Kapitel 9: Die Kraft des Friedens
(erzählt von Jasmin)
Gemeinsam versuchten Moritz, Lorenz, Felix und Michael Luisa hochzuheben. Erst nach einigen deprimierenden Anläufen gelang es ihnen, da sie Luisa immer so nahmen, dass es schmerzhaft für sie war.
Mir tat es auch weh, sie so zu sehen.
Ab und zu sagten entweder ich oder Nicole auch, sie sollen vorsichtig sein.
„Hast dun Glück, dass ich grad zu happy bin, um mit dir zu diskutieren", sagte Lorenz nur immer grinsend dazu.
Immerhin behielt er stets seinen Humor.
Doch meine Gedanken und meine Aufmerksamkeit veränderten sich schlagartig, wenn ich Luisas Gesicht sah. Ich hatte sie davor noch nie so blass gesehen. Nicht mal, als sie sich letztes Jahr im Sommer beim Weitspringen an einem Glassplitter, der da irgendwie rein gekommen war, ziemlich tief verletzt hatte. Lui fand ja Blut total eklig, weil sie sich immer vorstellte, was da alles für ein Zeug drin rum schwamm. Jedes Mal, wenn wir bei diesem Thema waren, zählte sie mir alles Mögliche auf: T-Lymphocyten, B-Lymphocyten, Makrophagen, rote und weiße Blutkörperchen und noch ein paar Bakterien. Tja, so was lernte man in Biologie.
Wie auch immer, vielleicht war sie deswegen auch so blass, was sie bei tiefen Wunden (und das war diese zweifelsohne!) grundsätzlich wurde. Aber das konnte ich mir nicht vorstellen. Ich glaube, es lag eher daran, dass sie dem Tod nahe kam.
„Cola?" Sie krächzte nur noch wie eine alte Frau.
Sofort war ihre Freundin zur Stelle und fragte unendlich traurig, obwohl sie seit ungefähr zehn Minuten einen Freund hatte: „Ja? Was ist los?"
„Friede" Sie stöhnte vor Schmerz. „Historytia braucht deinen Frieden. Ich würde euch ja gern helfen, aber" Sie sah an sich herunter. „uh, diese Wunde sieht wirklich mega unappetitlich aus. Nun ja, ich glaub, ich werd nicht im Stande sein"
„Ist schon okay"
„Find ich nicht, aber wenn du das meinst"
„Oh, Lui", seufzte Nicole nur.
„Ich weiß, dass... es unmöglich ist, den Tod meines und auch Moritz' Vater aufzuhalten, es gehört zur Geschichte dazu, aber immer hin möchte ich, dass er etwas länger leben kann und ich möchte, dass... diese verwirrten Menschen..." Die Tränen liefen ihr wirr übers Gesicht und verschluckten ihre Stimme. „eine Chance kriegen. Außerdem will ich nicht noch meine Mutter in der Vergangenheit verlieren. Vor allem nicht, wenn sie... schwanger ist... verstehst du? Würdest du es versuchen? Ich hoff, mein Tod lenkt dich nicht zu sehr ab"
„Du wirst nicht sterben, Lui..." Auch Nicole weinte. Ich glaube, das taten wir alle.
„Doch, das werde ich. Es wäre ein Wunder, wenn nicht" Ihre Worte machten mich unendlich traurig. „Ich bin kein kleines Mädchen mehr, dem man noch vor gaukeln kann, dass es den Weihnachtsmann und den Osterhasen gibt"
Urplötzlich standen wir vor dem Tor nach Fantasytia. Zum Glück war Moritz, bevor er uns kannte, bereits öfter in Historytia gewesen. Sonst hätten wir, und besonders Luisa, ein großes Problem gehabt.
Dieses Mal gab es auch kein langes Gespräch mit den Wachen, als sie sahen, dass wir es eilig hatten. Teilweise hatte es schon einen Vorteil, wenn man so was wie ein kleiner Star war.
Moritz setzte Luisa kurz ab. Es war erstaunlich, dass ihm nicht die Kraft ausging. „Okay, teilen wir uns hier auf. Michael, Felix und Lorenz, könnt ihr mir vielleicht helfen, ich weiß nicht, wie lange ich sie noch allein tragen kann?"
Michael und Felix nickten nur stumm und Lorenz sagte: „Nun ja, wenn Cola Historytia retten soll, bleib ich selbstverständlich hier"
Nicole lächelte.
„Oh, ja klar, Verzeihung", murmelte Moritz.
„Kein Problem"
„Meint ihr, wir brauchen sonst noch jemanden für die Rettung?", fragte Alexandra.
„Ich denke nicht", antwortete Moritz abwesend. „Friede ist so ziemlich das Einzige. Toleranz vielleicht noch, aber wenn sie erst wieder ihren Frieden haben, werden sie auch wieder tolerant gegenüber ihrer Herrscher sein" Er sah Nicole eindringlich an. „Kriegst du das hin?"
„Muss ich fast" Dann fügte sie Tränen erstickt hinzu: „Für Lui"
„Dann reisen also alle außer Nicole und Lorenz mit zum See der Träume und wenn ihr fertig seid, kommt ihr nach, okay? Wenn wir nicht mehr dort sind, werden wir im Schloss sein. Alles klar?"
Man hörte Moritz den Zeitdrang in der Stimme an. Er wollte so schnell wie möglich mit Tricia sprechen.
Erst jetzt musste ich wieder daran denken, wie Tricia Alexandras Fuß begutachtet hatte. Doch Alexandras Körper schien es anscheinend gewohnt zu sein, dass ständig etwas kaputt ging wie ihr Fuß, da dieser ihr überhaupt nicht wehtat.
Klar, als wir uns auf den Weg zum Tor nach Fantasytia gemacht hatten, hatte sie sich schon über leichte Schmerzen beklagt, doch das läge daran, dass sie sich angestrengt habe.
Wir nickten nur und selbst wenn jemand Einwände gehabt hätte, hätte Moritz bestimmt nur noch genervt reagiert.
„Lui, stirb mir nicht weg, ja?", sagte Nicole noch zu Lui, als die Jungs sie gerade weg tragen wollten.
„Ja, klar. Ich versuchs" Sie lächelte trotz allem.
Alexandra umarmte Nicole noch flüchtig. „Pass auf dich auf, Süße, okay? Und rette Historytia!"
Als sie sah, dass wir uns alle schon von Historytia verabschiedeten, rannte sie zum Tor und winkte ihrer besten Freundin nur noch. Ob ihr diese auch nachwinkte, wusste ich nicht, denn ich war schon längst im Strudel der Zeit und der verschiedenen Welten.
(erzählt von Nicole)
Da gingen sie und ich hatte keine Ahnung, ob Luisa noch leben sollte, wenn ich sie das nächste Mal sah. Auch wenn ich eigentlich immer versuchte, positiv zu denken, so fiel es mir heute schwer.
Luisa war meine Freundin. Vielleicht deswegen.
Ich hoffte nur, ich bekam es allein hin. Ohne, an Lui zu denken.
Okay, allein war ich nicht wirklich. Lorenz war da. Das war er förmlich immer. So auch jetzt, als er mir den Arm um die Schulter und seinen Kopf an meinen lehnte.
„Das wird schon"
So rebellisch er manchmal war, so ernst konnte er auch sein, wenn es drauf ankam. Und darauf konnte ich stolz sein. Ich hatte nicht nur einen Prinzen, der nur Witze machen konnte oder auch nicht nur einen, der niemals lachte und viel zu ernst war- nein, ich hatte einen, der beides war.
„Sie fehlt mir jetzt schon"
„Sie wird's schon überleben, meinst du nicht?"
„Ich weiß nicht. Mein Gefühl sagt mir was anderes"
„Dein Gefühl soll die Klappe halten", sagte Lorenz total ernst.
Ich nahm seine Hand und entfernte mich vom Tor, um die Wächter nicht zu stören. Es wunderte mich, dass die Wächter Luisa einfach so gehen ließen. Die Leute wollten Lui doch tot sehen, oder nicht? Nun ja, vielleicht waren die Wächter nicht so –na ja, wie sollte man die Leute schon nennen? - korrupt? Vielleicht mochten sie König und Königin. Sah sehr so aus.
Ich seufzte. „Ich glaub nicht, dass ich das wirklich sage, aber bevor ich erneut ein Land rette, muss ich das loswerden"
„Okay", erwiderte Lorenz leicht zweifelnd.
„Es ist nichts schlimmes", garantierte ich und sah ihn eindringlich in die rehbraunen Augen. „Ich liebe dich, Lorenz"
Er grinste breit, umarmte mich und fasste mir dabei am Hinterkopf in die Haare. Dann küsste er mich kurz und sanft. Ich lächelte ihn schüchtern an und verwandelte mich.
„Friede, erwache!" Helles Licht umfasste mich wie jedes schöne Mal und plötzlich stand Lorenz zwar nicht mehr nur als mein Prinz, sondern auch als mein Freund vor mir, dennoch war er immer noch sichtlich beeindruckt von meinem Anblick in der Verwandlung. Ich musste lachen. „Oh, komm schon. Du hast mich schon keine Ahnung wie oft verwandeln sehen und jedes Mal siehst du mich danach so an, als wäre ich Gott höchstpersönlich"
„Bist du das nicht?"
Oh, ja richtig.
„Ja, okay. Du weißt wie ich das meine"
„Jetzt wo ich dein Freund bin, muss ich dich doch erst recht anschmachten"
„Oh, Gott, du meinst es ernst"
„Sicher, vollkommen"
Na ja, so sah seine Mimik nicht gerade aus.
Ich wandte mich von ihm ab, schloss die Augen und hoffte instinktiv, dass es klappen würde, obwohl ich erst vor kurzer Zeit den Frieden gerufen hatte und eine meiner Freundinnen gerade am Sterben war.
Doch ich schaffte das. Ich musste es schaffen. Ich würde Luisas vielleicht letzten Wunsch erfüllen. Und wenn es das Letzte war, was ich tun würde. Da wollte ich, wenn es mir nicht gelingen sollte, lieber tot umfallen.
„Cola, das wird schon" Verwirrt drehte ich mich zu Lorenz um. „Na, du weißt doch, ich spüre deine Gefühle wie Verzweiflung oder Unsicherheit"
Wenig begeistert wandte ich mich wieder ab. Richtig, das vergaß ich grundsätzlich; wahrscheinlich weil es mir so seltsam vorkam. Ich meine, jetzt gab es auf der Welt wirklich genau einen Jungen, der in der Lage war, meine negativen Gefühle zu spüren. Und das war nicht mal eine Spinnerei eines Romantikers! Ich fand das alles noch ziemlich beängstigend.
Ich atmete tief aus und konzentrierte mich mit Absicht auf Luisa, die mein derzeitiges Symbol des Friedens sein sollte.
Ich flüsterte: „Friede, tut mir leid, dass ich dich erneut rufen muss, aber dieses Mal geht es nicht mehr um eine Freundin, sondern um ein Land. Historytia. Es braucht dich unbedingt, denn die Leute sind verwirrt und wissen nicht mehr was sie tun. Bitte gib ihnen deinen heilvollen Frieden" Ich dachte noch stärker an Lui. „Und wenn du noch willst, geh bitte zu Luisa. Falls sie stirbt und ich nicht bei ihr sein kann, will ich, dass sie immerhin friedlich stirbt. Ich danke dir" Dann öffnete ich wie immer die Augen und schleuderte die angesammelte Energie in den Himmel Historytias.
Ich hielt den Atem an. Hatte es geklappt? Ich sah Lorenz an, der nur mit den Schultern zuckte. Dann ging ich wieder zu ihm zurück und sah ihn verzweifelt an.
„Es hat sicher funktioniert", versuchte er mich aufzumuntern.
„Fehlt nur noch, dass du meine Gedanken lesen kannst", murmelte ich beleidigt. Warum hatte es nur nicht geklappt? Och, mist.
„Göttin! Die Göttin des Friedens!", hörte ich jemanden aufgeregt rufen. Lorenz und ich drehten uns verdutzt zu der Menschenmenge um. Ironischerweise war es ungefähr die Menschenmenge, die Luisa abgestochen haben (wenn man es jetzt mal grob ausdrückt).
Eigentlich war ich so sauer auf sie, dass ich sie am liebsten angegriffen hätte- vor allen, da dieser unmögliche Fred immer noch der Anführer der Gruppe war. Doch Lorenz hielt mich auf. Er merkte echt alles.
„Ich glaub, es hat funktioniert", teilte er mir mit.
Ich war völlig perplex. „Ach, wirklich?"
„Ja, schau mal. Die Leute, und dieser Fred, sehen total... menschlich aus"
Ich lachte laut auf. „Was? Menschlich?"
„Ja, als wir sie das erste Mal gesehen haben, sahen sie ja wenig menschlich aus, oder? Da sahen sie eher bedrohlich aus"
Ich nickte. So genau hatte ich mir die Leute nicht angesehen.
Dann standen sie direkt vor uns. Es war unmöglich, zu flüchten.
„Die Göttin des Friedens hat uns gerettet!", rief eine Frau.
Ja, jetzt wo ich so näher drüber nachdenke, kommt da noch n leider dazu, weil eigentlich habt ihr Idioten das ja nicht verdient, wagte ich, zu denken. Verzeih mir, Lui!
„Sieh mal Fred, ihre Freunde sind weg!", sagte wieder rum eine dicklichere Frau. Oh ja, die war mir vorhin schon aufgefallen.
Doch der Vollidiot Fred grummelte nur etwas Unverständliches.
Oh, halt nur die Klappe! Sonst polier ich dir dein Maul!
Da flüsterte Lorenz: „Kann es sein, dass du grad n bisschen gereizt bist? Was ist denn?"
„Dieser Fred", gab ich Zähne knirschend zur Antwort. „der macht mich ganz wuschlig. Der geht mir schrecklich auf die Nerven. Scheint fast so, als wär das so n ewiger Nörgler"
Lorenz seufzte. „Manchmal bist du richtig unfriedvoll drauf"
„Und manchmal verwendest du Wörter, die doch kein normaler Mensch benützt"
Schon wieder eine unnötige Diskussion. Na ja.
„Was wollt ihr?", fragte ich möglichst freundlich die dickliche Frau. Fred versuchte ich, zu ignorieren.
„Wir" Sie blickte kurz nach hinten zu den anderen, die nickend zustimmten. „würden uns gerne bei Ihnen bedanken. Wir wissen auch nicht, was mit uns los war. Eigentlich mögen wir unsere Herrscher. Sie sind noch sehr jung, aber besser, als es vielleicht ältere wären, verstehen Sie?"
„Sie brauchen mich wirklich nicht zu siezen" Wenn ich mit dieser Frau, die anscheinend mit Fred verheiratet war, redete, war plötzlich meine Ruhe und Freundlichkeit wieder da. Zum Glück. Nicht, dass ich einen erneuten Krieg auslöste.
„Oh, na gut" Sie dachte kurz nach. „Also, wir wollten uns nur bei Ihnen... äh, bei dir bedanken und fragen, wie es der doppelten Göttin geht. Ist sie weg?"
„Ja, sie ist weg", antwortete ich ernst. „Einer von Ihren Speeren hat sie in der Brust getroffen. Darauf hin hat sie wohl sehr viel Blut verloren. Sie sah nicht gut aus. Sie hat mich gebeten, es mit Frieden zu versuchen und anscheinend hat es geklappt. So wie alle ihre Ideen im Grunde" Ich musste schmunzeln und sprach weiter: „Die Anderen haben sie zu Tricia, einer Ärztin aus Fantasytia, gebracht und dort wollen wir auch hin"
„Oh, selbstverständlich", meinte die Frau. „Denkt ihr, sie wird sterben?"
Mir stockte der Atem, daher redete Lorenz für mich weiter: „Nun ja, um ehrlich zu sein, sieht es fast so aus" Ich sah meinen Prinz schockiert an. „Deswegen sag ich ja um ehrlich zu sein", erklärte er mir. Dann redete er wieder mit der Frau. „Wir hoffen natürlich nicht, dass sie stirbt, denn der Speer hat ja zum Glück ihr Herz verfehlt, aber auch, weil... sie immer auf die Ideen kommt, wie man das jeweilige Land rettet"
„Ihr wollt sicher zu ihr, richtig?", fragte die Frau.
„Ja", sagte ich sehnsüchtiger, als ich wollte.
„Ja, wir haben Moritz versprochen, sofort nachzukommen, wenn hier alles erledigt ist", ergänzte Lorenz sachlich.
Ich warf ihm einen bösen Blick zu. Wenn hier alles erledigt ist. Das war dann wohl doch ein bisschen unsensibel ausgedrückt. Zumindest war das meine Meinung.
„Ach ja, können Sie mir erklären, warum die Wächter unsere Freunde ohne einen bösen Kommentar oder so was einfach durchgelassen haben? Ich meine" Ich machte eine Pause. „Luisa, also die doppelte Göttin, war ja hier ein Feind"
„Ja, aber unsere Wachen waren nie unsere Meinung", antwortete eine andere Frau für die Dickliche.
Ich brachte nur ein stilles „Interessant" heraus und fügte hinzu:„Vielen Dank. Das habe ich mich schon die ganze Zeit gefragt"
„Echt?", fragte Lorenz.
„Ja", sagte ich schnippisch und belustigt. „du kannst ja nicht jedes meiner Gefühle spüren. Nur die Negativen. Und sich über was wundern ist ja nicht negativ"
„Wohl wahr", gab er zu.
„Na, siehst du?" Dazu sagte er nichts mehr. Er pustete sich lieber eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
So ein Spinner!
„Es...", druckste die dickliche Frau herum und senkte, wie alle anderen auch, betreten den Kopf. „tut uns wirklich leid, dass wir der doppelten Göttin so etwas angetan haben. Könntest du es ihr bitte sagen?"
Sie sah mich so flehend und reuevoll aus, dass ich niemals nein hätte sagen können. Das wäre auch falsch gewesen. Wenn Menschen oder Feen schon wahre Reue zeigten, sollte man diese Reue auch ernst und die Entschuldigung annehmen. Und ich als Göttin erst recht.
Ich nickte freundlich und wäre der Frau am liebsten um den Hals gefallen, doch so stark wie ich in dem Moment gerade konnte, gab ich zur Antwort: „Natürlich. Ich sehe Ihnen Ihre Reue wirklich an"
„Das freut uns", meinte die dickliche Frau.
Am liebsten hätte ich sie nach ihren Namen gefragt, aber das war dann wohl doch ein bisschen bescheuert, immerhin hatte einer ihrer Freunde meine Freundin abgeschossen. Lui wäre mir sicher nicht sauer, aber Recht wäre es ihr bestimmt auch nicht. So ignorierte ich dieses Bedürfnis.
„Dann beeilt euch mal", sprach uns die andere Frau zu.
„Ja, nicht, dass alles mit der doppelten Göttin vorbei ist", fügte die dickliche Frau ehrlich, aber sensibel, hinzu.
Nein, Lui stirbt nicht. Sie ist so ein lebensfroher Mensch! Das darf einfach nicht sein.
Ich weiß, es grenzte an Naivität so etwas zu denken, aber wie gesagt, ich war im Grunde ja ein positiv denkender Mensch.
Die beiden Frauen schubsten uns sanft und bestimmend in Richtung Tor.
„Geht schon"
„Und es tut uns wirklich Leid"
„Ich danke Ihnen", gab ich zurück und ließ zum Turm und bat die Wächter uns das Tor erneut zu öffnen.
Natürlich taten sie es. Es war wirklich schön, wenn man nicht immer diskutieren musste.
In Fantasytia angekommen, fiel mir erst jetzt wieder auf, dass ich die ganze Zeit in meiner Verwandlung gewesen war, doch das war jetzt nebensächlich. Ich behielt sie einfach und flog mit etwas größeren Flügeln (was echt praktisch war) neben Lorenz ins Schloss, weil am See der Träume keine Menschenseele mehr war. So hielten wir uns nicht lange auf. Wir hatten keine Zeit zu verlieren.
Während des Fluges, der übrigens der schrecklichste meines bisherigen Lebens war, betete ich in Gedanken tatsächlich zu Gott, obwohl ich eigentlich nicht an ihn glaubte (ja, ich weiß, ich muss das eigentlich als erdische Göttin): Bitte, oberster Gott, ich weiß, es ist vielleicht scheinheilig von mir, weil ich das letzte Mal vor vielen, vielen Jahren zu dir gebeten habe, aber es mir verdammt wichtig. Tut mir Leid, dass ich gerade das Wort >verdammt< gedacht habe. Also, es ist mir wirklich wichtig, dass du Luisa am Leben lässt. Bitte denk auch an die Prophezeiung, die ja normalerweise sowieso von dir stammt, wenn die Sagen und Legenden richtig sind. Denk bitte nicht falsch von mir, nur weil ich erst jetzt wieder zu dir bete, wo ich dich brauche, aber es ist wirklich, wirklich wichtig. Ich bitte dich. Und vielleicht glaube ich auch dann wieder an dich. Ich hoffe es. Dankeschön.
Ich seufzte.
Lorenz sah mich forschend an. „Du bist ganz schön verzweifelt, oder? Wenn du sogar zu Gott betest"
„Woher...?"
„Na ja, deine Mimik hat dich verraten, aber wer ist heutzutage noch religiös?", fragte er Achsel zuckend. „Nichts gegen die, die es noch sind. Meine Hochachtung, weil es ja nicht mehr so aussieht, als würde es...", plapperte er weiter.
Bis ich kicherte. „Ach, Lorenz. Ich versteh schon. Du hast ja Recht. Wir sind übrigens da"
Er schien ein bisschen überrascht zu sein, bereits schon am Schloss zu sein.
Die Wachen waren informiert und überprüften uns nicht mal, ob wir schon die waren, die wir vorgaben zu sein. Ja, das war verrückt, aber im Land der Fantasie schien es nicht schwer zu sein, die Form einer anderen Person einfach mal so anzunehmen. Ich fand das interessant.
Wir rannten und hasteten zu Luisas und Jasmins Zimmer, oder wo auch immer die hätten sein sollen, rissen ohne höflich anzuklopfen die Tür auf und blieben abrupt stehen, als uns alle anstarrten.
Ich glaube, Luisa wollte etwas sagen, doch wieder mal bekam sie nur einen Krächzer hin.
Wir gingen zu den anderen, die alle in einer Reihe um Luisas Bett standen, dennoch Tricia so viel Platz gaben, wie diese brauchte. Lediglich Jasmin und Felix, der beruhigend seinen Arm um sie hielt, saßen auf dem anderen Bett und Moritz, der am Boden bei Luisa kniete und ihre Hand hielt, während Tricia an ihr herumhantierte.
Alexandra belagerte mich augenblicklich und umarmte mich. „Da seit ihr ja! Wir haben uns schon gefragt, wo ihr bleibt"
„Tja ja, habt wahrscheinlich sonst was getrieben, oder?"
Luisa grummelte etwas und schrie dann vor Schmerz.
Lorenz und ich sahen schockiert zu ihr hin.
„Oh, nichts weiter", winkte meine beste Freundin ruhig ab. Ich war schockiert. „das passiert immer, wenn sie etwas aufregendes sagen will"
„Nicole...", bekam sie dann doch heraus. Ich flitzte zu ihr hin.
„Hi Lui"
„Hi" Sie hustete. „Und? Hats geklappt?"
„Ja, du wirst es nicht glauben, die Leute, die uns angegriffen und dich verletzt haben, sind noch mal zu uns gekommen und haben sich bei uns aufrichtig entschuldigt. So was habe ich noch nie gesehen. So viel Reue. Deswegen hat es auch etwas länger gedauert. Tut uns Leid. Wie geht's dir?", antwortete ich ohne recht viel Luft zu holen.
„Geht schon" Sie hustete erneut. „Ich hab mich vorhin noch bei Moritz entschuldigt. Du weißt ja, ich wurde ein bisschen... laut"
Moritz strich ihr übers Haar, da schrie Luisa wieder auf, so dass ich zusammen zuckte.
„Ganz ruhig", flüsterte Tricia.
Erst jetzt fiel mir auf, dass ihre Tochter Zarina auch hier war. Wahrscheinlich um ihrer Mutter zu assistieren und Luisa beizustehen. Immerhin waren die beiden Mal echt dicke befreundet gewesen- vor ziemlich genau 15 Jahren.
„Ich bin so stolz auf dich, Cola", flüsterte Luisa. Ihre Stimme versagte immer mehr und das tat mir in der Seele weh. Am liebsten hätte ich ihr ein bisschen Frieden abgegeben, doch den hatte ich heute schon so oft gerufen, dass ich mir nicht sicher war, ob ein drittes Mal noch gehen würde.
„Es freut mich, dass die Leute bereuen...", redete sie weiter.
„Psch", machte Moritz.
Ja, es war besser so.
Also wandte ich mich an Tricia: „Und? Wird sie wieder?"
Sie drehte sich zu mir. „Auf alle Fälle. Ihr Geist war noch nicht bereit, von uns zu gehen. Das kann sogar ich sehen, obwohl ich keine Todesfee bin" Dann fügte sie belustigt hinzu: „was allerdings als Ärztin eigentlich ziemlich praktisch wäre"
„Und das sehen sie einfach so?", fragte Nina beeindruckt.
Tricia kicherte. „Nun ja... Ja"
„Oh man, ich will auch n magisches Wesen sein!", kommentierte Nina und obwohl es ihr total schlecht ging, brachte Luisa noch ein genervtes Stöhnen hin.
Eigentlich war uns Nina selten eine große Hilfe gewesen- im Gegenteil- manchmal hatte sie es sogar gewagt, Luisas Idee in Frage zu stellen, was natürlich zu einem Streit führte, der niemanden weiterbrachte. Doch zur breiten (allgemein stimmte ja nicht ganz) Belustigung war sie ab und zu schon brauchbar. Aber ob das nötig wäre? Na ja, so hat doch jeder Mensch im Leben irgendeine Aufgabe.
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