「17. Kapitel - Falsche Worte」
»Mr. Silver?«, hakte Professorin Cramer nach einiger Zeit verwirrt nach, nachdem Adrian ihrer vorherigen Aufforderung nicht nachgekommen war und weiterhin stumm blieb. Er starrte noch immer mich an, wobei es mir ebenfalls nicht gelang den Blick von ihm abzuwenden. Mein Herz schlug wie verrückt gegen meinen Brustkorb und ich konnte das Blut in meinen Ohren rauschen hören.
»Ist alles in Ordnung bei dir?« Es war Lees klare Stimme, die mich aus meiner Starre riss, sodass ich endlich etwas anderes fokussieren konnte. Ich sah in seine dunklen Augen und nickte eher instinktiv, als das es der Wahrheit entsprach.
»Alles gut«, setzte ich deshalb knapp hinterher und sah förmlich den Zweifel in seinem Blick stehen. Dennoch beließ er es dabei und nickte lediglich. Julian neben mir starrte wie gebannt nach vorn.
Meine Augen glitten erneut zur Bühne, wo hunderte Studenten gespannt auf Adrians Worte warteten. Der braunhaarige Mann hatte erneut ein kühles Lächeln aufgesetzt und schien um einiges gefasster. Er sah mich nicht länger an.
»Danke, Professorin Cramer. Ich freue mich ebenfalls sehr, heute bei Ihnen sein zu dürfen und Ihnen in den kommenden Tagen einen kurzen Einblick in das, manchmal nicht so einfache Autorenleben ermöglichen zu können«, begann er seinen Vortrag mit publikumsgewohnter Stimme und ließ seinen Blick durch die Menge schweifen. Mir entging dabei nicht, dass er mich extra aus ließ. Generell wirkte er seltsam angespannt.
»Viele von Ihnen werden in wenigen Wochen Ihren Abschluss machen und in die große weite Welt aufbrechen. Vermutlich wissen viele unter Ihnen bereits, was Sie in ihrer Zukunft alles erreichen möchten und wie Sie es verwirklichen können. Andere unter Ihnen sind wiederum noch immer unentschlossen und werden von den schier unendlichen Möglichkeiten überfordert.«
Er machte eine bedeutungsschwere Pause, in der aufgeregtes Geflüster unter den Studenten aufbrandete.
»Weißt du schon, was du machst?«, hörte ich eine Frau hinter mir aufgeregt, ihre Freundin fragen. Diese kicherte.
»Ja. Aber ich würde mich von ihm nur zu gern umstimmen lassen«, gab sie keck zu verstehen, was die andere verträumt seufzen ließ. »Oh ja, Silver würde mich bestimmt zum Umdenken bewegen können. Und um den Verstand würde er mich auch bringen.« Die Zweideutigkeit ihrer Worte ließ mich die Augen zu Schlitzen verengen.
»Glaubst du er ist schon vergeben? Man sieht nie jemanden an seiner Seite«, hakte die andere weiter nach, was mich unweigerlich lächeln ließ.
Nicht vor Freude, sondern vor Bosheit.
»Ist doch egal. Hauptsache er hat nichts gegen einen One Night Stand mit mir einzuwenden. Ich glaube, er ist richtig gut in dem, was er tut«, schnurrte sie ihre nächsten Worte nur so, wobei ich sie schon sabbernd vor mir sah.
»Oh, das glaube ich auch. Er ist bestimmt richtig gut bestückt.« Die andere seufzte ebenfalls verzückt und ich verlor langsam die Beherrschung. Noch bevor ich mich zügeln konnte, hatte ich mich zu den beiden Hühnern herumgedreht, die mich erschrocken musterten.
»Pst, nicht weitersagen. Aber ich habe gehört, dass er mehr auf ältere Frauen steht. Mutterkomplex oder so ähnlich«, flüsterte ich todernst und sah innerlich grinsend dabei zu, wie ihnen die Gesichtszüge entgleisten.
»Meinst du wirklich?«, flüsterte die Rothaarige schockiert und sah hinter mir zu Adrian. Ich nickte und senkte verschwörerisch meine Stimme.
»Findest du nicht auch, dass er Mrs. Cramer eine Sekunde zu lang angelächelt hat? Und auch jetzt schaut er immer wieder zu ihr herüber«, behauptete ich weiter und veranstaltete innerlich Jubelschreie, als mir die Freundin der Rothaarigen zustimmte.
»Du hast recht. Er sieht sie immer wieder an.«
»Perversling«, meinte die andere entrüstet, was ich ernst abnickte. Dann drehte ich mich grinsend wieder herum ...
... und starrte direkt in Lees ungläubiges Gesicht.
»Was sollte das denn eben?«, zischte er mich an und schien nicht an Adrians Vortrag interessiert zu sein. Der war mittlerweile dazu übergegangen, die kommenden Tage näher zu beleuchten. Ich machte mir nicht einmal die Mühe ihm zu folgen, da ich sowieso nicht vorhatte, mich von ihm beraten zu lassen. Lieber würde ich eine Einzelstunde mit dem liebenswürdigen Professor Chain absitzen. Und das war schon Folter pur!
