Kapitel 10: Eine Woche später...
(erzählt von Luisa)
Ich wusste immer noch nicht, was ich eventuell sagen sollte, wenn mich einer meiner Erdeneltern fragen sollte, wie ich zu der Riesennarbe in der Nähe meines Schlüsselbeines kam. Gut, vielleicht sollte ich ja das Glück haben, dass sie es nie erfahren würden, aber das war dann doch ziemlich unwahrscheinlich. Meinem Dad würde das nie auffallen. Frühestens wenn er mich das nächste Mal wieder im Bikini sehen würde. Doch meine Mum, die gerne, während ich duschte, ins Bad kam. Ich glaube zwar nicht, dass sie so genau hinsehen würde, aber es wäre möglich!
Mein Dad hatte zu viel Achtung vor meiner jugendlichen Privatsphäre, als das er ständig ins Bad stürmen würde, wenn ich gerade duschte. Meine Mum hatte damit kein Problem. Freilich, sie war ja ne Frau. Ich wusste auch nicht, ob ich ein Problem damit gehabt hätte, wenn mein Dad ins Bad kommen würde.
Die Narbe wurde zwar immer blasser, dennoch würde ich sie bestimmt noch einige Jahre oder wenigstens Monate sehen können.
Und immerhin konnte Frau Simon auch keinen bösen Spruch über ne Verletzung ablassen, weil es ja keine offensichtliche Verletzung gab. Die, die ich im Moment hatte, konnte man auch nur sehen, wenn ich entweder nackt oder im Bikini oder so war. Da war allerdings wieder rum das Problem, dass bald die Freibad-Season anfangen sollte. Tja, ich als Freibad- und Seemuffel konnte mich bestimmt wieder wie jedes Jahr so ziemlich vor dem Baden gehen drücken. Dieses Jahr hatte ich sogar ne anständige Entschuldigung- zumindest vor den Leuten, die den Kampf mitbekommen hatten.
Seit einer Woche war ich nicht mehr in Fantasytia gewesen und hatte nur immer Briefe mit Moritz geschrieben, weil er der Meinung war, ich solle mich so wenig wie möglich in der Woche, nach dem dies passiert war, beamen. Angeblich habe Tricia ihm aufgetragen, mir das zu sagen. Alles klar. Für mich klang das nicht sehr überzeugend. Nur, warum sollte mich Moritz anlügen? Es gab überhaupt keinen Grund. Zumindest fiel mir keiner ein. Keiner, der irgendwie Sinn ergeben würde. Nur so Zeug wie „Oh nein, Moritz betrügt mich wahrscheinlich!". Und das war total unwahrscheinlich. Erstens, waren wir noch gar nicht so lange zusammen, erst seit ein oder zwei Monaten. Zweitens, konnte ich mir das bei ihm nicht vorstellen. Drittens, dann hätte er mir das sich Sorgen um mich machen letzte Woche nur vorgespielt und ich glaube, so gut schauspielern konnte doch nicht mal Sandra Bullock oder Johnny Depp. Und viertes, hatte auch keiner der Anderen ein Sterbenswörtchen gesagt, dass Moritz eventuell zweigleisig fahren würde. Sie hätten es mir gesagt.
Wie auch immer, die Woche, in der ich komplett getrennt von Fantasytia und dem restlichen Land der Fantasie lebte, war vorbei und Moritz konnte nicht von mir verlangen, noch länger auszuharren. Fantasytia war schließlich meine zweite Heimat und mein Geburtsort.
Außerdem musste ich unbedingt nach Historytia! Vielleicht war mein leiblicher Vater dort noch am Leben! Gut, ich hatte eine ganze Woche verpasst, aber so schnell würde er doch nicht sterben!
Moritz hatte gesagt, ich solle mich nur an meine Geburt halten. Kurz bevor ich geboren wurde, starb er oder wurde umgebracht.
Na, immerhin konnte Nicole den Krieg beenden, so dass er nicht von dem Volk umgebracht wurde, sondern von Illona, wie es wirklich passiert war. Leider. Und jedes Mal, wenn ich daran dachte, was ich für eine glückliche Kindheit in Fantasytia mit meinen beiden Eltern, Zarina, Tricia und vielen anderen hätte führen können, wenn Moritz' wirklich dummer und schwacher Vater nicht diesen Selbstmord begangen hätte, wurde ich immer ganz traurig. Illona wäre sie selbst geblieben, meine Mutter hätte nicht ihren Mann verloren, und Illona natürlich auch nicht ihren, Moritz und ich hätten nicht unseren jeweiligen Vater verloren und das wohl wichtigste war ja: Es hätte nie eine Prophezeiung wie diese gegeben!
