07.04.1889
'Du hast wohl nicht genug, was?', höhnt Ragnar und kommt auf mich zu.
Ich überlege fieberhaft. Einen Plan zu erstellen dauert zu lange.
Zwischen mir und Ragnar bleiben nur noch 4 Schritte. Ich schaue mich nach etwas um, was ich als Waffe nutzen könnte. Ich nehne eine lose Diehle mit dem unverletztem Arm und versuche sie mit einer Hand festzuhalten. Das Gewicht zwingt mich fast in die Knie. Ragnar steht direkt vor mir. Ich muss irgendwas tun.
Mit voller Kraft lasse ich das Brett auf dem Knie von meinem Gegner zerschellen. 'Denkst du das hält mich auf?', dröhnt seine Stimme in meinen Ohren. 'Vielleicht lange genug', antworte ich und hoffe auf Marcos Stimme. Nichts. Wie sollte ich noch durchhalten? Wenn ich abhauen würde, würde ich verlieren.
Eine Sekunde vergeht. 'Irgendwelche letzten Worte?', 'Ja', sage ich, um Zeit zu gewinnen. 'Falls ich hier sterbe, will ich begraben werden, klar? Ich will eine ordentliche Beerdigung bekommen!', rufe ich, damit es jeder hören kann. 'Verstanden!', Grölt ein betrunkener. Auf einmal höre ich lautes bellen. Ich lächle. 'Hallo.', begrüßt mich Marco im Kopf. 'Gut das du jetzt da bist. Ich hätte es nicht länger hinbekommen.' Ich seufze erleichtert.
Marco stürmt mit einem ganzen Wolfsrudel in die Hütte. Sie beißen, drohen, und verteidigen. Marco nimmt mit einem Wolfsweibchen Ragnar ins Visier. Irgendwie muss ich mir den menschlichen Marco statt den Wolf vorstellen. Doch ich hatte mir einfach bestimmt den Kopf gestoßen. Trotzdem... Marco. Wenn diese Mission vorbei sein würde, würde ich egal wie wieder zu Marco reisen. Ihn in die Arme schließen. Mein altes Leben wieder führen. Doch wenn ich das alles nicht überlebe... Werde ich ihn niemals sehen.
Die beiden Wölfe vor mir hatten Ragnar umkreist. Die Abtrünnigen waren Vampire, wie ich. Ein Wolfsbiss war tödlich. 'Ihr sitzt in der Falle', stelle ich nochmal klar. 'Bitte lass uns am Leben!', jammert einer. 'Gut. Ich rufe sie zurück.' Ich nicke siegreich. 'Willkommen bei uns!', empfing mich der Alte. Viele bejahten es. 'Ruf sie zurück.', bitte ich den Wolf Marco in meinen Gedanken. 'Leute! Zurück!', bellt Marco und die Wölfe trotten nacheinander aus dem Haus. 'Bis gleich!', höre ich Marco noch sagen.
'Ein Namen! Ein Namen!', rufen alle. 'Wir nennen dich... Miss Anonym!', 'Und was passiert jetzt?', Forsche ich nach.
'Jetzt wird gefeiert!', schrie eine Frau diesmal. 'Und zur Feier des Tages...', fängt der Alte an, 'Wird überfallen!', beenden die anderen.
Mit schlechtem Gewissen im Hinterkopf folge ich als Miss Anonym den Abtrünnigen aus der Hütte nach draußen. Ich bekomme einen Bogen und sammele mich mit den anderen auf einem Platz. Der Alte spricht noch eine kurze Rede, bevor wir den Überfall ausführen:'Zur Ehre für unser neues Mitglied, Miss Anonym, überfallen wir am Steilhang die täglichen Geld Kutschen.'
Ich kann nicht glauben, dass ich da mit mache. Aber werde ich dadurch meinen Auftrag ausführen können?
Wir verteilen uns kurz darauf quer über den Felshang. Es ist totenstill, nur der Wind lässt Geräusche entstehen. Alle sind hochkonzentriert. Es darf nichts schiefgehen. Ich starre aufgeregt auf den schmalen Weg, wo gerade noch eine Kutsche hindurch passt. Jeden Tag muss ein Wagen dadurch fahren. Hatte man diesen Weg nicht den Todesfall genannt? Ich stütze meine Arme am weichen Gras ab. Zum Glück konnte ich den gebrochenen Arm noch heilen, bevor es losging.
Die Stimmung ist angespannt. Bis wir Hufgetrappel hören. Nun kann ich den armen Mann sehen, der bald überfallen wird. Mir tat er jetzt schon Leid. 'Kleine! Du hast den ersten Schuss!', zischt die Frau ungeduldig.
Ich spanne den Bogen und platziere den Pfeil in Position. 'Muss ich töten?', flüstere ich mit Gewissensbissen. 'Natürlich.', grunzt die Frau unfreundlich zurück und ich ziele.
Der Pfeil trifft den Mann genau in sein menschliches Herz. Er kippt vom Sitz und wird von den erschrockenen Pferden zertrampelt. Ich schlucke. Die Pferde Schnauben verwirrt und ängstlich. 'Los.', gab der Alte das Zeichen und die Abtrünnigen und ich springen runter. Ich würde klauen. Und hatte jemanden getötet. Nur um mich zu retten.
Ich folge einem schlanken, athletisch aussehenden Vampir zur Kutschentür. Ein älterer Herr sitzt drinnen. Eine goldene Kiste klemmt in seinen Armen. Er scheint zu schlafen. Denken wir zumindestens, denn als der Vampir sich die Kiste holen will, zieht der Mann mit der Truhe ein Kreuz heraus und hält es vor ihm. Der Vampir stolpert raus und fällt hin. Ich drücke mich krampfhaft gegen hölzernen Wand. Wieso weiß der Mensch das wir kommen würden?
'SIE SIND DA!', brüllte der Mensch nach draußen.
Plätzlich greifen uns Menschen von allen Seiten an. Ein Hinterhalt. Aber wie?
Die meisten können sich in Sicherheit bringen. Ein Mensch kommt mit wahrscheinlich mit Weihwasser auf mich zu. Ich erwarte mein Ende.
Doch es kam nicht. Die unfreundliche Frau von eben hat ihren Arm um die Kehle des Menschens gedrückt und bald darauf kann sie ihn zufrieden tot auf den Boden fallen lassen. Ich gehe mit meinen neuen Verbündeten zurück in den Unterschlupf. Es muss einen Verräter oder so geben. Wie wussten die Angreifer sonst, das wir kamen?
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