Heute ist es so weit. Heute möchte ich mit einer Überraschung der Familie Lee meine Dankbarkeit zeigen. Mit Worten bin ich nicht so geschickt. Aber vorher dürfen wir einen Ausritt genießen. Alle bis auf Felix.

Jung-Hee ist aus dem Krankenhaus entlassen worden und kann es sich nicht nehmen, es mit einem Ausritt zu feiern. Er meint, dass es effektiver als eine Physiotherapie sei.

Somit putzen wir alle Pferde und machen uns auf den Weg. Die Erwachsenen auf ihren Pferden und Jisue auf Kelly mit Shadow im Schlepptau. Während ich Nell reite und mit Esco und Olivia das Schlusslicht sind.

Es war wundervoll. Selbst Olivia hat es genossen, obwohl sie laufen musste. Die Stimmung ist großartig, fast bombastisch. Nachdem die Pferde versorgt sind, geht es zum Mittagessen ins Haus.

,,Hä, warum steht da ein Auto? Kommt die Frau Kwon etwa wieder unangekündigt?" Irritiert schaut Olivia den Rest der Familie an. ,,Ich gehe nachgucken, wo sie ist, falls sie hier draußen sein sollte." versuche ich mich zu retten und verfluche die Jungs gedanklich.

Natürlich sehe ich mich nicht um, sondern genieße die Sonnenstrahlen und die Gesellschaft der Katzen. Ich ertappe mich dabei, wie ich mich mental vorbereite, gleich inmitten einer glücklichen Familie zu sein.

Seufzend stehe ich auf, verabschiede mich von den Katzen und begebe mich ins Haus.

Lautes, ausgelassenes Stimmengewirr kommt mir entgegen, lautes Gelächter, blitzende Augen und lächelnde Gesichter. Ich schlucke einen dicken Kloß hinunter und bleibe deswegen erst einmal im Türrahmen stehen. Alle freuen sich, wieder beisammen zu sein. Besonders, dass Felix da war.

,,Das ist dein Verdienst. Du kannst ruhig stolz auf dich sein. Es ist gewiss nicht leicht, sich in einer eingespielten Familie einzufinden. ICH bin definitv stolz auf dich." Plötzlich steht Chan aus dem Nichts hinter mir und legt vorsichtig seine Hand auf meine Schulter. Vor Überraschung bekomme ich nicht mal ein Danke heraus. Es hat sich schon wieder ein Kloß gebildet.

,,Komm, setzen wir uns. Sonst bleiben nur noch Krümel übrig." Scherzt der Australier und geht zum Tisch. Ich hingegen bleibe an Ort und Stelle stehen. Chan sieht mich nur fragend an, woraufhin ich meine auf meine dreckige Hand zeige und ins Bad renne.

Ich emotionaler Nichtsnutz. Immer wieder tauchen Bilder und Szenarien vor meinem inneren Auge auf: Meine Eltern und ich an Weihnachten, Geburtstagen, Spieleabenden, Spaziergängen oder Gute-Nacht-Geschichten vorlesen. Ich vermisse sie beide so sehr.

,,Mein Gesicht war dreckig." Damit beantworte ich die Frage, weshalb mein Gesicht so rot ist. Alle geben sich damit zufrieden und reden fröhlich weiter. So auch Chan, der nur immer wieder besorgt einen Blick auf mich wirft.

,,SO-HYUN, WARTE!" Erschrocken verlassen die frühen Vögel ihre Sitzplätze und schwingen sich in die Lüfte. Ich wünschte, ich wäre jetzt so einer. ,,Kann ich mitkommen?" Fragt Chan, als er bei mir angekommen ist. Ich zucke mit meinen Schultern. Damit verlassen wir beide den Hof. Ich auf Nell, Chan zu Fuß.

Ich weiß, was er möchte und warum er hier ist. Allerdings hätte er auch bis später damit warten können. Er hätte ausschlafen können.

,,Wie geht es dir?"

,,Gut. Und dir?"

,,Was war gestern los?" Fragt Chan, ohne meine Frage zu beantworten. Danke dafür.

Die ganze Wahrheit werde ich ihm ganz bestimmt nicht sagen. Also werde ich ihm von Innie erzählen. Er hat vielleicht auch den einen oder anderen Tipp für mich. Zwischenmenschliche Beziehungen waren nie mein Ding.

,,Ich mache mir nur Gedanken. Es gibt in der Schule einen Jungen. Wir haben uns super verstanden. Obwohl Innie bei seinen Freunden natürlich anders ist als bei mir. Und ich habe auch kein Problem damit, dass er mal bei ihnen und mal bei mir ist, alle Mädchen ihn anhimmeln und er Nachmittags keine Zeit hat, weil er sich um seine Brüder kümmern muss. Aber ich habe das Gefühl, dass er mich oft anlügt. Wenn er mal zu spät kommt und auch das mit den Nachmittagen. Dann habe ich ihm indirekt die Freundschaft gekündigt und jetzt tut er so, als wäre ich die Böse, die alles zerstört hat. Und diese Vorwürfe machen mich fertig. Hattest du schon mal mit so einer ähnlichen Person vom Typ her zu tun gehabt?"