28. 🥃 KAPITEL
Tennessee, Nashville; August 2016
Alexander
Überfordert mit der Situation, gerade Vater geworden zu sein, fahre ich mit meinem Sportwagen durch Nashville. Tausende von Gefühle preschen auf mich ein, die ich alle nicht auf einmal verarbeiten kann.
Enttäuschung. Auf Chloe, dass sie mir solange etwas vorgespielt hat.
Angst. Gerade erfahren zu haben, eine sechsjährige Tochter zu haben.
Wut. Auf mich selbst, da ich so lange blind war.
Verzweifelt. Was soll ich nur tun?
Meine Hände verkrampfen sich immer mehr um mein Lenkrad, bis ich wütend darauf schlage.
„Fuck." Fluche ich laut an der roten Ampel, was mir zwei belustigte Blicke der Frauen neben mir in einem Kombi einbringt. Ignorierend, drücke ich aufs Gas, als die Ampel auf Grün springt.
Eine Weile fahre ich durch den Abendlichen Verkehr, der bald von Party Gäste dominiert wird. Als ich am Sunset vorbeifahre, parke ich spontan mein Auto in der Nähe. Ein oder zwei Drinks könnten meinen Puls heute beruhigen.
Mit einem Glas Whiskey in der Hand, sitze ich in Gedanken auf einem der Barhocker und starre auf die bernsteinfarbene Flüssigkeit, die Ölig am Innenglas hinunterläuft. Der Barkeeper bedient die Gäste in der mittlerweile volleren Bar. Es ist bereits mein drittes Glas, als mir jemand eine Hand auf die Schulter legt. Ohne aufzublicken, weiß ich wer hinter mir steht. Der Duft nach Sonne und einem Hauch von Pfefferminz steigt mir in die Nase.
„Dachte ich mir schon, dass ich dich hier finde." Scott lässt sich neben mich auf den freien Barhocker fallen. Ohne etwas zu erwidern, setzte ich das Glas an meine Lippen und leere es. Mit einem Kopfnicken, deute ich dem Bären hinter der Bar an, mir nochmal nachzuschenken. Er schnappt sich den Bourbon und stellt sich vor uns.
„N'Abend Boss." Nickend begrüßt ihn Scott, bevor ich genervt schnaufe.
„Bekommt man hier auch was zu trinken?" Blaffe ich ihn an und blicke ihn wütend entgegen. Eine Augenbraue hebend schenkt er mir nach, bevor er wieder die anderen Gäste bedient.
Als ich das Glas abermals ansetzte um meinen Kopf zum verstummen zu bringen, werde ich am Arm angerempelt, was dazu führt, dass ich meinen Drink über mein Hemd verschütte.
„Pass doch auf, Arschloch!" Keife ich den vorbeigehenden Mann an. Unbeeindruckt dreht er sich zu mir um. Er ist um einiges breiter als ich. Hat Muskelbepackte Arme und einen breiten Nacken. Seine Schwarzen Haare hat er zu einem Zopf gebunden und sein langer Bart sieht ebenfalls gepflegt aus. Seine dunkelbraunen Augen blitzen mich gefährlich an.
„Wie hast du mich gerade genannt?" Fragt er ruhig nach. Langsam erhebe ich mich und blicke ihn auf Augenhöhe an. Dabei spüre ich den Alkohol in meinem Blutkreislauf.
„Du hast mich schon verstanden, Arschloch." Provoziere ich ihn weiter.
„Alex, lass es." Mahnt mich Scott und hält mich am Arm fest. Ich schüttle ihn ab.
„Du solltest auf deinen Geliebten hören." Reizt er mich. Langsam trete ich einen Schritt auf ihn zu und nur noch wenige Zentimeter trennen uns.
„Du solltest dich bei mir entschuldigen, Arschloch." Spucke ich ihm ins Gesicht und zeige dabei auf mein Hemd. Ein verächtliches Schnaufen ist zu hören, bevor ein gefährliches Lächeln auf seine Lippen tritt.
„Nenn mich noch einmal Arschloch und ich reiß dir deins auf." Er bäumt sich vor mich auf um größer und breiter zu wirken, doch ich lasse mich nicht von ihm einschüchtern.
„Männer. Beruhigen wir uns doch einfach. Ich gebe eine runde aus." Scott legt vorsichtig eine Hand auf meine Schulter und blickt mich Mahnend an. Der Bulle vor mir zieht eine Augenbraue nach oben.
„Wenigstens ist einer von euch beiden vernünftig." Er tritt einen Schritt zurück und nimmt Scotts Angebot an. Doch das ist nicht das was ich möchte. Als der Bär mir seinen Rücken zudreht um sich ein Bier vom Barmann geben zu lassen, lache ich überlegen.
„Wusste ich doch, dass du ein feiges Arschloch bist." Ein knurren ertönt, bevor er sich schwungvoll umdreht und seine Faust direkt auf meinem Kiefer landet. Augenblicklich später, schmecke ich Eisen auf meiner Zunge. Genau das brauche ich jetzt. Wütend balle ich meine Hände zu Fäuste und ziele ebenfalls auf sein Gesicht. Ein knacken ist zu hören und aus seiner Nase tritt Blut. Angriffslustig werfe ich mich auf ihn und bringe ihn zum Straucheln. Sein Gleichgewicht suchend, verpasse ich ihm einige Schläge ins Gesicht, bevor er abermals mit seiner Faust einen Schlag landet. Schreie sind um uns herum zu hören und der ein oder andere Jubelt, begeistert von der Show die ihm geboten wird. Der Kerl trifft mich am Auge, bevor er einen Hieb in seine Rippen von mir kassiert.
Hände packen mich an der Schulter und zerren mich von ihm weg. Rückwärtstretend entferne ich mich von ihm, doch schnell macht der bärtige Mann einen Schritt auf mich zu und rammt mir seine Faust in den Magen. Keuchend beuge ich mich nach vorne, da ich den Schlag nicht kommen sah. Brüllend stürme ich auf ihn zu, da ich die Hände nicht mehr auf mir spüre, die mich zurückhalten. Meine Faust schlägt auf seine Flanken ein, was ihn fluchen lässt. Als wir abermals zum Schlag ausholen, werden wir voneinander gerissen. Wütend strample ich mich und versuche mich von Scotts Griff zu befreien, während der Barkeeper meinen Widersacher im Schwitzkasten hält.
„Bring ihn hier raus, Scott." Die meisten Gäste sind zurückgewichen. Hocker liegen umgefallen neben der Bar und der ein oder andere Drink ist verschüttet am Boden zu finden.
„Alex. Beruhige dich." Sott zerrt mich am Oberarm nach draußen. Als die frische Luft mich trifft, spüre ich sofort den Alkohol in meinem Körper.
Gierig atme ich die klare Nachtluft ein und blicke nach oben in den dunklen Himmel. Wie viel Zeit wohl vergangen ist? Langsam dringt der Schmerz, durch den Nebel und das Adrenalin. Meine Knöchel ziepen, während mein Kiefer schmerzt und bei jeder Bewegung knackt. Ich greife mir selbst an mein Kinn, doch gebrochen ist nichts in meinem Gesicht. Im Gegensatz zu der Nase dieses Arschlochs. Ein lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als ich daran denke.
„Zufrieden?" Fragt mich Scott schroff. Ich lasse meine Hände in die Hosentaschen meiner Jeans gleiten und spüre den Schmerz der aufgerissenen Knöchel, die über den Stoff reiben. Doch er ist mir egal. Schulterzuckend blicke ich ihn an. Er trägt wie immer sein weißes Shirt und seine kurzen Hosen. Sein Haar ist noch zusammengebunden, als wäre er gerade noch im Restaurant gewesen.
„Ich fahr dich nach Hause und dann erzählst du mir, was los ist." Kopfschüttelnd geht er zu seinem Jeep, während ich ihm folge. Die Ablenkung in der Bar, hat für kurze Zeit meine Gedanken verstummen lassen, doch nach und nach höre ich sie wieder in meinem Kopf brüllen.
Schweigend fahren wir durch den Nächtlichen Verkehr. Gedankenversunken blicke ich aus dem Beifahrer Fenster und betrachte die bunten Lichter auf den Reklametafeln.
„Sag schon, warum habe ich heute eine beunruhigende Nachricht von Chloe erhalten?" Ohne ihn anzublicken, schnaufe ich.
„Ich habe heute erfahren, dass ich eine sechsjährige Tochter habe." Lasse ich die Bombe platzen. Abrupt bremst Scott ab, was mich in den Brustgurt drückt. Meine Hand schnellt nach vorne um mich am Armaturenbrett festzuhalten. Während wir zum Stillstand kommen.
„Verdammt Scott. Willst du uns umbringen?" Brülle ich zu ihm herüber.
„Du machst Witze?" Fragt er, ohne auf meine Bemerkung einzugehen. „Du verarscht mich doch?" Grimmig werfe ich ihm einen Blick zu, den er mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund erwidert.
„Sehe ich aus, als wäre mir nach Spaßen zumute?" Bringe ich gereizt heraus. Hinter uns fangen Autos an zu hupen, doch das interessiert meinen Freund nicht. Immer noch blockieren wir die rechte Spur mit seinem roten Jeep, während wütende Autofahrer uns überholend ihren Mittelfinger zeigen. Als ein schwarzes Caprio mit offenem Verdeck, neben und hält und „Ihr blöden Wichser" herüberbrüllt, dreht sich Scott zu ihm.
„Fahr weiter du Arsch, sonst steig ich aus." Das mein Freund ausfallend werden kann kommt nicht oft vor. Sein Sonniges Gemüt kann oft nichts trüben.
Nachdem der Angeber weiterfährt, gibt auch Scott wieder Gas.
Mittlerweile sind wir an meiner Wohnung angekommen. Schweigend betreten wir das Apartment. Bis jetzt hat Scott nicht zu meiner Aussage gesagt, doch wie ich ihn kenne, wird er nicht lange schweigen.
Ich schnappe mir eine Flasche Callahn Bourbon und zwei Gläser. Eingeschenkt reiche ich ihm eines, bevor er sich auf die Couch setzt. Mit meinem eigenen Glas in der Hand und die volle Flasche in Reichweite, lasse ich mich in den Sessel neben ihm nieder.
„Erzählst du mir, was es mit deiner Aussage auf sich hat?" Scott trinkt einen großen Schluck und blickt mich fragend an. Gerade als ich ihm Antworte klopft es an meiner Tür und kurze Zeit später wird sie geöffnet. Nur meine besten Freunde haben einen Schlüssel zu dieser Wohnung und da einer neben mir sitzt, wundert es mich nicht, kurze Zeit später Masons zu erblicken. Als wäre er gerade frisch aus dem Büro gekommen, trägt er immer noch seinen schwarzen Maßgeschneiderter Italienischen Anzug, seine dunkelrote Krawatte und sein knitterfreies weißes Hemd. Er blickt mich kurz an, bevor er die Wohnung betritt und die Türe schließt.
„Da muss ich ja einiges verpasst haben." Er deutet auf mein Gesicht, das wahrscheinlich von Blessuren und Blut überzogen ist.
„Kann man wohl sagen." Bringe ich leise heraus. Mason schnappt sich ein Glas, was ich ihm befülle, bevor er sich gegenüber von Scott auf den Zweisitzer fallen lässt. Geschmeidig knöpft er sein Jackett auf und legt lässig seinen Arm auf die Rückenlehne, bevor er den Whiskey an seine Lippen setzt.
„Was machst du hier?" Frage ich ihn neugierig. Woher wusste er wo wir sind? Sein blick gleitet zu Scott und verrät mir sofort wer sein Informant ist.
„Ich dachte mir, du brauchst uns beide." Scott grinst mich an und schnaufend schüttle ich den Kopf. „Erzähl. Was ist passiert?"
Angespannt beuge ich mich nach vorne und stütze meine Unterarme auf meine Knie. Gedankenversunken schwenke ich mein Glas und betrachte dabei den schwarzen Ring an meinem Finger. Seit drei Jahren trage ich ihn und erinnert mich täglich an das was ich verloren habe.
„Alex." Mason reißt mich aus meiner Starre. Langsam hebe ich meinen Blick zu ihm, bevor er auf die andere Seite zu Scott wandert, der mich ebenfalls besorgt anblickt. Tief einatmend, blicke ich zur Bodentiefen Fensterfront in den dunkelblauen Himmel an dem vereinzelt Sterne zu erkennen sind. Doch hier in der Stadt ist es zu Hell, um ihn wie in der Natur, zum Leuchten zu bringen.
„Ich habe eine gemeinsame Vergangenheit mit Chloe und eine sechsjährige Tochter." Ich höre Mason neben mir Husten, da er sich wahrscheinlich am Whiskey verschluckt hat. Doch kein Wort kommt über seine Lippen, als wolle er mich nicht unterbrechen. Daher fange ich ganz von vorne, meinen Freunden von der blonden Frau aus der Diskothek, an zu erzählen. Von unserer gemeinsamen Nacht, an die ich mich nur Schemenhaft erinnern konnte, weiter zu unserem ersten zusammentreffen in meinem Büro. Ich erzähle ihnen vom Familienfest und der heißen Nacht in den Lacken mit ihr, bis ich irgendwann zu dem heutigen Abend ankomme. Keiner der beiden unterbricht mich. Normalerweise bin ich kein gesprächiger Mensch, auch gegenüber Mason und Scott nicht. Nicht mal den Unfall vor zwei Jahren, mit Natascha, habe ich den beiden erzählt. Aus Angst über ihre Reaktion und ihre Schuldzuweisung.
Doch über Chloe zu reden, fällt mir leicht. Dieses Mal habe ich keine Schuld. Dieses Mal war es nicht mein Fehler.
Nachdem ich geendet habe, blicke ich wieder auf mein mittlerweile leeres Glas.
„Wow. Das muss ich sogar verdauen." Bringt Scott schnaubend heraus. Schweigend schenke ich uns dreien nach.
„Was willst du jetzt machen?" Fragt mich Mason mit leiser Stimme. Mein Blick gleitet zu ihm. Er sitzt mittlerweile aufrecht auf der Couch und blickt mich besorgt an. Schulterzuckend nehme ich einen großen Schluck, bevor ich ihm antworte.
„Ich weiß es nicht. Sie hat mich die ganze Zeit belogen." Immer noch spüre ich die Wut auf Chloe, mir nicht von Anfang an reinen Tisch gemacht zu haben.
„Hat sie dich wirklich belogen, oder dir einfach nicht die Wahrheit gesagt?" Wütend blitze ich zu Scott hinüber.
„Es ist dasselbe für mich." Knurre ich ihn wütend an.
„Ich denke für Chloe war es auch nicht einfach. So wie du die Geschichte erzählt hast, wusste sie bis zum Bewerbungsgespräch nicht, wer der Vater von Kiara ist." Meine Augen schnellen zu Mason hinüber, den ich wütend entgegen Funkel.
„Auf wessen Seite steht ihr eigentlich." Abrupt erhebe ich mich.
„Alex, wir stehen auf deiner Seite." Versucht mich Mason zu beruhigen. Doch aufgewühlt, fange ich an im Raum auf und abzugehen. „Du sollst dich nur mal in ihre Lage versetzten." Aufgebracht drehe ich mich auf dem Absatz um und funkle Mason zornig entgegen.
„Das habe ich. Den ganzen Abend. Und weißt du was, sie hätte es mir sagen müssen!" Brülle ich heraus. Hitze steigt durch meinen Körper, was auch definitiv etwas mit dem Alkohol zu tun hat.
Beschwichtigt hebt Mason seine Hände in die Luft.
„Ja, damit hast du recht. Sie hätte es dir viel früher sagen müssen. Doch es ändert nichts an der Situation. Ich kenne dich jetzt schon sehr lange, Alex." Langsam erhebt er sich und tritt auf mich zu. „Auch wenn Chloe es dir vor einem Monat gesagt hätte, es würde sich nichts an deinem Gefühlschaos ändern. Du hast eine Tochter die Sechs Jahre alt ist, von einem One-Night-Stand. Glaube das hätte jeden hier umgehauen." Er legt seine Hände auf meine Schulter und blickt mich besorgt an. „Gib ihr nicht die Schuld, denn sie hatte es wahrscheinlich auch nicht gerade leicht. Die Situation hat sie, höchstwahrscheinlich genau wie dich, überfordert." Mein Kiefer ist immer noch verspannt und nur langsam dringen Masons Worte zu mir durch.
„Ich muss Mason da ausnahmsweise recht geben." Scott erhebt sich ebenfalls und schnaufend wendet sich Mason ihm zu.
„Wie gütig von dir." Bringt er gepresst heraus, was Scott vollkommen ignoriert.
„Überlege doch Mal. Sie wird Schwanger und weiß nicht wer der Vater ist und sieben Jahre später sitzt du auf einmal vor ihr. Ich nehme sie nicht in Schutz." Fügt er schnell hinzu, als mein gereizter Blick ihn trifft. „Aber du musst versuchen ihr in der Hinsicht zu verzeihen. Du hast jetzt eine Verantwortung für deine Tochter. Chloe und du müsst euch nicht lieben, nur um ihretwillen miteinander auskommen." Schnaubend wende ich mich Scott zu.
„Und das von einem Mann, der mit keiner Frau länger als zwei Monate zusammen war." Ein breites Grinsen erscheint auf Scotts Gesicht.
„Was soll ich sagen. Die Ladys lieben mich einfach. Warum nur mit einer zusammen sein, wenn ich alle haben kann." Lachend breitet er die Arme aus, als hätte er gerade links und rechts eine hübsche Blondine stehen. Auch mich bringt es zum Lachen. Mason hat mittlerweile die Flasche Bourbon geholt und grinsend schenkt er uns nach. Auch wenn ich mittlerweile, mehr als genug getrunken habe, setzte ich das Glas an meine Lippen. Für heute Nacht möchte ich das erfahrene Vergessen. Heute Nacht möchte ich mit meinen Freunden lachend auf meiner Couch verbringen, während wir über alte Geschichten reden.
Morgen werde ich mich der neuen Situation stellen und wenn das heißt, mich mit Chloe auseinanderzusetzen, werde ich das tun.
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