sie den Jungen namens Anthony dazu gebracht hatte, aufzustehen, „kannst du laufen? Dann bringen wir dich zu Anne."
Das Mädchen nickte und rappelte sich mit meiner Hilfe hoch, hinkte dann mit meiner Unterstützung zum Krankenzimmer. Amy führte Anthony, der zwar nicht hinkte, dafür aber nicht richtig gucken konnte, weil ihm Blut in die Augen gelaufen war. Anne schlug die Hände über dem Kopf, als sie uns vier sah und kümmerte sich sofort um die beiden, wies Amy und mich an, unverzüglich Mrs. Walsh herzuholen, damit diese sich die Situation anschauen konnte.
Die Schwarzhaarige und ich sahen uns entschlossen an und liefen sofort los.
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(~1846)
So, es gab anscheinend einen neuen... Vorfall. Was denkt ihr, was wird als nächstes passieren? Irgendwelche Befürchtungen oder Ideen?
Hat euch das Kapitel gefallen?
Für mich geht's am Montag wieder mit Schule los, hurra... ich persönlich finde, dass es noch ein wenig zu früh dafür ist, jetzt alles wieder zu öffnen, aber gut. Unsere Klasse wird in zwei Hälften geteilt und ich war die einzige Person, die sich aussuchen durfte, in welche der beiden Gruppen ich möchte, weil es mit den ganzen Fremdsprachen nicht gepasst hat...
Außerdem tut mein Daumen weh, weil ich gestern auf unserer Auffahrt trainiert habe und doof in die Pratze getroffen habe (ich mache Kampfsport)... deswegen kann ich weder tippen noch schreiben und am Handy scrollen tut auch weh. Aber naja, das ist nicht zum ersten Mal passiert.
Ich wünsche euch einen schönen Tag, eure Lotta aka MissWriter13
P.S.: ich habe noch eine kleine Anmerkung: ich sehe ja in den Statistiken für dieses Buch, dass jedes Kapitel momentan ungefähr 40-70 reads bekommt. Und obwohl ich nicht weiß, ob eine Person dieses Kapitel 40x gelesen hat oder 40 Personen es 1x gelesen haben (denn ich glaube, Wattpad zählt die Reads ähnlich wie yt die Aufrufe), würde ich mich doch darüber freuen, wenn auch die Leute, die es bisher noch nicht getan haben, voten würden.
Es klingt jetzt sehr nervig und selbstsüchtig und ich bin sehr, sehr dankbar für all die treuen Seelen, die mich unterstützen und Kommentare schreiben! Ich lade diese Bücher hier nicht zur kommerziellen Nutzung hoch und mache keinen Gewinn damit und das war mir von Beginn an klar. Auf Wattpad darf man sich nicht beschweren, wenn viele Menschen "Schwarzleser" sind, man hat darüber leider keine Kontrolle. Nutzern auf Wattpad sollte eigentlich klar sein, dass - genau wie auf yt - nur ein Bruchteil der erreichten Gruppe Feedback hinterlassen würde, das nimmt man automatisch in Kauf, wenn man hier etwas reinstellt.
Aber ich würde mich sehr über ein wenig Feedback freuen, einen kleinen Kommentar, was euch gefällt oder nicht gefällt oder zumindest einen Vote, damit ich weiß, dass ihr mein Buch gut findet. Das fände ich wirklich, wirklich sehr lieb.
Bis dahin danke an alle, die bereits fleißig voten und mich unterstützen, ich habe euch alle lieb!
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