「33. Kapitel - Wenn die Musik verklingt」
»Ich hasse Überraschungen!«, murrte ich und blickte in die zwei aufgekratzten Gesichter von Julian und Lee. »Vor allem, wenn sie von euch sind und ihr so bescheuert drein schaut, als hättet ihr Tickets für die erste Reihe beim Weltuntergang!« Der blondhaarige Absolvent schlürfte empört sein Getränk, während dem anderen schon wieder ein Konter auf der Zunge brannte.
»Sorry, Claire, wir haben uns dafür nicht rechtzeitig angestellt. Ist die zweite Reihe auch okay?«
»Haha. Wirklich witzig, Lee.« Besagter zuckte die Achseln und grinste dann schief, während Julian lediglich die Augen verdrehte.
»Ihr zwei könnt euch auch nicht benehmen. Wie ihr Freunde werden konntet, wird für mich wohl immer ein Rätsel bleiben«, mischte sich plötzlich Adrian ein, der gerade von der Bar zurückkam und mir einen Cosmopolitan reichte. Ich nippte an meinem Drink.
»Für mich auch«, stimmte der Blondschopf ihm zu und machte es sich in dem hoteleigenen weißen Ledersessel bequem, während sich Adrian neben mir und Lee auf die Couch setzte. Nun war es an mir die Augen zu verdrehen. Der chinesische Absolvent flüsterte mir verschlagen »Arschkriecher« ins Ohr. Ich kicherte und erntete dafür verwirrte Blicke.
»Was hast du da gerade geflüstert?«, erkundigte sich Julian mit zusammengekniffenen Augen und taxierte uns beide. Ich erwischte mich dabei, wie ich seinem Blick auswich und Adrian ansah. Dieser saß schmunzelnd neben mir und lauschte unserem kleinen Schlagabtausch. Als er meinen Blick bemerkte, führte er meine Hand zu seinen Lippen und hauchte mir einen Kuss auf den Handrücken, bevor er zärtlich Kreise darauf beschrieb. Ich erschauderte. Lee und Julian bemerkten davon nichts.
»Dass Claire meine Heldin ist, seitdem sie dir das Türblatt mit voller Wucht ins Gesicht geklatscht hat.« Nicht schon wieder diese Leier!
Ich stöhnte frustriert.
»Wenn ich mich richtig entsinne, war es eher so, dass-«
»Noch ein Wort und ich gehe nicht mit! Egal wohin ihr auch wollt!«, fauchte ich und verschränkte bockig die Arme vor der Brust, was Adrian die Stirn runzeln ließ. »Frag nicht«, brummte ich daraufhin, was ihn zum Lachen brachte.
»Ich würde es nicht wagen, Shorty«, schmunzelte er und platzierte einen Kuss unterhalb meines Ohrläppchens. Ich verkniff mir ein Seufzen und lugte vorsichtig zu den beiden Hohlköpfen, die in eine heftig Kabbelei vertieft waren und von der intimen Berührung nichts mitbekommen hatten.
»Schließlich kenne ich andere Methoden, um dich zum Sprechen zu bringen, die ich nur allzu gern einsetzen werde«, nahm Adrian den Faden wieder auf und flüsterte so leise, dass nur ich ihn verstehen konnte. Unschuldig legte er seine Hand auf mein Knie und streichelte über den Stoff. Sofort spürte ich das mittlerweile vertraute Gefühl des Begehrens in mir aufflammen, wobei ich abwesend meine Lippen befeuchtete. Sein Blick ruhte auf mir, dunkel und ebenso voller Begierde und als ich mir auf die Lippe biss, zog er scharf die Luft ein. Er lehnte sich weiter vor, zweifellos um mich zu ...
»Gott, Adrian! Ich wusste ja gar nicht, dass du so zärtlich sein kannst!«, riss uns eine überschwängliche Stimme ruckartig auseinander, wobei ich sofort den Blick aller Umstehenden auf mir spüren konnte. »Ihr seid ja so vernarrt ineinander, dass ich Angst habe, ihr reißt euch jeden Moment die Kleider vom Leib und treibt es auf dem Fußboden in der Lobby!« Ich starrte Rachel mit heißen Wangen an und versank vor Scham beinahe, während Adrian lediglich den Mund verzog und »unmögliches Weibsbild« brummte.
Die schwarzhaarige Schönheit war plötzlich vor uns in der Hotellobby aufgetaucht und blickte uns mit einem breiten Lächeln auf den blutroten Lippen an. Sie trug einen verdammt kurzen, schwarzen Rock, der ihre langen Beine betonte und eine wallende, rote Bluse unter ihrem ebenso farbigen Wintermantel. Lee und Julian klappte der Mund auf und ich wünschte mir, ich würde noch immer mein blaues Kleid von heute Nachmittag tragen. Stattdessen hatte ich mich für eine unauffällige, weiße Bluse und schwarze Jeans entschieden. Gegenüber Rachel wirkte ich nahezu unsichtbar.
»Ich dachte, ihr wolltet feiern und es richtig krachen lassen und euch nicht nur verträumt anstarren? Immerhin macht man ja nur einmal seinen Uniabschluss.« Sie zwinkerte verschwörerisch und warf dann Adrian einen langen und abschätzenden Blick zu. »Ich glaube, ich habe dich noch nie so bescheuert Grinsen sehen, Bruderherz«, neckte sie ihn, was dessen Lächeln gefrieren ließ. Stattdessen blickte er, wie der genervte jüngere Bruder, der er im Moment auch war. Ich kicherte, da mir dieser Anblick noch gänzlich unbekannt gewesen war.
»Da du es ja nun endlich geschafft hast zu uns zu stoßen, können wir auch gehen. Lee? Julian?«
Die genervte und harte Stimme von Adrian riss die beiden aus ihrer Starre, die darin bestanden hatte, Rachel mit offenem Mund anzuglotzen. Leicht verlegen erhoben sie sich und gingen in Richtung Ausgang, wobei wir drei ihnen folgten. Wohin auch immer. Hinter mir hörte ich die Geschwister geheimnistuerisch flüstern, konnte aber nur Rachels empörte Antwort verstehen.
»Gott, Adrian. Jetzt reg dich ab und entspann dich doch mal! Chase ist damit einverstanden!«
Besagter schüttelte nur verärgert den Kopf und schloss dann zu mir auf, um mich an die Hand zu nehmen. Rachel schoss mit schwingenden Hüften an uns vorbei, wobei ich erneut einen Blick auf ihren unanständig knappen Rock werfen konnte. Jetzt konnte ich erahnen, worüber sich die Geschwister vorhin unterhalten hatten.
»Sie benimmt sich wie ein verdammter pubertierender Teenager! Ich verstehe einfach nicht, wie Chase es mit ihr aushält«, brummte Adrian verstimmt, was mich zum Schmunzeln brachte.
»Und du benimmst dich, wie ein Spielverderber. Ich verstehe auch nicht, wie ich es mit dir aushalte«, entgegnete ich keck und grinste. Adrian blickte mich empört an, was mich alle Mühe kostete nicht in Lachen auszubrechen. »Außerdem gefällt mir Rachels Rock. Ob ich ihn mir wohl mal ausleihen dürfte?« Komplette Lüge! Dafür fehlten mindestens zehn Zentimeter Stoff. Doch ich liebte es einfach Adrian zu provozieren und mich gegen ihn zu behaupten.
»Nur über meine Leiche, gehst du so auf die Straße!« blaffte er ungehalten und zeigte die erwartete Reaktion, während wir zu den anderen aufschlossen. Julian versuchte gerade wild gestikulierend ein Taxi anzuhalten. »Ich verstehe sowieso nicht, wie sie Chase dazu bekommen hat, ihr diesen Aufzug zu erlauben.«
»Also erlaubst du mir diesen Aufzug nicht?«, hakte ich nach und stieß dabei auf Granit.
»Nein«, erwiderte er schneidend und blickte mich durchdringend an. Ich zuckte die Achseln.
»Wie gut, dass ich deine Erlaubnis nicht brauche«, nahm ich Adrian den Wind aus den Segeln und folgte Julian und Lee grinsend in das haltende Taxi. »Ich bin nämlich eine unabhängige und starke Frau.«
»Allerdings«, bestätigte Adrian, verstimmt und ließ sich neben mir auf den Rücksitz gleiten, wobei sich sein Gesichtsausdruck langsam veränderte. Er lächelte nun beinahe schon ausgelassen. »Aber das lässt sich ändern. Vieles lässt sich ändern.« Bevor ich ihn fragen konnte, was er damit meinte, fuhr das Taxi schon an und Rachel verwickelte mich in ein tiefgründiges Gespräch über High Heels.
