Kapitel 2: Mein nerviger Freund und ich
(Kurze Triggerwarnung: Bitte lest das Kapitel nicht, wenn ihr sehr sensibel für das Thema Selbstmord etc. seid ... ich möchte niemanden auf den Schlips treten oder verletzen, da ich selbst bei dem Thema sensibler bin (was ich damals noch nicht war). Ich kann euch ehrlich gesagt nicht sagen, was ich mir damals dabei gedacht habe, so was zu schreiben. So naiv wie ich damals war, habe ich wahrscheinlich gar nichts gedacht. Danke für euer Verständnis!)
(erzählt von Nina)
Irgendwie sah Lui am Montag in der Schule immer noch ziemlich nachdenklich aus. Jasmin erzählte mir nur, dass Lui über ihren Vater nachdachte und wie sie es schaffen sollte, so zu tun, als wäre der Mord an ihm nie passiert. Aber niemand verlangte doch von ihr, das zu verdrängen, oder?
Na ja, manchmal war Lui schon ein bisschen kompliziert.
Am liebsten hätte ich mich heute darüber mit Sebastian beraten, aber mein Freund wusste ja nicht mal, wer ich wirklich war. Ich glaube, er würde es mir nicht mal glauben, dass seine Nina, die Göttin der Talente war. Oder wer weiß? vielleicht würde er es doch glauben. Keine Ahnung. So wenig Freiraum wie er mir manchmal ließ, fragte ich mich oft, ob er außer mir niemanden hatte. Und manchmal war es gar nicht so einfach seine Nummer eins zu sein. Wenn ich nämlich nur seine Nummer zwei wäre, hätte ich wesentlich mehr Freiraum. Aber man konnte ja nicht alles haben.
Ich war wieder mal zu Besuch bei Sebastian und fragte mich erneut, ob ich nicht mittlerweile schon öfter bei ihm, als bei mir selbst zuhause, war. Schluss machen ging auch nicht. Das hatte ich schon mal gemacht. Ich hab gemerkt, dass ich mein Leben schon total nach ihm ausgerichtet hatte und es mir vollkommen unmöglich war, mein altes Leben wieder zu leben (bescheuert, ich weiß). Und Sebastian hatte es anscheinend nicht verstanden, dass ich Schluss gemacht hatte. Wie würde Luisa jetzt sagen? „Tja, er ist nun mal naiver als ein Haufen Justin Bieber-Fans"
„Woran denkst du, Nina?", störte Sebastian meine Gedankengänge.
„Hä?"
Er kam zu mir und küsste mich. „Du denkst zurzeit sehr oft an etwas. Was hast du vor?"
„Nein, was sollte ich denn vorhaben?"
„Ich weiß nicht" Dann sah er mich eindringlich und flirtend an. „Willst du vielleicht endlich...?"
Ich hüpfte von seinem Bett, stellte mich vor ihn hin und stemmte die Hände in die Hüften. „Wie oft denn noch? Nein! Ich bin noch nicht so weit. Ich bin erst 14. Niemand verlangt von mir, schon bereit dazu zu sein"
Sagte ich doch. Der Typ ließ mir überhaupt keinen Freiraum. Schon seit Monaten fragte er mich ständig, ob ich mich endlich von ihm entjungfern lassen wolle. Vielleicht war ich anhänglich, aber drängen ließ ich mich nicht!
„Allmählich glaube ich wirklich, du willst mit mir nur ins Bett"
„Aber Nina, wir sind schon seit 10 Monaten zusammen. Wie lange brauchst du denn noch?"
„So lange wie ich will, du Idiot! Wenn du es endlich tun willst, hol dir irgendne Bitch und mach!" Dann hätte ich einen wunderbaren Grund um endlich richtig mit dir Schluss zu machen.
„Du willst, dass ich dich betrüge?", fragte er mich verdutzt.
Ja, verdammt! Ich schüttelte meine wahren Gefühle ab und sagte stattdessen: „Nein, natürlich nicht. Hör einfach nur auf, mich ständig mit dem Thema zu nerven, okay?"
„Alles was du willst, Baby"
Wenn ihr euch jetzt fragt, wie ich es mit so einem Typen aushalte, dann kann ich euch sagen, dass ich es NICHT aushalte. Am liebsten würde ich manchmal einfach Selbstmord begehen, ihm noch einen Brief hinterlassen und ihm sagen, warum ich Selbstmord begehe. Und nichts und niemand könnte mich davon abhalten. Doch jetzt wo ich auch noch die Göttin der Talente war, ging das schon mal dreimal nicht. Mein Leben war bescheuert und ich wusste nicht, wie ich es ändern sollte. Wenn ich Luisa und Jasmin um Rat gebeten hatte, sagten sie mir immer dasselbe: „Mach einfach Schluss mit ihm. Und zwar so, dass er es einfach verstehen muss", hatte Luisa immer gesagt.
„Genau. Und wenn er dich zurück will, bleib hart und leb dein altes Leben wieder. Wir werden dir gerne dabei helfen, von ihm weg zu kommen", ergänzte Jasmin jedes Mal.
„Jap, du schaffst das schon"
Ich hatte mich schon so daran gewöhnt, wenig Freizeit allein zu haben, dass ich nicht mehr wusste, wie es war, mal stundenlang allein zu sein. Luisa fand es unemanzipiert( was auch immer das heißen soll) und Jasmin fand es unglaublich. Doch was sollte ich tun?
„Du verheimlichst doch etwas vor mir", unterbrach mich mein nerviger Freund erneut.
Ich setzte mich wieder neben ihn. „Nein. Okay, doch schon, aber ich darf es dir erst in ein paar Wochen oder Monaten erzählen. Es tut mir Leid, aber ich habs versprochen"
„Bist du schwanger?" Ich blinzelte ihn empört an. „Okay, stimmt. Du bist noch Jungfrau. Aber was ist es dann?"
„Selbst wenn ich dir jetzt n Tipp geben würde, würdest du nicht drauf kommen. Bestimmt nicht", erklärte ich.
„Willst du Schluss machen?"
Und schon wieder ja. „Nein"
„Mir gefällt das gar nicht, aber wenn du meinst..."
Ich pustete genervt eine Haarsträhne aus meinem Gesicht. „Vertrau mir einfach" Dann setzte ich mich auf seinen Sessel und dachte intensiv nach, wie ich hier am besten rauskam. Klar, Schluss machen, aber jetzt? So plötzlich? Ne, das würde er gar nicht kapieren. Ich meine, er hatte es ja schon nicht kapiert, als es fast unmöglich war, es nicht zu verstehen und trotzdem hatte er gedacht, ich brauchte nur ein paar Tage meine Ruhe und meldete mich deswegen nicht. Er war halt so naiv wien Justin-Bieber-Fan. Na ja, wir konnten ja nicht alle intelligent sein. Da durfte ich mich doch wirklich allmählich fragen, warum ich überhaupt mit so einen zusammengekommen war.
Na ja, das war einfach zu erklären. Eine Freundin von mir war ziemlich lange mit ihm zusammen gewesen und hatte es irgendwann bereut, in jemals als Freund angesehen zu haben. Ich, damals noch total ahnungslos, hatte sie überhaupt nicht verstanden. Er war doch so süß und zuvorkommend. Ja ja, klar, doch das genau diese zwei Eigenschaften mir auch mal Probleme bereiten würden, hätte ich damals nie für möglich gehalten. Hinterher war man immer schlauer. Tja, so war ich mit ihm zusammen gekommen. Meine Freundin hatte mit ihm Schluss gemacht und irgendwann hatten Sebastian und ich uns geküsst und hatten beschlossen, ein Paar zu werden. Meine Freundin hatte mich bestimmt tausendmal vorgewarnt, ich solle bloß nicht mit Sebastian zusammen gehen. Doch wie heißt es so schön? Liebe macht blind. Und Luisa fügte sogar noch immer die Wörtchen naiv und tolerant zu dem weltberühmten Spruch hinzu. Mittlerweile wurde ich selbst Opfer dieses Spruches und musste Luisa Recht geben, dass Liebe einen auch naiver und toleranter machte. Wenn es nur alles einfacher wäre...
„Weißt du, was mir auch gerade auffällt?" Gott, wie oft störte dieser Typ noch meine Gedankengänge! Ich versuchte einigermaßen interessiert auszusehen, wusste aber nicht, ob es mir gelang. „Du hast zurzeit auch weniger Zeit für mich. Fällt dir das nicht auf?"
„Doch, klar, aber findest du es denn wirklich notwendig, dass wir uns jeden Tag sehen? Weißt du, ich will einfach noch ein bisschen mein Leben leben"
„Das tust du doch"
„Äh, nein", sagte ich genervt. „Ich habe das Gefühl, ich lebe nur noch für dich und das ist nicht Sinn und Zweck einer Beziehung, finde ich"
„Eine Beziehung muss nicht Sinn und Zweck ergeben", beharrte Sebastian ehrgeizig.
„Vertraust du mir echt so wenig, dass du befürchtest, ich könnte eventuell nen Anderen haben und dass du mich deswegen jeden Tag sehen willst?"
„Nein"
„Bist du dir sicher?"
„Ja, klar"
„Weißt du, ich hab sehr oft das Gefühl, wir leben uns auseinander..."
„Ach so? Das Gefühl hab ich nicht"
„Ja, weil du auch..."
„Weil ich?"
Toll, was sollte ich jetzt sagen? Das, was ich am liebsten gesagt hätte, wäre zu krass und ehrlich gewesen. So Luisa-Style. Oder findet ihr weil du mir langsam auf die Nerven gehst und verdammt naiv bist passend? Wohl kaum. Ach, Mist.
„Ja, also?" Ach ja, er erwartete ja ne Antwort von mir.
Sollte ich es wirklich riskieren, ihn zu verlieren? Ja, sollte ich. Genau das willst du doch auch, wenn du ehrlich zu dir selbst bist. Ich räusperte mich. „Sebastian, diese Beziehung führt zu nichts. Du engst mich ein, du nimmst mir mein Leben und sorgst dafür, dass ich mich selbst anlüge. Ich hab das Gefühl, ich ersticke"
Wow, was für theatralische Worte!
Er sagte nichts. Er sah mich nur mit hochgezogenen Augenbrauen an. Unsicher fuhr ich fort: „So. Das wars. Mehr hab ich dir nicht zu sagen. Aber du solltest vielleicht noch was sagen, bevor ich gehe"
Er seufzte, stand auf und setzte sich auf die Armlehne seines Sessels. Dann strich er mir (als wäre zwischen uns alles in Ordnung) über die Haare. „Nina, du bist wirklich komisch. Hast du so viel um die Ohren?"
Schon wieder hüpfte ich auf. „Nein, nichts, womit ich nicht fertig werden könnte. Und selbst wenn nicht, hab ich dir vor ein paar Minuten doch bereits schon gesagt, dass ich dir nichts erzählen darf und wenn ich wieder ehrlich sein darf... wüsste ich auch nicht, ob ich es dir erzählen will"
Jetzt sah er mich schockiert an, hatte allerdings immer noch keine Meinung dazu. Irgendwie führte ich gerade einen Monolog, oder wie man das nannte, wenn nur einer spricht.
Ich schnaubte und stürmte aus seinem Zimmer. Er lief mir nach und hielt mich auf. „Machst du Schluss mit mir?"
Uuund da war er wieder: Der Hundeblick, den ich nie- wirklich nie- widerstehen konnte. Ich reiste mich, bevor ich einen Rückfall erleiden konnte, von diesem Blick und versuchte ihn böse anzusehen. „Nein, noch nicht, aber wenn du nicht aufhörst, mir die Luft zum Atmen zu nehmen, werde ich Schluss mit dir machen. Und dann aber so, dass sogar du es verstehst"
Mit diesen Worten knallte ich die Tür zu. Ich war stolz auf mich. Vor allen der letzte Satz war überhaupt nicht mein Stil. Er war so... ehrlich. Ich glaube, Lui wäre auch stolz auf mich und weil ich mit irgendjemand reden musste, rief ich einfach Lui auf ihrem Handy an.
„Hallo Nina. Was gibt's?", meldete sie sich. Sie hatte ja keine Ahnung!
„Du, ich muss dir unbedingt was erzählen. Du wirst wahrscheinlich stolz auf mich sein", begann ich und berichtete ihr von meinen heutigen Erlebnis mit Sebastian. Als ich fertig war, herrschte erstmal Stille in der anderen Leitung. „Lui? Bist du noch da?"
Doch dann begann sie lauthals an zu lachen. „Oh mein Gott, Nina! Ich hätte nie gedacht, dass du zu so was Ehrlichem in der Lage bist!"
„Dafür ist deine Ehrlichkeit gerade wieder total krass", konterte ich, war allerdings gar nicht sauer auf sie.
„Sorry", lachte Luisa.
Ich lachte mit. „Schon in Ordnung. Du hast ja teilweise Recht. Also, was sagst du dazu?"
„Dass ich echt mega stolz auf dich bin und hoffe, dass er draus lernt und du endlich aufhörst, ihn Chancen zu geben" Sie kicherte immer noch ein wenig. „Aber Nina, du musst Jas-Jas auch davon erzählen. Wir sagen dir ja schon seit Ewigkeiten, du sollst endlich mal einen Schlussstrich ziehen und jetzt auf einmal tust du ihn. Aber warum? Warum jetzt? Etwa wegen Fantasytia oder hast du jemanden besseres kennen gelernt?"
Ich lachte amüsiert weiter. „Himmel, nein!"
„Was denn? So abwegig ist doch das nicht!"
„Nein, aber... er nervt mich gewaltig und die Beziehung macht mir einfach kein Spaß mehr"
„Du hast aber auch kein Glück mit Typen. Na ja, du bist erst 14, du hast noch alle Zeit der Welt", munterte sie mich auf, obwohl ich mich nach so langer Zeit endlich mal wieder gut fühlte. „Da bin ich ja froh, dass ich mich nur selten verliebe"
Ja, da konnte sie Recht behalten. Vielleicht war es doch einfacher, sich nur selten zu verlieben, als wenn einen ständig das Herz gebrochen wird.
Jedenfalls fühlte ich mich jetzt besser, verabschiedete mich von Luisa und ging nach hause, wo ich die vollkommene Einsamkeit genoss, da meine Eltern noch nicht da waren und mein Bruder es anscheinend auch nicht war. Gut, konnte mir nur recht sein.
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