,,Wow, so schlecht gelaunt, steigst du mir auf kein Pferd!" stellt Jisue Eonnie klar.
Verständnislos schaue ich sie an. ,,Geh die Boxen ausmisten, das hilft." Missmutig gehe ich dem nach.

Es erinnert mich zu sehr an meinen Vater, der mich immer auf mein Zimmer geschickt hat, wenn ich verdammt schlechte Laune hatte. Der Gedanke schmerzt sehr. In meinem Kopf, meinem Herzen. Ich vermisse ihn nach wie vor unheimlich doll.

Es wirkt. Früher habe ich meinen Kleiderschrank neu aufgeräumt, Stifte aussortiert oder getanzt, wenn es ganz schlimm war. Jetzt habe ich eine sinnvollere Aufgabe. Das werde ich beibehalten.

,,Geht es dir jetzt besser?" kommt Jisue Eonnie fragen. ,,Wow, das ist ein neuer Rekord! Sechs Boxen in einer dreiviertel Stunde, Respekt." erstaunt bewundert sie mein Werk und meint: ,,Wenn du dich besser fühlst, kannst du Nell von der Koppel holen. Und anschließend Shadow." Dann verschwindet sie aus dem Stall.

Glücklich hole ich Nell von der Koppel und putze sie ausgiebig. Dann sattel ich sie, wo ich mir nach wie vor Zeit lasse. Sattel rauf, runter, rauf, runter, bis sie komplett entspannt stehen bleibt. Das Auftrensen geht "schneller", weil sie damit keine bösen Erfahrungen hatte. Vermuten wir jedenfalls.

Auf dem Reitplatz angekommen stehen die Schwestern mit Boram und Nells Besitzer am Zaun. Vom Zaun aus sitze ich auf und lockere die Muskeln und Sehnen des Pferdes. Jisue Eonnie kommt dann auf den Reitplatz.

,,So, meine Liebe, heute üben wir Anlehnung. Die innere Anlehnung hast du schon bei Esco geübt, richtig?" Sie erhält als Antwort ein Nicken meinerseits. ,,Sehr schön. Dann reite zuerst auf dem Zirkel, um mich herum. Lass den äußeren Zügel ohne Spannung, leg deinen inneren Schenkel an das Pferd und nimm deine ganze Seite zur Hilfe. Und gib am inneren Zügel leichte Impulse, ein minimales Zupfen." Erklärt sie dennoch noch einmal. Ich tue was sie sagt. Nell versteht es nicht sofort aber sie denkt nach und probiert verschiedenes aus: Nach außen laufen, eine Volte reiten, auf Jisue zugehen. Aber ich bleibe hartnäckig und gebe ihr die Hilfe und wenn sie dem nachgeht, egal wie kurz oder wie minimal, belohne ich sie, indem ich die Hilfe nicht mehr gebe.

Nach einer halben Stunde reagiert sie sofort auf die Hilfe und bleibt für ein paar Schritte in der Anlehnung. Damit beenden wir das Training.

,,Das sah sehr gut aus. Ich freue mich, sie bald nach Hause mitzunehen. Meine Tochter wird sich freuen, so ein gut ausgebildetes und verlässliches Pferd zu reiten. Waren Sie schon mit ihr im Gelände?" Wendet er sich an Boram. ,,Ich kann Ihnen da nicht allzu viel sagen, meine drei Töchter kümmern sich darum. Sie alle haben ein besseres Händchen für die Ausbildung." antworte sie ehrlich.
,,Hm." kommt es verdutzt vom Besitzer Choi. ,,Wir waren mit ihr im Gelände spazieren. Aber sonst haben wir uns darauf konzentriert, die Ursache des Problems zu erkennen und zu lösen. Wenn es auf dem Platz weiterhin so gut läuft, geht es auch raus ins Gelände." Herr Choi zeigt Verständnis. ,,Und wenn Nell für Ihre Tochter das Pferd sein soll, dann sollte sie mal herkommen und sie reiten. Dann bekommt sie ein Gefühl für das Pferd und wir könnten ihr noch Tipps geben, je nachdem wie erfahren sie ist und sie sich verstehen." Wirft Liv noch ein.

Das klingt in der Tat nach einer sehr guten Idee aber stimmt mich auch traurig. Wenn die Tochter dann da ist, heißt es, dass Nell so weit ist, dass sie nach Hause kann. ,,Ich werde sie fragen, weil das ist ein grandioser Einfall." mehr höre ich nicht, weil ich Nell zum Absatteln an die Putzstange bringe.

Etwas später ist Nell auf der Koppel, Shadow geputzt und auf dem Reitplatz. Jisue sitzt schon auf Kelly und wärmt sie auf. ,,Eonnie? Warum sollte ich mit Shadow hierherkommen?" Verwirrt sehe ich die ältere an, welche am Tor stehen bleibt. ,,Damit wir demnächst alle ausreiten können und Liv nur ein Pferd führen kann, muss ein Pferd als Handpferd mitlaufen. Und das ist in diesem Fall Shadow." Erklärt sie mir. Hm, das macht Sinn. Und falls Shadow durchgehen sollte, ist Kelly notfalls schnell genug, um mit ihm mitzuhalten und anzuhalten. 

,,Gib mir den Führstrick und warte draußen. Ich möchte nicht, dass du zwischen die Hufe gerätst." Sagt sie noch ehe sie mit dem Training beginnt.

Gespannt schaue ich zu. Kelly und ihre Reiterin sind ein Spitzenteam und Kelly weiß genau, wann sie Shadow zurückdrängen muss und wann nicht. Nach ungefähr fünfzehn Minuten drehen alle Beteiligten gemütliche Runden im Schritt und Trab. Ohne aggressiv angelegte Ohren, Kopfschlagen oder Schweifschlagen.

Entschlossen. Ja, das bin ich. Ich möchte mit Shadow auch so ein tolles Team sein wie Kelly und Jisue Eonnie. Und anderen Pferden helfen und was beibringen. Nur das dauert noch eine Weile bis Shadow und ich von den Schülern zu Lehrern werden.

,,Hey So-Hyun, Schwesterherz! Wie geht es dir?" Dröhnt Felix Stimme aus dem Lautsprecher. ,,Müde und gut und wie geht es meinem berühmten Bruderherz?" Sein herzhaftes süßes Lachen ertönt. ,,Alles in Butter, nur einem meiner Member geht es nicht so gut. Der verbreitet nur schlechte Laune zurzeit. Aber was soll's! Lass es nur bald vorbei sein!" Er scheint sichtlich genervt zu sein.  

Ein kleines Kapitel an diesem wunderschönen sonnigen und warmen Freitag ^^