***
Zwanzig Minuten später erreichten wir ein modernes Gebäude, welches sich vor allem durch seine rot beleuchtete Glasfassade von den Umstehenden Häusern unterschied. Lee und Julian, die die letzten Minuten über immer hibbeliger geworden waren, schleiften uns förmlich über die Türschwelle, wo uns warme Heizungsluft entgegenschlug, als befürchteten sie, dass wir gleich wieder Kehrt machen würden.
Ein junger Mann um die fünfundzwanzig, mit schweren Aknenarben im Gesicht, welche von seinen häufigen Besuchen beim Hautarzt zeugten, empfing uns bereits mit einem breiten Grinsen.
»Schön, dass Sie es geschafft haben«, murmelte der Mann und blickte Rachel voller Bewunderung an. Uns andere beachtete er gar nicht. Rachel winkte ab und säuselte dann voller Tatendrang: »Natürlich haben wir es geschafft. Welches Zimmer haben wir?« Was geht hier vor?
»Zimmer 7. Genau so, wie Sie es wollten, Mrs. Canning.«
»Großartig. Und was ist mit meiner Bestellung?«
»Alles vorbereitet. Bereit, wenn Sie es sind.«
»Bringen Sie es uns in zehn Minuten«, entgegnete sie und setzte sich bereits mit wiegenden Hüften in Bewegung.
»Wie Sie wünschen.«
Lee und Julian folgten ihr, während ich noch völlig verwirrt mit Adrian im Vorraum stehen blieb. Seine Augen drückten genau das aus, was ich dachte: Rachel. Nicht Julian und Lee hatten diesen Abend geplant sondern sie.
Der Mann, der sich nun auch auf uns konzentrierte, lächelte freundlich und machte dann eine Armbewegung in die Richtung, in der die drei gerade verschwunden waren.
»Mr. Silver, Mrs. Silver, ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend.« Damit zog er sich zurück, wobei Adrian mich an die Hand nahm und wir uns in Bewegung setzten, bevor ich dem Mann hinterherschreien konnte, dass ich nicht Mrs. Silver war. Adrian schmunzelte und vollführte kreisende Bewegungen auf meinem Handrücken, während er sich zu mir herunterbeugte und flüsterte: »Mrs. Silver, ja? Klingt gar nicht so übel.«
Ich lachte in mich hinein. Das Spiel kann auch ich. Verschlagen lächelte ich ihn an, während ich die Tür zu Raum 7 aufdrückte. »Dem kann ich nur zustimmen.«
Leider blieb mir Adrians Reaktion verborgen, da mir genau in diesem Moment unsere abendliche Beschäftigung ins Blickfeld trat.
»Karaoke? Echt jetzt?« Rachel nickte und Lee grinste, während Julian schon eifrig damit beschäftigt war einen Song auszuwählen. Mir klappte der Mund auf. Ein Blick zu Adrian verriet mir, dass er ebenfalls gern woanders gewesen wäre. Das konnte doch nur ein Scherz sein.
War es aber nicht. Das merkte ich spätestens, als ich selbst dazu genötigt wurde zu singen. Ich musste mir jedoch eingestehen, dass es mir nach einer gewissen Zeit ziemlich viel Spaß machte, auf einen Bildschirm zu glotzen und mit Rachel aus voller Kehle Karma Chameleon von Culture Club zu grölen. Das ich so viel Spaß dabei hatte, lag letztendlich auch an dem vielen Alkohol in meinem Blut, da ich von Lee regelrecht abgefüllt wurde. Damit war dann auch Rachels Bestellung geklärt.
Adrian begnügte sich hingegen damit, mir nach jedem Drink strenge Blicke zuzuwerfen, sagte aber nichts zu meinem verstärkten Alkoholkonsum. Vermutlich getraute er sich aber auch nicht, da er sich bisher glatt ums Singen gedrückt hatte. Wenigstens sah er heiß aus. Verdammt heiß sogar.
