𝓷𝓲𝓷𝓮
•𝔉•
𝓷𝓲𝓷𝓮
•𝔉•
„Es ғᴜᴇʜʟᴛ sɪᴄʜ ᴜɴɢᴇғᴀᴇʀ sᴏ ᴀɴ, als würdest du ihm einen brennenden Dolch in den Rachen stoßen."
Ich starrte den bronzehaarigen Vampir an, der mich mit gewisser Feindseeligkeit anstarrte.
Ein stummes ‚Oh‘ verließ meine Lippen. Ich saß entspannt auf dem Sofa, die Cullens um mich verteilt.
Auf unerklärliche Art und Weise fühlte ich mich weder bedroht noch ängstlich.
Edward hatte mir gerade eschauffiert erklärt, wie viel Kraft es Jasper gekostet hatte mich nicht anzufallen.
Dass er wegen mir Luft tat mir am meisten Leid.
„Ich ende aber nicht als Dinner, weil ich jetzt bescheid weiß- warte...", meine Augen trafen auf Edwards goldene, „Sie lebt noch, oder?"
„Ich würde ihr nie etwas tun!"
„Jetzt zumindest nicht mehr.", ergänzte Emmett, mittlerweile breit grinsend.
Ich kniff die Augen zusammen. So vieles ergab auf einmal noch mehr Sinn.
„Dass heißt, du hattest keinen Mundgeruch und ich muss doch nicht Duschen gehen."
Edward schnaubte, Emmett lachte und die „Vampireltern" schauten irritiert.
„Du hast gesagt normalerweise hätte mich meine Aktion getötet, was war anders?", stellte ich die nächste Frage und zog meine Beine in einen Schneidersitz.
„Du bist immer noch krank und du hast recht viel Erkältungsmedizin in letzter Zeit zu dir genommen. Dein Blut ist nicht auf der Höchstform, wenn man es so nennen kann.", nahm Doktor Cullen das Wort an sich.
Ich nickte verstehend, bis ich etwas realisierte.
„Deswegen wusstet ihr...", ich ließ den Satz in der Luft hängen und die ganzen Male mit den Antidepressiva schossen mir durch den Kopf.
Sie hatten die ständige Überdosis an Prozac und Catapres in meinem Blut gerochen. Deswegen war es wahrscheinlich auch am Anfang einfacher für Jasper gewesen neben mir zu sitzen.
Ich starrte auf den Boden, etwas peinlich berührt.
Gab es überhaupt etwas, was sie nicht wussten? Es fehlte nur noch, dass sie Gedanken lesen konnten.
Edward schnaubte etwas und ich blickte auf.
All die Male gingen mit durch den Kopf, als Bella und ich uns gefragt hatten, was mit ihnen nicht stimmte und dann das Gespräch mit dem Quileute Jungen am Strand am Samstag.
Ich hatte zwar nicht sonderlich viel mitbekommen, nachdem ich fast ertrunken war, aber dennoch genug, um die ganzen Informationen jetzt richtig zu verknüpfen.
Die Cullens waren also schon einmal hier gewesen?
„Das letzte Mal vor ungefähr siebzig Jahren."
Ich zuckte zusammen und fokussierte mich wieder auf den Bronzehaarigen.
Bitte was- hatte er?
„Ja." sagte Edward so nüchtern, dass ich froh war, dass ich schon saß.
Sofort lief ich knallrot an und alle Male, in denen ich Jasper hinterhergesehen (oder hinterhergesabbert, wenn man genau war) hatte.
Dann traf mich eine weitere Erkenntnis. Er hatte fast alle meine Flashbacks miterlebt, hatte gehört und gesehen, was ich gesehen hatte.
Die Wut die auf diesen Gedanken folgte, war rasend.
„Was hast du ihnen erzählt?! Seid ihr deswegen so zu mir?! Weil ihr es eh schon alle wisst?!", mein Ausbruch kam für alle so unerwartet, dass die Verwirrung in den Gesichtern nur allzu deutlich war.
„Nur ich kann Gedanken lesen, Francine. Und ich habe ihnen allen nichts erzählt.", ruderte Edward hastig zurück. In Doktor Cullens Blick trat ein Ausdruck der Erkenntnis und Rose' Blick wurde weicher. Auch wenn sie immer noch sehr angefressen aussah.
Irgendwie konnte ich es ja auch verstehen.