Allerdings gab es auch einige positive Seiten, die ich immer gern vergaß: Ich hätte nie Jasmin kennen gelernt, nie Alexandra, Nicole, Michael, Lorenz und Felix und wer weiß? Wahrscheinlich hätte ich nicht mal Moritz kennen gelernt.
Fazit: Mein Leben und vielleicht auch das der Anderen, wäre wesentlich anders verlaufen. Okay, sie wären bestimmt so und so Götter oder Prinzen geworden und spätestens dann hätten wir uns vielleicht auch angefreundet. Aber vielleicht auch nicht. Denn ich könnte ja eigentlich eine andere Persönlichkeit haben, wenn das nicht passiert wäre.
So gesehen stand alles offen. Wer ich gewesen wäre, wer meine Freunde gewesen wären, ob ich glücklicher gewesen wäre wie jetzt und und und...
Ich musste auf alle Fälle nach Historytia. Das stand außer Frage. Nicht nur, weil ich noch einmal mit ihm reden wollte, sondern auch meiner Adoptiveltern wegen, da sie sich in dieser schrecklichen Woche des Öfteren bei mir beschwert hatten, warum ich nur so unruhig sei. Am liebsten hätte ich ihnen die Wahrheit gesagt: „Warum ich so unruhig bin? Weil ich meinen leiblichen Vater noch in der Vergangenheit sehen könnte, es aber nicht darf wegen einer bescheuerten Wunde!"
Doch das wäre mega bescheuert gewesen. Wir durften vor dem Finale niemanden und wirklich niemanden von Fantasytia und Co. erzählen. Und damit hätte ich die große Fragerei, die zweifelsohne danach gekommen wäre, mit Pauken und Trompeten eingeleitet. Manchmal musste ich einfach meine blöde Klappe halten. Um nicht nur mir, sondern auch anderen nicht zu schaden. Basta!
Es war mir egal, ob es meiner Wunde schadete oder Tricia und Moritz es mir verbaten, ich beamte mich an den See der Träume.
Dummerweise befand sich Moritz ausgerechnet in diesem Moment, an diesem Tag ebenfalls am See der Träume, so dass ich mir gleich sicher sein konnte, dass mein schöner Tag mit meinen jungen Eltern in der Vergangenheit ins Wasser fallen würde.
Ich versuchte mich noch schnell zu verstecken, aber klar, ich war in Zarinas Territorium und die merkte das natürlich sofort, dass da jemand einfach eingedrungen war. Hach, manchmal war die Macht anderer Leute echt anstrengend.
„Halt, halt!", rief sie und stand sofort von ihrem Thron auf.
Wie Meerjungfrauenfeen mit ihrer Flosse aufstehen konnten, war mir sowieso ein Rätsel. Schon seit Zarina wieder in meiner Erinnerung und in meinem Leben war.
Ich blieb ertappt stehen, drehte mich erst nach ein paar Sekunden beschämt um und ging mit Kopf nach unten zum Thron neben meinem Freund, der mich verwundert ansah.
Ich sah nicht nach oben. Warum auch? Da musste ich nur in Moritz' enttäuschte und wütende, grüne Augen sehen.
„Was machst du denn hier?", fragte sie mich.
Jetzt musste ich sie leider ansehen. Widerstrebend sah ich sie an. „Äh, ich wollte eigentlich nur..." Mein Verstand wollte wieder die verdammte Ehrlichkeit ansetzen, doch ich zwang mich, sie nicht raus zu lassen.
„Was? Was wolltest du, Luisa?", fragte nun Moritz und beäugte mich. „Du wolltest etwas Dummes machen, richtig? Du hast ein schlechtes Gewissen" Ich sah ihn verwirrt an. Er seufzte. „Ich weiß nicht warum, aber aus irgendwelchen Gründen, die nur der oberste Gott kennt, kann ich deine negativen Gefühle spüren"
„Ach du liebes Bisschen!", entfuhr es mir schockiert. Das konnten doch nur Prinzen, oder?
„Ich weiß, ich weiß. Das denke ich auch"
„Wie gesagt, ich würde mit der Königin reden. Vielleicht bist ja du doch der Prinz der Loyalität" Sie warf mir einen kurzen, aber eindeutigen Blick zu. „Das würde nämlich einiges erklären"
„Ach ja, und was?", fragte ich schnippisch. Dieser Blick! Sie hatte irgendeinen dummen Gedanken.
