Foreshadowing
Wie aus dem Nichts riss Musa die Augen auf und schnappte nach Luft. Ihr fehlte die Orientierung und der Verstand war noch ein wenig benebelt, während sie sich versuchte aufzurichten. Ihr Schädel schien zum zerbersten gespannt. Ihre Finger glitten zu der Stelle, an der Musa den Schmerz lokalisierte. Erstaunt stellte Musa fest, dass sie einen Verband um den Kopf trug. Da waren keine Erinnerungen, wie das passiert sein könnte. Nicht einmal ein Bruchstück. Allmählich glitt ihr Blick durch den Raum. Es war das Krankenzimmer von Alfea. Musa erkannte es an den sterilen, weißen Wänden. Wie war sie hierher gekommen?
Ein leises Ächzen kündigte an, dass die Tür geöffnet wurde. Jeder noch so kleine Zentimeter ihres Körpers spannte sich an, um dafür gewappnet zu sein, wer durch die Tür trat. Ein wenig perplex und irritiert sah Musa ihren Retter an. Es war Sam, der genauso überrascht schien, dass sie wach war.
,,Was ist passiert?", fragte Musa sofort, um vielleicht ihre Gedächtnislücken zu füllen.
Erst zögerte Sam, bevor er sich einen Stuhl heran zog und sich zu ihr ans Bett setzte.
,,So genau weiß ich es leider auch nicht. Terra und ich haben dich bewusstlos auf dem Boden vorgefunden. Und die Wunde am Kopf hattest du bereits. Vermutlich hast du dir diese beim Sturz zugezogen."
Aufmerksam lauschte Musa jeder Silbe die aus Sams Mund ķam. Aber bis jetzt machte nichts seiner Worte Sinn. Sie begann in ihrem Kopf das wenige, was sie noch wusste und Sams Schilderung zu einem Puzzel zusammenzusetzen. Stück für Stück. Doch wieder ergab nichts einen wirklichen Sinn. Eine endlos erscheinende Stille erfüllte den Raum. Sam schien nicht zu wissen, was er zu ihr sagen sollte. Und Musa wusste nicht, was sie zu ihm sagen sollte. Musa war dankbar, aber wie er sich über Wochen hinweg verhalten hatte, konnte nicht ungeschehen gemacht werden. Ja, sie liebte ihn, aber da war längst nicht nur er alleine mehr in ihrem Herzen. Morgen, dachte Musa, würde sie die Dinge vielleicht schon viel klarer sehen.
,,Ich habe es immer gespürt", sagte Musa in die Stille. ,,Dass ich in meinem tiefsten Inneren irgendwie falsch war."
,,Nichts ist falsch an dir."
Sams Worte waren nett gemeint.
,,Aber weißt du, was meine Magie ist?"
Es entstand eine Pause, in der Sams Blick sie förmlich anflehte nicht weiterzusprechen.
,,Niemals etwas Gutes."
Mehr gab es dazu auch gar nicht zu sagen. Jetzt kämpfte Musa gegen das übermächtige Bedürfnis an sich die Decke über den Kopf zu ziehen. Sie wollte sich nur noch von der Welt abschotten. Und genau das bemerkte Sam und gab ihr den Raum, um allein zu sein, um nachzudenken. Musa begann aus dem Fenster zu starren. Der Himmel war finster, während ein Sturm schwarz und silbrig tobte. In diesem Moment stürmte Riven in den Raum, so aufgebracht wie die Welt draußen vor dem Fenster.
,,Ich dachte, du wolltest ein wenig Abstand", sagte Musa, während ihr Blick starr zum Fenster gerichtet blieb.
,,Ich laufe vor keiner Verantwortung davon."
Fühlte er sich für sie verantwortlich?
Nun wandte Musa ihren Blick Riven zu. Sie funkelte ihn finster an. Und wie aufs Stichwort kam Sam mit zwei dampfenden Bechern Kaffee zurück. Noch schlimmer konnte der heutige Tag nicht werden. Riven würdigte Sam keines Blickes, obwohl etwas in ihm brodelte. Musas Ärger löste sich plötzlich in Luft auf. Sie war so müde, wollte einfach nur noch ihre Ruhe von all dem Chaos.
,,Riven, was machst du hier?", fragte Sam mehr als überrascht.
Riven wandte sich ab. ,,Wie es aussieht nichts."
Seine Worte verfehlten ihr Ziel nicht. Sie waren wie Messerstiche, die tief in ihr Herz trafen. Die Worte ,,Wir sind Freunde" lagen ihr auf der Zunge, doch Musa konnte sie nicht aussprechen. Ich kann nicht dein Freund sein, das waren seine Worte gewesen.
Wow, Musa sagte gar nichts. Riven vermutete, sie waren wieder ein Paar. Ein Herz und eine Seele. Riven schüttelte den Kopf, wobei er aus dem Raum trat. Und so verließ Musas Ruhe mitten in ihrem inneren Hurrikan den Raum. Riven war zu ihrer Stille geworden, die nach so viel Lärm vollkommen unvorstellbar schien.
,,Was war dass denn?", fragte Sam ein wenig verwirrt.
,,Bin mir nicht ganz sicher", antwortete Musa abwesend.
Sam setzte sich so dicht neben Musa aufs Bett, dass sie sich beinah berührten.
,,Hey", sagte er sanft, wobei er ihr einen der Becher in die Hand drückte. Seine Finger verweilten einen Moment zu lange auf ihren, bevor er sie zurück zog.
,,Ich komme schon klar."
,,Ich weiß, das tust du immer."
Musa lehnte sich in die Kissen zurück und nippte an dem Kaffeebecher. Es war seltsam, aber dennoch vertraut mit Sam. Da waren eindeutig noch Gefühle da, doch ob diese für eine gute Basis für eine Beziehung reichten. Das konnte Musa nicht beantworten. Und im Moment wollte sie es auch gar nicht herausfinden. Eine Weile saßen Musa und Sam stumm beieinander, bevor Musa sich ein Herz fasste und Sam eine Frage stellte, die ihr unter den Nägeln brannte.
,,So lange hast du mir nicht auf Briefe oder Nachrichten geantwortet und jetzt bist du hier. Warum?"
Sam nahm einen tiefen Schluck aus seinem Becher, bevor er sich Musa zu wandte. Sein Gesichtsausdruck war weich und freundlich.
,,Du hast Recht mit deiner Vermutung, dass Terra interveniert hat. Und zu deinen Nachrichten ..."
Er machte eine Pause. Es schien ihm schwerzufallen seine Gefühle, die ihn bewegten in Worte zu fassen. In seinem Blick lag auf einmal etwas Nervöses.
,,Musa."
Die Art und weiße, wie er ihren Namen aussprach, so sanft und voller Zuneigung, bescherte ihr ein Herzflatern. Es fühlte sich an, als würde sich ein Schmetterling in ihrem Brustkorb bewegen.
,,Ich war mit mir und dem Schmerz den ich in dir und mir verursacht habe noch nicht im Reinen."
Bewegt von seinen Worten schluckte Musa gegen den Kloß an, der sich in ihrem Hals gebildet hatte.
,,Und bist du es jetzt?"
,,Ich weiß es nicht", antwortete Sam ehrlich.
Bevor Musa noch ein wenig weiter bohren konnte, kam eine der Krankenschwestern in das Zimmer. Rücksichtsvoll wie Sam war zog er sich zurück, während die Krankenschwester ihre Arbeit machte. Musa dürfte das Krankenzimmer verlassen mit dem Rat ein bisschen mehr auf sich zu Achten. Nach wie vor lag ein dunkler Schatten auf dem, was vor ihrem Zusammenbruch passiert war. Aber für Musa fühlte es sich an, als wäre es um etwas Bedeutendes gegangen. Die Geschichte dieses Ortes war um einiges düsterer, als ihnen die Lehrer glauben machen wollten. Der Regen hatte aufgehört und die Sonne begann in Alfea unterzugehen, als Musa ins Freie trat. Im Abendlicht sah der Steinkreis wunderschön aus, zu dem sich Musa begeben hatte. Die Strahlen der untergehenden Sonne krönten jeden Stein mit einem Heiligenschein. So, als würde an diesem Ort gleich etwas Magisches passieren. Musa begann nachzudenken und je mehr sie nachdachte desto weniger funktionierte es. Mit einem frustrierten Aufschrei gab sie auf. So oft bekam Musa das Gefühl, dass sie kurz davor war, aber wenn sie versuchte es festzuhalten, war es fort. Im nächsten Moment spürte sie ein Kribbeln im Nacken. So, als wäre jemand hinter ihr, aber mittlerweile hatte sie keine Lust mehr, sich auch nur umzudrehen, um dann ein weiteres Mal enttäuscht zu werden.
,,Was machst du da?"
Es war eine männliche Stimme, die ihr all zu vertraut war. Allmählich drehte sie sich um, damit sie antworten konnte. Aber dann erstarben alle Worte in ihrer Kehle, als sie Rivens Blick begegnete. In seinen Augen lag die Sehnsucht auf einen Augenblick der Ruhe in diesem Chaos. Das Licht der letzten Sonnenstrahlen verfing sich in Rivens Haaren. Ihr Herz machte einen Hüpfer. Er war so süß, dachte Musa. Unwillkürlich machte sie einen Schritt auf ihn zu, wobei sie die Augen nicht von ihm lassen konnte. Riven schien es ähnlich zu ergehen. Fast hatte sie ihn erreicht, bis sein Telefon klingelte. Nun war Riven abgelenkt, sein Telefon summte erneut. Rasch steckte er es weg, nachdem er die Nachricht gelesen hatte. Dann murmelte er plötzlich, dass er losmüsse, und verschwand.
Riven war auf einmal angespannt gewesen, sogar noch angespannter als sonst. Was wohl in der Nachricht gestanden hatte? Musa schüttelte den Kopf. Sie hatte ihre eigenen Probleme. Nebel hüllte die Landschaft ein, während die Sonne verschwand. Es war vollkommen still. So langsam sollte sie zurück zur Schule kehren. Plötzlich raschelte es hinter ihr, was ihren Puls beschleunigte. Musa war wie erstarrt. Aber Panik war jetzt fehl am Platz. Ein leises Röcheln. Direkt hinter ihr. Langsam drehte Musa sich um. Da war etwas einige Meter entfernt, in Nebel getaucht, und starrte sie mit rot glühenden Augen an. Musa fühlte sich unfähig sich zu bewegen, während die Gestalt einen Schritt auf sie zu machte. Noch immer stand Musa wie versteinert da. Die Hand der Gestalt streckte sich aus dem Nebel ihrer Kehle entgegen. Zu Musas Glück traf die Gestalt etwas, wodurch sie durch die Luft geschleudert wurde und zu Boden stürzte. Die eben verspürte Panik wurde verdrängt.
,,Alles in Ordnung?", fragte Riven.
Noch ein wenig zittrig nickte Musa, und sie starrten gemeinsam auf die Gestalt, die sich noch nicht bewegt hatte.
,,Ist er ...?" Musa flüsterte, als hätte sie Angst, die Gestalt könnte aufwachen.
,,Ich weiß es nicht", sagte Riven viel zu ernst, wobei er die Gestalt im Blick behielt.
Doch in dieser Sekunde richtete sich die Gestalt mit einem Ruck auf, um auf sie zu zutaumeln.
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