「41. Kapitel - Farbspektrum」
»Warte!«, hielt ich Adrian zurück, der bereits die Mitte der Treppe erreicht hatte und betrachtete weiterhin aufmerksam meine Umgebung. »Was um alles in der Welt, hast du mit deiner Wohnung angestellt?«
»Mit meiner Wohnung?« Er kam zurück und blickte mich eingehend an, wobei er leicht dir Stirn runzelte.
»Ja, als du mir das Herz geb ... ich meine, als ich das letzte Mal hier war, sah es noch nicht so ... düster aus«, erklärte ich angespannt und sah ihn unverwandt an. Ein harter Zug erschien auf seinen Lippen, der perfekt zu seiner neuen Einrichtung passte.
War vor wenigen Monaten noch alles in verschiedenen Blautönen gehalten gewesen, so dominierte jetzt Schwarz, Silber, Weiß und an einigen Stellen Violett. Die meisten Dekogegenstände waren durch kühle Kunstobjekte ausgetauscht worden. Ich sah nirgendwo mehr eine von Adrians kräftigen, grünen Pflanzen. Lediglich ein Strauß weißer Rosen stand auf der Kommode im Eingangsbereich. Die Eichenmöbel waren gänzlich verschwunden und durch weiße Hochglanzmöbel ersetzt worden und die ehemals hübsche blaue Garnitur war nun rabenschwarz. An den Wänden hingen Gemälde im tristen grau. Es fühlte sich alles sehr kühl und einsam an, obwohl der Stil und die Stimmigkeit aller Gegenstände nicht abzustreiten war.
»Als ich dir das Herz gebrochen habe, wolltest du sagen«, sprach er mit kühlem Tonfall und vor Selbsthass triefender Stimme. Seinem Blick ausweichend nickte ich. Ich konnte ihm dabei einfach nicht ins Gesicht sehen. »Stimmt meine Einrichtung hat sich ein Stück weit verändert. Als du vorher hier warst, sah es in mir aber auch noch nicht so düster aus«, fuhr er melancholisch fort und lachte anschließend. Ich horchte auf.
»Was ist daran so witzig?« Ich sah ihn an und entdeckte den Schalk in seinen Augen, der überhaupt nicht zu seiner Stimme passte. Er zuckte lässig die Achseln und machte eine ausladende Handbewegung.
»Meine Innendesignerin, Schrägstrich Hobbypsychologin, Miss Powell macht sich immer zwei fette Kreuze in ihrem Kalender. Das erste Mitte Januar und das zweite Anfang Juli - mehr lasse ich nicht zu, wobei mir schon das zu viel ist -, um eine Woche lang meine komplette Wohnung umzugestalten. Steht leider so in meinem Mietvertrag, was sich nicht ändern lässt. Und ich hasse sie dafür.«
Das erklärte einiges. Also hatte Miss Powell Hand an sein Apartment gelegt und nicht er selbst.
»Und warum jetzt dieser krasse Kontrast zu deinem vorherigen Einrichtungsstil? Ist Miss Powell experimentierfreudig oder was?«, erkundigte ich mich weiter, was Adrian die Augen verdrehen ließ und klar machte, wie wenig er davon hielt.
»Sie richtet sich hierbei nach meinem äußeren Auftreten und ihre Interpretation meines seelischen Befindens. Soll heißen, sie wählt die Farben nach ihrer psychologischen Bedeutung aus. Und letztes Mal ist Schwarz herausgekommen, weil ich angeblich voller Trauer und Sorgen wäre, mit einer klitzekleinen Tendenz zur Depression. Und Violett hat sie gewählt, da ich frustriert und unruhig gewesen sei und Weiß, weil es in manchen Kulturen für Trauer und Tod steht.«
Schockiert sah ich ihn an, wobei mir vor allem die Sache mit der weißen Farbe nicht aus den Kopf ging.
»Tod?«, hauchte ich, wodurch der Braunhaarige erneut die Augen verdrehte.
»Nicht in diesem Sinn, Claire. Miss Powell behauptet, seit unserem letzten Treffen im Januar wäre etwas in mir gestorben oder so ähnlich. Schwachsinn, wenn du mich fragst. Und gib dir jetzt ja nicht die Schuld für das ganze oder mach dir unnötige Gedanken. Lass uns hoch gehen, ich muss dir etwas zeigen.« Ein schelmisches jungenhaftes Grinsen schlich sich in sein Gesicht, was nichts gutes bedeuten konnte. Simon hatte auch so dumm gegrinst, bevor er mich damals geküsst hatte. Dennoch folgte ich ihn brav hinauf ins Schlafzimmer. Auch hier hatte Miss Powell großartige Arbeit geleistet, wenn man das denn behaupten konnte.
Das Bett war ebenfalls schwarz und die weiteren Möbel weiß. Nur das sich dieses Mal noch eine andere Farbe hinzugesellte: rot. Blutrot, um genau zu sein. Die Vorhänge, sowie die Bettwäsche wirkten abschreckend und einladend zugleich. Als Adrian meinen fragenden Blick bemerkte, grinste er mich arrogant an.
»Leidenschaft, Gefahr und Macht. Alles drei Facetten, mit denen ich mich ausnahmsweise einmal gut identifizieren kann.« Damit öffnete er die Tür zum Badezimmer, wodurch er aus meinem Blickfeld verschwand.
Nun war es an mir die Augen zu verdrehen.
»Ich hätte dir eher grün zugeordnet: Unreife!«, rief ich ihm hinterher und dankte meinem Onkel innerlich dafür, dass der meinen Cousin immer als Grünschnabel bezeichnet hatte.
»So klug, wie immer«, überging Adrian meine Provokation einfach und kehrte mit einem Kleidersack zurück, den er mir vor die Nase hielt. »Ich denke, ich habe die richtige Farbe für dich ausgewählt, Shortie.« Damit zog er den Reißverschluss auf und holte mit einer geschmeidigen Bewegung den fließenden, weißen Stoff hervor. »Wie gefällt es dir?« Er präsentierte mir stolz das elegante Cocktailkleid, was wahrscheinlich kurz über meinen Knien enden würde, sollte ich es tragen. Es besaß schulterbreite Träger, war an der Brust körperbetont geschnitten, wobei es nach unten hin immer weiter ausfiel.
»Wunderschön«, flüsterte ich, nachdem er mir eine Weile Zeit gelassen hatte, das Kleid genauer zu betrachten.
»Ich freue mich, dass es dir schon einmal gefällt, da ja normalerweise die Braut ihr Hochzeitskleid selbst heraussucht. Natürlich fehlen für das Gesamtbild noch die passenden Schuhe und der Schleier. Aber für die Karibik dürfte das Kleid die korrekte Länge haben. Unser Flug geht übrigens morgen.« Ich verschluckte mich an meinem eigenen Speichel, wobei ich mit kratziger Stimme fragte: »Du ... du willst mich heiraten? In der Karibik? Morgen? Das ist deine Überraschung?!« Voller entsetzten sah ich ihn an. Heiraten? So bald?
Er brach in schallendes Gelächter aus und schüttelte gleichzeitig den Kopf.
»Arsch«, murmelte ich, konnte mir aber das Zucken meiner Mundwinkel nicht verkneifen.
»Tut mir leid, das wäre womöglich noch zu früh. Immerhin habe ich dir noch nicht einmal einen Antrag gemacht. Aber ich versichere dir, dass ich eines schönen Tages der Mann sein werde, der am Altar auf dich wartet und dich zur Frau nimmt. Doch für den Moment genügst du mir, als engelsgleiche Gestalt an meiner Seite, auf der Festveranstaltung zu der ich eingeladen worden bin.« Er möchte mich irgendwann heiraten! Er meint es wirklich ernst. Ich konnte mich nicht dagegen wehren, als sich mein Herzschlag ruckartig beschleunigte und mein Bauch vorfreudig kribbelte.
Na warte, was du kannst, kann ich schon lange.
»Das hört sich gut an. Wir sollten jede freie Minute genießen, bevor wir unter der Haube sind und uns unsere vier Kinder auf der Nase herumtanzen«, scherzte ich und bemerkte zufrieden, wie Adrians Gesichtszüge entgleisten.
»Vier Kinder?!«
»Ja, vier. Oder meinst du fünf wären besser? Warte. Jetzt wo du es sagst, klingen fünf wirklich wesentlich besser.«
»Du nimmst mich doch auf den Arm!«, fuhr er entsetzt dazwischen, was mich zum Lachen brachte.
»Tue ich. Wie wäre es mit einem für den Anfang?« Er entspannte sich merklich und schenkte mir dann dieses schüchterne Lächeln, das ich so liebte.
»Eins klingt gut. Sogar sehr gut.«
Schmunzelnd nahm ich das Kleid entgegen. »Eine Festveranstaltung also? Zu wessen Ehren denn? Und vor allem was verschafft mir die Ehre einen so begnadeten Autor, wie Sie es sind zu so einer wichtigen Veranstaltung zu begleiten?«
»Die Party ist zu Ehren des fünfzigjährigen Bestehens des Verlags, bei dem auch ich unter Vertrag bin. Und aus zuverlässiger Quelle weiß ich, dass eine Menge wichtiger Leute anwesend sein werden, die Verlagsbranche natürlich mit inbegriffen. Es wäre also eine gute Chance für Sie, Kontakte zu knüpfen.«
»Wie selbstlos von Ihnen«, neckte ich ihn und spürte kurz darauf seine Lippen auf meiner Stirn.
»So bin ich, Miss White. Die Selbstlosigkeit in Person.« Er lächelte verschlagen, ließ mich los und ging dann zur Tür. »Ich werde mich dann ebenfalls mal umziehen gehen. Im Badezimmer findest du alles, was du brauchst. Komm runter, wenn du fertig bist.«
Der junge Mann hatte wieder einmal recht. Im Badezimmer lag wirklich alles, was ich brauchte. Sogar weiße Unterwäsche lag dort bereit die selbstverständlich die richtige Größe besaß. Das Kleid passte ebenfalls wie angegossen und ich fragte mich, woher er meine Kleidergröße bloß wusste. Vermutlich hatte er heimlich nachgeschaut.
Um Adrian eine kleine Freude zu machen, verbrachte ich heute deutlich mehr Zeit damit, mich zu stylen. Ich trug Make-up und einen Hauch Parfüm auf. Dann lockte ich meine Haare leicht, damit sie mir in sanften Wellen über die Schultern fielen. Dazu legte ich die bereitliegende Perlenkette mit Ohrringen an. Ein letzter kritischer Blick in den Spiegel und ich war fertig. Die Schuhe würde ich erst später anziehen.
»Wahnsinn«, begrüßte mich der Braunhaarige am Fuße der Treppe und ließ seinen Blick bewundernd über mich gleiten, was mir die Röte in die Wangen trieb.»Du bist atemberaubend«
»Danke. Du bist aber auch nicht zu verachten.« Er trug ein weißes Hemd und einen schwarzen Anzug, der sich perfekt an seinen Körper schmiegte, mit silberner Krawatte und passenden Manschettenknöpfen. Ich ergriff seine ausgestreckte Hand und landete in seinen starken Armen.
»Herzlichen Dank, für das Kompliment«, hauchte er und küsste meinen Handrücken.
Überraschend wirbelte er mich herum, sodass mein Kleid wild in alle Richtungen flog, um mich dann wieder zurück an seine Brust zu ziehen. Er beugte sich zu mir herunter und flüsterte mir ins Ohr: »Weißt du was ein Skandal ist? Dass ich noch nicht einmal mit dir tanzen konnte. Da ist mir wirklich jeder einen Schritt voraus.«
Ich kreischte auf, als Adrian mich plötzlich an der Taille packte, um sich mit mir im Kreis zu drehen. Seine Augen funkelten, wie flüssiges Gold, während er meinen Blick gefangen hielt und ich die ganze Zeit, wie ein kleines Schulmädchen kicherte.
