Kapitel 5: Aus Angst
(erzählt von Luisa)
Moritz sah mich leicht irritiert an, durchschaute mich dann aber doch ziemlich schnell. Blöd, bescheuert- diese Situation war alles Mögliche.
„Äh ja, wie auch immer" Jasmin versuchte sichtlich die Kurve zu kriegen, damit hier niemand deprimiert war. „Die Bäume sehen also nicht so aus, wie Bäume eigentlich aussehen... sie sehen traurig und alt aus. Okay, das ist bei Bäumen relativ, aber ihr wisst, was ich meine, oder?" Wir nickten. „Gut. Ähm, genau, hat jemand einen Vorschlag?"
Sie sah erwartungsvoll in die Runde.
Ich hielt mich zurück; schließlich hatte ich bereits in Musica schon eine Idee gehabt und wollte mir von Nina nicht schon wieder etwas anhören müssen. Ich tat allerdings so, als würde ich intensiv nachdenken und dummerweise tat ich das ja dann auch wirklich.
Also. Die Bäume sahen nicht aus wie Bäume, das könnte an dem Boden liegen. Ich begutachtete ihn. Ja, der sah wirklich nicht gut aus.
Nun, zu den Bewohnern: Recht viel von denen gab es hier ja nicht, doch die, die uns beobachteten oder an uns vorbeigingen, sahen genauso unglücklich aus, wie die Bewohner von Japanitia vor unserer Ankunft ausgesehen hatten. Und die hatten echt trostlos ausgesehen.
Meister Yoshida hatte mal erzählt, dass es in Kreatitia mehr Fabelwesen als Bewohner gab, aber irgendwie waren mir schon seit langem keine Fabelwesen mehr vors Auge gekommen. Die Letzten waren eben die gewesen, die ich vorhin schon beschrieben hatte. Klar, hier liefen schon einige, seltsame Gestalten wie Einhörner rum, aber wie gesagt, ziemlich wenige. Vielleicht sahen die Feen-Bewohner deswegen ja so deprimiert aus.
Aber was war nur der Ursprung dieses Chaos?
Klar, Illona, aber was genau?
„Na, habt ihr echt keine Einfälle?", fragte Jasmin erneut und seufzte. „Hach, ich seh schon. Das wird schwerer, als erwartet"
„Es ist immer schwer. In Historytia und Futuresitia wird das auch nicht anders sein", meldete sich Felix traurig zu Wort.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das mein Verdienst war. Großartig, Lui, du machst einen netten Jungen unglücklich! Ja, gut, was konnte ich denn dafür, wenn ich mich irgendwie nicht in ihn verliebte? Wie gesagt, mit ihm zusammen zu sein, wäre sicher wesentlich einfacher, aber mein Hirn war manchmal eben kompliziert.
Jasmin war anscheinend ebenfalls über Felix' düstere Gedanken schockiert, da ihr der Atem stockte.
„Na ja", meinte Nina. „immerhin wissen wir dank Moritz Hang zur Ehrlichkeit, wer überhaupt unser Feind ist. Das ist doch schon mal sehr beruhigend und hilfreich"
„Wow, Nina, du wirst ja echt noch weise", witzelte ich und lachte. Zum Glück nahm sie das nicht ernst und lachte mit.
„Wir sollten das ernst nehmen" Felix. Ach herrje! Er schien wirklich deprimiert zu sein!
„Felix, kann ich mal kurz mit dir reden?", fragte Jasmin ihren Prinzen mit seltsamem Unterton. Ich wusste nicht, ob er streng oder genervt klingen sollte.
Felix nickte nur und folgte ihr mit gesenktem Kopf.
„Oh je, ich glaub, ich kann mir denken, worüber die Beiden reden", sagte Nicole.
„Ach, echt? Worüber denn?", fragte ihr Prinz.
„Na ja, er hat scheinbar irgendein Problem und das schon seit Moritz und Lui zusammen sind"
Ich lachte künstlich. Jap, Cola, das bringt es so ziemlich auf den Punkt.
(erzählt von Jasmin)
So ging das nicht weiter. Irgendetwas stimmte mit Felix nicht. Gut, ich konnte es mir denken. Wahrscheinlich waren Moritz und Luisa das Problem.
„Also, Felix", begann ich sachte. „was ist mit dir?"
„Was soll mit mir sein?"
Ich schmunzelte. „Hm, ich bin jetzt mal arrogant und behaupte, dass es schwer ist mich anzulügen, wenn ich merke, dass es etwas nicht stimmt. Die Leute behaupten immer, es ist alles bestens und meistens ist dann nichts in Ordnung" Ich seufzte. „Komm schon, Felix, ich bin dein Objekt des Schutzes. Du kannst auch problemlos in meiner Gefühlswelt herumschnüffeln und ich kann das leider nicht. Brauch ich auch nicht. Ich durchschau dich so auch"
Nun seufzte er. „Ja, okay. Ich komm damit einfach nicht klar, dass... dass Luisa und Moritz..."
Ich sah, dass es ihm schwer fiel. Aber das reichte auch schon. Ich streichelte ihm über die Schulter. „Glaub mir, Luisa weiß das und sie versucht auch Rücksicht auf dich zu nehmen. Hast du es vorhin nicht bemerkt?"
„Doch, schon, aber es tut mir trotzdem in der Seele weh..."
„Das weiß ich doch und sie auch"
Jetzt sah mir Felix tief und traurig in die Augen. „Ich hab nur langsam das Gefühl, dass mich nie ein Mädchen gut finden wird"
Ich verdrückte meine Tränen. Es war nicht der Moment um zu weinen. Vor allen doch nicht ich!
„Da mach dir mal keine Sorgen. Ich..." Ich war kurz davor, ihm zu erzählen, dass ich der Meinung war, dass Emiliara vielleicht ein Äuglein auf ihn geworfen haben könnte, doch ich wollte ihm keine falschen Hoffnungen machen und mich einmischen auch nicht. Und weil ich gerade mitten in einem Satz war, dies aber auch der Wahrheit entsprach, sagte ich stattdessen: „ Also, ich finde dich gut" Ich lächelte ihn aufmunternd an.
„Du zählst nicht"
„Ach so? Warum nicht?" Ja, gut, die Frage konnte ich mir eigentlich selbst beantworten. „Okay, ich bin dein Objekt des Schutzes, alles klar, aber trotzdem. Ist das wirklich der einzige Grund?" Er dachte kurz nach. „Oooder sagst du das nur, weil du Selbstmitleid machen willst?", ergänzte ich scharf.
„Nein!", rief er und fügte unsicher hinzu: „Keine Ahnung. Was weiß ich? Ich bin einfach nur traurig"
„Du wirst sicher noch ein nettes Mädel finden. Vielleicht ist es sogar ein magisches Wesen aus Fantasytia" Ich zwinkerte ihm zu. Eine kleine Andeutung. Ganz minimal. So konnte er sich selbst zusammen reimen, ob ich jemanden meinte und wenn ja, wen. Und er wenn er mich fragte, würde ich ihm eiskalt keine Antwort geben. Manchmal musste man dem Schicksal ein bisschen auf die Sprünge helfen und wenn es nur ein ganz, ganz kleines bisschen war.
Er seufzte und ließ den Kopf hängen. „Wenn du meinst..."
„Klar! So netter Typ wie du muss ja bald ne Freundin haben!"
„Und warum hat sich Luisa dann nicht in mich verliebt?" Mir blieb der Atem erneut stehen. „Was hat Moritz, was ich nicht habe?"
„Du darfst dich nicht mit ihm vergleichen"
„Ist es, weil er älter ist als ich?"
„Ich denke nicht"
„Ist es, weil er besser aussieht?"
„Nein! Niemals!", rief ich. Luisa mag vieles sein, aber oberflächlich war sie nicht.
„Oder weil er erwachsener ist als ich?"
„Aber Felix, du bist auch sehr erwachsen. Andere Jungs in deinem Alter würden die Mission hier gar nicht ernst nehmen"
„Schön, was ist es dann?"
„Ich weiß es nicht", gab ich resigniert zu. „Wahrscheinlich hatte Lui keinen Grund sich in ihn zu verlieben. Aber Felix, mal ehrlich: Du verliebst dich doch auch ohne Grund, oder? Oder hast du dich aus ganz bestimmten Gründen in Lui verliebt?"
Er starrte mich an. Ha! Ich glaube, ich hatte gerade einen Volltreffer gelandet!
„Einfach so. In ihren Charakter, in ihr Äußeres..."
„Na, siehst du? Und wahrscheinlich war es bei ihr genauso. Wie ich Lui kenne, wollte sie sich sogar gar nicht neu verlieben, denn du weißt ja, die Trennung von ihrem Exfreund ist noch nicht so lange her. Ich glaube, sie wollte eigentlich noch keine Beziehung, aber das passiert halt" Irgendwie kam ich mir vor wie seine Mutter. Na ja, so war das halt zwischen dem Objekt des Schutzes und dem Prinzen.
(erzählt von Luisa)
„Die reden aber echt lange", bemerkte Nina und sorgte so dafür, dass ich mir langsam Sorgen machte.
Ich schluckte. Oh ja, das war bescheuert. Aber total.
Doch da stöhnte Lorenz und fasste sich an den Kopf. „Hach, Leute, ich mag Felix ja echt gern, aber das Ganze lenkt doch nur unnötig von der Mission ab"
Nicole warf ihn einem bösen Blick zu.
Nur ein paar Sekunden später, kamen Jasmin und Felix auch schon zurück. Ich war ja echt gespannt, ob Felix das Gespräch mit Jasmin weiter geholfen hatte. Ich hoffte es. Bestimmt fand es Moritz auch bescheuert, immer so viel Rücksicht auf Felix nehmen zu müssen. Na gut, müssen war ein bisschen zu viel gesagt. Moritz und ich mussten eigentlich gar nichts.
Ich seufzte resigniert. Ja ja, es stimmte. Diese ganze Sache zwischen Moritz und mir machte die Missionen nicht wirklich einfacher. Oh, verdammt, daran hatte ich nicht gedacht! Augenblicklich schlug ich mir auf den Kopf und fluchte.
„Wo die Liebe hinfällt, Lui", unterbrach da Alexandra und grinste mich aufmunternd an. „Also, mach dir nichts draus. Ich mein, ich versteh ja auch nicht, wie sich Michael in mich verlieben konnte, ich weiß nur, dass es so ist und das ist doch das, was zählt"
Ich nickte stumm und lächelte. Auch wieder wahr.
„Seid ihr fertig?", fragte Nina mit genervtem Unterton. Jasmin nickte und Felix hatte weiterhin den Kopf gesenkt. Argh! „Dann ist es ja gut" Sie stand von ihrem Sitzplatz, einer mega fetten Baumwurzel, auf.
Wow, wie taktvoll von dir, Nina!, dachte ich mir zickig. Na ja, Taktgefühl war noch nie recht Ninas Stärke gewesen.
Lorenz klatschte in die Hände und stand, genau wie Nina es tat, von seinem Sitzplatz auf. Er und Nicole hatten sich nämlich, während Jasmin und Felix ein intensives Gespräch geführt hatten, neben Nina auf die Baumwurzel gesetzt. „Schön, schön. Dann können wir ja fortfahren. Oder wohl eher anfangen"
Dafür kassierte er einen erneuten bösen Blick von Nicole. Ich musste kichern. Der Gedanke, dass die Beiden Streithähne so gut wie ein Paar waren, war einfach total seltsam und witzig. Das würde ja was werden. Und seltsamerweise dachte ich schon mal gleich an den zukünftigen Versöhnungssex (fragt mich nicht wieso. Eigentlich ist ja Nina für so perverse Gedanken zuständig).
„Tut mir leid", meinte Felix dazu.
„Geht's dir jetzt besser?", fragte ich mütterlich.
„Ja, klar. Oder so"
Daraufhin pustete sich Jasmin eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ein eindeutiges Zeichen, dass noch nicht ganz alles klar war.
„Also, Leute, was wissen wir denn alles?", wechselte ich nach ein paar Sekunden von Warten das Thema.
„Dass Kreatitia eigentlich viel mehr Fabelwesen und Tiere als Feen hat", sagte Michael.
Ich schnipste mit den Fingern. „Genau das wollte ich hören! Danke, Michael" Er grinste. „ Aber jetzt sind diese Fabelwesen und Tiere, die vor kurzem, bevor Illona hier gewütet hat, noch so zahlreich in Kreatitia lebten, verschwunden. Und das bedeutet, dass sie aus irgendeinem Grund geflüchtet sein müssen"
„Könnte es denn sein, dass der Grund dafür die Veränderung in Kreatitia war?", fragte Jasmin.
„Wäre möglich"
„Aber was war denn die Veränderung überhaupt?", wollte Lorenz wissen.
Ich sah ihn an. „Nun ja, ich würde sagen, dass Illona dem Wachstum der Pflanzen irgendwie verschlechtert machen muss. Anders kann ich mir das wirklich nicht erklären. Und vielleicht sind die Fabelwesen geflüchtet, weil sie Angst vor dieser Veränderung haben"
Er nickte.
„Okay, also ist der veränderte Wachstum das Problem und die Fabelwesen und Tiere sind genau deswegen geflüchtet, weil sie damit nicht mehr klar kamen", fasste Nicole sachlich zusammen. Ich nickte nur dazu. „Cool, da wir ja jetzt das Problem und ihre Ursachen kennen, sollten wir es beheben"
„Du hast aber heute einen Tatendrang!", stellte Alexandra belustigt fest, woraufhin sie von ihrer hellblonden besten Freundin nur verwirrt angesehen wurde.
Dann herrschte wieder vollkommene Stille. Jeder dachte angestrengt nach- auch ich, nur um das dazu zusagen. Also, wer hatte alles welches Element? Hm.
Da war zum einen mal ich mit meiner Gerechtigkeit und meinem Wachstum. Na ja, Wachstum war schon mal brauchbar. Dann gab es Al mit Hoffnung. Auch nicht schlecht. Nicole hatte Frieden, was man sicher auch noch brauchen konnte. Nina hatte Talente. Hmmm, braucht man für Kreatitia Talent? Äh, vielleicht um sich von Ast zu Ast zu hangeln? Okay, Nina war also nicht notwendig (jetzt bitte nicht fies denken). Jasmin hatte Toleranz, wo ich mir auch nicht ganz sicher war, ob wir das brauchen würden. Toleranz gab es hier, da war ich mir sicher. Allerdings vielleicht konnte es ja nie schaden, wenn man einem geschädigten Land auch noch Talent und Toleranz anbot. Tja, und zuletzt gab es da noch Michael mit seiner Lebensfreude als Element. Also, das war ja echt total brauchbar! Lebensfreude fehlte Kreatitia mittlerweile; das sah ja ein Blinder mit nem Krückstock.
Insgesamt konnte mal also sagen, dass wir Nicole, Al, Michael und mich brauchten und wenn wir Bock drauf hatten, auch noch Jasmin und Nina.
Meine Gedankenergebnisse teilte ich den anderen sogleich mit. Die Meisten fanden sie gut und Lorenz meinte sogar, dass meine Fantasie für die Lösung von Problemen echt praktisch war. Ich lief erstmal fleißig rot an. Nur Nina blieb noch ein bisschen skeptisch, hatte allerdings keine Gegenargumente und hielt so (zum Glück) die Klappe. Gut so. So musste ich wenigstens nicht wieder feststellen, wie faul sie manchmal war.
Al hüpfte auf, obwohl ihr Fuß noch lange nicht verheilt war und kassierte gleich wieder strenge, väterliche Töne von ihrem Freund und Beschützer. „Ja ja, ich weiß schon. Ich soll meinen Fuß schonen, bla bla bla"
„Nichts da bla bla bla!", schimpfte Michael weiter. „Du spinnst doch, wenn du so rumhüpfst!"
„Sicher, du weißt doch, dass ich spinne"
„Ach, du nimmst mich einfach nicht ernst"
„Doch, das tu ich"
„Oh, Al! Du treibst mich echt noch in den Wahnsinn!"
„Ja, klar. Dafür bin ich ja da und außerdem liebst du mich doch für meine Verrücktheit, oder nicht?" Sie strich ihm über die Wange und zog einen Schmollmund.
„Ja, schon"
„Na, siehste?" Michael stöhnte und schüttelte den Kopf.
„Oh je, oh je, Cola, wenn wir auch so schlimm werden und ständig vor irgendwelchen Leute rumflirten, will ich besser nicht mit dir zusammen sein", meinte Lorenz mit hochgezogenen Augenbrauen.
Nicole schlug mit ihrer Hand auf seine Schulter. „Ach, komm. So viel wert wie du auf die Meinung Anderer legst, wird das bestimmt nicht passieren. Und wenn doch, ist das doch nur süß" Sie wuschelte ihm durch die Haare.
Ich sah, dass Jasmin Felix intensiv beäugte. Ja, für ihn musste dieses Rumgeflirte noch schlimmer sein, als für Lorenz. Und als ich zu meiner Rechten sah, wo mich Moritz mit ernster Miene begutachtete, wurde mir klar, dass ich eingreifen musste oder es eher wollte. Ich hatte ja nichts gegen Felix.
„Okay, okay, Leute, können wir bitte wieder etwas sachlicher werden?"
Jasmin warf mir einen dankbaren Blick zu.
„Warum denn? Du kannst ja gern mitmachen", bot mir Alexandra an. Ich seufzte, setzte einen bösen Blick auf und zeigte kurz und unauffällig mit meinem Kopf auf Felix. Sofort verstand sie.
„Ich finds aber auch übel", meldete sich Nina. „Wenn ich das mit Sebastian machen würde, würdet ihr euch sicher auch alle beschweren"
„Ja, aber auch nur, weil wir Sebastian nicht ausstehen können", gegenargumentierte Nicole.
„Aber ihr kennt ihn doch gar nicht!"
„Na ja, wir haben's ja neulich mitbekommen, wie ihr über ihn geredet habt und das war eindeutig. Nicht wahr, Al?" Cola sah ihre zierliche beste Freundin an, die breit grinsend zustimmte.
Ich lachte. „Okay. Zurück zum Thema, wenn ich bitten darf. Also, seid ihr damit einverstanden, dass Al, Michael, Cola und ich die Arbeit machen?"
„Aber sicher!", meinte Nina blitzschnell. Seufz, was sollte man nur dazu sagen?
„Na schön", fuhr ich fort. „habt ihr" Ich sah die Drei an. „auch kein Problem damit?"
„Ne, ne", versicherte Nicole.
„Na ja, prinzipiell hab ich keins- das stimmt schon- aber ich mach mir Sorgen um Al. Du weißt doch, sie sollte sich besser nicht verwandeln und anstrengen", wandte Michael ein. Oh Mist, daran hatte ich nicht gedacht!
„Ach, Pustekuchen!", winkte diese ab. „Trau mir doch mal was zu! Wenn ich mich überanstrenge, verwandele ich mich zurück und muss euch wohl oder übel bei der Arbeit zusehen. Das werdet ihr doch sicher verstehen, oder? Aber vielleicht wird das ja gar nicht erst passieren. Oh, Michael, ich will nicht nur zusehen, nur weil ich so ein hyperaktiver Mensch bin. Ich will etwas tun!"
„Vielleicht sollte ich mir auch mal was brechen", meinte Nina. Ich warf ihr einen verdammt bösen Blick zu.
„Alles klar. Dann legen wir mal los", sagte Nicole und sprang auf.
„Ja, definitiv", lachte Alexandra. „Du hast heute einen besonders hohen Tatendrang"
„Und du redest heute besonders seltsam", lachte Nicole entgegen.
Nun ja, auch wenn Al blond und blauäugig war (im Grunde wie ich. Wo ich mich ja frage, warum ich um alles in der Welt blaue Augen habe, wo doch die Königin so stechend grüne hat), kam sie einen manchmal sehr, sehr intelligent vor. Gut, dumm war sie keineswegs. Nur manche Leute behaupteten, dass sie dumm war- warum auch immer. Fazit: Man sollte sie niemals unterschätzen, denn irgendwann würde es einen Punkt geben, an dem sie ausflippt und da will ich lieber nicht ihr Feind sein. Stimmt, ich hatte sie noch nie ausflippen gesehen (war vielleicht auch besser so). Nun fragte ich mich, ob Cola sie schon mal so richtig ausrasten gesehen hatte. Hm, keine Ahnung. War ja auch egal.
„Pf, Liebe beflügelt", beendete Alexandra die (für mich) sinnlose und noch relativ ruhige Diskussion.
„Und macht blind, naiv und tolerant", ergänzte ich seufzend und schulterzuckend. Meine These. Liebe macht blind, naiv und tolerant. Oder findet ihr nicht? „Lasst uns die Angst vertreiben und wieder Glück nach Kreatitia bringen!" Ich war aufgesprungen und hatte meine Hände noch oben zu einer Faust geschlossen.
„Jaaaa!", grölten alle. Erstaunlich, wie euphorisch wir in dem Moment waren.
Nicole, Alexandra, Michael und ich stellten uns abseits von der Gruppe und wir Mädels verwandelten uns, während Michael seinen Pfeil und Bogen rief. Und dann ging's schon los. Die Anderen feuerten uns fleißig an. Hm ja, das war schon seltsam. Mittlerweile hatten wir das Länder retten echt drauf, würde ich jetzt mal selbstbewusst und leicht arrogant sagen.
Ich sah meine verwandelten Freunde nach der Reihe nach an und war unglaublich stolz. Nicole, die Blondine mit Niveau, Mumm und Intelligenz, Alexandra, anders als die Menschheit und Michael, der etwas ruhige, vernünftige und väterliche Freund von Alexandra. Er hatte es auch nicht einfach mit seiner Familie. Nun ja, gut, ich hätte ne bösartigere Mutter als die Königin erwischen können, aber trotzdem hatte ich das Gefühl, sie setzt mich ein bisschen unter Druck wegen dem ganzen Königinmist, der bald auf mich warten würde.
Doch auch meine Freunde, die nicht verwandelt waren und abseits von uns standen, begutachtete ich voller Stolz. Nina, bei der ich immer noch Hoffnungen hatte, dass sie ihr Wissen nur unterdrückte, das allerdings bei Dingen wie Exorzismus und anderen Foltermethoden zum Vorschein kam, Jasmin, meine ruhige, verständnisvolle und talentierte beste Freundin, Lorenz, der hoffentlich bald meine temperamentvolle blonde Freundin Nicole glücklich machen würde, Felix, mein Verehrer mit dem ich eigentlich nur befreundet sein wollte und mein Moritz- süß, tiefgründig und immer noch ein bisschen hilfsbedürftig (sein Selbstwertgefühl war immer noch nicht normal. Noch viel zu niedrig).
Zuerst wusste niemand so recht, wer anfangen sollte und schließlich beschloss Michael, den Anfang zu machen, damit ich es nicht tun musste. Ich war ihm sehr dankbar dafür. Ich hasste es, wenn mir gezeigt wurde, wie besonders ich eigentlich war- sogar in Fantasytia. Ich meine, dass ich größtenteils anders war als die Menschheit (wie bei Al) auf der Erde, dafür schämte ich mich nicht. Es war auch irgendwie ein Kompliment. Doch auch noch in Fantasytia anders zu sein, war echt anstrengend. Ich war nicht nur die Thronfolgerin, sondern auch noch eine doppelte( hallo? Auch noch eine Doppelte!!) Göttin. Das hieß, der oberste Gott, an dem ich immer noch nur teilweise glaubte, musste ja viel von mir halten. Oder auch nicht. Ich hoffte ja das Zweite. Wenn allerdings doch das Erste gelten sollte, würde das auch nur wieder bedeuten, dass ich anders war. Schlecht, das wäre einfach nur schlecht und übel.
Also, Michael begann unsere „Rettungsaktion", indem er die Augen schloss und folgendes sagte: „Lebensfreude, als dein Wächter befehle ich dir feierlich, kehre zurück an diesen Ort, der noch vor Kurzem dein Zuhause war" Dann öffnete er seine Augen und streckte seine Hände in den glasklaren Himmel, den man nur an manchen Stellen sehen konnte aufgrund der hohen Bäume.
Wow, mega cool gesagt, Michael!, dachte ich mir beeindruckt.
Ich wollte gerade weitermachen, als dies allerdings Al für mich übernahm: „Hoffnung, auch du wirst hier gebraucht. Kehre zurück und spende deine Energie, damit hier endlich wieder alles so laufen kann wie früher" Sie öffnete genau wie ihr Freund die Augen und streckte die Hände in den Himmel. Dann zwinkerte sie mir zu. Alles klar.
Ich dachte kurz nach. „Wachstum, heute brauche ich nur dich, denn Gerechtigkeit gibt es hier, so weit ich als unwürdiger Mensch beurteilen kann. So komme zu mir, Wachstum, und kehre zurück zu dem Ort deines Ursprungs, Kreatitia" Ich tat es dem wohl verrücktesten Pärchen der Welt nach, in dem ich die Augen öffnete und meine Macht in den Himmel warf.
„Und als letztes brauchen wir das wohl Wichtigste, was es im gesamten Universum gibt. Friede, komm zu mir und diesen Ort, Kreatitia, denn die Bewohner- egal ob Tier oder Fee-, braucht dich. So komme und helfe!" Nicole machte genau dasselbe wie Michael, Alexandra und ich und schleuderte ihre helle Macht in den Himmel. Ein paar Sekunden später flammte ganz kurz ein kleines Feuerwerk auf und flog in alle Richtungen.
„Boah, geil", hörte ich Nina flüstern. Wunderschön, jap.
Gut, es hatte funktioniert. Also konnten wir ja wieder nachhause gehen. Ich weiß, das klang kalt und gefühllos, aber irgendwie war ich müde. Fragt mich nicht wieso. Vielleicht hatte mich mein Ohnmachtsanfall von vorhin so fertig gemacht, ohne dass ich das mitbekommen hätte.
Wir gingen schweigend in die Richtung, aus der wir gekommen waren, und mussten höchst erfreut feststellen, wie gute Arbeit wir geleistet hatten. Nicole kassierte bei jeder Feststellung einen Kuss von Lorenz. Süß, auch wenn ich mir eine Beziehung zwischen den Beiden immer noch wenig harmonisch vorstellen konnte. Vielleicht war es ja gut, dass sie bis jetzt nur halbwegs zusammen waren, um eine zukünftige Beziehung erstmal austesten zu können. Eine vernünftige Entscheidung.
Wir gingen und gingen und plötzlich standen wir vor dem Tor in Kreatitia, das uns eigentlich wieder zurück nach Fantasytia bringen sollte, und hatten keine Ahnung, wie wir es öffnen sollten. In Musica gab es einen Turm mit Wächtern und in Japanitia wahrscheinlich auch, nur hatten wir die ja dank Illona nicht kennen gelernt.
Lorenz drehte sich seufzend zu uns um. „Und? Was machen wir jetzt?"
Tja, das war die große Preisfrage.
„Gibt es hier keinen Turm, wo so Wächter das Tor bewachen?", fragte Alexandra.
Lorenz sah sie an. „Du meinst, wie in Musica?" Meine Freundin nickte.
Moritz sah sich um. „Doch, doch, ich bin mir sicher, dass meine Mutter mal vor einigen Jahren erwähnt hat, dass jedes Fantasieland Wächter hat, die das Tor von der anderen Seite bewachen"
„Was meinst du mit anderen Seite?", fragte Nina.
„Zarina bewacht auf der Seite in Fantasytia und die Wächter des jeweiligen Landes bewachen das Tor aus ihrem Land", erklärte mein Freund.
„Ach so, ja klar", bestätigte Nina.
Ich seufzte. Ach herrje, gab es hier wirklich keinen Wächter?
„He, was treibt ihr da unten?", rief plötzlich jemand von einem Baum herunter.
Ein Wächter, oh mein Gott! Da stand wirklich ein Wächter und schrie uns an! Okay, das letzte Detail war eigentlich wenig erfreulich, aber trotzdem. Es war ein Wächter!
„Äh, hallo, Sie da!", entgegnete ich schreiend und winkte fleißig dazu.
„Was wollt ihr?", fragte der Wächter unhöflich.
Ja, was wohl? Nach Hause wollen wir, Sie Vollidiot! Der Typ machte mich wütend. Was war das denn für eine bescheuerte Frage?
Ich stöhnte genervt und fasste mir an den Kopf.
Nicole sah das und redete für mich so ganz wie die Göttin des Friedens, weiter: „Wir sind die Götter und Prinzen und äh Moritz und wollen zurück nach Fantasytia. Können Sie das Tor öffnen?"
„Sicher kann ich das"
„Warum sitzen Sie in einem Baum?", fragte Alexandra.
Der Wächter sah sie verdutzt an. „Weil wir in Kreatitia der Natur sehr verbunden sind, aber das müsstest du als Göttin doch wissen, oder nicht?"
„Hören Sie mal zu, Sie Vollidiot! Wir haben gerade Ihre Heimat gerettet, also sollten Sie uns besser dankbar sein, als hier so selbstgefällig und allwissend zu tun", schrie ich ihn an.
„Und du solltest dich als Göttin nicht so aufführen"
„Ich bin nur genervt!"
Da schritt Moritz ein. „Ganz ruhig. Öffnen Sie uns nun das Tor oder nicht?"
„Er hat ja nun keine andere Wahl, oder? Dieser... dieser... völlig verblödete..."
Weiter kam ich nicht mehr, da mich Jasmin beruhigte: „Ach, Lui, was ist denn nur los mit dir?"
„Der Typ kommt sich voll cool vor. Warum auch immer. Außerdem will ich nachhause"
Sie nickte wehmütig und schien zu verstehen. Mich machten Angeber einfach wütend. Vor allen da sie meistens dann doch total untalentierte Leute waren, die ihr Leben einfach spannender machen wollten. Tja, selbst im Land der Fantasie schien es solche Leute zu geben.
„Freilich öffne ich euch das Tor", gab der Wächter meinem Freund endlich zur Antwort.
„Das ist sehr freundlich von Ihnen", meinte Moritz.
Ich sah ihn finster an. „Was? Das ist sein Job, verdammt!"
„Beruhig dich doch. Wir sollten nett zu ihm sein. Sonst lässt er uns vielleicht nicht durch", sagte Jasmin seelenruhig und ich wünschte, ich hätte auch so ruhig sein können.
„Das darf er gar nicht. Er kann und darf uns nicht hier festhalten, wenn wir keine Kriminellen sind", gegenargumentierte Moritz. Dankeschön! Genau das wollte ich auch gerade sagen!
Der völlig verblödete Wächter öffnete uns nach gefühlten Stunden eeendlich das Tor und war bestimmt auch froh, uns los zu sein. Schön, das beruhte auf Gegenseitigkeit. Zumindest von meiner Seite her.
„Möchtegern-King", zischte ich nur, als ich das Tor betrat. Und ich spürte, dass Moritz grinste.
„Vielen Dank", sagte er stattdessen zum Wächter und ging nach mir ins Tor.
„Tschau tschau", sagte Nina und winkte dem Wächter zu.
Und dann war das Tor auch schon wieder geschlossen. Zum Glück. Länger hätte ich diesen Typ nicht mehr ausgehalten. So war ich einfach nur froh, den See der Träume und Fantasytia wieder zusehen. Ich seufzte erleichtert.
Das Erste, was jemand in Fantasytia zu mir sagte, war Moritz' beeindrucktes und liebes „Ich steh drauf, wenn du Leute beschimpfst". Das brachte mich zum schmunzeln.
„Es hat mir schon gefallen, wie du mit meiner Mutter umgegangen bist, aber das war viiiel besser"
„Na dann, freut mich, dass es dir gefällt"
„Was hat dich denn so gestört?"
„Dass er sich cool vorkam"
Er lachte. „Oh, wow, das ist genial"
Ganz sanft schlug ich Moritz auf die Schulter, schnalzte mit meiner Zunge und wandte mich von ihm ab.
Wir riefen Zarina, nur um ihr mitzuteilen, dass alles- außer die Sache mit dem Tor- gut gelaufen war und das jetzt alles wieder in Butter war in Kreatitia. Dann hüpfte sie wieder in den See und wir verabschiedeten uns für eine Woche. Bis es hieß: Historytia retten.
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