「22. Kapitel - Ungeahnte Wendung」
Völlig perplex starrte ich auf den letzten geschriebenen Satz, den ich bestimmt zum fünften Mal in Folge las. Mein Hirn weigerte sich strikt zu begreifen, was Adrian niedergeschrieben hatte. Ich hatte damit gerechnet mich selbst Sterben zu lesen und nicht, dass sich die Hauptfigur, welche zweifellos Adrian symbolisierte, in mich verliebte. Natürlich hätte ich Adrian dennoch als Krank und psychotisch abstempeln können, war es doch nicht gerade normal, sich als einen Mörder darzustellen. Doch man musste zwischen den Zeilen lesen, um die Wahrheit zu erkennen.
»Ich wollte dir nie etwas antun«, durchdrang seine wunderschöne Stimme den Wirbelsturm meiner Gedanken. Ich sah zu ihm auf und hätte am liebsten bejaht, doch ich konnte es einfach nicht.
Die Tatsache, dass er mich nicht auf dem Papier abgeschlachtet hatte, änderte nichts am großen Ganzen. Er hatte mich dennoch hintergangen und mich in seiner Wohnung beschimpft. Mein Herz hatte er mit voller Absicht zerbrechen lassen, ohne sich über die Konsequenzen im Klaren zu sein und das konnte ich ihm einfach nicht verzeihen. Nicht so einfach.
»Du hast mir aber etwas angetan. Du hast mich benutzt, dass hast du mir selbst ins Gesicht gesagt. Und egal wie dein Buch endet, das ändert nichts daran, dass du meine Geschichte und somit ein Teil meiner Selbst veröffentlicht hast. Du hast mir mein Herz gebrochen, Adrian. Das war das Schlimmste, was du je hättest tun können«, erklärte ich ihm mit erstickter Stimme und verkrampfte die Hände im Schoß.
»Ich wollte nicht, dass es so endet«, flüsterte der junge Mann mehr zu sich selbst, als zu mir und nahm die wenigen Schriftstücke wieder an sich. Er schien die Bewegungen instinktiv auszuführen, da er mir mit seinen Gedanken meilenweit entfernt schien.
Adrians Miene war von unendlicher Trauer und Verzweiflung gekennzeichnet, während ich unvermittelt mit den Tränen zu kämpfen hatte. Ich konnte einfach nicht leugnen, dass mir sein deprimierter Anblick einen Stich versetzte. Auch wirkte er aus der Nähe deutlich ausgelaugt und nicht so stark, wie bei seinem gestrigen Vortrag in der Uni. Mir wurde erst in diesem Moment bewusst, dass es Adrian womöglich ähnlich in den vergangenen Monaten ergangen sein musste, wie mir.
»Es hätte nicht so enden müssen«, hauchte ich schwach und senkte meinen Blick. »Hättest du das Buch nicht veröffentlicht, hätte ich eventuell darüber hinwegsehen können. Aber dafür ist es ja jetzt zu spät.« Obwohl es offensichtlich und unmissverständlich hätte sein müssen, was ich da sagte, runzelte
Adrian nachdenklich die Stirn, nachdem ich ausgesprochen hatte. Wie von der Tarantel gestochen sprang er schließlich auf, um mit zügigen Schritten das Zimmer zu durchqueren.
Verdattert sah ich dabei zu, wie er eine Schranktür aufriss und fahrig zwischen seinen wenigen Sachen wühlte. Nach kurzer Zeit stieß er einen freudigen Laut aus und war kurz darauf wieder bei mir.
»Nein, Claire, es ist nicht zu spät«, erklärte er sogleich sein seltsames Verhalten, wobei ein winziger Hoffnungsschimmer in seinen goldenen Augen aufblitzte. »Jedenfalls nicht, wenn du mir irgendwann verzeihen kannst. Bitte tue mir nur noch einen Gefallen und ließ das. Es wird dir viele Fragen aufwerfen, doch eventuell tröstet dich der Gedanke, dass ich dir alles erklären werde. Bitte.«
Dieses Mal schob er mir keine einzelnen Blätter, sondern die Ausgabe seines neuesten Buchs vor die Nase. Sofort bildete sich ein dicker Knoten in meinem Magen, der sich weiter verdichtete, als ich den Einband betrachtete.
Eine beleuchtete Großstadt bei Nacht war auf der Vorderseite erkennbar, was beinahe beruhigend hätte wirken können, wären auf der Rückseite des Umschlags nicht die Silhouetten von toten Menschen abgebildet gewesen, die den Straßenrand in einiger Ferne säumten. Der Asphalt, welcher womöglich von einem Auto angestrahlt wurde, war blutbefleckt, wobei ein menschlicher Kopf, leblos darauf lag. Die zur Seite gefallenen Haare gaben den Nacken der Person frei, welcher mit einem Tattoo versehen war. Auch täuschten die Lichter zunächst über den allgegenwärtigen Zerfall der Gebäude auf der Rückseite hinweg. Die Vorderseite war sozusagen die schöne Fassade, während die Grausamkeiten hinter einer Maske versteckt lagen.
So wie Adrians zweites Gesicht, schoss es mir unvermittelt durch den Kopf, wobei mir ein bitteren Geschmack auf die Zunge trat. Ich war nur zu geblendet von seiner wunderschönen Fassade und zu blind für das, was dahinter lag gewesen. Wer konnte mir also sagen, dass nicht alles von vorne herein gelogen war, was er jemals zu mir gesagt hatte? War er überhaupt zu einem Zeitpunkt aufrichtig gewesen oder diente alles nur der Verwirklichung seines Plans? Wenn ich seiner Hartnäckigkeit das Gespräch mit mir zu suchen, Glauben schenkte, nicht. Doch der Zweifel blieb.
Ich zögerte den Klappentext zu lesen und musste mehrmals zu Adrian aufblicken, bevor ich mich schließlich dazu überwand. Natürlich war meine Angst lächerlich, immerhin hatte ich es bereits schon einmal gelesen. Damals in seinem Arbeitszimmer, wo unsere gemeinsame Zeit hätte enden müssen. Wo sich unsere Wege für immer hätten trennen sollen. Und doch saß der Mann, der mich vernichtet hatte, nun wieder vor mir. Ich sah das glänzende Gold seiner Augen, konnte seine Knie, die unter dem Tisch kaum meine berührten spüren und ihn angestrengt atmen hören.
»Bitte«, hörte ich kaum vernehmbar flüstern und blickte zurück auf das Buch, dessen Text ich noch immer nicht entschlüsseln wollte. Meine Angst saß tief, dass sich die vernichtenden Worte wie Wiederhaken tief in meinen Verstand bohrten und ich sie niemals wieder würde vergessen können. Nie mehr. Letztendlich brachte mich womöglich Adrians von Verzweiflung geschwängerter Blick dazu, mich zu überwinden.
DIE MENSCHHEIT BLENDET SCHRECKEN UND TOD AUS. ER RUFT ES IHNEN WIEDER ZURÜCK INS GEDÄCHTNIS.
SEIN PLAN IST PERFEKT. JEDES PUZZLETEIL WURDE SCHON VOR JAHREN AN SEINE VORHERGESEHENE STELLE GESETZT.
ER WIRD GEWINNEN. EINE NIEDERLAGE DULDET ER NICHT. NIEMAND WIRD IHN VON SEINEM ZIEL ABHALTEN KÖNNEN. NIEMAND!
Ein grausamer Mörder versetzt New Orleans in Angst und Schrecken. Immer wieder werden brutal zugerichtete Leichen von Männern und Frauen unterschiedlicher Herkunft und Alters aufgefunden.
Der Täter ist unklar. Die Polizei tappt im Dunkeln. Sicher ist nur, dass der Killer ein bestimmtes Ziel mit seinen Taten verfolgt. Denn jede Leiche trägt einen vierstelliger Zahlencode im Nacken, den es zu entziffern gilt.
Als Officer Liam Callen auf den Killer angesetzt wird, rückt die Lösung des Rätsels in greifbare Nähe. Er erkennt Zusammenhänge, die den meisten Menschen verborgen bleiben. Doch schon bald lernt er, dass nichts so ist wie es scheint. Die Zeit spielt unaufhaltsam gegen ihn und auch sein neues Team, scheint ein gefährliches Geheimnis zu bergen. Als Liam die Codes schließlich entschlüsselt, ist es schon beinahe zu spät.
»Aber ...« Ich verstummte und überflog die Zeilen weitere zwei Mal, um einen möglichen Fehler meinerseits auszuschließen. Immer wieder ging ich die Zeilen durch, doch mein Name blieb verschwunden. Auch, als ich in dem Buch blätterte, fand ich meinen Namen nirgends. Immerhin war ich nicht so naiv, nicht zu überprüfen, ob er lediglich den Umschlag ausgetauscht hatte. Hatte er nicht.
»Du hast mich nicht verraten«, hauchte ich schwach und konnte die Tränen nicht länger zurückhalten, die sich ihren Weg über meine Wangen bahnten.
»Nein. Das könnte ich einfach nicht«, kam die leise Antwort, während ich selbst vergessen in seinem Werk blätterte. An der Widmung blieb ich hängen und wobei mein Herz schmerzhaft krampfte. Eine Träne durchnässte die Seite, während Adrian sie mir auswendig vortrug: »'Für das strahlende Licht, welches als einziges meine dunkle Seele zu Erhellen vermag. Ohne dich, wäre ich schon längst in der Schwärze ertrunken.'«
»Adrian«, flüsterte ich schlicht, da ich zu nichts anderem mehr fähig war. Zu viele Gefühle tobten in mir, allem voran: Erleichterung. Ich war in diesem Augenblick so unglaublich erleichtert, dass er nichts über mich veröffentlicht hatte, dass ich zunächst überhaupt nicht über die mit einhergehenden Fragen nachdachte. Wichtig war nur, dass er mich nicht hintergangen hatte.
»Claire.« Seine Stimme und die Hand, welche nun hauchzart, die meine berührte, riss mich aus meinem Gefühlssturm.
»Das Manuskript, das du damals in meinem Arbeitszimmer gefunden hast, sollte und wird auch niemals veröffentlicht werden. So verrückt das auch klingen mag: Ich wollte es dir schenken. Ein personalisiertes Buch, welches nur für deine Augen bestimmt sein sollte. Es sollte dir demonstrieren, wie wichtig du mir inzwischen geworden bist. Im Nachhinein weiß ich, dass diese Idee vollkommen bescheuert war. Du hast es vollkommen falsch verstanden.« Ich schluchzte und schüttelte dann wütend den Kopf.
»Wieso hast du es mir nicht einfach erklärt? Verdammt, warum hast du dich stattdessen wie ein gefühlloses Arschloch aufgeführt?! Du hättest es mir sagen müssen!« Meine Stimme war mit jedem Wort lauter und vorwurfsvoller geworden. Zuletzt schrie ich ihn an. Das bittere Lächeln, welches seine Züge daraufhin umspielte, ließ mich wieder ruhiger werden.
»Weil es beim ersten Mal auch nicht geklappt hat. Damals habe ich es damit nur umso schmerzhafter für ihn gemacht.«
»Marcus«, schlussfolgerte ich sogleich und las in seinen Augen ab, dass ich damit ins Schwarze getroffen hatte. Er hatte seinen besten Freund damals auch nicht hintergehen wollen. Ein unglückliches Missverständnis.
»Als ich es ihm damals zu erklären versuchte, glaubte er mir kein Wort. Er war ohnehin schon aufgebracht, da er seinen Verlag verlieren würde und fühlte sich noch mehr verraten, als ohnehin schon. Ich ließ ihn in dem Glauben, alles von vorn herein geplant zu haben, genauso, wie ich dich in dem Glauben lassen wollte. Ich dachte, unsere gemeinsame Zeit wäre zu kurz gewesen, um dich in dem Ausmaß zu verletzten, wie ich es getan habe. Du solltest mich vergessen, da du ohnehin Besseres verdient hast, als mich. Ich dachte, es wäre für uns beide leichter, wenn ich dich ziehen lassen würde, aber-«
»Aber du konntest es nicht«, schloss ich und hörte ihn tief und frustriert seufzen.
»Nein. Ich konnte es einfach nicht. Nicht nachdem die Frau meines Herzens, mir ihre Liebe gestanden und ich mit ansehen musste, wie ich sie vollkommen zerstört hatte. An diesem Abend zerbrach mein Innerstes ebenfalls.«
Das Krampfen in meinem Herzen nahm zu, während die Tränen unablässig über meine Wangen rannen. Es war, als hätte Adrian ein Ventil bei mir geöffnet, welches sich einfach nicht mehr schließen lassen wollte.
»Was hat sich jetzt geändert, Adrian? Weshalb bist du jetzt, zwei Monate später hier, wenn du mir doch gleich die Wahrheit hättest sagen können?«, fragte ich ihn mit bebender Stimme. »Wieso bist du mir nicht gleich gefolgt?«
»Dafür verurteile ich mich noch heute. Aber genau das ist der Punkt«, antwortete er sofort und blickte mich frustriert an. »Ich wollte nicht warten, sondern es dir sofort sagen, als mir klar wurde, welchen Fehler ich begangen hatte. Am nächsten Morgen hielt mich nichts mehr. Verdammt, ich war jeden Tag bei deiner Wohnung, habe dich in der Uni gesucht und beinahe halb New York auf den Kopf gestellt, um dich zu finden. Ganze zwei Wochen! Dann habe ich versucht dich zu erreichen, habe deine Freunde gefragt und sogar bei deinem Onkel angerufen. Ich bin beinahe verrückt geworden, weil ich dich nicht finden und mir niemand etwas genaueres sagen konnte.«
Mein Herz setzte einen Schlag aus, wobei ich an die vielen Nachrichten und Anrufe von ihm dachte, welche ich allesamt ignoriert hatte. Wie ich mir immer die halbe Nacht um die Ohren geschlagen hatte, da ich nie hatte einschlafen können, ohne sein Gesicht zu sehen. Ich dachte daran, wie sehr ich ihn vermisst hatte und wie nur Kian mir beim Vergessen hatte helfen können.
»Du hättest ebenfalls versuchen können mich zu vergessen«, bemerkte ich leise und entzog ihm meine Hand. Eine abwehrende Geste, die ihn sichtlich verletzte. Dennoch machte er keine Anstalten, sie wieder zu ergreifen. Schließlich schüttelte Adrian entschieden den Kopf.
»Wie könnte ich je versuchen die Frau zu vergessen, die ich aus tiefstem Herzen liebe? Wie könnte ich dich jemals versuchen gehen zu lassen, wenn ich dich doch so sehr brauche. Ohne dein Licht, wäre ich in meiner Dunkelheit gnadenlos verloren. Ohne deine Wärme würde ich erfrieren. Ohne dich, wäre mein Leben schlichtweg sinnlos.«
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