Sie druckste herum. Aha! „Na ja, ganz einfach. Das würde erklären, warum du dich ausgerechnet in Moritz verliebt hast. Ich meine, klar, er ist schon süß und so, aber Moritz? Er ist immerhin der Sohn deiner Erzfeindin"
„Sie ist nicht meine Erzfeindin", gestand ich.
„Was?", fragte Zarina hysterisch.
„Ja, streng genommen hab ich keine Erzfeinde. Vielleicht noch Frau Simon, meine Mathelehrerin, aber ich glaube, die würde ich eher als meine Naturfeindin bezeichnen, da sie's ja tagtäglich auf meine Ehrlichkeit anlegt"
„Ich glaubs nicht...", murmelte sie vor sich hin.
„Du bist unglaublich", fügte Moritz hinzu.
Ich lächelte süß. „Danke"
„Hm", machte Moritz belustigt und wurde urplötzlich ernst. „Nein, Hand aufs Herz, Luisa, was wolltest du von Zarina?"
„Wer sagt denn, dass ich was von Zarina wollte?", stellte ich mich dumm.
Okay, klappte nicht. Beide sahen mich mit dem berühmten „Ja-ja-stell-uns-nur-für-blöd-hin-Blick" an.
Als mir dies klar wurde, seufzte ich und gab endlich nach: „Na gut. Ihr habt Recht. Ich wollte zu dir, aber nur weil ich unbedingt nach Historytia muss!"
Da seufzten Zarina und Moritz gleichzeitig und sahen mich auch identisch gleich traurig an. Moritz nahm mich in den Arm.
„Was ist?"
„Du wolltest wegen deinem Vater hin", stellte Moritz fest.
„Warum wollte? Ich will doch immer noch hin"
„Nein, bestimmt nicht, wenn ich dir das erst mal gesagt habe", begann Moritz. „Puh, langsam werde ich es wirklich Leid, dir immer schlechte Botschaften überbringen zu müssen. Ich kann es verstehen, wenn das für dich n Trennungsgrund wäre"
„Moritz, was ist los?" Langsam wurde ich wütend. Was war mit meinem Vater? Ich hatte zwar eine böse Vorahnung, doch die versuchte ich gekonnt zu ignorieren. „Moritz, wenn du nicht gleich deinen Mund aufmachst, könnte das der Trennungsgrund werden!"
Ich weiß, es war eigentlich fies so was zu sagen, aber es half. Er sah mich schockiert an und begann endlich richtig: „Okay, okay, also... dein leiblicher Vater... der König..."
„Komm endlich auf den Punkt, Moritz", unterbrach Zarina. Ich wusste nicht, ob das ernst oder belustigt klingen sollte. „sonst stirbt dir Luisa noch vor Neugierde"
Er seufzte, packte mich an der Schulter und sah mir so tief in die Augen, dass ich befürchtete, er würde meine Innereien sehen können. Völlig seltsame Vorstellung! „Tja, also... er ist gestern gestorben. Also, du bist genau einen Tag zu spät"
Mir blieb der Mund offen stehen. Das Messer, das mir in Historytia, als ich meinen Vater das erste Mal gesehen hatte, war wieder da und stach. Zwei Mal hinter einander.
Bevor ich etwas sagen konnte, nahm er mich in den Arm, drückte mich an seine Brust und legte seine rechte Hand auf meinen Kopf.
„Es tut mir so Leid"
Und ich war es Leid wegen Moritz zu weinen und nicht, weil ich Liebeskummer hatte, sondern weil er mir ständig schlechte Nachrichten sagen musste.
So sorgte mein Gehirn dafür, dass nur ein paar stille Tränen kamen und ich nicht laut zu schluchzen begann. Also wirklich, so viel wie in den letzten Monaten, hatte ich ja noch nie geweint! Schrecklich!
Zarina kam auch heran geflogen, kuschelte sich an mich und redete mir ruhig zu. Doch ich hörte nicht auf sie. Ich hörte rein gar nichts. Ich versank einfach nur in meine düstere Welt. Dann stellte ich mir erneut das erste und letzte Gespräch mit ihm vor. Ihm, den Mann, den ich sogar noch mehr liebte, als Moritz.
Ich weiß nicht. Eigentlich war es mir klar gewesen, dass er nur einmal in meinem Leben sein würde.
Ich wusste nicht, wie lange wir so eng umschlungen da standen, auf alle Fälle so lange, bis ich etwas sagte. Ich glaube, ich war noch nie so lange still gewesen.