Nachdem der letzte Akkord unseres Liedes verklungen war, stolperte ich mit Rachel im Schlepptau von der kleinen Bühne, um mich in einem der Sessel neben Adrian niederzulassen. Ich atmete erschöpft aus und betrachtete das chaotische Duo, welches bestimmt schon zu seinem fünften Lied ansetzte. Nachdem Lee mir auch noch Scotch vorgesetzt hatte, hatte ich irgendwann den Überblick über ihr Gegröle verloren. Momentan schmetterten sie Who Let
The Dogs Out? von Baha Men und brachten die Menge - bestehend aus Rachel - zum Jubeln. Adrian schüttelte nur den Kopf, während ich selig vor mich hin grinste. Irgendwie fühlte ich mich gut - ausgelassen und leicht.
Nachdem Julian und Lee genug »woof« geschrien hatten und sich erschöpft zu uns gesellten, blitzten Rachels Augen vergnügt in Adrians Richtung. Dieser Tat zunächst so, als würde er es nicht bemerken, doch nachdem ich zu meinem nächsten Scotch ansetzte und er mir das Glas kurzerhand entwand, musste er zweifellos auch Rachel ansehen.
»Hey!«, protestierte ich und blickte in ein unnachgiebiges Gesicht.
»Du hattest genug«, entgegnete Adrian ernst, was mich zum Kichern brachte. Er sah ja voll ulkig aus, wie er mich so böse anfunkelte. Aber auch heiß.
»Jetzt reicht es aber!«, kam es plötzlich von Rachel, was Adrian die Stirn kraus ziehen ließ. »Hör auf den Spielverderber zu geben und sing endlich was!« Mir gefiel Rachels Vorschlag, weshalb ich Adrian fröhlich anlächelte.
»Nein«, entgegnete er schlicht und ich zog einen Schmollmund.
»Wenn du nicht singst, trinke ich noch etwas. Lee? Hast du noch irgendwo was von dem Tequila?«
»Klar, Claire.«
»Schluss jetzt! Du trinkst nichts mehr!«, fauchte Adrian und schnappte mir die Flasche weg. Ich funkelte ihn trotzig an.
»Dann musst du wohl singen«, fuhr Rachel dazwischen, um den nahenden Streit zu umgehen. »Oder ich gehe mit Claire auf die Toilette und gebe ihr meinen Rock.« Sie grinste und ich nickte eifrig, da mir nicht einfallen wollte, warum ich ihren Rock nicht hatte anziehen wollen. Er war so stylish.
»Nur über meine Leiche zieht sie diesen Fetzen an!«, knurrte Adrian bestimmt und ging schließlich zum Mikro, um die Songplaylist auf dem Bildschirm durchzugehen.
Als Adrians gewünschtes Lied schließlich einsetzte, überraschte mich zunächst die Melodie. Sie war angenehm und leicht. Nicht so aufdringlich und schwer, wie die vorausgegangenen Songs. Ich erkannte das Musikstück auf Anhieb: When the Beat drops out von Marlon Roudette.
Das nächste, was mich vollkommen verwunderte, war Adrians Stimme, die so sanft und voller Leidenschaft war, während er die berührenden Zeilen sang.
Erstaunt sah ich hinüber zu Rachel, die ihren jüngeren Bruder voller Liebe und Zuneigung anlächelte. Und auch Julian und Lee starrten wie gebannt auf Adrian, der mittlerweile die Augen geschlossen hielt und ganz in den Song vertieft war. Seine Stimme berührte etwas ganz tief in mir, von dem ich geglaubt hatte, es wäre unwiederbringlich zerstört worden. Doch dem war nicht so. Denn als Rachel mich sanft am Arm berührte, bemerkte ich die Tränen die mir die Wangen hinabliefen.
Es waren Tränen der Freude und nicht der Trauer und ich starrte, wie gebannt auf den Mann, der all sein Herzblut in dieses eine Lied legte, was unsere Beziehung so perfekt beschrieb. Meine Trunkenheit schien wie weggeweht.
Als schließlich der letzte Beat verklungen und Stille eingekehrt war, kam Adrian zu mir und kniete sich vor mich. Seine Hand fuhr über meine nasse Wange, während er mich anlächelte.
»Ich glaube, ich sollte mein Geld für die Klavier und Gesangsstunden zurückfordern. Ich bin so schlecht, dass ich meine Freundin zum Weinen bringe.«
Ich lachte, sah sein schiefes Grinsen und schüttelte verneinend den Kopf.
»Ganz im Gegenteil. Die waren jeden Cent wehrt.«
»Ich liebe dich Claire.«
Zur Antwort küsste ich ihn.
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