「2. Kapitel - Blitzlichtgewitter」
»Claire«, vernahm ich Kians samtige Stimme viel zu laut und vergrub mein Gesicht weiter in den Kissenstapel unter mir. Die Decke zog ich mir bis ans Kinn.
»Komm schon«, schnurrte der junge Anwalt weiter und rüttelte leicht an meiner Schulter. Ich grunzte und dachte gar nicht daran, mich zu rühren. Mittlerweile müsste er es doch eindeutig besser wissen.
»Jeden Morgen das Selbe mit dir«, fluchte er just in diesem Moment und ich verdrehte die Augen. Die Einsicht war ja schnell gekommen! Hatte nur schlappe acht Wochen gedauert.
»Gut, du hast es nicht anders gewollt.« Scheiße!, fluchte ich innerlich, da ich wusste, was jetzt kommen würde. Mein Gehirn schien heute schneller zu arbeiten, als sonst und nicht so vernebelt zu sein. Außerdem fühlte ich mich nicht so müde, wie in den letzten Tagen. Letzteres war womöglich der ausschlaggebende Punkt, für meine schnelle Reaktionsfähigkeit heute morgen.
Denn als die Matratze neben mir nachgab, rollte ich mich blitzschnell zur Seite und schaffte es so, Kians allgegenwärtigen Kitzel-Attacken zu entkommen. Jedenfalls kurzzeitig. Ich konnte nicht einmal mit der Wimper zucken, da thronte er bereits über mir und präsentierte mir sein finsterstes Dämonenlächeln.
»Da müssen wir aber noch schneller werden«, spottete er passenderweise, wobei ich ihn, so erwachsen wie ich war, meine Zunge präsentierte. Kurz darauf kreischte ich wie am Spieß, da der Schwarzhaarige damit begann meine unterlegene Position schamlos auszunutzen und mich auskitzelte, bis mir Tränen in die Augen schossen und mein Gesicht einer Tomate glich.
»Gibst du auf?«, wollte er schließlich wissen und beendete kurzzeitig seinen Übergriff, wobei ich erst einmal ausgiebig nach Luft schnappte. Doch dann schüttelte ich stur den Kopf, als ich sein siegessicheres Lächeln bemerkte.
»Niemals!«, knurrte ich daraufhin.
»Ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest.«
»Warte. Was?« Das verwegene Lächeln in seinem Gesicht gefiel mir ganz und gar nicht. Oh. Oh. Ich war ihm auf den Leim gegangen. Er wusste etwas!
»Ich kenne die Stelle«, warnte er mich noch, bevor er auch schon seine Finger nach meinem Hals ausstreckte und schonungslos damit begann, die extrem sensible Haut dort zu reizen. Augenblicklich fing ich an zu quieken und wild um mich zu strampeln, doch das alles nutze nichts. Kian ragte wie ein Fels vor mir auf und kitzelte erbarmungslos meine größte Schwachstelle.
»I-ich gebe auf!«, schrie ich nachdem ich es keine weitere Sekunde mehr aushielt. »Du hast gewonnen! Bitte, hör auf!«
Kian lachte leise und hörte gleichzeitig auf seine Fingerspitzen neckend über meine Haut streichen zu lassen.
»Also, wirst du morgen eher aufstehen?«, flötete er fröhlich und hielt mit einem Arm lässig meine Hände gefangen, mit dem ich nach ihm schlagen wollte.
»Ja«, brummte ich, wusste aber selbst, dass es eine glatte Lüge war.
»Entschuldige, ich habe dich leider nicht gehört«, lachte er vergnügt und streichelte nun langsamer und hauchzart über die Haut an meinem Hals. Ich zuckte zusammen, als sich mein Puls ruckartig beschleunigte und mein Mund trocken wurde. Mein Atem ging plötzlich schwer und meine Augen wanderten automatisch zu Kians Lippen. Sie waren leicht geöffnet.
»I-ich ...« Meine Stimme klang kratzig und dunkel, als ich versuchte einen Satz heraus zu bringen. Ich schluckte schwer und beobachtete dabei, wie Kian der Arbeit meines Kehlkopfes zusah. Bildete ich mir das nur ein oder waren seine Augen dunkler geworden? Erst jetzt bemerkte ich, wie nah er mir war. Ich müsste meinen Kopf nur leicht anheben und ich könnte ihn ...
Verlegen räusperte ich mich und sah, wie seine Augen zurück zu meinem Gesicht schossen.
Seinen Blick konnte ich nicht deuten, doch er brachte meinen Puls zum flattern. Mein Herz trommelte Laut und unbarmherzig in meiner Brust, sodass ich meine gesamte Selbstbeherrschung aufbringen musste, um die Lider zu schließen und tief durchzuatmen.
»Ich sollte mich fertig machen. Professorin Cramer, hasst es, wenn ihr Unterricht unterbrochen wird«, schaffte ich es schließlich mit erstaunlich fester Stimme festzustellen.
»Mehr habe ich nicht gewollt«, kam Kians überraschend neutrale Antwort und das Gewicht auf mir verschwand.
»Ich warte in der Küche auf dich. Du solltest dich übrigens beeilen, wenn du deine Bahn noch erwischen willst«, hörte ich ihn noch sagen, während ich zügig im Bad verschwand und mich in Rekordzeit fertig machte. Glücklicherweise brauchte ich heute nicht so eine dicke Schicht Make-up, um meine Augenringe zu verstecken, wie an den vergangenen Tagen. Ich stutze.
»Kian?«, sprach ich den jungen Mann an, während ich ihm gegenüber Platz nahm und grinsend die Kaffeetasse annahm die er mir reichte. »Yes, I'm a fucking unicorn!«, prangte in dicken pinken Lettern darauf und zeigte ein Regenbogenpupsendes Einhorn, welches durch Zuckerwattewolken schwebte. Fehlte nur noch der Muffinregen!
»Ja?«
»Okay, das klingt jetzt vielleicht seltsam. Aber ich habe absolut keine Ahnung, wie ich gestern so schnell eingeschlafen bin«, stellte ich verlegen fest und betrachtet Kians »Burnout ist was für Anfänger! Ich habe bereits fuck-off!« Tasse.
Er lächelte.
»Anscheinend wirke ich besser, als jede Schlaftablette. Eben umarme ich dich noch und kurz darauf schläfst du so tief und fest, wie ein Murmeltier.«
»Du nimmst mich doch auf den Arm.«
»Nein, in den Arm und ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll.« Sekundenlang starrte ich ihn ausdruckslos an, wobei Kian reichlich dämlich grinste. Ich verdrehte die Augen und versuchte mich zu erinnern. Er hatte mich zuerst gehalten, dann musste ich an Weihnachten denken und die schönen Erinnerungen, die ich daran hatte und war einfach so eingenickt.
»Du riechst nach Zimt. Wieso kaufst du dir so ein Parfüm?«, platzte es aus mir heraus und Kian lachte.
»Soll das etwa ein Kompliment sein? Wenn ja, ist es nicht sehr vorteilhaft formuliert.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ich mag Zimt. Es erinnert mich an die Plätzchen, die ich mit meinem Dad immer zu Weihnachten backe.«
»Ich rieche also, wie ein verschissener Plätzchenteller?«, unterbrach er mich empört und versuchte mit Mühe das Zucken seiner Mundwinkel zu verbergen. Ich grinste ihn breit an.
»Ich wusste doch, dass ich das Parfüm nicht hätte benutzen sollen.« Ich wurde hellhörig.
»Du hast es dir nicht selbst gekauft?«
»Natürlich nicht. Meine Stiefmutter schenkt mir immer eine Jahresration davon. Welcher Mann kommt auch schon auf die Idee, nach Keksen riechen zu wollen?« Er lächelte schief und stellte mir einen Apfel vor die Nase.
»Du hast eine Stiefmutter?«, fragte ich völlig verblüfft und biss beherzt in die Frucht. Der Schwarzhaarige zuckte bei meiner Frage unmerklich zusammen.
»Ja, außerdem einen Halbbruder. Meine richtige Mutter verstarb bereits bei meiner Geburt.«
»Das tut mir leid«, nuschelte ich kauend und betrachtete ihn eingehend. Er zuckte die Achseln, während ich einen Schluck Kaffee nahm.
»Und ... wie ist deine Stiefmutter so?«, fragte ich interessiert und beobachtete, wie Kians Gesicht einen liebevollen Ausdruck annahm.
»Du meinst, ob sie mich als ihren persönlichen Diener hält und mich nicht auf den Ball des Prinzen lässt?«
Er lachte und sah hinaus in den wolkenverhangenen Himmel.
»Nein. Sie ist ganz anders. Sie ist einfühlsam, gerecht und eine sehr starke Frau, die viel in ihrem Leben opfern musste. Ich glaube, du würdest sie mögen«, erklärte er mit einem weinenden und einem lächelnden Auge. Ich betrachtete ihn stumm von der Seite und wartete, bis er aus seinen Gedanken zurückkehrte.
»Du magst sie sehr. Hast du deshalb dein Parfüm nie gewechselt?«, hakte ich nach und verschlang hungrig meinen zweiten Apfel. Leider war Kian kein sonderlich begabter Koch, sodass das Frühstück immer sehr karg ausfiel. Das lag nicht auch zuletzt daran, dass ich morgens kaum aus dem Bett zu bekommen war.
Er nickte auf meine Frage hin und entblößte ein strahlendes Lächeln.
»Weißt du, ich benutze ebenfalls das Parfüm, was mir mein Dad jedes Jahr zu Weihnachten schenkt. Ich kann es nicht wechseln, schon ihm zuliebe nicht«, gestand ich ihn.
»Du liebst deinen Dad oder?«
»Mehr als alles andere. Er ist immer für mich da gewesen und hat seinen eigenen Schmerz zurückgesteckt. Als meine Mutter uns verlassen hat, war es alles andere, als leicht für ihn.« Ich ballte meine Hände zu Fäusten, als ich an meine Mom dachte, die uns einfach im Stich gelassen hatte. Sie hatte ein tiefes Loch in dem Herzen meines Vaters hinterlassen, was ich verzweifelt versucht hatte zu stopfen. Doch ersetzen konnte ich sie nicht. Nur die Schmerzen lindern.
Kian verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete mich mit einem traurigen Lächeln.
»Du magst deine Mom nicht besonders.« Ich lachte trocken.
»Nicht mögen, wäre deutlich untertrieben. Ich verachte sie für ihr Verhalten. Sie hat uns im Stich gelassen!«
»Ich kann dich verstehen. Aber meinst du nicht, dass es unfair von dir ist, deine Mutter so leichtsinnig zu verurteilen? Du kennst ihre Geschichte nicht. Was ist, wenn sie keine andere Wahl hatte, als euch zu verlassen?«
Ich legte das letzte Stück meines Apfels beiseite. Mir war der Appetit vergangen.
»Wir haben immer eine Wahl«, beschied ich knapp und stand auf, um meine leere Tasse in die Spüle zu räumen und die Apfelreste zu entsorgen.
»Du hast recht, Claire. Wir haben immer eine Wahl. Manchmal muss man sich jedoch für das kleinere Übel entscheiden.«
Ich zuckte die Achseln und sah auf meine Armbanduhr.
»Wir sollten langsam los, meinst du nicht?« Meine Stimme klang absolut kalt und verbarg den Sturm aus Gefühlen sicher in meinem Inneren. Kian seufzte und verschwand in sein Arbeitszimmer, während ich mir meine Tasche schnappte und im Flur auf ihn wartete.
»Fährst du bei mir mit?«, erkundigte sich der Anwalt, sobald er in den Flur trat und mich entdeckte. Ich schüttelte lächelnd den Kopf.
»Ich nehme den Zug. Wenn ich noch einigermaßen pünktlich sein möchte, kann ich nicht noch im Berufsverkehr stehen.« Ich öffnete die Haustür, während Kian in seinen schwarzen Mantel schlüpfte, welcher sich perfekt an die mitternachtsblaue Anzugshose schmiegte. Mir fiel auf, wie gut er in diesem Aufzug aussah. Beinahe schon verboten schön. Ein Staranwalt, wie er im Buche stand. Nur seine grimmige Miene passte nicht recht in das Bild des perfekten Mannes.
»Ich weiß, was du meinst. Der verfluchte Verkehr hier bringt mich noch um.« Ich lachte und hakte mich bei ihm unter, während wir das Treppenhaus betraten. Im Erdgeschoss wartete bereits Kians neuer Chauffeur auf uns, der zu einer unbeweglichen Salzsäule erstarrt war. Kingston - so hieß der gute Mann mit Nachnahmen - war ein muskelbepackter dunkelhäutiger Hüne, bei dem ich Angst hatte, dass jeden Augenblick sein schicker schwarzer Anzug riss. Kein Vergleich zu dem netten älteren Chauffeur, mit dem ich damals gefahren war.
»Guuuten Morgen!«, flötete ich übertrieben freundlich in Kingstons Richtung und beobachtete gespannt seine Reaktion, während Kian nur die Augen verdrehte.
Nichts! Ich konnte schwören, dass Kingston unter seiner tollen Sonnenbrille nicht einmal zwinkerte.
»Ins Büro«, teilte der junge Anwalt ihm kurz angebunden mit und eilte weiter zur Tür. Mich zog er mit sich.
Kingston, setzte sich schweigend in Bewegung, während ich versuchte ihn mit Blicken zu durchbohren. Irgendwie musste ich doch eine Reaktion aus ihn herauskitzeln.
Erst vor einer Woche, war ich aus versehen die Treppe runtergefallen und hatte Kian mit mir gerissen. Kingston hatte nicht einmal gelächelt und dass, obwohl Kians Einhornunterhose aus dem Bund hervorgeblitzt war. Okay. Steinigt mich, die Boxershorts mit Einhornprint hatte ich ihm zum Geburtstag geschenkt. Und ich hatte ihn auch dazu gezwungen, sie zu tragen. Einmal. Jetzt wollte er nicht mehr.
Jetzt trug ich sie beim Schlafen.
»Und wie geht es dir heute?«, wandte ich mich nun direkt an den Chauffeur und bekam tatsächlich ein Brummen. Sollte wohl normal heißen, aber was wusste ich schon.
Apropos, hatte ich schon erwähnt, dass er nicht sehr gesprächig war? Andernfalls hätte er uns bestimmt vor dem Blitzlichtgewitter gewarnt, was uns vor der Wohnungstür erwartete.
Ich krallte mich panisch an Kians Arm fest, dessen Blick sich sofort auf mich richtete.
»Verbirg dein Gesicht«, raunte er mir leise zu und ich tat wie mir gehießen. Blinzelnd kniff ich die Augen zusammen und presste mich gegen seine Brust, während Reporter der verschiedensten Magazine und Zeitungen wild durcheinander riefen.
»Was sagen Sie zu den Vorwürfen gegen Ihre Mandantin?«
»Stimmt es, dass sie ihren Mann ermordet hat?«
»Angeblich sollen ihre Fingerabdrücke auf der Tatwaffe gewesen sein!«
»Wer ist die Frau neben Ihnen?«
»Glauben Sie an ihre Unschuld?«
»Stimmt es, das eine hohe Lebensversicherung auf ihren Mann abgeschlossen wurde?«
»Jetzt mal ehrlich, wer ist die Frau an Ihrer Seite?!«
Der Tumult nahm zu, als die Reporter nun auch noch mich ins Visier nahmen.
»Verschwinde. Beeil dich!«, raunte mir mein Begleiter zu, während Kingston versuchte die Fotografen und Reporter von mir abzuschirmen. Ach, jetzt ging das oder wie? Eine bissige Bemerkung verkneifend, nickte ich und nahm buchstäblich die Beine in die Hand. Ich machte, dass ich meinen süßen Arsch dort fortbekam und ignorierte, die lauten Rufe der Reporter. Schnell sprintete ich zur nächsten Undergroundstation, wo ich mich möglichst unauffällig unter die riesige Menschenmenge mischte. Einige Fotografen waren mir gefolgt und ließen suchend ihren Blick durch die Passanten schweifen.
Mich möglichst klein machend und völlig außer Atem stieg ich in den erstbesten Zug ein. Zu meinem Leidwesen fuhr dieser in die falsche Richtung. Ich würde also eindeutig zu spät kommen. Mal wieder.
Bester Tag ever!
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