Kapitel 22
Fast zwei Stunden von einer älteren, in schneckentempo und monoton sprechenden Frau über verschiedene Pflanzen zugetextet zu werden war um neun Uhr morgens nicht sehr angenehm. Drei mal erwischte ich mich dabei, wie mein Kopf auf dem Tisch aufkam und ich wieder erschrocken hoch fuhr. Die Tatsache, dass ich dabei fast nur von aufmerksamen Schülern, die was Aussehen anging den Klischeestreber erfüllten, umgeben war, machte das ganze nicht einfacher. Voller Euphorie tanzte ich schließlich schon fast aus dem Raum als es endlich zu ende war, und stolzierte in Richtung der Turnhalle. Mich erwarteten zwei Stunden Kampftraining, die mich hoffentlich wieder aufwecken würden.
Die Frontseite der Turnhalle war geöffnet; nach oben gefahren wie bei einem Garagentor; in und vor ihr waren unterschiedliche Geräte aufgebaut. Ich gesellte mich zu Jason, der lässig an einem Pfosten lehnte und anscheinend auf weitere Schüler wartete. „Wow, du sprühst ja nur so vor Begeisterung.", stellte er fest als ich grinsend bei ihm ankam. „Naja, weißt du, nach zwei Stunden in denen deine ganze Konzentration darauf liegt, nicht einzuschlafen, freut man sich auf etwas mehr Action." „Da ist was dran." Jasons Blick wanderte hinter mich und seine Mine veränderte sich kurzzeitig, dann rief er: „Was machst du hier, wir haben doch bloß Fraktionstraining!" Ich drehte mich kurz um und sah Samuel auf uns zu laufen, der schulterzuckend antwortete: „Keine Ahnung, ich sollte hier her kommen. Hat der Direktor mir eben gesagt." Jason nickte nur und die plötzliche Spannung zwischen den beiden irritierte mich ein wenig.
Nach und nach verteilten sich mehr Schüler auf dem Platz, bis schließlich ein junger Lehrer zu uns stieß, sich kurz umschaute und dann auf uns zusteuerte. „Herr Sacallius hat es also doch noch geschafft dich her zu bestellen, Samuel, wie fantastisch!", erklärte er euphorisch und strahlte uns an. „Ja, hat er wohl. Wenn ich noch wissen dürfte wieso?" „Du wirst die nächste Zeit für Gwendolyn zuständig sein und ihr alles zeigen, das sie nachholen muss, bis sie auf dem neuesten Stand ist." Samuel schien ein wenig verwirrt und Jason presste nur stumm die Lippen aufeinander. „Wieso macht das niemand aus der Feuer Fraktion?" „Himmel, das weiß ich nicht, da musst du den Direktor fragen." Der Lehrer war mir sympathisch, er verhielt sich wie ein Klischeeschwuler, was ich ziemlich amüsant fand. „Oh, na dann." „Fantastisch, fantstisch. Nun ja, ich schlage vor, dass ihr die nächsten Stunden nicht hier bei den anderen verbringt. Sonst lenken sie euch noch ab! Geht doch zu der Hütte im Wald, dort sollte niemand sein." Damit dackelte er davon und rief die Schüler zusammen.
Jason und Samuel schauten sich kurz emotionslos in die Augen bevor Jasons Blick meinen schweifte und er sich mit einem „Bis später." zu den anderen gesellte. Ein wenig irritiert blickte ich ihm hinterher, bis Samuel, der bereits etwas vorgelaufen war, mich zu sich rief. „Sag mal, ist zwischen euch irgendwas vorgefallen?", hakte ich dann nach während wir den Abstieg zum Drachenbereich begingen. „Nicht wirklich, wieso?" „Gestern wart ihr noch nicht so –feindselig gegenüber einanander." Samuel lachte kurz auf. „Naja, zwischen Angehörigen der Feuer und Wasser Elemente herrschte schon immer ein gewisses Konkurrenzdenken. Bei einigen Personen stärker, bei anderen schwächer. Es liegt einfach in unserer Natur; eigentlich sollten wir uns hassen. Anfangs war das auch so; die vier Elementgruppen waren stark verfeindet, bis sie sich irgendwann einigermaßen vertragen haben. Also wenn diese Spannung zwischen ihm und mir an manchen Tagen nicht so stark auffällt, ist das wohl eher Zufall." „Und wieso ist das mit uns nicht so?" Er warf mir einen kurzen Blick zu und zuckte mit den Schultern. „Wie gesagt, bei manchen Leuten ist es eben nicht so stark." Augenblicklich fiel seine starre Haltung von ihm ab und er fügte sarkastisch hinzu: „Andererseits, wie könnte ich jemanden wie dich schon hassen?"„Oh vielen Dank, sollte ich mich jetzt geehrt fühlen?" „Na aber selbstverständlich!"
Lachend betraten wir den Wald, der gleich links an den Platz angrenzte, und folgten ein paar Meter dem Schotterweg bis zu besagter Hütte – diese Hütte sah eher aus wie eine moderne Villa. Groß und strahlend weiß, was in so einen Wald eigentlich gar nicht passte. Wir liefen eine kleine Treppe hoch zum Eingang des Gebäudes, dessen Tür Samuel öffnete, indem er seine Hand auf einen Sensor neben der Tür legte. Prinzipiell war das Innere des Gebäudes ein großer Raum; gegenüber der Tür führte eine Treppe nach oben auf den offenen, durch Glasgeländer abgesicherten Boden der etwa ein drittel des unteren Stockwerkes betrug.
„Wozu ist das Haus gut?", fragte ich interessiert während wir weiter in den Raum liefen, der fast wie ein richtiges Haus eingerichtet war. „Ich hab keine Ahnung.", antwortete Samuel, worauf ich anfing zu lachen. „Eigentlich hat niemand eine Ahnung; es existiert einfach." „Klingt ja super.", antwortete ich und lehnte mich an eines der weißen Sofas. „Womit fangen wir an?" Er überlegte kurz. „Schwierig, schwierig. Ich dachte eigentlich erst mal an ein paar simple, grundlegende Angriffs- sowie Verteidigungmethoden." „Das heißt?" „Ich schlag zu und du weichst aus. Oder anders rum."„Mit oder ohne den Kräften?" „Anfangs ohne, da du dein Element ja noch nicht kontrollieren kannst. Nachher steckst du noch das Haus in Brand – oder mich."
„Also sollte das ungefähr so aussehen wie bei Flo und dir, nur ohne Elemente?" „Ähnlich, ja; ohne Kräfte ist das eher Nahkampf. Aber keine Sorge, ich tu' dir schon nicht weh.", sagte er grinsend und lief zu dem freien Bereich im Raum. „Warte mal ab, ich kann durchaus was einstecken!", entgegnete ich selbstbewusst und stellte mich ihm gegenüber.
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