»Das sollten wir heute Abend ändern«, flüsterte er schließlich und ließ mich in seinen Armen wieder heruntergleiten, »immerhin bin ich ein fabelhafter Tänzer.« Er zwinkerte verschwörerisch.
»Natürlich bist du das«, entgegnete ich grübelnd und betrachtete ihn von oben bis unten. Er kann nicht alles können. Niemand ist perfekt. »Mich würde nur interessieren, was du nicht kannst.«
»Was ich nicht kann?«, hakte er belustigt nach und führte mich in Küche, wo er einen Happen Essen vorbereitet hatte. »Wein?«
»Ja, danke.« Ich sah ihm dabei zu, wie er den Weißwein in zwei Gläser goss und sich dann zu mir setzte. »Ich meine: du kannst kochen, singen, reiten, tanzen und spielst Klavier. Du hast Humor, bist sportlich, vernichtest keine deiner Pflanzen und sprichst fließend spanisch. Was kannst du denn bitte nicht?«
Adrian legte den Kopf schief und schien ebenfalls zu grübeln. Schließlich schnippte er mit dem Finger und lachte. »Ich kann sogar eine ganze Reihe von Dingen nicht«, erklärte er mir und zählte an den Finger, seine Schwächen auf.
»Also ich kann nicht pfeifen, mit der Zunge rollen oder mit den Ohren wackeln, bin ein miserabler Reimer und ein noch schrecklicherer Maler. Außerdem habe ich damals in Mathe vollkommen versagt.« Er schüttelte den Kopf und schien an irgendetwas aus seiner Schulzeit zurückzudenken.
»Ich habe in Mathe ebenfalls permanent auf der Abschussliste gestanden«, verriet ich ihm und trank einen Schluck kühlen Wein. »Ich verstehe dich also vollkommen.«
»Wenigstens eine, die mich versteht. Rachel war großartig in Mathe«, murmelte er erleichtert und blickte mich dann liebevoll an. »Du bist mir in einigen Dingen übrigens auch einen Schritt voraus, Claire.« Ich glaubte ihm kein Wort. Daher mein skeptischer Tonfall.
»Aha, Adrian. Es gibt also Dinge, die ich viel besser kann, als du?«
»Viel besser«, bestätigte er mir, »denn zum einen, wäre ich ein miserabler Kellner und zum anderen ein noch schlimmerer Barkeeper. Die Plörre, die ich zusammenbraue, würde nicht mal einem Alkoholsüchtigen auf wochenlangen Entzug schmecken. Und egal, was und wie ich es zusammenmische, es erinnert ständig an Abflussreiniger – der billigsten Sorte.«
Er lachte gleichzeitig mit mir los, wobei mein Gepruste in einem Hustenanfall gipfelte, den ich erst mit einem Schluck aus meinem Glas wieder beenden konnte.
»Gut, bin überzeugt. Das Bedienen und Mixen übernehme ich.«
»Und das Zeit-Management mache ich, Shortie. Wir müssen nämlich los.« Ich hatte keine Zeit über seinen Kommentar zu schmollen, da hatte Adrian schon meine Hand ergriffen und mich zum Aufzug gezogen. Schnell schlüpfte ich in Schuhe und Mantel, dann betraten wir den Lift.
»Hoffentlich wird es nicht so langweilig, wie die Galerieeröffnung mit Kian«, meinte ich mit einem kurzen Blick zu Adrian, dem die Vorfreude schon ins Gesicht geschrieben stand.
»Keine Sorge, Baby. Ich garantiere dir, dass du keine Sekunde Zeit hast, um dich zu langweilen.« Mit hochgezogener Braue blickte ich ihn an.
»Und wie kannst du dir da so sicher sein?« Sein breites Grinsen sprach bereits Bände.
»Weil dieses Mal ich an deiner Seite bin.«
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