Teil 2 - Part 5
Und dann kippt er einfach um. Ohne ein weiteres Wort, ohne noch irgendeine Bewegung, fällt er einfach nach hinten, wie ein Stein. Kalt und reglos. Ich kann sehen, wie sich das Hemd seines Schlafanzuges langsam rot färbt. Wie sich das Blut darauf ausbreitet, es verklebt.
Der Mann wurde damals beinahe im selben Moment von einer anderen Kugel getroffen, aber das hat mich damals kein bisschen interessiert.
Ich habe mich von Robin losgerissen. Bin zu Boden gefallen, zu ihm gekrochen. Sein Blick war bereits leer und so blass. Kein Funkeln konnte ich darin entdecken. Als wäre seine Seele bereits ... weg.
Alles ist still und doch schmerzen meine Ohren. Ein gellendes Geräusch hallt durch den Raum. Ein Schrei mit einem einzigen Wort.
„TOBIAS!"
Meine Kehle schmerzt. Sie ist rau und fühlt sich geschwollen an. Meine Augen tränen, lassen meine Sicht verschwimmen. Lassen alles verschwimmen. Die gesamte Welt. Denn da ist doch nichts außer diesem Wald. Außer dieser Hütte. Außer mir und Tobias, der einfach nur dalag. Nicht auf mein Flehen reagierte. Das rote Blut fühlt sich klebrig an. Es bleibt an meinen Fingern hängen. Ein grausamer Beweis der Ereignisse gerade eben. Nicht einmal meine Tränen können es wegwaschen. Ob ich meine Hände wohl jemals wieder ansehen kann, ohne die rote Flüssigkeit daran kleben zu sehen? Ohne an meinen Bruder erinnert zu werden, der alles für mich gegeben hat?
Er hat tatsächlich alles für mich gegeben. Am Ende sogar sein Leben ....
Ich weinte damals, als könnte ich nie wieder aufhören.
Ich weinte um ihn.
Ich weinte um unsere Eltern.
Ich weinte, weil ich mich nicht mehr bei ihm bedanken konnte.
Weil er mich nun nie wieder trösten konnte.
Da war doch noch so viel, was ich ihm hatte sagen wollen. Ich hatte mich bedanken wollen. Dafür, dass er mich durch diesen verdammten Wald geschleppt hatte, ohne sich ein einziges mal zu beschweren. Dafür, dass er für mich stark war, auch wenn es ihm noch so schwer fiel. Ich hatte ihm doch noch sagen wollen, dass er nicht alleine war. Dass er nicht stark sein musste.
Ichkonnte ihm nicht mehr sagen, wie sehr ich ihn liebte. Wie sehr ich unsere Eltern geliebt hatte.
Ich konnte ihm nicht mehr sagen, wie Leid es mir tat, dass ich ihm die Last nicht hatte nehmen können.
Er war so stark und selbstlos gewesen in der Zeit, in der ich ihn so dringend brauchte.
„Lass mich nicht allein!", schluchzte ich und beugte mich über seinen warmen Körper. Mich kümmerte das Blut nicht. Ich wollte ihm einfach noch so nah wie möglich sein. Solange es noch ging. „Ich brauche dich doch noch! Lass mich hier nicht zurück! Ich brauche dich! Lass mich nicht allein! Komm zurück!"
Doch er kam nicht zu mir zurück. Er bewegte sich nicht mehr. Kein Funkeln erhellte seine Augen.
Meine Brust war so eng und schwer. Presste die Tränen aus mir heraus, machte das Atmen schwer.
Ich spürte, dass ein Teil von mir für immer verloren war. Eigentlich waren es drei kleine Teile. Drei Teile meines Herzens. Es war so leer in mir drinnen ohne diese drei Teile.
Ich weinte und ich jammerte. Ich flehte, gab Versprechen. Ich gab ihm sogar den ein oder anderen Schwur, aber es änderte nichts.
Er war jetzt unerreichbar für mich.
Die Polizisten ließen mich weinen. Hielten sorgsam Abstand. Als wüssten sie, dass mich ihre Nähe erdrücken würde. Mir den Platz zum Atmen nehmen würde, der mir noch geblieben war.
Nur Robin war noch da. Seine Hand ruhte warm auf meinem Rücken. Spendete mir Trost. Ich konnte spüren, wie sie ab und zu leicht zitterte, als weinte er auch. Und irgendwie war das für mich tröstlicher als alle Worte der Welt. Seine stille Anteilnahme, war so warm, nichts hätte sie ersetzen können.
Aber irgendwann mussten sie Tobias Körper wegbringen. Ich schrie die Männer an, umklammerte seine Hand. Meine Tränen fielen noch immer haltlos zu Boden, aber ich wollte nicht loslassen.
Schließlich war es Robin, der mich von ihm löste und mich tröstend in den Arm nahm. Er hielt mich fest, ließ mich in Ruhe weinen. Es interessierte ihn kein bisschen, dass Tobias Blut, das an mir klebte, seine Uniform verschmutzte.
Ich ließ einfach los, hing in seinen Armen, schrie, schluchzte, weinte. Er blieb bei mir, lockerte seine Umarmung kein bisschen, bis ich mich beruhigt hatte. Bis meine Tränen versiegten und ich bereit war, all das auf mich zu nehmen.<<
>>Und dann?<<
>>Und dann?<<
Die junge Frau lächelte.
>>Dann hat mich Robin in seine Familie aufgenommen. Er hat mir beigebracht, dass ich diese drei kleinen Teile meines Herzens nicht verloren habe. Dass sie für immer bei mir sein werden.<<
„Die Erinnerung ist ein Fenster,
durch das ich dich sehen kann,
wann immer
ich will."~Unbekannt
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