»Was denn?«, flüsterte ich unschuldig zurück und beförderte nicht vorhandene Fussel von meiner Jeans.
»Stell dich nicht dumm.«
»Ich und dumm? Niemals!«
»Hör auf abzulenken!«
»Hör auf abzulenken«, wiederholte ich seine Worte in einem Singsang, um sie ins Lächerliche zu ziehen. Er zog eine Braue nach oben.
»Du bist unmöglich.«
»Du auch.«
»Ruhe! Ich will das jetzt hören!«, fuhr Julian aufgebracht dazwischen, wobei ich dem chinesischen Studenten elegant meine Zunge raus steckte. Er ging nicht auf meine Provokation ein.
»Das ist noch nicht vorbei«, erwiderte dieser mürrisch und wandte sich gezwungenermaßen erneut zu Adrian um, der noch angeregt sprach. Ich hörte ihm nicht zu und schloss die Augen, wobei ich versuchte das Hämmern in meinem Kopf auszublenden. Außerdem sollte er doch her schauen und bemerken, dass er mich einen Scheiß interessierte.
Ich musste tatsächlich eingeschlafen sein, da ich aufschreckte, als Applaus aufbrandete, um Adrians Vortrag angemessen zu würdigen. Sofort nahm der Schmerz hinter meinen Schläfen zu. Ich fuhr mir über meine müden Augen und musste ein Gähnen unterdrücken.
»Du hast nicht wirklich gerade geschlafen?«
Julian starrte mich sauer an, wirkte allerdings mehr entrüstet als verärgert.
»Und noch dazu gesabbert«, fügte Lee wie immer nicht im geringsten hilfreich an, was ich mit einem Schnauben kommentierte.
»Gar nicht wahr!«, stritt ich ab und fuhr mir dann mit dem Handrücken über den Mund, der tatsächlich trocken war. »Siehst du! Ich habe nicht gesabbert.« Dieser Mistkerl hatte doch tatsächlich geschwindelt, weil ich vorhin nicht mit der Sprache rausgerückt war. Touché.
Lee grinste, während Julian plötzlich ganz erwachsen den Kopf schüttelte und seine Aufmerksamkeit wieder nach vorn wandte. Als ich es ihm gleich tat, bemerkte ich, dass Mrs. Cramer sich wieder in den Vordergrund spielte. Kurz darauf tönte auch ihre Stimme wieder durch den Saal.
»Vielen Dank für Ihren Vortrag, Mr. Silver. Natürlich konnten dabei sicherlich nicht alle Fragen, der hier anwesenden Studenten beantwortet werden, weswegen nun die Chance dazu besteht offen gebliebene zu stellen. Scheuen Sie sich nicht, Mr. Silver wird sie sicherlich alle beantworten!«
Ich wusste nicht, was sie mit ihrer kurzen Rede bezwecken wollte. Wahrscheinlich, dass tatsächlich jemand eine Frage stellte und nicht wie üblich ausnahmsloses Schweigen nach einem Vortrag herrschte. Das war aber gar nicht nötig, denn Adrian schien wieder mal etwas ganz Besonderes zu sein, wie sich herausstellte, als rund dreißig Studenten sofort den Arm hoben, um aufgerufen zu werden. Schleimer!
»Ob wir ihm zu seiner sexuellen Neigung befragen sollten?«, kicherte da die Rothaarige hinter mir, was mir tatsächlich ein kurzes Grinsen auf die Lippen zauberte. Zum Glück schien Lee das überhört zu haben, sonst hätte er mich nur wieder fragend und irritiert angestarrt. Der chinesische Student schien allerdings gerade eifrig damit beschäftigt zu sein Löcher in die Luft zu starren. Arme Luft, das hatte sie nicht verdient.
Die ersten Fragen waren welche zu seinem Vortrag, die ich aber nicht verstand, weil ich diese Zeit ja im Schlummerland verbracht hatte. Mir fiel auf, dass er sich tatsächlich jegliche Mühe gab, alle Fragen zu beantworten. Anscheinend wollte er wohl sein Image aufpolieren und in der Öffentlichkeit glänzen. Arsch!
Eine schwarzhaarige Studentin, nur drei Reihen vor mir wurde aufgerufen und nun änderte sich die Richtung der Fragen deutlich.
»Als Sie nach Ideen für Ihr neues Buch suchten, woher nahmen Sie da Ihre Inspiration?«, wollte diese wissen und ihrer Stimmlage nach zu urteilen, war sie viel mehr an Adrian, als an seiner Antwort interessiert.
Adrian räusperte sich kurz und schien das erste Mal nach fünfzehn Fragen nachdenken zu müssen. Innerlich verfluchte ich mich dafür, dass ich tatsächlich die Antwort darauf wissen wollte.
»Ich gebe zu, dass sich die Grundidee tatsächlich allein auf meine verstörende Fantasie stützt.« Lachen ertönte, weil er einen atemberaubenden Witz gerissen hatte. Ich verdrehte über den Sarkasmus meiner Gedanken nur die Augen und blickte dann erst Julian und dann Lee entsetzt an, als diese doch tatsächlich ausgelassen grinsten. Mal ehrlich, der Spruch war doch mehr als lahm gewesen! »Ich bin ein Schriftsteller, der tatsächlich keines seiner Werke wirklich durchplant. Alles geschieht aus dem Bauch heraus. Ich lasse mich also zusätzlich noch gern von meiner Umgebung inspirieren.«
Die eifrige Studentin nickte überschwänglich und war mit seiner Antwort anscheinend überaus zufrieden, so fett war ihr Grinsen, als sie sich nach hinten zu ihrer Freundin umdrehte.
Ein weiterer Student, diesmal ein Junge, stellte eine Frage und diese hatte es in sich.
»Wie steht es mit Ihren Charakteren? Lassen Sie sich da auch von Ihrer Umgebung und von realen Personen inspirieren oder entspringen diese tatsächlich allein Ihrer Fantasie?«
Mir wurde bei dieser Frage förmlich der Boden unter den Füßen weggerissen und ich spürte wie ich mir hart auf die Lippe biss.
Adrians Mine offenbarte keine Regung, als er dem Studenten monoton antwortete.
Das schlimmste für mich war jedoch, dass er eiskalt log.
»Was meine Charaktere betrifft, so kann ich Ihnen mit gutem Gewissen sagen, dass sie allein meiner Fantasie entsprungen sind. Es gibt keinerlei Verbindung zu real existierenden Personen. Nicht einmal die Namen tauchen in meinem näheren Umfeld auf«, behauptete er einfach, was mich bis auf die Grundmauern erschütterte. Ich spürte, wie mir alles Blut aus dem Gesicht wich und mein Herz erneut brach. Doch anstatt mich von dem Schmerz gefangen nehmen zu lassen, überwog die Wut. Ich stand kurz davor zu explodieren und die Beherrschung zu verlieren. Hätte mich jemand beobachtet, wäre er Zeuge davon geworden, wie mein Gesicht in sekundenschnelle die Farbe änderte. Von aschfahl zu zornesrot. Ich musste dringend hier raus, bevor ich vor versammelter Mannschaft noch irgendeine Dummheit beging.
Ruckartig stand ich auf und schnappte mir meine Tasche. Julian sah mich sichtlich erstaunt an, während Lee voller Sorge war.
»Ich muss kurz an die frische Luft«, erklärte ich mein Verhalten kurz angebunden, wobei meine Stimme vor unterdrückter Wut zitterte und quetschte mich schon an Lee vorbei. Letzterer stand hektisch auf und folgte mir.
»Ich wusste doch, dir geht es nicht gut. Ich komme mit. Julian, du bleibst hier«, ordnete der dunkelhaarige Student bestimmt an, was ich ohne Kommentar geschehen ließ. Denn, wenn ich eins gelernt hatte dann, dass Lee ein ziemlicher Sturkopf sein konnte.
Und so murmelten wir beide leise Entschuldigungen, während wir uns hastig an den sitzenden Studenten vorbeischoben, die uns genervte Blicke schenkten. Als, wir den Gang erreichten, dröhnte eine aufgebrachte Stimme zu uns herüber. Ich stöhnte innerlich und drehte mich zur Bühne um.
»Was hat das zu bedeuten?«, verlangte meine Professorin streng zu wissen und funkelte uns zornig an. Normalerweise interessierte es sie nicht, wenn man während der Vorlesung ging. Doch da heute "hoher Besuch" anwesend war, schien sie sehr wohl etwas dagegen zu haben, wenn man einfach verschwand.
»Entschuldigen Sie bitte die Störung, doch Miss White geht es nicht gut. Wir gehen an die frische Luft«, sprang Lee an meiner Stelle sofort ein und nahm mir augenblicklich meine Tasche ab, um sein Gesagtes zu unterstreichen. Ich nickte schwach und versuchte möglichst krank auszusehen, was mir scheinbar perfekt gelang, da Professorin Cramer schon deutlich einfühlsamer nickte. Adrian neben ihr, sah mich durchdringend an, was erneut Zorn in mir aufkochen ließ.
»Wenn es nötig sein sollte, so suchen Sie doch bitte die Krankenstation auf.«
»Gute Besserung, Miss«, schallte ebenso Adrians Stimme durch den Raum, was mich die Lippen zu einem schmalen Strich zusammenpressen ließ. Heuchler! Als ob es ihm interessieren würde, wie es mir ging. Vor rund zwei Monaten hatte es ihm auch einen Dreck gekümmert.
Ich antwortete nicht, obwohl ich mir dabei verdammt unhöflich vorkam. Stattdessen machte ich gemeinsam mit Lee auf dem Absatz kehrt und verließ beinahe fluchtartig den Raum.
Als die Tür hinter uns ins Schloss knallte, atmete ich erleichtert auf. Die Erleichterung währte aber nur kurz, da meine Begleitung mich zur Seite zog und mich scharf musterte.
»Und jetzt sagst du mir endlich, was hier eigentlich los ist.«
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