Verführen oder Verfüttern?
Sanft setzte ich die Fähre auf dem Landungssteg auf. »Gelandet. Ihr könnt ausladen!«
Caprice öffnete seine Gurtung. »Einwandfrei! Kannst du eigentlich alles fliegen, was man dir unter den Hintern schiebt?«
Ich lachte. »Keine Ahnung. Bis jetzt ist die Technik, die ihr mir zeigt irgendwie... mir scheint, sie ist etwas veraltet. « Da sich Caprice' Gesichtszüge verärgert zusammenzogen fügte ich schnell hinzu: »Was bringen wir denn in dieses Fischerdorf?«
»Erinnerst du dich an unseren Aufenthalt bei den drei Asteroiden?«
»Die Schürfer tauschten Lebensmittel gegen Erze.«
»Genau und diese Erze kaufen jetzt die Neu-Asen in diesem Fischerdorf.«
Ich sah aus dem Bugfenster. »Das sind doch Fischer. Was wollen die mit Erzen?«
»Kann uns egal sein, solange die Bezahlung stimmt. Kommst du mit? Ich überwache die Löschung der Ladung.«
Warum nicht? Ein bisschen die Beine auf einem Planeten zu vertreten war annehmbar. Vielleicht entdeckte ich neue aufregende Dinge. Ich stand auf und wollte schon Caprice hinterher, als ich aus den Augenwinkeln eine leuchtende Anzeige an der Seite entdeckte. Neugierig trat ich näher. »Caprice?«
»Ja, Loh?«
»Ein ungewöhnlicher Energieausschlag.«
Caprice kam zurück und betrachtete mit mir die Anzeige. »Ach das. Ungefährlich Loh. Das Fischerdorf ist nur Tarnung. Sagte ich dir das nicht?«
»Nein!« Ich schüttelte unzufrieden den Kopf. »Du sagtest mir Nichts diesbezüglich.«
»Wenn wir draußen sind, geh einfach durch die grüne Taverne. Sie hat zwei Ausgänge.«
Aha. Besaßen nicht alle Tavernen zwei Ausgänge? Langsam folgte ich Caprice aus der Kanzel. Caprice bog zu den Lagerräumen ab. Ich bevorzugte den direkten Weg nach draußen. Wolkenloser Himmel empfing mich und ich sog den frischen Duft des Meeres in die Nase.
»He Loh – steh nicht so faul herum, hilf uns lieber!«
»Vergiss es! Ich werde für das Fliegen bezahlt, nicht für das Schleppen.«
»Du faul...«
Schnell hob ich mahnend den Finger. »Du willst mich doch nicht wieder verärgern?«
»Nein!« kam schnell die Antwort von Tek. »Bis heute weiß ich nicht, wie du es geschafft hast mir Krätze anzuhängen.«
Ich lachte. »Manchmal werden meine Wünsche einfach wahr. Unheilig für dich – und nun eile! Caprice will hier nicht übernachten.«
»Sag mal Loh, ist dir aufgefallen, dass du fast den gleichen Dialekt wie die Neu-Asen sprichst?«
»In der Tat? Nein, dies ist mir nicht aufgefallen.« Als ob ich Dialekt sprechen würde. Neugierig geworden ging ich ein paar Schritte die Rampe hinunter. Vielleicht sollte ich mir diese grüne Taverne ansehen?
»Loh, also wirklich – dann bring wenigstens eine Kiste mit!«
»Selbst schuld, wenn ihr nicht die Antigraven verwendet – wie ich schon sagte, ich bin der Pilot.«
Am Ende der Rampe erwartete mich geschäftiges Gewimmel. Mein Blick schweifte über den Hafen auf der Suche nach dieser geheimnisvollen Taverne. Was für ein Heil, dass der Steg unter dem Gewicht der Fähre nicht zusammengebrochen war. Ein paar Neu-Asen (was für eine seltsame Rassebezeichnung) stockten in ihrer Arbeit und musterten mich. Scheinbar bekamen sie selten einen Piloten in Ausrüstung zu sehen. Sie selbst sahen ja ziemlich abgehalftert aus. Eines hatten sie aber meinen Händler-Gefährten voraus – sie arbeiteten mit Antigraven und schleppten sich nicht ab. Ich lächelte ihnen freundlich zu und wandte mich um. »Werdet langsam fertig! Nehmt gefälligst die Transportscheiben...der Himmel beginnt sich zuzuziehen. Ich will hier weg, bevor wir in ein Unwetter geraten.« Die Taverne war sicher beim nächsten Mal auch noch da.
Lautes Scheppern ließ mich zur Seite blicken. Eine Neu-Asin hielt noch immer ihre Hände so, als habe sie eine Kiste dazwischen, doch diese lag aufgesprungen zu ihren Füßen. Erzbrocken rollten umher.
Immer nahmen sie die alten Kisten und lackierten sie über, damit sie wie neu aussahen. Schließlich zahlte der Käufer dafür mehr. Vielleicht konnte ich es vertuschen, wenn ich schnell höflich... »Verzeiht. Es muss sich um ein Versehen...« Gleichzeitig mit mir ging auch die Neu-Asin in die Knie. Ich verstummte, da sich ihre Hand um mein Handgelenk legte und nicht um den Erzbrocken, nach dem ich griff.
»Loki? Seid Ihr Prinz Loki?«
Ich starrte sie an. »Ich bin Loh. Ich kenne keinen Prinzen namens Loki.«
»Aber... aber Ihr seht ihm so ähnlich.«
»In der Tat? Was ist denn mit eurem Prinzen passiert?«
»Thanos... Thanos hat ihn getötet.«
»Seht Ihr? Die Frage hat sich schon beantwortet. Euer Prinz Loki ist tot – und ich lebe.« Sie ließ mich los, sprang auf die Füße und rannte weg.
»Was hast du denn wieder angestellt, Loh?«
Tek trat neben mich und ich zuckte irritiert mit den Schultern. »Nichts! Ich wollte eure Schlamperei mit den Kisten vertuschen.« Ich deutete auf die Erzbrocken auf dem Boden. »Sie hat mich wohl verwechselt und es war ihr peinlich.« Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sie atemlos bei Caprice und der Neu-Asischen Königin ankam.
Tek riss mich aus der Beobachtung. »Was heißt hier Schlamperei? Das sind nagelneue Kisten. Wir haben keine alten mehr.«
Wir sammelten die Erzbrocken auf und warfen sie lose auf eine der Transportscheiben. Ich kam nicht umhin ab und an zu der Gruppe zu schielen, denn meine davongelaufene Neu-Asin wirkte sehr aufgeregt. Immer wieder zuckte ihr Arm hektisch in meine Richtung. Leider war sie zu weit weg, so konnte ich nicht verstehen, was sie von sich gab. Jetzt sahen alle drei zu mir. Ich wandte mich an Tek: »Ich glaube, wir sind gleich fertig. Ich gehe schon mal rein und lasse die Triebwerke anlaufen.«
»Gut! Ich sammle die Jungs ein.«
Kaum setzte ich einen Fuß auf die Rampe ereilte mich der Ruf von Caprice.
»LOH! Komm doch bitte einmal zu uns! Ich möchte dich der Königin von Neu-Asgard vorstellen. Sie ist ebenfalls eine exzellente Pilotin.«
Ein Gebot der Höflichkeit diesem Ruf zu folgen. Ich gesellte mich zu ihnen und deutete eine leichte Verbeugung an. »Ihr wolltet mich sehen Majestät.«
»Bei Odins Barte! Du bist es! Der Bruder von Thor.«
Sie strahlte mich überschwänglich an und zwinkerte mir vertraulich zu, was ich absolut unangemessen fand. »Verzeiht, es scheint eine Verwechslung vorzuliegen. Ich bin Loh.«
Sie lachte mich viel zu offen an. Unschicklich für ungebundene Maiden und für eine Königin erst recht. »Ein wenig aussichtsreicher Deckname, wenn man nur eine Silbe weglässt. Wenn es dir besser gefällt, nenne ich dich wieder Lucky.«
Völlig unerwartet schnellte plötzlich ihre Faust auf mich zu. Ich blockte die Schläge ab. Rechts, links, doch blitzschnell klatschte sie mir mit ihrer flachen Hand gegen die Stirn. Aufgebracht trat ich einen Schritt zurück und tastete nach meinem Dolch. Das ging mir zu weit!
»Hey, hey!« protestierte Caprice eher halbherzig.
»Vielleicht bist du es wirklich nicht, sonst wärst du nicht auf die gleiche Schlagfolge ein zweites Mal reingefallen.« Sie hielt den Kopf schief und musterte mich erneut von oben nach unten. »Dennoch... ich verwette den letzten Tropfen Met in Neu-Asgard du bist es. Prinz Loki von Asgard, Sohn des Odin, Bruder des Thor.«
»DEM Thor?« Caprice starrte die Königin und dann mich an. »Ernsthaft? DU bist der Bruder von Thor?«
»Dem ist nicht so und nun verzeiht mir, Majestät, ich muss mich um die Startvorbereitungen für den Rückflug kümmern.«
»Häh, welche Start...«
Ich stieß Caprice in den Rücken. »Ach so ja... natürlich! Wir müssen gleich wieder los.«
Die Königin lächelte und ich hätte beim grünen Heuer der Kappasch schwören können, dass ihre Stimme spöttisch klang. »Nein, nein. Ihr müsst zur Abendtafel bleiben. Wenn Thor zurückkommt, wirst du ihm persönlich sagen, dass du niiicht Loki bist. Ihr werdet doch unsere Gastfreundschaft nicht ablehnen?«
»Ich...«
Caprice verbeugte sich übertrieben tief. »Natürlich nicht, Majestät. Es ist uns eine Ehre!«
Ich hätte Caprice am liebsten erdolcht.
***
Erschöpft ließ ich mich auf die Bettstatt fallen und seufzte. »Dieses Jungvolk! Immer diese endlosen Diskussionen, die zu nichts führen.«
Sif lächelte, kam neben mich und strich mir über die Schulter. »War denn kein alter Avenger da? Wollte nicht Dr. Strange kommen?«
»Ja. Er war da, saß auf dem Kanapee und lächelte die ganze Zeit. Er hat eine Schule für Magier eröffnet und meinte, wir sollen Natasha jetzt dorthin schicken.«
»Weg aus Neu-Asgard? Nein.« Sif richtete sich ruckartig auf. »Es ging doch bisher auch so gut.«
»Aber er wird nicht mehr hier sein und kann ihr keinen Unterricht mehr geben.« Sif wirkte nachdenklich und abwesend. »Fühlst du dich unwohl? Womöglich bist du in anderen Umständen.« Ich zwinkerte ihr zu und wurde dafür gegen den Arm geboxt.
»Ich sagte, die drei reichen mir voll und ganz. Nein, das ist es nicht. Thor, du musst mir geloben ruhig zu bleiben.«
Ich richtete mich im Bett auf. »Was ist geschehen? Hat jemand den Kindern ein Leid zugefügt?«
Sif verzog den Mund. »Nein... das ist es nicht. Brunnhilde war bei mir und... hast du den Raumgleiter gesehen?«
»Machen die Händler Ärger?« Ich stand auf und fasste nach Sturmbrecher.
»Nein. Im Gegenteil. Sie haben sehr gute Ware geliefert und Brunnhilde hat sie zur Abendtafel eingeladen.«
»Das tut sie doch sonst nie.«
»Nuuun.... mit an Bord war jemand, der jemandem, den wir alle kennen, sehr ähnlich sieht. Er leugnet, dass er es ist und ich habe ihn noch nicht gesehen, aber Brunnhilde ist ziemlich davon überzeugt.«
»Deine Worte sind rätselhaft! Nun sprich und lass mich nicht länger im Ungewissen!«
»Gelobe mir zurückhaltend zu bleiben.«
»Ja, ja ich gelobe.«
»Sie sagte... er sieht aus wie dein Bruder.«
Meine Hand verlor mit einem Male alle Kraft. Sturmbrecher fiel scheppernd zu Boden. Ungläubig starrte ich Sif an. Taubheit füllte meinen Kopf aus. »Loki?« Sie nickte. »Loki ist hier?«
Meine Gedanken begannen zu rasen, ebenso wie mein Herz. War er es wirklich? Nach so langer Zeit heimgekehrt? Warum erst jetzt? Was führte ihn her? Wieso leugnete er Loki zu sein? Oder war er es doch nicht? Meine lange unterdrückte Hoffnung kehrte mit einem Donnerschlag zurück.
***
»Was ist los mit dir, Loh? Seit wir auf Terra gelandet sind, zickst du herum. Was hast du gegen die Neu-Asen?«
Ich hörte auf mit meinem Stuhl zu schaukeln. »Ich habe dich nicht hereingebeten, Caprice.«
»Loh, bitte! Die Neu-Asen sind unsere besten Kunden. Bitte verärgere sie nicht, wenn wir bei ihrem Essen sind. Sie haben uns noch nie eingeladen.«
Genervt stieß ich die Luft durch den Mund. »Keine Angst, Caprice. Ich werde mich zurückhalten. Meinst du nicht auch, ich würde mich erinnern, wenn ich von hier käme? Mir kommt nichts und niemand bekannt vor. NICHTS UND NIEMAND. Ich habe nicht vor, mich von ihnen einwickeln zu lassen.« Wer wusste schon, was sie mit mir vorhatten? Aber vielleicht war ich auch nur zu übervorsichtig? Bei den letzten drei Landungen, bei denen ich von Bord der Itzibitzi ging, wollte man mich vereinigen, vierteilen, verführen und verfüttern.
Caprice musterte mich skeptisch. »Ich verlasse mich auf dich. Sei bitte höflich und pünktlich!«
»Geh!«
Wortlos, mit einem letzten zweifelnden Blick auf mich, verließ Caprice meine Kabine. Ich stand auf und kleidete mich einer festlichen Tafel entsprechend.
Dann verließ ich als letzter die Itzibitzi. Am unteren Ende der Rampe saß eine junge Maid und beobachtete das Schott. Als ich heraustrat, sprang sie auf. Mit knetenden Händen wartete sie, bis ich auf gleiche Höhe mit ihr kam. Sie sprang mir in den Weg und verbeugte sich sehr tief. Misstrauisch sah ich auf sie hinab.
»Welch große Freude, dass ich unserem Retter persönlich danken darf, Prinz Loki.«
Aha! Daher wehte der Wind! Diesmal ging es mehr in Richtung Vereinigung und Verführung. Ich lächelte höflich, nahm sie an den Armen und zog sie wieder in die Höhe. »Mein Name ist Loh. Meine Wertigkeit und das Erz, das wir euch brachten, werden sicher keine Leben retten.«
Meine Worte drangen nicht zu ihr durch. Sie stand vor mir, als sei ich ein Geist und himmelte mich an. »Damals war ich noch ein Kind, als ihr uns auf das Raumschiff brachtet. Erinnert Ihr?"
»Ich erinnere nicht. Wirklich, junge Maid. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich jemand auf ein Raumschiff bringe ist sehr gering. Meist verlasse ich diese eiligst.«
»Vielleicht... vielleicht fehlt Euch nur der Funke, der die Erinnerung zurückbringt?«
Ich sah es ihr an. Sie würde nicht aufgeben. Ich seufzte.
»Ich durfte bei den Gemälden helfen.«
»Von welchen Gemälden sprichst du?«
Sie deutete hinter sich. »Die Geschichte von Asgard auf dem Weg der Erinnerung. Darf ich ihn Euch zeigen? Es wäre mir eine große Ehre.«
»Ich...« Bevor meine Gedanken Worte wurden, packte mich dieser kleine Feger und rannte einfach los. Wollte ich sie nicht zu Boden reißen, musste ich ihr hinterher. Was sollte es mir schaden? Bestimmt zeigte sich die Ausstellung interessanter als eine Abendtafel, die man für Tand bringende Raumfahrer ausrichtete.
Wir liefen durch das Fischerdorf in eine Taverne. Ich wollte schon langsamer werden, doch der kleine Feger bestand darauf weiterzulaufen. So ging es durch die Taverne und vor mir eröffnete sich eine andere kleine Welt. Ich wurde langsamer.
»Das ist Neu-Asgard. Das richtige Neu-Asgard«, erklärte die Maid, die mein kurzes Zögern bemerkte.
Ehe ich mich versah liefen wir durch einen künstlichen Gang, umgeben von großen Gemälden. Teilweise hingen Erinnerungsstücke neben den Bildern. Manchmal glaubte ich, aus den Augenwinkeln mich zu sehen. Allerdings bekam ich keine Gelegenheit, diese Gemälde genauer zu studieren, bis die Maid plötzlich stehen blieben.
»Hier!« Stolz präsentierte sie ein fast mannshohes Gemälde.
Es zeigte eine gehörnte Gestalt, die sich aus einem Nebel schälte, die Arme seitwärts ausgetreckt. Ich rollte kurz die Lippen ein. Eine mir nur zu gut bekannte Geste. Ich kniff die Augen zusammen und betrachtete das Bild genauer. Die Hörner gehörten zu einem Helm. Hm, sah nicht schlecht aus, besaß etwas. Aber sonst... »Das könnte jeder sein«, behauptete ich. »Ich bin sicher nicht der einzige, der schwarzes Haar sein Eigen nennt.«
»Aber dieser da hat Eure Stimme, Euren Gang, Euer Gesicht...«
»Ach was – dieser dort ist kaum erkennbar. Was macht er da überhaupt?«
»Er brachte uns ein riesiges Raumschiff, mit dem wir fliehen konnte. Er rief: Euer Retter ist da... und dann gab er den Weg frei und befahl jeden einzuladen. Keiner würde zurückgelassen. So entkam ich dem sicheren Tod.«
Oh! Wieder sah sie mich an, mit strahlendem Gesicht.
»Erinnert ihr Euch?«
Bedauernd schüttelte ich den Kopf. »Nein!«
Und dann...
...fuhren wir beide erschrocken zusammen, da eine tiefe Bass-Stimme durch den Gang hallte.
»BRUDER!«
Schnelle harte Schritte, ich wurde herumgerissen und in eine eiserne Umklammerung gezwungen, um gleich darauf an den Schultern durchgeschüttelt zu werden.
»Warum kommst du jetzt erst, Loki? Wo warst du so lange? Lass dich ansehen!«
»Sollten wir uns kennen?«
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