Teil 1 - Part 4
Endlich ließen wir die Bäume zurück und der Strahl der Taschenlampe verharrte auf uns. Ich konnte kaum die Person erkennen, die die Taschenlampe in der Hand hielt und uns überrascht musterte. Aber ich erkannte seine Uniform. Es war ein Polizist. In seiner anderen Hand hielt er ein Stück Papier, das er mit uns zu vergleichen schien. Anscheinend hatte er nach uns gesucht. Ich spürte den dicken Kloß in meinem Hals wieder und die Tränen begannen erneut zu fließen. Ich löste meine Hand von Tobias und rannte auf den Polizisten zu. Als ich bei ihm ankam, schlang ich meine Arme weinend um ihn und presste mein Gesicht in den kalten Stoff. Vorsichtig steckte der das Papier weg und strich mir sanft über den Kopf.
„Es wird alles wieder gut. Du bist jetzt in Sicherheit", sagte er beruhigend. Seine Stimme klang warm und ich schloss erleichtert die Augen. Ich fing an zu schluchzen, ließ all meine Gefühle der letzten Tage heraus. Tobias musterte den Polizisten noch immer misstrauisch, schien aber auch wegen meinem Heulanfall bedrückt zu sein.
Später wurde mir erklärt, dass der Vermieter die Leichen unserer Eltern gefunden hatte. Er hatte eine Stunde darauf gewartet, dass wir alle auftauchten, um den Schlüssel zurückzugeben. Schließlich war er selbst hingefahren und hatte sie tot aufgefunden. Danach wurde eine Großsuchaktion nach uns eingeleitet. Nach zwei Tage langer, vergeblicher Suche, wurden Patrouillen um den Waldrand eingeteilt und wir waren genau in eine hinein gestolpert.
Der Polizist hob mich vorsichtig hoch und brachte meinen Bruder und mich dann zur nächsten Polizeizentrale, die ebenfalls ganz in der Nähe lag.
Wir wurden mit kuscheligen Decken und heißer Schokolade begrüßt. Zitternd zog ich mir die Decke fester um die Schultern und wärmte meine Hände an der warmen Tasse, ließ den Polizisten, der sich inzwischen als Robin vorgestellt hatte, aber nicht los. Ich sank beinahe komplett ein, in den weichen Kissen des Sofas. Nicht einmal Tobias konnte bei seinem misstrauischen Standpunkt bleiben. Ich erwischte ihn sogar bei einem erleichterten Seufzer, als er die Tasse wieder absetzte. Als er meinen Blick bemerkte, lächelte er mich an, sah aber danach wieder misstrauisch zur Tür.
Kurz darauf betrat eine Polizistin das Zimmer und hockte sich vor uns.
„Könnt ihr mir sagen, was passiert ist?", fragte sie vorsichtig, uns genau beobachtend. Ich umklammerte meine Tasse stärker und trank noch einen Schluck. Trotz der Decke war mir kalt.
„Ich erzähle Ihnen alles, aber lassen Sie Lily da raus", forderteTobias mit fester Stimme. Kein Zittern war darin zu hören. Er fühlte sich hier sicherer, als draußen im Wald. Aber das war ja auch verständlich.
„Ich würde sie wirklich gerne da rauslassen, aber es kann sein, dass sie den Mann gesehen hat. Wir müssen wissen, wie er aussieht", bedachte die Polizistin mit einem unsicheren Blick zu Robin.
„Ich habe genauso viel gesehen, wie meine Schwester. Sie brauchen ihre Aussage nicht", erwiderte Tobias nachdrücklich. „Sie ist erst acht!"
Robin dachte eine Weile nach, ehe er mich anlächelte: „Wie wäre es, wenn wir uns für eine Weile auf den Gang setzen, Lily? Rosalie unterhält sich solange mit deinem Bruder."
Ich nickte langsam und stand auf, die Decke fest umklammert. Der Polizist schloss die Tür hinter uns und wir setzten uns auf das nächste Sofa. Es war nicht ganz so weich, wie das andere, aber ich war froh über alles, was nicht aus Gras oder Holz bestand. „Du hast einen wirklich tollen Bruder", stellte Robin leise fest und ich nickte. Wir blieben eine Weile so sitzen, aber irgendwann löste sich Robin von mir. Tränen stiegen mir in die Augen und sein Gesicht verschwamm, was mich nur noch mehr weinen ließ.
„Ich hole dir nur noch eine heiße Schokolade. Es bringt schließlich nichts, immer an einer leeren Tasse zu nippen", beruhigte er mich schnell. Ich wischte mir die Tränen weg und zog meine Nase hoch. Lächelnd legte er mir die verrutschte Decke noch einmal um die Schultern.
„Ich bin gleich wieder da. Warte einfach hier", bat er und lief den Gang hinab. Und ich blieb alleine auf dem Sofa zurück. Sah ihm hinterher. Ich fühlte mich schrecklich einsam. Tobias war nicht bei mir und jetzt war auch Robin nicht da.
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