Ich löste mich aus der Position. „Es ist nicht schlimm. Mir war es klar- nur ich wollte es nicht wahr haben. Euch muss es nicht Leid tun" Ich sah Zarina an. „Heißt das, ich werde bald geboren?" Sie nickte. „Oh man, die arme Königin! Sie verliert ihren Mann und muss ein paar Tage oder Wochen später ein Kind auf die Welt bringen. Allein. Ohne Mann..."
Erst jetzt strömten die Tränen stärker. Moritz drückte mich erneut an sich.
„Sie hats geschafft. Das weißt du. Hör auf dir Sorgen zu machen"
„Vielleicht hat sie mich deswegen weggegeben, weil sie..." Ich schniefte. „weil sie mir nicht mehr in die Augen sehen konnte. Ihr sagt doch immer, dass ich ihm so ähnlich bin"
„Das stimmt ja auch", beharrte Zarina mit traurigem Unterton. „aber das war es nicht und das weißt du doch auch" Ich seufzte. „Sieh mal, sie hat dich weggegeben, weil das Volk der Meinung war, dass sie erst mal selbst damit klar kommen musste und Fantasytia wieder in Griff kriegt. Denn das war eine schlimme Zeit. Hat mir zumindest meine Mutter erzählt"
„Siehst du? Ich hab doch gesagt, sie konnte mir nicht mehr in die Augen sehen, weil ich ihm zu ähnlich war" Oder bin, fügte ich in Gedanken nur für mich hinzu.
„Aber darum ging es ihr eigentlich nie. Nie um sich selbst. Immer nur um das Volk und um dich", erklärte Zarina weiter.
„Um mich?"
„Ja, sie wollte dir eine Chance geben. Sie wusste nicht, ob sie nicht mal eine Dummheit macht, eben wegen dem, was du denkst"
Sie war besorgt um mich...
Nein, ich wollte nie Königin werden, wenn ich solche Entscheidungen treffen musste! Und wahrscheinlich war ich auch gar nicht geeignet dazu! Ach, ich hätte zuhause bleiben sollen. Das hätte mir diese Nachricht noch ein paar Tage erspart. Aber nun ja, stimmt, man konnte nie lange vor Problemen weg laufen.
„Vielleicht", unterbrach Moritz die unangenehme Stille. „solltest du nachhause gehen"
Gehen war gut gesagt.
„Und was machst du?", fragte ich leise.
Er sah Zarina an, die nickte. „Ich muss dringend zur Königin. Irgendwas stimmt nicht mit mir und vielleicht" Er tippte mir spielerisch mit dem Finger auf meine Nase. „kann ich dir ja auch mal eine erfreuliche Nachricht zu kommen lassen"
„Also, kann ich heute einen Brief erwarten?"
Er nahm mich in den Arm und flüsterte: „Ja, klar, natürlich informier ich dich darüber. Betrifft ja dich teilweise auch"
Danke, dachte ich mir traurig.
Ich wollte mich gerade von ihnen entfernen, als mein Blick auf Zarina fiel. „Kann ich nicht doch noch..." Ich sah nach rechts, wo immer die Tore standen, wenn Zarina sie rief.
Sie flog zu mir hin, nahm mich kurz in den Arm und sagte kopfschüttelnd: „Na ja, es gibt doch jetzt keinen Grund mehr, dorthin zu gehen, oder? Willst du dich selbst leiden sehen?"
Nein, eigentlich nicht. Ich schüttelte den Kopf.
„Na, siehst du? Geht schon" Sie schubste mich leicht von sich weg.
Doch zuerst ging ich zu Moritz, gab ihm einen Kuss auf die Wange und entfernte mich um mich weg zu beamen.
Zarina warf mir noch einen Luftkuss zu, den ich erwiderte und schickte zeitgleich auch noch einen an Moritz. Während des Wegbeam-Vorgangs hörte ich Zarina seufzen und dann etwas zu Moritz sagen. Doch das war mir ehrlich gesagt egal. Ich wollte einfach nur nachhause, ein Buch lesen (vielleicht eine Komödie) und einfach nur Musik hören.
(erzählt von Moritz)
Zarina seufzte. „Okay, es wird Zeit. Du willst Luisa sicher nicht lange warten lassen, hab ich Recht?"
Diese Meerjungfrauenfeen. Direkt und einfühlsam durchschauten sie aber auch jeden Gesichtsausdruck. Klar gab es auch Meerjungfrauenfeen, wie Larissa zum Beispiel, die nicht ganz so einfühlsam waren. Doch es konnten ja nicht alle gleich sein. Oder vielleicht war Larissa auch nur bei mir so skeptisch und wenig einfühlsam, weil ich im Grunde wirklich keine Person des Vertrauens sein sollte?