Ich blickte weg und starrte missmutig in den dunklen Wald.
Es war jetzt fast halb zwölf und ich nahm mein Handy hervor.
„Ich rufe Bella an. Sie muss sich Sorgen machen.", murrte ich. Ich wollte der ganzen Situation für einige Sekunden entkommen, doch Edward unterbrach mich.
„Sie schläft schon. Ich bin eigentlich nur hier um mich umzuziehen."
„Bitte was?"
Mir schoss das eine Mal in den Kopf, als ich gemeint hatte eine Person in Bellas Zimmer gesehen zu haben.
„Junge, das ist nicht nur creepy, sondern sehr bedenklich!", rief ich aus und Emmett lachte laut auf. Alice konnte sich auch ein Schmunzeln nicht verkneifen, Esme sah eher besorgt um mein Wohl aus, da ich aufgestanden und auf den Rothaarigen Vampir zugelaufen war.
„Jetzt habe ich ihre Erlaubnis ja.", wieder eine nüchterne Antwort und ich konnte nicht anders, als ihn einmal an den Arm zu schlagen.
Er fing meine Hand auf, bevor sie treffen konnte.
„Du tust dir weh."
„Oh nein, dir tut es gleich weh! Du weißt gar nicht wie sehr ich creepy Stalker hasse!", wie wild geworden wollte ich auf den Vampir los, wurde jedoch mit sanfter Gewalt von einer kleinen Schwarzhaarigen Person zurückgehalten. Eigentlich hätte ich damit rechnen müssen, dass sie hundert Mal stärker war, als sie aussah. Dennoch war ich fast perplex, dass sie mich aufhalten konnte.
„Er hat recht, Franny."
Ich verschränkte wütend die Arme.
„Creep."
Edward seufzte schwer und rieb sich die Stirn. „Das habe ich wohl verdient."
Mit einem letzten anmaßendem Blick zu Edward ging ich wieder auf das Sofa zu und setzte mich plumpsend hin.
„Ich will mich bei Jasper entschuldigen."
„Er wird erst gegen sieben Uhr wiederkommen.", wandte Alice ein. Ich schnaubte leicht, als ich die versteckte Bitte heraushörte, nach Hause zu fahren. Mich bekäme heute niemand mehr zum Haus meiner besten Freundin.
„Dann schlafe ich eben hier."
Es wurde sehr ruhig und Alice wog kalkulieren ihren Kopf. Alle Augen waren auf sie gerichtet, als sei sie das Orakel von Delphi.
„Es wird nichts passieren. Du kannst in meinem Zimmer schlafen."
Ein schlechtes Gewissen stellte sich ein und ich wich aus. „Das ist nicht nötig, ich nehme das Sofa."
„Es ist in Ordnung, wir schlafen nicht."
Ich brauchte einige Sekunden, um den Inhalt des Satzes zu begreifen.
„Gar nicht? Oder ist das auch so ein ‚nur ich kann Gedankenlesen' Ding wie bei Redhead-Usain?"
Edward murrte leise aufgrund seines neuen Spitznamens.
Alice kicherte und schüttelte den Kopf. „Nein, wir alle schlafen nicht."
Es dauerte wieder sehr lange, bis ich das verarbeitet hatte.
„Ich glaube, es wird ein wenig zu viel Information für Fran in dieser Nacht. Alice, sei doch so lieb und zeig ihr dein Zimmer.", griff Esme ein und ich war dankbar, da mein Kopf langsam wirklich weh zu tun drohte.
Nicht, dass die Cullens Vampire waren, sondern auch noch einige von ihnen Superkräfte zu besitzen schienen überwältigte mich etwas.
Alice zeigte mir ihr Zimmer, welches sehr gemütlich gehalten war und fliederne Akzente überall aufwies. Flieder war auch die Lieblingsfarbe meiner Mutter gewesen.
Es stand ein großes Bett in dem Raum und zwei Türen an der linken Seite ließen ein Badezimmer und einen begehbaren Kleiderschrank vermuten.
Es war wirklich ein sehr schönes Zimmer.
„Ich suche dir gerade noch einen Pyjama heraus, aber du solltest Charlie anrufen, sonst kommt er in einer halben Stunde vorbei."
„Du... kannst in die Zukunft sehen?", vermutete ich, eine gewisse Verwunderung nicht verbergen könnend.
„Ich nenne es eher Einblicke in Möglichkeiten. Meine Visionen ändern sich mit jeder Entscheidung, die ein Mensch trifft. Die Entscheidung, dass du dich in Lebensgefahr begeben möchtest habe ich nur Sekunden vor dem Vorfall gesehen, da du dir bis dahin nicht sicher warst und es nicht mehr in Erwägung gezogen hattest. Dinge wie das Wetter sind einfacher zu sehen.", erläuterte die kleine Brünette. Ich nickte, obwohl ich es kaum verstehen konnte. Sie war also wirklich so etwas wie das Orakel von Delphi. Ich verkniff mir sie nach meiner Zukunft zu fragen, da ich insgeheim wusste, dass ich es eigentlich nicht wissen wollte.
„Und die anderen, was ist mit denen?"
Alice lachte leise. „Du rufst jetzt erst einmal Charlie an und dann reden wir weiter."
Ich seufzte, tat dann aber wie mir gehießen und wählte die Nummer des Chiefs der Stadt Forks.
„Fran?", das hatte keine drei Sekunden gedauert, stellte ich überrascht fest.
„Hey Charlie, sorry, aber Jasper und ich haben doch länger gebraucht, als vermutet. Alice lässt mich bei ihr im Zimmer übernachten, da ich zu müde bin, um heim zu fahren."
„Bei Gott. Ich habe mir schon angefangen Sorgen zu machen. Hast du von dem Unfall gehört?"
„Unfall?"
„Ein guter Freund wurde im Bootshaus angegriffen. Sie gehen von einem Tierangriff aus. Aber egal welches Tier dort unterwegs war, wir sind uns nicht sicher, ob er nochmal tötet."
„Ich komme morgen früh dann nach Hause."
„Pass auf dich auf, Francine."
Nachdem ich aufgelegt hatte, realisierte ich, wie weit ich schon in den ruhigen Mann vertraute, der mir wie ein Vertrauter, fast schon ein Vater in der letzten Zeit vorgekommen war.
Und es machte mich auf unerklärliche Weise glücklich, dass er ebenso besorgt um mich gewesen war, wie um Bella.
Alice drückte mir einen sehr kurzen Pyjama in die Hände und öffnete mir die Badezimmertür, wo auf der Toilette fein säuberlich ein Handtuch und Zahnbürste mit Zahnpasta lag.
Argwöhnisch betrachtete ich die Toilette.
Ich musste echt dringend, aber ich wusste nicht in welche Richtung die Fähigkeiten der Cullens noch gingen.
Also putzte ich mir rasch die Zähne und zog mich um, nachdem ich mich mit einem sündhaft teuer aussehendem Gesichtsreiniger das Make-up abgeschminkt hatte.
Ein kritischer Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich aussah, als hätte ich den Pyjama einem Grundschülers gestohlen.
„Alice?", rief ich, etwas panisch, da ich unmöglich in diesen Sachen herumlaufen könnte, ohne dass mir entweder mein Hintern heraushing, oder ich jemanden etwas zu offenherzig mit dem Ausschnitt beglückte.
Ich meinte die elfenhafte Brünette kichern zu hören, bevor mir ohne Aufforderung ein großes schwarzes T-Shirt hereingereicht wurde.
Ich wusste, was sie gemacht hatte.
„Haben Rose oder Esme nicht Pyjamas?", fragte ich verzweifelt und hörte eine Diskussion hinter der Badezimmertür.
Genervt zog ich mir das T-Shirt über und ging aus dem Bad.
„Bitte.", Alice seufzte und Rose trat in das Zimmer und reichte mir stumm ein legeres Loungewear-Set, was auf alle Fälle geeigneter war, als Jaspers schwarzes T-Shirt.
Alice kicherte immer noch amüsiert und ich verdrehte synchron mit Rosalie die Augen.
Nachdem sich dieser Zirkus auch beruhigt hatte, setzte ich mich auf das Bett und wartete darauf, dass Alice ihr Versprechen einhielt.
Ohne Umschweife begann sie mich aufzuklären, erzählte, wie Vampire lebten, dass die Cullens sich als ‚Vegetarier' zählten und dass meine Vermutungen mit dem Supergehör nicht ganz falsch waren.
Innerlich notierte ich mir, dass ich hier niemals auf Toilette gehen könnte, es sei denn Emmett hatte eines seiner Sportprogramme ganz laut gedreht.
„Und was ist mit Jasper?", traute ich mich nach einiger Zeit zu fragen und in Alice' Gesicht tauchte ein glücksseliges Lächeln auf.
„Das sollte er dir besser selbst erzählen.", flüsterte sie beinahe mysteriös, bevor sie mit ihren anderen Erzählungen fortfuhr.
Mit Alice Geschichte über ihren letzten Aufenthalt in Alaska kam auch allmählich die Erschöpfung des ganzen Tages auf. Es war mehr Aufregung gewesen, als ich gedacht hatte, sodass ich, begleitet von Alice' sanfter Stimme in einen unruhigen Schlaf glitt.
Es stellte sich nur kurze Zeit später heraus, dass es nicht die schlauste Idee gewesen war, in einem Haus voller Vampire zu schlafen.
Mitten in der Nacht schreckte ich aus einem Alptraum auf, nur um gleich darauf Doktor Cullen, der mir das ‚Du' und ‚Carlisle' angeboten hatte, in der Tür vorzufinden.
Er hatte mir eine geringe Dosis Beruhigungsmittel gegeben, woraufhin ich wieder eingeschlafen war.
Ich konnte mir nicht einmal mehr Gedanken darum machen, dass Edward wieder eine meiner grausamen Erinnerungen gesehen hatte. Aber das wäre mit Sicherheit nicht das letzte Mal gewesen.
•𝔉•
„Ich fasse es nicht! Wisst ihr, in welche Gefahr ihr sie bringt, ich bin-"
„Guten Morgen.", unterbrach ich Jaspers wütenden Monolog im Wohnzimmer der Cullens.
Er wirbelte zu mir herum und blickte mich mit beinahe ehrfürchtig an.
„Francine."
„Mr. Hale.", gab ich trocken zurück und schlurfte zur Kücheninsel, wo ich mir einen Apfel aus dem Obstkorb nahm.
„Keine Angst, ich mache schon niemanden Hungrig.", murrte ich, als sofort alle in Alarmbereitschaft gingen.
Ich wusste nicht, ob ich es mir einbildete, aber ich meinte jemanden hinter mir knurren zu hören, als mir der Apfel aus der Hand genommen, gewaschen und anschließend in kleine Stücke geschnitten vorgesetzt wurde. Das alles in einer solchen Geschwindigkeit, dass ich überfordert auf den Teller und dann auf den blonden Vampir starrte, der mit verschränkten Armen vor mir stand.
Mir ging der Satz durch den Kopf, den Edward mir gesagt hatte.
„Es fühlt sich ungefähr so an, als würdest du ihm einen brennenden Dolch in den Rachen stoßen."
Ich schluckte heftig und blickte auf die Apfelschnitze.
„Entschuldigung"
Ich blickte nicht auf.
„Warum?", die Irritation in Jaspers Stimme war deutlich zu hören. „Ich hätte dich beinahe umgebracht. Und ich will nicht wissen, wie dein Arm aussieht."
Er klang wütend, auf sich selbst und auch auf mich.
Ich grinste schief, als ich meinen Kopf hob.
Ja, ich hatte ziemlich üble Blutergüsse an den Stellen, an denen er mich gestern gepackt hatte, aber sie taten nicht sehr weh. Nicht so weh wie Dinge, die nicht so schnell heilen konnten.
„Ich habe schon weitaus schlimmeres, als blaue Flecken mitgemacht, Jasper."
•𝔉•
Ich wusste, dass Jasper nun alles dafür tun würde, mir nicht mehr zu nahe zu kommen. Nicht nach gestern. Nicht nach meinem offen Ignoranten Kommentaren zu all seinen Bedenken. Ich bereute es. Ein wenig zumindest.
Bella blickte mich offen neugierig an. Sie hatte sich ihren Teil in der Geschichte denken können, als ich ihr erzählt hatte, dass unsere Idee etwas nach hinten losgegangen war. Sie hatte mir erzählt, dass sie Edward im Auto unsere Vermutungen erläutert hatte.
Keine epische Waldszene, wie ich sie mir heimlich für sie erhofft hatte. Auch wenn ich Edward etwas suspekt fand.**
Ich wusste kaum, was ich mit meinen eigenen Gefühlen anfangen sollte. Jasper war ferner als je zuvor und ich war mir selbst nicht wirklich sicher, ob ich in die ganze Vampir Geschichte involviert werden wollte.
In meinem eigenen Privatleben hatte ich auch so schon genug zu verarbeiten.
Aber ein Teil von mir wusste auch, dass ich aus dieser Geschichte nicht einfach so mehr heraustreten könnte. Irgendwie hatten Bella und ich uns das jetzt selbst eingebrockt.
Ich blickte aus dem offenen Fenster. Es war wieder langsam dunkel und ich vermutete, dass ein gewisser Cullen bald hier aufkreuzen würde.
Begeistert war ich davon immer noch nicht. Es kam mir nicht sehr rühmlich vor einfach einer schlafenden Person zuzusehen, bloß weil man selbst nicht schlief.
Kaum hatte ich meinen Gedanken zu Ende gedacht, kam ein bronzehaariger Junge durch das Fenster.
Ich runzelte die Stirn und Bella war augenblicklich rot angelaufen.
„Ich- Er..."
„Ich weiß, dass er dich stalkt.", murrte ich. Bella blickte überrascht auf.
„Sie hätte mich beinahe verprügelt.", witzelte der Vampir und ich kniff die Augen zusammen.
Bella schwieg etwas betreten und sah auf ihr Kopfkissen. Edward stand stumm, etwas abwartend im Raum. Die beiden konnten froh sein, dass Charlie heute Spätschicht hatte. Genervt stand ich auf.
„Ich verschwinde ja schon. Viel Spaß euch noch."
Ich konnte kaum verhindern, dass eine gewisse Eifersucht in mir aufstieg. Warum funktionierte es bei Bella? Warum war ich eifersüchtig darauf, dass sie endlich einmal Glück in ihrem Liebesleben hatte?
Wütend schmiss ich mich auf die Matratze und kam mir so lächerlich vor wie schon lange nicht mehr.
Meine Augen fanden den ungeöffneten Karton, den mir meine Tante geschickt hatte. Wie lange stand er jetzt schon ungeöffnet dort?
„Du musst anfangen mutig zu werden. Beiß sich durch! Oder wie denkst du, habe ich es geschafft in der Navy als junge Frau durchzuhalten?"
Ich dachte an das Gespräch mit Portia, nachdem ich ihr von meiner Trennung von meinem damaligen Freund erzählt hatte. Er hatte mich mit einer gemeinsamen Freundin betrogen.
Entschlossen riss ich das Paket zu mir und riss es auf.
Oben darauf lag ein kleiner Zettel, ich erkannte Gemmas Handschrift.
Ich hoffe die Dinge kannst du gebrauchen.
-Gemma
Ich legte den Zettel beiseite und holte das in Seidenpapier gepackte oberste Foto heraus.
Grandma hatte es gemacht, kurz bevor Portia ihre Senior Prom hatte.
Sie trug einen unglaublich gut sitzenden, roten Hosenanzug, Mum stand daneben, heulend, in einem bodenlangen pastellvioletten Kleid. Ich hatte ein relativ kurzes Kleid an, was mit reichlich Tüll ausgestellt war. Ich war zu dem Zeitpunkt vierzehn gewesen und so glücklich, dass ich endlich ein hübsches Kleid kaufen durfte.
Neben Mum stand mein Vater in einem klassischen Anzug mit blauer Krawatte, breit grinsend.
Grandma's Daumen verdeckte die obere rechte Ecke des Fotos und auch der Fokus war nicht der Beste.
Doch das Foto war schön. Ich liebte es.
Damals war noch alles heile gewesen.
Vorsichtig legte ich es auf die Seite und erkannte einige Bücher. Mum hatte Fotoalben und Tagebücher geführt und ich nahm mir vor, sie in meiner nächsten Therapiestunde mitzunehmen. Ich wollte nicht alleine durch die Erinnerungen.
Vielleicht könnte ich auch mit Bella reden?
Seufzend legte ich die Bücher heraus und kam mir im nächsten Moment so vor, als wäre mir ins Gesicht geschlagen worden.
Pashas Jacke vom letzten Army-Einsatz lag unten in der Kiste. Ihr Name prangte mir in schwarzer Stickerei entgegen.
Bevor ich überhaupt verstand, was passierte, liefen mir die Tränen über das Gesicht und ich hatte mich in die Jacke gerollt.
Alles roch nach meiner Schwester, nach zu Hause, nach der Erinnerung daran, was ich alles verloren hatte.
Schluchzend vergrub ich mein Gesicht in den gestärkten Stoff und konnte nicht mehr aufhören zu weinen.
Ich wusste nicht wie lange ich geweint hatte, da merkte ich, wie zwei starke Arme mich aufhoben und in mein Bett trugen.
Es war mir nicht einmal aufgefallen, dass ich auf dem Boden zusammengebrochen war.
Ich hörte Bellas Stimme und meinte auch Edward zu hören.
Verstehen konnte ich jedoch nichts, hören wollte ich nichts. Ich wollte Portia, ich wollte Mum und verdammt ich wollte dass er in der Hölle schmorte.
Ich wurde so wütend, dass ich verzweifelt aufschrie und im nächsten Moment in einen Flashback gerissen wurde.
Es schien alles so friedlich, ich war gerade mit meiner Mutter Nadia in der Küche. Es sollte gefüllte Paprika geben, das Küchenmesser legte sie beiseite, als es an der Tür klingelte. Dann fing das Geschrei an.
„Micheal! Ich habe dir gesagt, dass ich nicht mehr rede, bis du einsiehst, dass du Behandlung brauchst!"
„Ich lasse mir von dir nicht sagen, wann ich nach Hause komme und wann nicht!"
Ich hielt alarmiert Ausschau zu Portia, die aufgesprungen war. Sie deutete mir an, dass ich zu ihr kommen sollte.
„Lass mich herein Nadia!", bellte der blonde, große Mann und schob sich an meiner Mutter vorbei ins Innere des Hauses. Ich bekam Panik, ich wollte nicht, dass etwas passierte.
Er hatte das Messer gegriffen, bevor ich es verarbeiten konnte und lief auf meine Schwester und mich zu.
„Michael! Nicht die Kinder!", hörte ich den entsetzten Schrei meiner Mutter, bevor sie sich vor uns stellte.
Portia drückte mich hinter sich und schob uns langsam in Richtung der Gästetoilette.
Grüne Fliesen. Die Pflanze, die ich mit ihm zusammen gekauft hatte.
Dann hörte ich den entsetzlichen Schrei, sah, wie meine Schwester heftig zusammenzuckte und die Tür verbarrikadierte.
„Mum! Portia, wir müssen sie retten!", schrie ich hysterisch und versuchte die Tür zu öffnen, meine Schwester drängte mich zurück.
„Ruf die 911!", sagte sie angestrengt die Fassung zu bewahren. Sie weinte. Portia Peters weinte nie.
Ich tat, was sie mir sagte. Das Klopfen an der Tür wurde immer heftiger.
„Kommen sie schnell!", schrie ich noch, bevor der Anruf beendet war und die Tür aufgestoßen wurde.
„Pasha, Pasha, Pasha.", kalt, fremd und doch so bekannt.
Ich weinte, Portia drückte mich hinter sich.
„Ich liebe dich, kleine Schwester.", dann stürmte sie auf ihn zu.
Ich sah, wie sie versuchte ihn das Messer, dasselbe, mit dem noch vor so kurzer Zeit Paprika geschnitten wurde, abzuwehren.
Ich schrie nach hilfe, so laut ich konnte, dann stürzte Portia auf mich zu, begrub mich schützend unter sich, erschlaffte.
Dann war ich er. Meine Hände, seine blutigen Hände. Meine Augen, seine eisgrauen Augen. Dort wo ich mich befinden müsste, war niemand. Das Messer fiel scheppernd aus der blutigen Hand und ich blickte an mir herunter.
„Du hättest mich beschützen sollen.", hörte ich Mums Stimme.
„Du hättest dich vor mich stellen sollen.", sagte Portia und blickte mich aus leeren Augen an.
„Das ist meine Tochter.", eisige Augen, meine Augen.
Meine Augen, waren wie die seinen.
Ich war wie mein Vater.
Dann fing ich an zu Schreien.
•𝔉•
**Im Buch ist es tatsächlich so, dass Bella schon auf dem Weg aus Port Angeles zurück Edwards Geheimnis herausfindet. Wer gut aufgepasst hat, weiß mittlerweile auch, dass ich mich an ein paar Details aus den Büchern halte.
Hier passte es gerade sehr gut, dass Bells keine „epische Waldszene" hatte.
Aber sind wir alle ehrlich, ist diese Szene in den Filmen nach dem zweiten Mal schon etwas sehr überdramatisiert dargestellt... (Oder denke nur ich so?)
Wir lesen uns ;)
~Ann ^^
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro