Kapitel 3 - Stunde der Wahrheit
„Also?" Ally sah Mira erwartungsvoll an. Die Klausur war vorbei und die Mädchen saßen in der Cafeteria. „Was ist passiert? Du bist doch noch nie zu spät gekommen." Mira zögerte einen Moment lang. „Meine Mutter ist kurz ohnmächtig geworden", sagte sie schließlich. „Oh nein!" Ally klang besorgt. „Ist sie jetzt im Krankenhaus?" „Nein." Mira überlegte, wie sie ihr ungutes Gefühl am besten zum Ausdruck bringen sollte. „Mein Vater meinte, das wäre nicht notwendig. Er selbst hat sich aber auch sehr merkwürdig verhalten-" Mira schilderte ihrer Freundin die seltsame Situation beim Frühstück.
Als sie fertig war, schwieg Ally für ein paar Sekunden. „Mh. Klingt irgendwie so, als wollten deine Eltern etwas vor dir geheim halten. Du müsstest rausfinden, was in der Zeitung stand und weshalb deine Mutter so extrem darauf reagiert hat." Mira nickte gedankenverloren. Sie wollte herausfinden, was hier wirklich los war. Bevor die beiden allerdings ihr weiteres Vorgehen besprechen konnten, klingelte es zur nächsten Unterrichtsstunde.
Als Mira am Nachmittag nach Hause kam, saßen ihre Eltern im Wohnzimmer und sahen fern. Diese Tatsache allein war schon ungewöhnlich genug, denn normalerweise hielten sie nichts davon, am helllichten Tag vor dem Fernseher zu hocken. Noch seltsamer war aber ihre Reaktion, als Mira das Zimmer betrat. „Was machst du denn schon hier?", fragte ihre Mutter, wobei ihr Tonfall alles andere als beiläufig klang. Sie schien sich inzwischen einigermaßen von ihrem Ohnmachtsanfall am Morgen erholt zu haben. Dennoch kaute sie nervös auf ihrer Unterlippe herum und warf alle paar Sekunden einen Blick auf die Wanduhr über dem Fernsehbildschirm. „Die letzte Unterrichtsstunde ist ausgefallen", beantwortete Mira die Frage, während sie ihre Eltern ganz genau beobachtete.
„Ähm...Musst du denn keine Hausaufgaben erledigen, oder so?" Ihre Mutter klang nun zweifellos angespannt und ließ die Uhr fast nicht mehr aus den Augen. „Nein. Wir haben nichts auf." Mira konnte die Nervosität, die von ihrer Mutter ausging, förmlich spüren. Und sie war fest entschlossen, den Grund dafür herauszufinden. Nach einigen Momenten der Stille räusperte sich ihr Vater. Im Gegensatz zu ihrer Mutter wirkte er völlig ruhig. „Cornelia...Ich denke, es lässt sich ohnehin nicht vermeiden." Ihre Mutter sah ihn nur an. „Wie du meinst..."
Miras Blick huschte zwischen ihren Eltern hin und her. „Also, was ist hier los?" Zur Antwort deutete Ihr Vater auf den Fernseher. Gerade hatte der Vorspann für die 16-Uhr-Nachrichten begonnen. „Du wirst es gleich erfahren." Etwas verwirrt nahm Mira auf dem Sofa Platz. Als die Nachrichtensprecherin zum ersten Thema ansetzte, konnte sie an den sich verkrampfenden Händen ihrer Mutter erkennen, dass es sich um die Ursache für den morgendlichen Schock handelte.
„Letzte Nacht hat sich ein beunruhigender Zwischenfall in einer geschlossenen Psychatrie für Straftäter ereignet. Einem bereits seit 17 Jahren im Hochsicherheitstrakt verwahrten Insassen gelang aus bisher ungeklärten Gründen die Flucht. Wir schalten live zum Leiter der Einrichtung." Es wurde das Bild eines untersetzten Mannes mittleren Alters eingeblendet. Tiefe Schatten lagen unter seinen Augen. „Herr Clavis," begann die Sprecherin das Interview „Wie konnte es dazu kommen, dass einem Hochsicherheitsgefangenen unbemerkt die Flucht gelingt?"
„Das können wir zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht sagen." Die Stimme des Mannes zitterte leicht. „Aber wir tun natürlich alles in unserer Macht Stehende dafür, um ihn wieder zu schnappen und die Sicherheitslücke zu beheben. Zu diesem Zweck kooperieren wir eng mit der Polizei und möchten auch die Bevölkerung um Mithilfe bitten."
Das Bild eines Mannes um die dreißig erschien auf dem Bildschirm. „Das Bild ist unglücklicherweise bereits 17 Jahre alt, aber dennoch-" Mira achtete nicht mehr auf die Worte des Gefängnisleiters, der die Bevölkerung zu äußerster Vorsicht und Wachsamkeit einschärfte. Sie betrachtete das Foto des Gesuchten. Unordentliche schwarze Locken umrahmten sein von Bartstoppeln übersätes Gesicht. Die eisblauen Augen wirkten seltsam leer, doch seine Hände waren zu Fäusten geballt.
//Ich hoffe, ihr seid gespannt, wie es weitergeht!//
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