Ich nickte der mächtigsten Meerjungfrauenfee zu, bedankte mich und flog mit meinen grasgrünen Flügeln, von denen Luisa behauptete, sie wären so grün wie meine Augen, in Richtung Schloss.
Sie war schon etwas Besonderes...
Sie sah sogar in meinen Flügeln eine Verbindung zu meinen Augen...
Dann schwiefen meine Gedanken ab zu Tschyka. Ich war zurzeit nicht sehr häufig zu Hause, weil ich einfach viel zu unruhig war. Tschyka hatte sich anfangs darüber beschwert und mich immer weg geschickt. Doch jetzt beschwerte sie sich über meine ständige Abwesenheit. Hm, manchmal konnte man es ihr einfach nicht recht machen.
Ich war nervös und aufgeregt. Was, wenn die Königin keine Zeit hatte? Oder wenn ich doch nicht Luisas Prinz sein sollte? Wenn alles nur Einbildung war?
Doch warum zerbrach ich mir nur so den Kopf? Luisa würde nicht aufhören mich zu lieben, nur, weil ich leider doch nicht ihr Prinz der Loyalität war.
Vor allen, Loyalität! Ich war meiner eigenen Mutter in den Rücken gefallen. Nur gut, dass Luisa meine Gedanken nicht hören konnte. Sie würde sich nur aufregen. Sie sagte immer, ich habe nur das getan, was ich für das Richtige hielt. Was für mich und mein Gewissen am besten war...
Ja, das stimmte, aber trotzdem. Illona war immer noch meine Mutter, auch wenn ich manchmal wünschte, ich hätte eine andere. Eine wie die Königin zum Beispiel.
Ich landete auf der Wiese vor dem Schloss. Die Wachen beäugten mich skeptisch, vergewisserten sich, ob ich schon Moritz war und ließen mich schließlich durch.
Für die Götter und Prinzen war es scheinbar immer noch seltsam, dass die Wachen jeden, der durchwollte, begutachteten. Für mich war es normal. Ich war hier geboren. Ich wars gewohnt.
Wie selbstverständlich ging ich zum Thronsaal, klopfte an und trat leicht verängstigt ein.
Anscheinend war der Königin so langweilig, dass sie mit dem Kellner, der ihr Tee brachte, ein Gespräch führte. Sie winkte mich zu sich her, lachte bei dem, was ihr der Kellner erzählte und gab mir ein Zeichen, dass ich mich setzten sollte oder konnte. Doch ich stand immer lieber, wenn ich etwas Schweres hinter mich bringen musste. Wobei, schwer... Ich hatte nichts zu verlieren, nur die Hoffnung, jemals offiziell Luisas Beschützer sein zu dürfen. Ich konnte und wollte mir nicht vorstellen, dass irgendein anderer Typ diese Aufgabe bekommen sollte. Ihre kostbaren Gefühle zu spüren und mir sollten sie dann verborgen bleiben und...
„Moritz!", riss mich die Königin unbeabsichtig aus meinen wirren Gedanken.
Ich schreckte hoch. Der Kellner stand an seinem üblichen Platz etwas entfernt vom Thron.
Ich verbeugte mich tief. „Schönen guten Tag, Königin"
„Ich sehe es dir an, dass du etwas auf dem Herzen hast. So sprich, was ist es?" Sofort war ihre gute Laune fort und die Ernsthaftigkeit und Professionalität kam wieder in ihre Stimme.
Nun ja, erst jetzt wurde mir bewusst, wie recht Luisa damit hatte, dass die Bewohner Fantasytias alle ziemlich sensibel für die Bedürfnisse anderer waren und immer genau wussten, wann jemand etwas auf dem Herzen hatte. Das war mir nie so richtig aufgefallen.
„Setz dich doch", bot sie mir erneut an.
„Nein, danke. Ich stehe lieber, wenn ich aufgeregt bin"
„Ist es so schlimm?"
„Nein, eigentlich nicht. Zumindest weiß ich es nicht..."
„Interessant"
„Also, ich muss Ihnen etwas Wichtiges erzählen" Sie nickte mir zu. „Seit Luisa in Historytia in Gefahr war, kann ich, so glaube ich zumindest, ihre negativen Gefühle wie Angst oder Verzweiflung spüren. Ich weiß, dass man das nur als Prinz kann und deswegen bin ich hier, um Sie um Rat zu bitten"
Sie lächelte und erinnerte mich dabei etwas an Luisa. „Ich habe gehofft, dass du bald deswegen zu mir kommen würdest" Ich sah sie verwundert an, dabei musste sie erneut lächeln. Sie stand auf und ging zu mir hin. „Wie du sicher weißt, erhält der Herrscher vom obersten Gott die Fähigkeit normale Jungen zu Prinzen zu machen, wenn er mir nur sagt, wer der Auserwählte ist"
„Und das bedeutet?"
Es war unmöglich, aus ihren Worten schlau zu werden.
Sie berührte mich mütterlich an der rechten Wange. „Das bedeutet, dass ich neulich nachts wieder eine Art Eingebung von ihm hatte. Eine Vision, die mir zeigte, dass du bald zu mir kommen und Klarheit fordern würdest"
Ich war verwundert. Ich kannte mich mit der Prinz werden-Sache zwar einigermaßen gut aus, aber so genau war ich dann doch nicht informiert. Es gab doch eben noch einige Dinge, die ich nicht wusste.
Ich sah sie fragend an und sie lachte: „Du bist heute sehr verwirrt, Moritz"
„Nun ja, ich bin nervös wie gesagt"
„Das brauchst du nicht zu sein", flüsterte sie mystisch zu.
Ich glaube, manche Jungen wären sehr angetan von der Königin, wenn sie ihr nur so nah kommen könnten wie ich in diesem Moment. Doch mich berührte das nicht so in dieser Art. Mein Herz gehörte nur Luisa und Tschyka.
„Also, was bedeutet das nun konkret?", fragte ich. Ich kam mir so dämlich vor.
„Ich hatte zwar eine Eingebung, aber eine sehr untypische. Wenn sie normal gewesen wäre, könnte ich dich jetzt womöglich zum Prinz der Loyalität machen. Doch der oberste Gott ist sich scheinbar noch nicht sicher, ob du würdig dazu bist. Bitte versteh das nicht falsch! Ich finde nur gerade kein anderes Wort" Sie wurde panisch.
Doch ich winkte ab. „Ist schon in Ordnung. Also, wäre es möglich, dass doch jemand anderes Luisas Prinz wird? Aber wann wird der kommen? Wird er im Finale bei ihr sein?" Langsam wurde ich sauer. Wenn es schon nicht ich sein sollte, dann wollte ich Luisa wenigstens in guten Händen wissen, doch nicht mal das war der Fall. Es war zum verrückt werden.
„Ganz ruhig, Moritz", flüsterte sie mir zu. „Ich habe gute Hoffnungen, dass du es doch bist. Ich kann dir leider keine richtige Antwort auf deine Frage geben. Das tut mir sehr Leid. Sicher bist du jetzt enttäuscht"
„Einwenig, vor allen, weil ich Luisa schreiben wollte"
„Schreibt sie denn viele Briefe?"
„Also, an mich schon und ich glaube, an Atanasia und Xenia auch"
„Hm", murmelte sie. „Denkst du, sie würde auch mit mir schreiben?"
„Nun ja, manchmal hat sie nicht so viel Zeit. Ich glaube, sie würde eher zu Ihnen persönlich kommen, als Ihnen Briefe zu schreiben"
„Das ist wahr" Sie zuckte mit den Schultern und seufzte: „Ich fürchte, du wirst keine Antwort für sie haben. Ich wünschte, ich hätte dir mehr sagen können, Moritz, denn ich bin wirklich froh, einen derzeitigen Ersatz für den Prinz der Loyalität zu haben und zu wissen, dass jemand auf sie aufpasst"
„Wobei Ihre Tochter meistens keinen Beschützer will", fügte ich schmunzelnd hinzu.
„Es freut mich auch, wie sehr du sie liebst", hauchte sie. „Du bist sehr stolz auf sie"
„Ja, das bin ich"
„Und sie auch auf dich, das spüre ich. Da hat sie auch allen Grund dazu" Ich sah sie verwundert an. „Oh, Moritz" Sie fuhr mir durchs Haar, als wäre ich ihr Sohn. Was für eine schöne Vorstellung... „es war genau richtig, was du getan hast und das hat dir Luisa bestimmt auch schon des Öfteren gesagt. Du solltest auf sie hören. Es war kein Fehler, sich von Illona zu trennen. Die Schuldgefühle hätten dich nur weiterhin von Innen aufgefressen"
Ich seufzte. „Ja"
Dann entfernte sie ihre Hand aus meinem Haar und ging weiter von mir weg. „Ich bin wirklich froh, dass sie sich nicht in einen Menschen verliebt hat" Sie lachte. „Ich wüsste nicht, wie das gut ausgesehen sollte"
„Meinen Sie, ob ihr Prinz ein Mensch ist?", unterbrach ich ihre Lobeshymne auf mich. „Ich meine, Felix, Lorenz und Michael sind ja eigentlich auch Menschen"
„Ja, vielleicht, aber damit hätte ich nicht so große Probleme, denn sie würde sich bestimmt nicht in ihn verlieben"
„Was wäre denn so schlimm an einen Menschen?" Ich fragte mich wirklich, warum ich sie das fragte. Wollte ich etwa mir selbst wehtun?
Diese Frage schien die Königin auch sehr zu verwundern, denn auf die Antwort musste ich ein paar Sekunden länger als gewohnt warten. „Nun, wie würde das denn aussehen? Eine doppelte, mächtige Göttin und dazu auch noch die zukünftige Königin Fantasytias! Das wäre ein Desaster, denkst du nicht?"
Ich wusste nicht was ich antworten sollte. Einer Königin zu widersprechen, war ja immer irgendwie gefährlich, doch bei ihr hatte ich da keine Bedenken, also sagte ich ehrlich: „Nein, Königin, da bin ich nicht Ihrer Meinung. Auf der Erde gibt es leider nur noch wenige Königshäuser und es ist auch heutzutage nicht mehr schlimm, wenn sich ein Adeliger in einen Nichtadeligen verliebt. Ich glaube, es gibt auch einen Prinzen, der sich in eine Nachrichtensprecherin verliebt hatte und heute mit ihr verheiratet ist. Außerdem denke ich nicht, dass Luisa so oberflächlich wäre"
Die Königin tippte sich nachdenklich mit dem Zeigefinger im Rhythmus an das Kinn. „Hm, scheint als würdest du sie besser kennen, als ich"
„Ich bin sehr oft mit ihr zusammen. Beruflich wie privat, wenn man das so sagen kann"
Sie lachte. „Okay, das sehe ich ein. Hast du sonst noch irgendwelche Fragen?"
Es war schon einwenig seltsam, mit der Königin so persönlich zu sprechen.
Ich schüttelte während des Nachdenkens den Kopf. „Nein, ich denke, das wars vorerst"
„Es tut mir wirklich Leid. Glaubst du mir das?"
Ihre Mimik verunsicherte mich. Warum sollte sie mich anlügen? Verschwieg sie uns etwas?
Auf alle Fälle irritierte es mich, dass die Königin so tat, als wäre ich bedeutend für sie. Vielleicht war ich das auch- auf irgendeine Weise, aber ich konnte mir nicht vorstellen, was das für eine Bedeutung sein sollte.
Geistesabwesend und völlig verwirrt nickte ich nur stumm.
Dann umarmte mich die Königin, was auch recht seltsam war, und sagte: „Ich hoffe, du bist nicht allzu enttäuscht"
„Sie haben mir lediglich die Wahrheit gesagt, die ich hören wollte", antwortete ich steif und verzog mein Gesicht. „Auf Wiedersehen und vielen Dank"
Ich drehte mich um und ging.
„Ich danke dir, Moritz"
Dann war ich aus dem Raum.
Warum dankte sie mir? Dass ich ihre Tochter zu Tricia gebracht habe? Na ja, das hätte ich womöglich nie ohne die Jungs geschafft, also war das nicht nur allein mein Verdienst.
Das alles ergab überhaupt keinen Sinn. Warum dankte sie mir? Warum sollte Luisa stolz auf mich sein? Und warum hatte die Königin eine „Eingebung", wie sie es nannte, von mir gehabt, wo es doch noch nicht feststand, ob ich nun der Prinz der Loyalität war oder nicht?
Ich musste mit Luisa darüber reden. Oder wenigstens schreiben. Und das tat ich auch, als ich wieder zu Hause war.
Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und erst als Tschyka mit mir sprach, fiel mir auf, dass sie auch in meinem Zimmer war: „Hallo Moritz. Hast du mich nicht gesehen?"
Ich erschrak und drehte den Stuhl zu ihr. Sie saß auf meinem Bett.
„Hallo Tschyka. Nein, hab ich nicht. Tut mir Leid"
„Und wie wars? Du siehst müde aus"
„Das bin ich auch", gestand ich. „Ich musste Luisa heute sagen, dass ihr leiblicher Vater in Historytia gestorben ist. Weißt du, wie bescheuert das ist, wenn ich meiner großen Liebe ständig schlimme Dinge sagen muss? Sie wollte gerade zu ihm..."
Sie hüpfte von meinem Bett und strich mit ihrem roten Schwanz an meinem Bein entlang.
„Und wie war das Gespräch mit der Königin? Ich sehe ja gar keine Krone bei dir"
„Ich weiß. Der oberste Gott scheint sich noch nicht sicher zu sein, auch wenn die Königin schon eine Eingebung hatte"
„Eine Eingebung?"
„Ja, oder auch Vision. Je nachdem wie du es nennen willst", gab ich resigniert zur Antwort.
„Oh Moritz-Schatz, mach dir keinen Kopf"
Ich ahnte, dass sie am liebsten auf meinen Schreibtisch oder meinen Schoß springen würde, wenn sie nur nicht so groß oder eine Katze wäre.
„Kannst du dir vorstellen, warum mir die Königin dankbar sein sollte?"
„Nicht ganz. Vielleicht ist sie nur froh, dass ihre Tochter nen guten Geschmack hat" Sie zwinkerte mir verschwörerisch zu.
Ich musste lachen. „Ja, ganz bestimmt. Und jetzt lass mich. Ich muss einen Brief schreiben"
„Einen Brief an Luisa?" Ich nickte und sie seufzte. „Hach Gottchen und warum?"
„Ich hab ihr versprochen, sie über den Ausgang des Gesprächs zu informieren" Ich war selbst geschockt wie abgedroschen und geschäftsmäßig das klang.
Dazu sagte sie nichts mehr; sie machte es sich wieder auf meinem Bett bequem und sah mir beim schreiben zu.
„Liebste Luisa.
Ich hab leider keine richtigen Antworten gefunden. Die Königin sagt, sie hatte eine Eingebung vom obersten Gott, aber anscheinend ist er sich noch nicht sicher, ob ich es würdig bin. Ich hoffe, er entscheidet sich bald. Die Fähigkeiten habe ich und die Königin meint, sie habe gute Hoffnungen, dass doch ich der Prinz der Loyalität bin. Ich hoffe sie hat Recht. Sie sagt, sie ist mir für irgendwas dankbar und sie ist froh, dass ich zurzeit den Prinz der Loyalität „ersetze". Ich hoffe, wenn es nicht ich bin, dass er dann wenigstens im Finale bei dir sein kann. Ich weiß, dass du gut auf dich alleine aufpassen kannst, aber es wäre mir wirklich wichtig.
Es tut mir Leid und auch der Königin, dass ich nicht wirklich was herausgefunden habe. Ich hoffe nur, egal was passiert, egal wie viele schlechte Nachrichten ich noch für dich habe, dass du mich nie verlässt. Ich weiß nicht, ob ich das überleben würde...
Das mit deinem Vater tut mir auch Leid. Ich hoffe, dir geht es wieder besser.
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass jeder Satz mit „Ich hoffe" beginnt.
Ich liebe dich, egal, ob ich nun dein Prinz werde oder nicht.
Dein Moritz"
Ich weiß nicht, wie lange ich geschrieben habe, aber auf jeden Fall so lange, dass es dunkel geworden war.
Und so fügte ich noch ein
„P.S.: Schlaf gut, meine Schönheit"
hinzu.
Hoffentlich setzte ich sie mit Ich weiß nicht, ob ich das überleben würde nicht unter Druck, denn das wollte ich auf keinen Fall! Dazu war sie mir viel zu wertvoll.
Erst als ich gerade ins Bett gehen wollte, sah ich die Antwort. Ich öffnete sie schnell und las:
„Liebster Moritz,
das ist wirklich schade, dass sie dir nicht wirklich eine Antwort geben konnte. Aber ich bin mir sicher, dass sie es gerne getan hätte, wenn sie gekonnt hätte. Sei nicht traurig oder enttäuscht. Ich werde immer an deiner Seite sein, egal, was passiert. Ich bin auch froh und dankbar wie meine Mutter, dass du hier bist und ich finde deinen Brief wunderschön. Im Moment können wir eben nur hoffen. Also, mach dir keinen Kopf"
Unweigerlich musste ich grinsen. Sie hatte tatsächlich dieselben Worte benützt wie vorhin Tschyka, die bereits schon auf ihrem Kissen am Boden lag und tief und fest schlief.
„Mir geht es gut. Ich bin nur traurig, dass ich ihn nur nie wieder sehen werde. Er war noch so jung... Er hätte noch nicht sterben dürfen, aber ich weiß, dass du das auch weißt. Du kannst ja nichts dafür. Egal, was du sagst. Ich weiß, dass du jetzt denkst, es war doch deine Schuld oder so was. Ich kenne dich!
Schlaf du auch gut, mein Prinz
Deine Luisa"
Sanft und voller Liebe strich ich über ihre einzigartig große Schrift und küsste diese (zum Glück sah das Tschyka nicht. Sie würde mich nur für verrückt halten). Vielleicht war ich das auch. Aber nur nach Luisa.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro