2: Kein Bier?
Blue
Gabriel stand vor mir, die Arme verschränkt, sein Gesichtsausdruck eine Mischung aus Entschlossenheit und Zorn. Ich fühlte, wie meine Magengegend sich zusammenzog und meine Kehle trocken wurde. Ganz klar, das war nicht der Start in den Abend, den ich mir erhofft hatte.
„Gabriel", brachte ich heraus und zwang mich, nicht nervös zu wirken. „Was machst du hier?"
„Wir müssen reden, Blue. Das weißt du", sagte er ernst. Ich seufzte innerlich. Natürlich mussten wir reden. Es war unvermeidlich, dass unser kleines Desaster von Weihnachten geklärt werden musste, aber jetzt, hier, in der Kälte und Dunkelheit des letzten Abends des Jahres? Ich war nicht bereit dafür. Hinter mir schloss ich die Tür. Tief einatmen Blue.
„Ich möchte das hier und jetzt klären. Es hat zu lange gedauert und ich habe es satt, dass du mich ignorierst", begann er erneut zu sprechen, als er merkte, dass kein Wort meinen Mund verließ. Sein Vorwurf traf mich härter, als ich zugeben wollte. Ich wollte Gabriel nicht verletzen, aber die Wahrheit war, dass ich selbst nicht wusste, wie ich mit der Situation umgehen sollte. Alkohol hatte mich in diese Lage gebracht, und jetzt stand ich hier, unfähig, klare Gedanken zu fassen.
„Okay", sagte ich schließlich und lehnte mich mit dem Rücken an die Tür. „Lass uns reden." Gabriel schloss die Augen, als ob er sich sammelte, dann öffnete er sie wieder und sah mich erwartungsvoll an. Ich spürte eine Welle der Scham über mich hinwegrollen. Aber ich musste ehrlich sein. „Gabriel, ich war betrunken. Ich erinnere mich kaum an den Kuss selbst, geschweige denn an meine Motive. Es war ein Fehler, den ich zutiefst bereue"
Er schnaubte, diesmal weniger verächtlich und mehr amüsiert. „Ein Fehler? Ist das alles, was du dazu zu sagen hast? Blue, du hast mich geküsst, als ob wir in einem kitschigen Film wären. Du hast sogar deinen Drink auf meinem Oberteil verschüttet"
Ein kleines Lächeln stahl sich auf meine Lippen. „Ja, ein wirklich glamouröser Moment, nicht wahr? Und immerhin habe ich dich nicht angekotzt. Aber Gabriel, im Ernst, ich wollte dich nicht irgendwie verletzen oder in eine dumme Situation bringen. Es war dumm und unüberlegt"
Er entspannte sich ein wenig, und ich sah, wie der Zorn in seinen Augen durch eine Spur von Belustigung ersetzt wurde. „Weißt du, Blue, du bist echt ein Chaos. Aber das ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum wir befreundet sind"
Ich konnte nicht anders, als zu lachen. „Ein wandelndes Desaster, das bin ich wohl. Aber hey, zumindest wird es nie langweilig mit mir"
Gabriel schüttelte den Kopf, ein Lächeln auf seinen Lippen. „Nein, langweilig wird es nie. Aber du weißt, dass du mir wichtig bist, oder? Ich möchte nicht, dass so etwas zwischen uns steht"
Ich nickte ernst. „Das möchte ich auch nicht. Ich verspreche, ich werde mich bessern und den Alkohol etwas mehr im Zaum halten"
„Das wäre schon mal ein Anfang", sagte er und streckte die Hand aus. „Freunde?"
Ich ergriff seine Hand und schüttelte sie fest. „Freunde"
„Gut", sagte er, während er mich näher zu sich zog und auf sein Auto deutete. „Jetzt lass uns ins Jack's gehen und diesen Abend überstehen". Gabriel und ich gingen die Stufen der Veranda hinunter und machten uns auf den Weg zu seinem Auto. Als er die Tür aufschloss, warf ich einen letzten Blick auf die verschneite Straße und fragte mich, wie dieser Abend wohl enden würde.
„Komm schon, steig ein", sagte Gabriel und öffnete mir die Beifahrertür. Ich setzte mich und schnallte mich an, während er um das Auto herumging und auf der Fahrerseite einstieg. Im Auto herrschte eine angenehme Wärme, die sofort die Kälte von draußen vertrieb. Gabriel trug ein schwarzes Hemd und schwarze Jeans, die ihm lässig und dennoch gut standen. Sein Look war schlicht, aber irgendwie beeindruckend. Sein Hemd war aus weichem, fließendem Stoff, der seine muskulöse Statur betonte, ohne zu eng zu sein. Die Ärmel waren hochgekrempelt und gaben den Blick auf seine tätowierten Unterarme frei, die bei jedem seiner Bewegungen kurz aufblitzten. Ich konnte nicht anders als ihn etwas zu lange zu mustern. Am Ende war ich auch nur eine Frau.
„Also, Blue", begann er, ohne den Blick von der Straße abzuwenden, „Wie hast du die letzten Tage verbracht?"
Ich zuckte mit den Schultern. „Nicht viel. Ein bisschen gearbeitet, ein bisschen versucht, nicht über Weihnachten nachzudenken."
Er nickte, als ob er das verstand. „Tut mir leid, dass ich dich überfallen habe. Ich wollte einfach sicherstellen, dass wir das klären, bevor das neue Jahr beginnt."
„Schon gut", antwortete ich leise. „Es musste ja irgendwann passieren."
Für einige Minuten fuhren wir schweigend weiter, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft. Die Straßen waren um diese Zeit erstaunlich leer, und die Stadt lag friedlich unter einer Decke aus Schnee. Die Lichter der Straßenlaternen warfen lange Schatten und tauchten alles in ein warmes, goldenes Licht.
„Du siehst gut aus", sagte Gabriel plötzlich und unterbrach die Stille. Ich drehte mich zu ihm um und sah, dass er mich aus dem Augenwinkel ansah, ein kleines Lächeln auf seinen Lippen. „Danke", murmelte ich, überrascht von seinem Kompliment. „Deine Schwester hat mir befohlen ein Kleid anzuziehen. Sie ist wirklich gut darin Menschen zu drohen, das glaubt man bei ihr nicht"
„Ja, man unterschätzt sie manchmal. Mit was hat sie dir denn gedroht? Ich dachte immer, so etwas funktioniert bei dir nicht. Immerhin bist du die eiserne Anwältin"
Ich schmunzelte und weichte der Frage aus. In Gedanken lächelte ich darüber, dass Violett mir angedroht hatte, meinen ganzen Vorrat an Rotwein zu vernichten, wenn ich mich nicht ordentlich kleidete. „Ach, sie hat einfach ein paar unschlagbare Argumente vorgebracht. Manchmal ist es besser, einfach nachzugeben, um den Frieden zu wahren." Als wir die Bar erreichten, parkte Gabriel den Wagen und drehte sich zu mir. „Bereit?"
Ich atmete tief durch und nickte. „Bereit."
Wir stiegen aus und machten uns auf den Weg zur Bar. Der Eingang zum „Jack's" war festlich geschmückt, und die bunten Lichter glitzerten wie kleine Sterne in der winterlichen Nacht. Die Bar selbst war ein charmantes, rustikales Gebäude mit knarrenden Holzdielen und alten, holzgetäfelten Wänden, die von den unzähligen Stammgästen Geschichten erzählten. Das „Jack's" war ein Ort, der das Herz der Kleinstadt widerspiegelte: ein bisschen altmodisch, aber gemütlich und einladend.
Als wir die Tür öffneten, wurden wir von der Wärme und dem lebhaften Treiben im Inneren begrüßt. Die Bar war in sanftes Licht getaucht, und der Duft von frisch gebackenem Brot und gebratenem Fleisch hing in der Luft. An den Wänden hingen alte Fotos von Bakewell, und die Tische waren festlich mit bunten Lichtern und kleinen Silvesterhüten dekoriert.
Die Menschen schienen hier wie eine große Familie zu sein. Jeder schien jeden zu kennen, und die Gespräche waren laut und voller Lachen. Der Barkeeper, ein freundlicher, älterer Herr mit einem grauen Bart, grinste uns entgegen. Die Atmosphäre war so warm und einladend, dass es mir leicht fiel, mich zu entspannen. Die Leute in der Bar tanzten zu den mitreißenden Rhythmen der Liveband, die in der Ecke spielte, und überall um uns herum waren fröhliche Gesichter. Wir bahnten uns unseren Weg durch die Menge, und ich entdeckte Dexter an einem Tisch, der uns bereits erwartete und fröhlich winkte.
„Da seid ihr ja! Ich dachte schon, ihr würdet uns im Stich lassen!"
„Keine Sorge, wir sind hier", antwortete ich und setzte mich. „Hast du schon ohne uns angefangen?" Ich sah zwei leere Bierflaschen auf dem Tisch stehen. Dexter lachte.
„Ihr dürft nicht sauer sein, ihr habt mich alle warten lassen. Außerdem habe ich nur ein wenig vorgeglüht"
Gabriel schnaufte belustigt und gab einem Kellner das Handzeichen, dass er bitte zu uns kommen sollten. Im nächsten Moment kamen Violett und Connor zu uns gelaufen. „Tut uns leid für die Verspätung!", sagte meine beste Freundin etwas aus der Puste. Connor begrüßte uns und platzierte sich zwischen Dexter und Violett. „Sparkels hat uns noch etwas aufgehalten", sprach er und lehnte sich glücklich lächelnd zurück. Wissend hob ich eine Augenbraue. „Sparkels oder hat dich eher Violett aufgehalten?"
Violett wurde sichtlich rot und murmelte etwas Unverständliches, während sie versuchte, ihre Verlegenheit zu verbergen. Connor grinste frech und antwortete: „Oh, definitiv Violett. Wir mussten uns schließlich noch von unserem eigenen, privaten Silvesterfeuerwerk erholen."
Violett stieß ihm spielerisch in die Seite und sagte, während sie versuchte, die Röte aus ihrem Gesicht zu vertreiben: „Connor!!", zischte sie leise.
„Das wollte ich jetzt echt nicht hören", grummelte Gabriel und warf Connor einen warnenden Blick zu. Selbst ich war etwas verstört, aber Dexter hatte es noch schlimmer erwischt. Er verschluckte sich an dem letzten Schluck seines Bieres und hustete heftig.
„Zu viele Informationen! So etwas kann man nicht einfach so in den Raum werfen!"
„Sagt gerade der Richtige", erwiderte ich schnell, obwohl es der Wahrheit entsprach. Dexter erzählte gerne von seinen nächtlichen Abenteuern, besonders wenn er ein bisschen in Stimmung war. Doch ehe wir weiter darüber sprechen konnten, kam der Kellner und nahm unsere Bestellung auf.
Ich entschied mich für eine Cola, was Dexter sofort kommentierte. „Kein Bier?", fragte er überrascht, als unsere Getränke kamen.
Ich schüttelte den Kopf. „Das neue Jahr wird alkoholfrei für mich beginnen", erklärte ich, woraufhin alle erstaunte Blicke auf mich richteten. Nur Gabriel lächelte leicht, als ob er das schon vermutet hätte. Hielten mich meine Freunde wirklich für so abhängig von Alkohol, dass sie überrascht waren, wenn ich mal nüchtern war?
Doch bevor ich mich weiter über diese Gedanken verlieren konnte, lehnte sich Dexter zurück, hob sein neues Bierglas und grinste verschmitzt. „Zum Glück haben wir ja noch das alte Jahr, um ordentlich anzustoßen!"
Und das war's für diesen Abend im „Jack's"! Was für eine Mischung aus Emotionen. Aber jetzt bin ich neugierig:
Was denkt ihr über Blue und Gabriel?
Glaubt ihr, Blue hält ihr Versprechen und bleibt im neuen Jahr alkoholfrei?
Was erwartet ihr als Nächstes in der Geschichte?
Ich freue mich schon auf eure Kommentare und Theorien. Danke, dass ihr dabei seid.
Eure fantasyideas :)
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