Kapitel 3
Donnerstag 22 Uhr und ich stehe hier in einem Patientenzimmer und checke die Werte des Mannes, der momentan friedlich schläft, obwohl das Zimmer durch die Deckenlampe hell erleuchtet ist, das Bett schlichtweg unbequem und wahrscheinlich auch Steinhart ist. Vermutlich liegt es an den starken Schmerzmitteln, die er momentan noch bekommt. Schnell lasse ich routiniert meinen Blick über die Werte schweifen, dann widme ich mich dem Tropf. Alles wie es sein sollte, um mich nicht länger hier aufzuhalten steuer ich auf die Tür zu und schalte das Licht aus. Ich atme auf, seit 20.30 hat meine Schicht begonnen und soll bis 4 Uhr morgens gehen. Ich weiß schon jetzt, dass es eine lange Nacht werden wird. Ich laufe zügig zum nächsten Zimmer um auch dort die Werte zu checken und zu schauen ob es meinem Patienten gut geht oder er irgendwelche Beschwerden hat. Oft sind die Nachtschichten ruhig und eher langweilig, doch immer öfter treten unterschiedliche Probleme auf oder es gibt den ein oder anderen Patienten, der meint die ganze Zeit mich zu benötigen. Krankenschwester zu sein ist nicht leicht und definitiv nicht Zuckerschlecken, der Lohn ist auch nicht ausreichend im Vergleich zu unseren Einsatz, doch ich liebe meinen Job. Es ist schön den Leuten zuhelfen. Es ist einfach ein wundervolles Gefühl. Auch wenn ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die mein Gefühl und meine Leidenschaft für diesen Beruf nicht verstehen können. „Robin?", die ältere Dame in dem Bett vor mir lächelt mich schwach an. „Liebes?", ich fange augenblicklich an zu grinsen. Rosa ist eine 89 Jahre alte Rentnerin, die zur Beobachtung wegen einer starken Grippe seit ein paar Tagen hierherkommen ist, sie ist meine momentane Lieblings-Patientin. „Ja, Miss Ronald", ich schaue nach ihren Werten, die ein wenig abweichen, schnell schreibe ich es in ihr Protokoll und ändere ein wenig ihre Medikamente so wie es mir Dr. Lindner beauftragt hat zu machen, wenn es nötig ist. „Ich habe ein wenig Durst Robin. Macht es ihnen etwas aus mir ein Glas Wasser zu bringen?", fragt die liebevolle Frau. „Nein, einen Moment", ich laufe zu einer Tür an der gegenüberliegenden Wand, trete durch diese und fülle in dem kleinen Bad ein Glas mit Wasser. Ich gehe zu Rosa und helfe ihr sich aufzusetzen, dann gebe ich ihr das Wasser und sie trinkt vorsichtig ein paar Schlucke, bevor sie das Glas auf ihren Nachttisch neben einem gerahmten Bild von ihrer Familie stellt. „Danke sehr!", - „Ach nichts zu danken. Wie geht es ihnen denn Rosa?", ich setze mich auf den Stuhl neben ihrem Bett. „Ich bin müde und ich fühle mich schwach", traurig blicken mir ihre Augen zu mir. Rosa ist im Untergewicht wegen ihrer schweren Grippeerkrankung und ihr Immunsystem ist immens geschwächt. Je älter ein Mensch wird, desto anfälliger ist er für Krankheiten und wenn es einem alten Menschen einmal schwer erwischt hat, ist es schwierig sich davon zu erholen. Viele Senioren sterben deshalb an Nachläufern von Grippen. „Es wird schon wieder. Sie sind stark!", zuverlässig tätschel ich ihre faltige Hand. „Ach Liebes. Ich fühle, dass es langsam Zeit ist für mich von dieser Welt zu gehen. Ich hatte ein schönes erfülltes Leben mit meinem Mann und meiner Familie", ihre Stimme wackelt beim sprechen, meine Augen werden ein bisschen wässrig. Ich bin nah am Wasser gebaut und oben drein noch sensibel, die Schicksale anderer lasse ich noch zu nah an mich ran. Wenn man im Krankenhaus arbeitet kommt man oft mit dem Tod in Berührung, auch von Patienten, die du lieb gewonnen hast. Es gehört zu diesem Beruf dazu. Je länger du Krankenschwester bist, desto besser gehst du mit dem Tod deiner Patienten um. Wurde mir gesagt, nun bin ich seit einem Jahr mit meiner Ausbildung fertig und noch immer trifft es mich hart das Schicksal der Menschen hier, nicht nur das Sterben, sondern auch schwere Diagnosen. „Wenn du einmal so alt bist wie ich wirst du mich verstehen. Du bist klug und eine schöne junge Frau Robin", sie drückt meine Hand. „Es war wenigstens erträglich hier zwischen diesen Ärzten, diesen anderen kalten Krankenschwestern, mit dir", ich lache traurig, Tränen sind mir in die Augen gestiegen. „Rosa, reden sie doch nicht so ein Quatsch. Du wirst hier in einer Woche aus dem Zimmer laufen und zurück zu deinem Mann in eure Wohnung gehen!", ich stehe auf und lache. Sie lächelt auch. „Vielleicht hast du da recht", ich antworte nicht, sondern stelle nur ihr Bett wieder normal damit sie schlafen kann. „Also ruhen sie sich aus! Sie müssen wieder stark werden!", ich gehe zügig aus dem Zimmer. „Gute Nacht!", ich schalte das Licht aus und verlasse das Zimmer. Laufe weiter zu dem nächsten Zimmer mit einem flauem Gefühl im Magen. Was wenn Rosas Zeit wirklich bald zu Ende ist?
Erschöpft lasse ich mich drei Stunden später auf die Couch in unserem Pausenraum sinken. Ich schließe die Augen und atme ruhig. Ich genieße die kurze entspannte Stille alleine in dem spärlich eingerichteten Raum, bis sich die Tür erneut öffnet und schließt. Kaum eine Sekunde später fühle ich wie die Couch neben mir herunter gedrückt wird und sich jemand neben mich setzt. „Nachtschichten was?", nuschel ich leise. "Ich bin so kaputt. Ich glaub mein eines Auge ist ungefähr dreimal eingeschlafen als ich mit einem kleine Jungem diskutiert habe" - „Das kannst du laut sagen, Giovanni", seufze ich, den alten Mann habe ich an seinem leichten italienischen Akzent und der vom Rauchen kräftiger Stimme erkannt. Dreimal eingeschlafen? Sein eines Auge? „Moment was?", ich schlage meine Augen auf und blicke verwirrt nach links. Der kleine etwas pummelige Italiener namens Giovanni liegt neben mir und hat seine Augen geschlossen. Ich runzel meine Stirn. „Ich dachte außerdem, dass du noch Urlaub hast. Was bedeutet, dass du doch jetzt noch gemütlich am Strand in Italien bei deiner Familie liegen solltest", Giovanni schüttelt seinen Kopf, die Augen immer noch geschlossen. Ich gähne: „Hast recht, ich sollte auch lieber ein wenig schlafen." Ich lege mich wieder zurück und schließe meine Augen. Das ticken der Uhr über unserer Mikrowelle und das leise schnaufen von Giovanni sind die einzigen Geräusche im Raum. Ich seufze, Zeit mich zu entspannen in meiner 30 Minuten Pause. Doch keine fünf Minuten später höre ich wie die Tür schon wieder aufgeht und jemand in das Zimmer kommt. Kann man hier nicht in Ruhe seine Pause genießen? „Robin, Giovanni!", murmelnd versuche ich Nadine, eine sehr junge Kollegin mit langen glatten braunen Haare, zu ignorieren. „Ach kommt Leute!", ich höre wie unsere neue Kollegin durch unseren Pausenraum huscht. „Habt ihr schon das neuste gehört?", gackert sie und räumt irgendwas umher. Genervt schnaufe ich und hoffe, dass sie bald aufhört. "Jared. Der neue Arzthelfer!", kaum ist sein Name ausgesprochen werde ich hell hörig, doch meine Augen öffnen tue ich nicht. Noch nicht. „Er hat mich voll süß zu einem Date morgen nach unserer Schicht eingeladen. Ist das nicht sooo aufregend", ich kann nicht anders und runzel kurz meine Stirn. Ich kenne diesen Jared nicht, aber das was ich von Erzählungen über ihn gehört habe, nicht nur von Bianca, sondern auch von ein, zwei anderen Leuten hier haben ihn nicht wirken lassen wie ein Player, der die Krankenschwestern verführen will. Von vielen Erzählungen habe ich das Gefühl bekommen, dass er wirklich ein netter und korrekter Typ ist und nicht der Typ für junge, extrovertierten Blondinen ist. Was will er dann von Bianca? Vielleicht ist er wirklich nur freundschaftlich an ihr interessiert. „Das wird super. Ich sags euch! Es wird total romantisch!", schwärmt Nadine weiter. Dieses mal höre ich Giovanni neben mir etwas grummeln, unzufrieden und sehr unfreundlich. Nadine scheint dies eher als Zustimmung zusehen und plappert munter weiter. Ich mag Nadine, sie bringt frischen Wind in unsere Truppe. Dennoch fange ich an zu überlegen, ob ich ihr eine mit dem alten Couchkissen überziehen sollte, wenn sie weiterhin auf uns einredet. „Ich werde euch alles erzählen und uh!", einen Moment ist es still. „Stellt euch mal unsere Babys vor! Die werden entzückend aussehen," ich höre den Kühlschrank aufgehen. „Leute! Stellt euch das nur vor!", ich seufze leise bevor ich meine Augen aufschlage. Wegen dem hellen Licht muss ich ein paar mal mit meinen Augen zwinkern bevor ich wieder klar sehen kann. Ich denke nicht, dass ich noch zum Schlafen kommen werde. Nicht wenn Nadine sich gerade erst warm geredet hat. „Findest du nicht, dass du ein wenig" - "Wie soll ich sagen", ich stoppe abermals und versuche angestrengt an das Wort zu denken, was mir gerade auf der Zunge liegt. „ Ja, ja ich weiß. Ich kann es nur nicht lassen. Meine Gedanken rasen dann immer und wie du mich bereits schon kennst, spreche ich meine Gedanken einfach ungefiltert aus", kichert sie. Ich blicke zu der hoch gewachsenen schlanken Blondine und sehe wie sie an einen Cappuccino nibt. „Hat dich das eigentlich schon einmal in Schwierigkeiten gebracht?", frage ich neugierig. Sie nickt heftig. „Oh ja und wie", ich gähne und reibe mir über die Augen. „Gib mir mal was von deinem Cappuccino ab", ich steh von der Couch auf und werfe der Uhr einen Blick zu. Noch 20 Minuten Pause bevor ich wieder los muss. Sie reicht mir ihren Becher. Ich nehme einen Schluck und setze mich neben sie an unseren kleinen weißen Rundentisch. „Danke!", dankbar lächel ich sie an und reiche ihr ihren Becher wieder. „Sonst irgendwas neues bei dir los?", frage ich sie und mustert sie. Sie sieht hübsch aus wie immer. Ausgeschlafen und ausgeglichen. Einmal hat sie mir anvertraut, dass sie mindestens eine Stunde laufen geht und eine Stunde Joga macht am Tag. Außerdem achtet sie penibel genau auf gesunde Ernährung. Man muss aber dazu sagen, dass sie manchmal ihre Ausnahme Tage hat, wie wenn sie zum Beispiel feiern geht oder wir alle zusammen essen gehen. Sie betonte, dass so was in ihrem Lifestyle sehr wichtig ist. „Hm", Sie scheint zu überlegen, wobei sie eine Strähne in ihre Hand nimmt und sie anschaut. „Meine Schwester war zu Besuch mit ihrem kleinen süßen Fratz." Ihre Augen leuchten nur so. „Ach er ist so ein goldiger Junge. Er liebt seine Tante und ich verwöhne ihn regelrecht nach Strich und Faden." Sie erzählt mir von einem Tag im Zoo mit ihren Neffen, dabei kommt mir meine eigene Tante in den Sinn. Die Tage oder Wochenenden mit ihr waren einer der schönsten.
Ich schrecke kurz auf, als der Stuhl neben mir heraus gezogen wurde und sich jemand darauf fallen hat lassen. Ich werfe der Person einen Blick zu. „Anscheinend kann man hier nicht einmal mehr in Ruhe sich ausruhen!", murmelt Giovanni und reibt sich über den kahlen Kopf. Ich sehe wie Nadine errötet. „Tut mir leid", aus dem Augenwinkel sehe ich Giovanni abwinken. Mein Blick schweift abermals zu der Uhr. „Ich kann es gar nicht abwarten bis meine Schicht heute zu ende ist und ich daheim in mein Bett fallen kann", verstehend nicke ich auf Nadines Worte. „Wer nicht. Ich werde so froh sein die nächste Woche eine Pause von dem ganzen hier zu haben. Nichts gegen euch, aber es wurde mal wieder Zeit", ich bemerke wie die beiden mich überrascht anschauen. „Du hast nächste Woche Urlaub? Wie kommt es das ich nichts davon mitbekommen habe?", ich zucke mit den Schultern. „Kurzfristig. Ich fahre mit meinen Bruder zu meinen Eltern und helfe ihnen ein wenig mit ihrem Hotel. Anscheinend ist momentan viel los", antworte ich meinen Kollegen. „Das ist ja nicht einmal wirklich Urlaub. Du machst dich irgendwann noch kaputt von lauter arbeiten!", wieder zucke ich mit den Schultern auf seine Worte. „Ich bin noch jung", jetzt mischt sich zu allem Überfluss Nadine in unser Gespräch ein. „Das heißt nicht, dass du dich schon in deinen jungen Jahren kaputt arbeiten sollst! Du sollst noch viel erleben und Spaß haben" - „Mir macht der Job doch Spaß", mir geht es gegen den Strich, wenn mir jemand versucht zu sagen wie ich mein Leben leben sollte. „Das meinte ich doch nicht", versucht sie noch einmal. Die Tür wird geöffnet und Fabian, der zur Tür rein kommt ist meine Rettung. „Setz dich ruhig meine Pause ist eh gleich vorbei, da kannst du deine schon starten", ich springe auf und mach meinen Platz frei und laufe aus den Pausenraum. „Man sieht sich!", rufe ich noch bevor ich die Tür hinter mir zu ziehe.
Ich trete aus dem Krankenhaus und die kühle Luft der Nacht weht mir entgegen. Ich atme tief ein und laufe auf den Parkplatz. Es ist noch dunkel , aber man kann schon regen Betrieb um das Krankenhaus wahrnehmen. Ein Zeichen dafür, dass sich die Leute für ihre Arbeit vorbereiten, während ich es für mich zumindestens für heute hinter mich gebracht habe und jetzt nach Hause fahren kann und mich in mein Bett fallen lassen kann. Ich drücke auf meinen Autoschlüssel und mein Auto gibt ein Click von sicher und gleichzeitig leuchten die Lampen kurz auf. Ich steige ein und stelle meine Tasche auf den Beifahrersitz, kurz schalte ich mein Handy an, dass ich seit meine Schicht um 20.30, nicht einmal angeschaut habe und sehe ein paar Nachrichten von Bi., von meiner Mutter und Miles. Ich öffne meinen Messager und lese zuerst die Nachrichten von meiner Mutter.
Hoffe du hast eine entspannte Nachtschicht!
Und schreib mir morgen, wann ihr los fährt.
Ich freue mich auf euren Besuch!!
Hab dich lieb und komm gut Daheim an!
Ich liebe meine Mutter. Schnell tippe ich noch eine Nachricht bevor ich auf den Chat mit Bianca gehe.
So einen Mist, dass du diese Nachtschicht noch aufs Auge gedrücktbekommen hast..
Heute hatte ich mich so auf einen Mädelsabend mit dir gefreut. Werden wir doch sicherlich nach holen, sobald du wieder da bist. Oder?
Naja dir einen super „Urlaub" mit deiner Familie.
Auch ihr tippe ich ich eine Nachricht, in welcher ich mich bedanke und ihr auch Bescheid sage, dass ich ihr noch unbedingt ein paar Sachen erzählen muss. Zum einen das mit Jared und zum anderen, dass mit meinen Bruder, der in meinem verdammten Wohnzimmer mit seinen Freunden gekifft hat. Ich sende die Nachricht, um schließlich auf den Chat von meinen Bruder und mir zu gehen. Seit dem Vorfall mit seinen Freunden, haben wir nicht viel mehr gesprochen.
Hab Nudeln gekocht.
Der Rest für dich steht in der Mikrowelle.
Ohne auf die Nachricht zu antworten schalte ich mein Handy aus und lege es in meine Handtasche. Ich starte den Motor. Auf nach Hause!
--
2466 Wörter
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro